Als Universitätsstadt nehmen auch viele Studenten am Lauf teil und werden hierfür mit einem Rabatt von 10 Euro auf die Startgebühr belohnt. Gleichzeitig tragen sie hier noch mit dem Studenten-Cup eine Sonderwertung aus. Auch dies bringt eine Menge junge, begeisterungsfähige Menschen an die Strecke. Zusätzlich sorgen noch über 200 Künstler an der Strecke verteilt immer wieder für Höhepunkte und Unterhaltung. Berühmt sind in Münster die Stelzenläufer, welche in atemberaubenden Kostümen Läufer und Zuschauer staunen lassen. Auch andere Akrobaten, Samba Tanz– und Trommelgruppen sowie verschiedene Bands sorgen dafür, dass die Stimmung immer wieder hochkocht.
Der Marathon in Münster ist ein interessanter Mix aus Stadt- und Landmarathon. Jetzt laufen wir Richtung Nienberge mal etwas ländlich. Schon länger werde ich von immer mehr Staffelläufern überholt. Sie kann ich gut an den Startnummern auf ihrem Rücken erkennen. An der Halbmarathonmarke ist wieder einer der Wechselpunkte. Bei 1400 Staffeln herrscht natürlich hier ein großes Gedränge, doch da der Wechsel außerhalb der Strecke stattfindet, stört es uns Marathonläufer kaum. Erst wenn der frische Läufer wieder auf die Strecke wechselt wird es schon einmal hektisch. Aber meistens haben auch sie nach 500 Metern ihr Tempo gefunden.
Zum Glück wird nun der Regen weniger und hört schließlich ganz auf. Dadurch steigt natürlich die Stimmung im Feld. Allerdings sind meine Schuhe und Kleidung inzwischen eh pitschnass und mein Ischiasnerv rebelliert schon seit längerem.
In Nienberge selbst werden wir Läufer auch mit einer Riesenstimmung empfangen. Dicht gedrängt stehen hier in den Kurven die Menschen und lassen sich von Musikgruppen, Akrobaten und Stelzentheater in Stimmung bringen. Dazu haben sie alle möglichen Instrumente mitgebracht um die Läufer mit einem ohrenbetäubenden Lärm nach vorne zu treiben.
Danach wird es wieder etwas ruhiger und es geht nun durch die grüne Lunge Münsters. Vorbei an den beliebten Ausflugszielen „Rüschhaus“ und „Haus Vögeding“. Im Rüschhaus hat die Dichterin Anette von Droste-Hülshoff 20 Jahre ihres Lebens verbracht. An die bedeutendste Dichterin des Münsterlandes erinnert heute ein Museum. Während ich vergeblich versuche, ihr Gedicht „Der Knabe im Moor“ aufzusagen, nähern wir uns dem Kilometer 25. Da konzentriere ich mich lieber wieder auf die Verpflegung, bevor der „Knabe“ beim Lauf in Gefahr gerät.
Natürlich ist auch hier im ländlichen Bereich jeder Kilometer ausgeschildert und die Strecke mit einer blauen Linie markiert. Mitten im Gelände sorgt die 40köpfige afrokubanische Trommelgruppe „Taka-Tun“ wieder für Stimmung. Dies ist auch notwendig, denn nun müssen doch etliche Läufer notgedrungen immer wieder einige Schritte gehen. Gut, dass es genügend Verpflegungsstellen gibt. Cola und Bananen sind nun auch gefragt und werden reichlich verteilt.
In Roxel geht es wieder hoch her. Hier versucht man erfolgreich den Powerpoint in Nienberge zu toppen. Mit Samba-Trommelgruppen, Cheerleader und Drachendame Lizzy werden die Läufer erfolgreich gedopt. Das Publikum feiert sich und die Läufer ausgelassen. Das gibt uns einen guten Vorgeschmack auf den Zieleinlauf.
Kilometer 30 ist erreicht und wir laufen wieder Richtung Gievenbeck. Ein etwas schwieriger Punkt, denn das Ziel ist noch 12 Kilometer entfernt. Da muss man jetzt durch. Zeit für ein wenig Meditation. Man wird ja immer wieder mal gefragt: „An was denkt ihr auf der Strecke denn so?“ Bei mir schwankt es zwischen flotten Musikstücken und „gar nichts“. Dann schaue ich auf meine Uhr und stelle fest, dass wieder eine halbe Stunde vergangen ist.
Jetzt sind wir plötzlich in Gievenbeck. Im Zentrum steppt hier der Bär. Auf einmal sind wieder jede Menge Zuschauer an der Strecke und Stelzenkünstler als Reptil- und Tentakelwesen lassen mich staunen. Hier haben wir bereits Kilometer 36 erreicht und es beginnt der lange Zieleinlauf. Die Zuschauerreihen werden immer dichter und der Lärmpegel immer höher. Alles was Krach macht ist im Einsatz und verstärkt das rhythmische Beifallklatschen. Die Musikgruppen werden davon fast übertönt und an seine Wehwehchen denkt nun niemand mehr. Auch ich vergesse ganz die Einkehr am Weinstand und schwebe lieber auf Wolke 7 ins Ziel.
Trotz des Zuschauergedränges kann ich Inge und Christiane erkennen und ihnen glücklich zuwinken. Nach 4:26:40 habe ich die Ziellinie überquert und belege damit Platz18 in meiner Altersklasse.
Ich bekomme eine schöne Medaille und kann mich auf dem abgesperrten Prinzipalmarkt in Ruhe verpflegen und erholen. Die Staffelläufer dürfen nur mit dem Schlussläufer einlaufen und können sich später in einem Extrabereich treffen und austauschen. Dadurch bleibt es hier auch geordnet und übersichtlich. Ich kann mich auf den bereitstehenden Bänken erholen und mit den anderen Läufern ein wenig austauschen.
Wir sind uns einig, dass auch in diesem Jahr der Marathonlauf – trotz des schlechten Wetters - wieder Spitze war. Da werden auch im nächsten Jahr viele wiederkommen. Über den Lautsprecher erfahre ich, dass Eleni Gebrehiwot mit 2:29:12 einen neuen Streckenrekord bei den Frauen geschafft hat. Die gebürtige Äthiopierin startet für den TV Wattenscheid und hofft auf die deutsche Staatsbürgerschaft in 2014. Mit dieser Zeit hat sie bereits die EM Norm geschafft.
Zum Schluss hole ich mir noch das Finishershirt, welches wie immer sehr gelungen ist. Als ich den Absperrbereich verlasse, treffe ich meine beiden Fans, welche mich bereits erwarten. Zusammen nutzen wir noch die Altstadt, um beim Spanier unseres Vertrauens über unsere Erlebnisse zu berichten. Einig sind wir uns, dass wir im nächsten Jahr auch wieder gerne zu den Wiederholungstätern zählen möchten.
Fazit: Der Marathonlauf ist ein schöner Mix aus Stadt- und Landschaftslauf. Die vielen Künstler und die begeisterten Zuschauer machen die 42 Kilometer zu einer Riesenparty. Der Veranstalter hat alles getan, um die Wetterunbilden abzumildern. Der Zieleinlauf am Prinzipalmarkt ist einmalig und sorgt auch bei niedrigen Temperaturen für heiße Emotionen.
So etwas macht süchtig und ich schaue bereits auf den Termin (14.09.2014) für das nächste Jahr.