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Laufberichte

Grenzenloser Jubilauf

 

In unseren unruhigen Zeiten setzen Sportveranstaltungen ein Ausrufezeichen des friedlichen Miteinanders. So auch der Marathon in Münster. Erst heißt es, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus 45 Nationen in der Universitätsstadt zusammen kommen. Vor dem Start korrigiert Cheforganisator diese Zahl schon auf 47 und zwischendurch sprechen die Moderatoren schon von 55.

Egal welche Zahl letztendlich stimmt, wieder einmal geht aus der Stadt des westfälischen Friedens ein deutliches Zeichen aus, dass ein friedliches Zusammenleben möglich ist. Ein Zeichen, dass dem Jubiläum der 20. Austragung angemessen ist. Ebenso, wie die Gesamtteilnehmerzahl von über 9.000 Menschen. Verteilt ist das Teilnehmerfeld allerdings auf die verschiedenen Läufe, wie u. a. Staffelmarathon und 28 Kilometerlauf. Bei der ersten Auflage waren es gerade einmal knapp 5.000, dafür aber nur auf der Marathonstrecke. Einer dieser Laufverrückten war damals  auch ich. Angesteckt von der überwältigenden Atmosphäre habe ich seitdem keine Austragung ausgelassen, weswegen ich auch heuer mit Silke voller Vorfreude anreise.

Die Stimmung lockt die Läufer zu Recht nach Münster, diese ist immer wieder sensationell. Ansonsten gibt es öfters kleine Änderungen. Das merke ich gleich bei der Startnummernausgabe, Ich erreiche sie diesmal direkt, ohne über eine Marathonmesse geführt zu werden. Als Entschädigung für entgangene Schnäppchen halte ich nach wenigen Minuten meine Startunterlagen in Händen. Damit bleibt genügend Zeit, in unserem Quartier einzuchecken und den Abend in Münster zu genießen. Zur Entspannung haben wir diesmal das englische Pub The James ausgesucht. Aus gegebenem Anlass trinken wir noch einen auf Queen Elisabeth und King Charles ehe es zur zeitigen Nachtruhe geht.

 

 

Früh am Marathonmorgen machen wir uns auf zum Start am Schlossplatz, der vor 20 Jahren noch den Namen von Reichspräsident Hindenburg trug. Sein umstrittener Umgang mit den Nationalsozialisten sorgten in der Bevölkerung Münsters dafür, dass der Platz wieder umbenannt wurde. Mich interessiert auch heute aber nur der Start. 2002, als noch unerfahrener Marathoni, der sich erst zum dritten Mal an dieser Strecke versuchen sollte, war ich ziemlich nervös und aufgeregt. Sollte sich mit der seither gesammelten Erfahrung eigentlich gelegt haben, aber es kribbelt noch genauso, wie damals. Da ist jede Ablenkung willkommen, wie die von Finja und Martin, die sich als eifrige Leser unserer Seite outen. Zudem kann ich verschiedene Bekannte begrüßen, wie Tanja, mit der ich zuletzt in Osnabrück unterhaltsame 6 Stunden unterwegs war, Fernando aus meiner Heimatstadt, der heute seine Premiere erfolgreich meistern wird oder HaWe, der wieder zuverlässig den Besenläufer gibt. Da vergeht die Wartezeit wie im Flug, bis ich letztlich doch noch entspannt mit der Läuferschar auf die Strecke gelassen werde.

Das große Teilnehmerfeld hat die Startmatte noch nicht passiert, da werden wir bereits von Michel im Dienste der deutsch-französischen Freundschaft fröhlich begrüßt und angefeuert. Seit vielen Jahren ist er dafür in verschiedenen Outfits in den Farben der Trikolore unterwegs. Heute erinnert sein Kostüm an Superman. Vorbei geht es auf den ersten Metern an den dicht gedrängten Zuschauern. Ich genieße schon jetzt die Anfeuerung und lasse mich antreiben. Um mich herum nur entspannte Läufer, als ich nach wenigen hundert Metern in die Aegididstraße Richtung Innenstadt abbiege. Farbenfroh grüßen die ersten Stelzenläufer, die erste Band treibt uns mit ihrem Beat an. Kurz darauf warten links traditionell die Müllwerker, die ihre Mülltonnen zweckentfremden und wild darauf herum trommeln. Dann biege ich am LWL-Museum nach links ab. Ich bewundere Attila Lajos, der anscheinend die Strecke Bälle jonglierend bewältigen will. Das geht für mich weit über die pure Lust am Laufen hinaus, die alle Läufer heute ausstrahlen.

 

 

Nach einer Rechtsbiegung kommt die Überwasserkirche in den Blick, das erste von zahlreichen Gotteshäusern, die ich heute noch passieren werde. Gegenüber befindet sich das bekannte Antiquariat Solder, vielen Krimifreunden aus der Serie Wilsberg bekannt. Vielleicht sollten die Autoren den Marathon mal in eine Story integrieren, damit er auch hier mal auf einem Bild erscheinen kann. Rechts der Strecke grüßt jetzt das Priesterseminar des Bistums Münster, das bei der Premiere noch nicht errichtet war. Ich umlaufe es nach rechts, um mich weiter im Innenstadtbereich zu halten. Als Wiederholungstäter weiß ich mittlerweile, auf welche Motive ich achten muss, weshalb ich mir das Denkmal des Kiepenkerls neben dem gleichnamigen Restaurant links nicht entgehen lasse. Vielleicht nicht so schnell wie wir, aber eine Art Läufer war er zu seiner Zeit dennoch. Mit seiner „Kiepe“, einem geflochtenen Rückkorb, brachte er nicht nur Waren unter die Leute im Münsterland, sondern verbreitete gleichzeitig die letzten Neuigkeiten. Derweil führt uns die Strecke über die Neubrückenstraße erst einmal aus der Altstadt in Richtung Promenade hinaus.

Es folgt das nächste Beispiel des Wandels der Zeit. Das zerstörte Münsteraner Theater wurde nach dem 2. Weltkrieg modern wieder aufgebaut, wobei einige alte Mauerreste integriert wurden. Was man nicht mehr bewundern kann, ist die Stadtmauer. Sie musste der Promenade weichen, die ich bei KM 3 zum ersten Mal erreiche. Sie ist dreispurig, wobei die mittlere Spur, die den Radfahrern gehört,  die breiteste ist.

Den Schatten der Bäume brauch ich noch nicht, denn der Himmel ist bewölkt. Wir erreichen das Kreuzviertel und laufen die nächsten drei Kilometer durch dieses Wohnviertel geführt. Viele Bewohner zollen uns Aufmerksamkeit und spenden Applaus. Manche genießen dabei ihr Frühstück im Freien. Der Marathon ist wieder einmal ein willkommenes Fest. Ich laufe auf einen Treueläufer-Kollegen auf. Es ist Stefan, den ich aus Video kenne, das der Veranstalter in den sozialen Medien seinen Dauer(b)rennern gewidmet hat.

Am Ende des Kreuzviertels liegen mehr als 6 KM hinter mir und ich biege ein letztes Mal auf die Promenade ein. Ich unterhalte mich kurz mit Klaus, der heute wieder als Pacemaker seinen Job macht und wie ich 2017 hier seinen 100. Marathon finishte. Da werden Erinnerungen wach. Nach rechts abbiegend grüßt die Ludgerikirche, einer der ältesten Sakralbauten Münsters aus dem 12. Jahrhundert. Davor die Skulptur der 100 Arme der Guan-yin aus dem Jahre 1997. Errichtet wurde sie im Rahmen der Kulturausstellung Skulptur Projekte, die alle 10 Jahre in Münster stattfinden. Dabei werden im öffentlichen Raum über die ganze Stadt verteilt immer neue Objekte aufgestellt, von denen einige erhalten bleiben.

 

 

Am Stadtmuseum biege ich nach links ab. Auffallend sind die zwischen Pflastersteinen platzierten Metallplatten, die auf verschiedene Hansestädte hinweisen. Zeichen einer Zeit florierenden, aber auch nicht immer friedlichen Handelns. Denn auch die Hanse war in Kriege verwickelt und wusste ihre Interessen zu wahren. Hat sich bis heute also nicht viel geändert. KM 9 ist absolviert, ich laufe über die Stubengasse. Auch hier eine moderne Wohnbebauung, die es vor 20 Jahren noch nicht gab. Die Stadt lebt und entwickelt sich ständig weiter.

Ganz anders die Laufstrecke. Bis auf kleine Optimierungen hier und da, bleib sie fast unverändert.  Deshalb bin ich nicht überrascht, als ich bei KM 10 den Prinzipalmarkt erreiche und das Ziel erblicke. Die Stimmung ist schon prächtig, wird aber erst ihren Höhepunkt erreichen wenn die Marathonis die letzten Meter spurten. Michael Brinkmann ist am Mikro und versucht, möglichst viele Läufer namentlich zu begrüßen. Eine Stunde bin ich unterwegs, das liegt im gewünschten Zeitrahmen.

Nach links geht es zurück auf die Aegidistraße. Die Mülltrommler sind noch fleißig am Werk. Gleich darauf ist bereits die Band am Aegiditor zu hören. Da hier auch der erste Wechselpunkt der Staffeln ist, ist hier mächtig viel los. Der Jubel und Applaus beflügelt mich auf den kommenden Kilometern um den Aasee, der dem Hochwasserschutz dient und inmitten von Münsters schönstem Naherholungsgebiet liegt. Auf der Himmelreichallee erwartet  mich  eigenartiges, berittenes Getier, ohne das der Münster Marathon nicht vorstellbar ist.  Sambatänzerinnen erfreuen das Auge und erinnern an das Motto von 2014, Karneval in Rio.

Die nächsten Kilometer werden die Zuschauer an der Strecke weniger. Vereinzelt gibt es Anfeuerungen wie z. B. durch die Cheerleader, die uns auf den äußeren Ring leiten. Durchatmen und Konzentration auf’s Laufen ist angesagt. Die Strecke führt durch das Naturwissenschaftliche Zentrum in Richtung Gievenbeck. In der Unterführung die nächste Trommlergruppe, ihre Musik durch die Räumlichkeit verstärkt. Die Skulptur der auf der Spitze stehenden Pyramide ist heute nur noch Baustelle. Wandel wohin man sieht.

 

 

17 KM sind geschafft, in Gievenbeck die nächste Verpflegungsstelle. Auch wenn es heute nicht so heiß ist, trinken ist immer angesagt. Die Strecke biegt jetzt nach Norden ab. Vor mir eine Frau, die an ihrem Trikot als Ukrainerin zu erkennen ist. Schön, dass sie dabei ist, auch wenn der Krieg in ihrem Land schrecklich ist. Ich verlasse Gievenbeck kurz hinter KM 18. Michel wartet bereits, um mich anzufeuern. Nicht das letzte Mal, dass ich ihn heute sehe, denn wiederholt wird er das Feld auf seinem Fahrrad überholen, um anschließend wieder Beifall zu spenden.

Die nächsten 2 Kilometer führt die Strecke über die Felder und die Autobahn nach Nienberge, dem nördlichsten Punkt, den wir heute erreichen werden. Maria läuft auf mich auf. Ich lasse mir nicht anmerken, dass ich ihr wohl nicht lange werde folgen können. Gibt auch noch keinen Anlass dazu, denn trotz kurzer Gehpausen erreiche ich die Halbmarathonmarke kurz vor Nienberge nach 2:13 Stunden.  Die nächsten ungeduldigen Staffelläufer, bunte Strauße und fröhliche Zuschauer warten. Zudem kann ich wieder Wasser fassen und erfrischt den Ort durchlaufen. Rainer läuft auf mich auf, ich freue mich, ihn wieder zu sehen. Auf den folgenden Kilometern hinaus nach Roxel werde ich ihm trotzdem nicht folgen können.

Ich lasse den Blick über die Felder schweifen. Nach vorne und hinten sind die Läufer wie an der Schnur aufgereiht und durchschneiden das satte Grün. Stille wechselt sich ab mit heißen Rhythmen, wo man sie nicht erwartet hat. Kurz hinter KM 25 Verpflegungsstelle Haus Vögeding. Geboten wird, was das Läuferherz am meisten begehrt, Wasser, Iso, Cola dazu Bananen und Orangen. Kurz darauf erscheint der Kirchturm von St.-Pantaleon am Horizont. Roxel ist nicht mehr weit. Vorbei an einer Baumschule erreiche ich den Ort. Zuschauer und Verpflegung warten und geben frischen Mut.

 

 

Die Uhr bei KM 30 zeigt mittlerweile 3:16 Stunden an. Bin gespannt, ob ich das jetzige Tempo einigermaßen halten kann. Dabei helfen könnte mir das Treffen mit Dominik und Lukas, die heute ihren ersten Marathon bestreiten. Immer wieder werden wir uns auf dem Rest der Strecke gegenseitig überholen. Abwechslung ist angesagt. Das ist gut, denn die folgenden Kilometer führen durch Felder. Ein letztes Mal quere ich die A1. Kurz darauf der letzte Staffelwechsel. Außer einigen Marathonis kann ich überwiegend Staffelläufer um mich herum erkennen. Dadurch bin ich zwar nicht allein unterwegs, kann mich aber auch nicht ihrem Tempo orientieren. Die Sonne ist mittlerweile hinter den Wolken hervorgekommen und macht das Laufen nicht einfacher.

 

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Impressionen

(Silke Pitz)

 

 

 

KM 32,5: Am liebsten würde ich auf der Roxeler Straße geradeaus laufen, so wie die Strecke bei der Premiere verlief. Doch damit käme ich heute nicht auf die geforderten 42,195 Kilometer. Deshalb lasse ich mich nach links leiten und laufe nach Gievenbeck. Auch hier viele neue Gebäude. Rechts das Grasgrüne Freiherr-vom-Stein-Gymnasium. 2002 war diese noch am Schlossplatz verortet und bot Platz für die Startnummernausgabe. Aufgrund der Ansiedlung vieler junger Familien wurde es nach Gievenbeck verlegt.

In der nächsten geschwungenen Rechts-Links-Kombination erinnerte 2014 noch eine Zuschauergruppe an den frisch errungen Weltmeistertitel. Heute laufe ich hier durch den wilden Westen. Aufs Pferd schwinge ich mich zwar nicht, nehme aber am Saloon dankbar eine alkoholfreie Gerstenkaltschale entgegen. Es folgen die motivierenden Kilometer durch Gievenbeck. Über die Strecke sind die bisherigen Finishershirts gespannt. Die Spinninggruppe tritt wie eh und je kräftig in die Pedale. Die Damen in der nächsten Kurve brennen für uns. Da kann nichts mehr schief gehen. Weniger motivierend ist, dass mich die Pacemakerin für 4:45 Stunden überholt. Auch wenn ich nicht dranbleiben kann, versuche ich es in Richtung Kaserne noch einmal. An dieser vorbei kann ich sogar Dominik und Lukas einholen.

 

 

Auch wenn die Beine mittlerweile schwer sind, mache ich mich weiter auf die letzten Kilometer. Mit dem Schild „noch KM 39“ macht man einen Scherz mit uns. Die Cheerleader kurz vor KM 40 sind immer noch aktiv, da will ich natürlich nicht nachstehen. Eine letzte Cola und ich habe frische Kräfte für die finalen Meter. Über die Himmelreichallee erreiche ich den Aasee und KM 41. Den hier angebotenen Schoppen Wein gönne ich mir, ehe es ein letztes Mal auf die Aegidistraße Richtung Prinzipalmarkt geht.

Am Powerpoint Aegidimarkt die letzten Aufmunterungen, dann  beginnt das Kopfsteinpflaster, was bedeutet, ich habe nur noch wenige Meter vor mir. Rechts und links stehen die Zuschauer Spalier. Der Lärm wird immer lauter,  als es endlich  auf den Prinzipalmarkt geht. Der Zielbogen zu sehen, unter den Füßen der rote Teppich, über mir das bunte Fahnenmeer. Rechts lächelt mir Silke entgegen. Voraus grüßt St. Lamberti mit der neu installierten Himmelsleiter. Ich überquere die Ziellinie und fühle mich im Himmel angekommen, als Held gefeiert, wie jeder Teilnehmer.

Ich bekomme meine verdiente Medaille und nach der reichlichen Zielverpflegung wartet eine besondere Ehrung. Als Treueläufer darf ich zum „Time to say goodbye“ auf die Tribüne. Für die 20. erfolgreiche Teilnahme bekommen die Treueläufer eine Jacke überreicht, eine wunderbare Geste. Aber nicht nur wir werden hier wert geschätzt, sondern jede Läuferin und jeder Läufer. Deshalb gilt auch heute wieder mein Dank Michael Brinkmann und seinem großen Helferteam für eine fantastische Jubiläumsveranstaltung. Ich freue mich jetzt schon auf das nächste Jahr.

 

Informationen: Volksbank Münster-Marathon
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