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Laufberichte

Von Neulingen und Jubilaren

30.01.10

Einen Winter wie schon lange nicht mehr haben wir dieses Jahr! Seit Ende Dezember abwechselnd Schneefall und Kälte. Kurz hoffte man, dass sich „bis Rodgau“ alles beruhigt hätte, aber rechtzeitig am Tag und in der Nacht vor dem Lauf schneite es und wurde wieder kälter. Über elfhundert Voranmeldungen, das war Rekord! Was aber machte der Winter aus diesen Zahlen? Er bescherte den erfolgsverwöhnten Organisatoren den ersten Rückgang, sowohl bei den Teilnehmer-, als auch den Finisherzahlen.

Als ich 2003 das erste Mal bei den 50 Kilometern in Rodgau dabei war, beendeten 232 Läuferinnen und Läufer den Lauf regulär, 38 brachen ihn vorzeitig ab, das waren 14%. Seitdem stiegen diese Zahlen jedes Jahr und im Jubiläumsjahr 2009 gab es 524 Finisher und 219, die den Lauf vorzeitig beendeten, also 29% Abbrecher.

Diese Zahlen zeigen die ständig zunehmende Attraktivität des Laufes. Nach Rodgau geht man, um seine Form zu testen und nicht unbedingt, um die vollen 10 Runden zu laufen. Wer in Rodgau vorzeitig aufhört, gilt nicht als jemand, der den Lauf nicht schafft, sondern ist beinahe der Normalfall! Auch dass die Anmeldezahlen stets sehr viel höher sind, als die tatsächlich am Start angetretenen Läufern wird dadurch unterstützt, dass die Anmeldung ziemlich unverbindlich ist, denn das Startgeld muss man erst bei Abholung der Startnummer bezahlen.

Über tausend Voranmelder gab es dieses Jahr und nur 656 davon haben bezahlt und standen am Start. Viele hatten sich wohl durch die zu erwartenden schlechten Laufbedingungen abhalten lassen. Wer weiter weg wohnt, hatte vermutlich auch Sorge vor den Schneeverhältnissen bei der Anfahrt. Um aber die Zahlen zu vervollständigen: 246 Abbrecher, bzw. 38%. Ganz sicher hatten die nicht alle geplant, vorzeitig auszusteigen!

Wir vier Teilnehmer aus Stuttgart-Stammheim ließen uns nicht abschrecken. Zwar waren auch in Stuttgart über Nacht vielleicht fünf Zentimeter Schnee gefallen, die Autobahn aber würde frei sein. In der Tat waren wir nach knapp zwei Stunden in Rodgau, staksten über den vereisten Parkplatz und hatten nach wenigen Minuten unsere Startnummern. Hannes wollte heute seinen ersten offiziellen Ultra laufen, Bernd plante mit dem fünften Lauf in Rodgau sein kleines Jubiläum, Angelika wollte ihren 100. Marathon/Ultra beenden und ich, nun, ich laufe immer in Rodgau, denn Rodgau ist Kult, wie es Joe in seinem Bericht so schön darstellt.
In einem Mail der Organisation die Tage vorher wurden wir Teilnehmer beruhigt, dass die Strecke am Freitagnachmittag geräumt wird und bei Bedarf auch noch mal am Samstagmorgen. Bereits auf dem Weg zum einen Kilometer entfernten Start aber wurde mir klar, dass dieses Jahr auf Schnee gelaufen werden muss, kein Fitzelchen Asphalt war zu sehen, nur Schnee, der das darunterliegende Eis bedeckte – das konnte ja heiter werden.

Wie immer legte ich meine Wechselkleidung an der Hütte bei Start und Ziel ab, als Möglichkeit für einen Kleidertausch während des Rennens, auf jeden Fall aber zum Tausch der verschwitzten Kleidung nach dem Lauf. Dann reihte ich mich in die Menge der Wartenden ein.

Vom Gefühl her standen dieses Jahr so viele am Start wie noch nie, der nachträgliche Blick auf die Zahlen zeigte dann aber, dass es 87 weniger als im Vorjahr waren. Eng genug ging es aber trotzdem zu. Seit 2007 aber wird die Nettozeit erfasst, so dass man keine Sorge haben musste, dass man Zeit verlieren würde. Nahezu pünktlich wurde der Lauf um 10 Uhr gestartet und eine Minute später lief auch ich durch die „Zeitohren“ und war auf der Strecke.

Bereits nach hundert Metern ging das Armband meiner Pulsuhr kaputt und ich musste die Uhr in meinen Handschuh „wursteln“. Da war es mir eine große Erleichterung, als ich nach wenigen hundert Metern Klaus Duwe an der Verpflegungsstelle mit dem Fotoapparat sah und er mir versicherte, dass ich keine Bilder machen müsse. Der Fotoapparat durfte also in der Jackentasche bleiben und ich konnte mich auf das Laufen konzentrieren. Die Verpflegungsstelle selbst ignorierte ich zu diesem Zeitpunkt noch, warum auch sollte ich nach noch nicht Mal einem Kilometer bereits etwas trinken?

Nach der Verpflegungsstelle kamen die berüchtigten 1,5 Kilometer über freies Feld. Zum Glück aber blies heute kein Wind, zumindest jetzt noch nicht, die Temperatur lag bei moderaten -2 Grad und bei km 1.8 kam man dann sowieso in den Wald und  wäre windgeschützt. Schnurgerade führte der Weg durch den Wald, bis es dann im rechten Winkel nach links auf das Pendelstück ging. Wie immer war das der interessanteste Teil der Strecke, konnte man doch die Entgegenkommenden beobachten. Allerdings ging es hier auch recht eng zu. Hier hatte man nicht nur Gegen-, sondern auch Überholverkehr. Die schnellen Läufer waren hier bereits in ihrer zweiten Runde und mussten sich mühsam an uns Langsamen im hinteren Feld „vorbeidrängen“.

Kurz nach Kilometer drei kam man dann wieder auf freies Feld, bis es nach etwa 500 Meter wieder in den schützenden Wald ging. Nun lief man auf noch schlechtem Waldweg den Zaun entlang, der das Opel-Testgelände schützte, bog dann nach rechts ab und konnte es dann die letzten 700 m auf ganz sanftem Gefälle abwärts „rollen“ lassen, bis zum Rundenende.

Mit „rollen lassen“ war es heute aber überhaupt nichts. Der Schnee machte dieses Wegstück für mich zum Schwersten der kompletten Runde und Zeit konnte ich hier nicht gut machen. Die Uhr zeigte dann auch knapp 35 Minuten für die ersten fünf Kilometer. Damit läge ich ja noch innerhalb meines selbstgesteckten Zeitlimits, falls ich diese Rundenzeit auch durchgängig einhalten könnte. Daran aber zweifelte ich bereits jetzt.

Ausgesprochen schlecht war der Untergrund ja nicht, aber weit vom Zustand all der Vorjahre entfernt. An keiner einzigen Stelle der 5-km-Runde konnte man entspannt auf Asphalt laufen. Stets war der Weg mit Schnee bedeckt, teilweise auch etwas vereist und beides kostete Kraft. Der Split, den man gestreut hatte, war längst in den Schnee getreten und nützte nichts mehr. Das würde heute eben eine knappe Sache werden! Der Schnellste bin ich ja nicht, im Vorjahr war ich 5:51 h unterwegs, dieses Jahr aber besser in Form und so hatte ich mir im Vorfeld ausgerechnet, dass ich die letztjährige Zeit deutlich unterbieten könnte. Nach der ersten Runde aber war mir klar, dass ich froh sein musste, wenn ich die Vorjahreszeit noch erreichen würde.

Sorgen aber machte ich mir keine. Ich hatte den Wintermarathon in Kevelaer vor drei Wochen in für mich guter Zeit gemeistert, die Woche darauf den Lauf in Leipzig bei schwierigsten Bodenverhältnissen auch geschafft, also sollte es hier, auf deutlich besseren Wegeverhältnissen auch klappen. Lediglich die 150 Meter zu Beginn der Runde waren kritisch, da man hier auf einer zentimeterdicken Eisschicht laufen musste. Wenn man sich aber ganz rechts auf dem Schneestreifen hielt, gab es auch hier keine Probleme und wenn man dann unten, die scharfe Rechtskurve unfallfrei überstand, war das Laufen wieder einigermaßen normal möglich.

Kurz danach kam ja die Verpflegungsstelle und man konnte sich wieder aufbauen. Alles was das Läuferherz bei solchen Witterungsbedingungen wünscht, war da. Vom warmen Tee, über kaltes Wasser, Cola oder Saft, bis zu Trockenfrüchten, Salzgebäck, Erdnüssen, Schokolade- und Müsliriegeln und noch mehr. Wie immer war die Verpflegung perfekt und vor allem von freundlichen Helfern betreut. Ein kurzer Aufenthalt, ein paar wenige Schritte, bis alles getrunken war und schon wieder ging es im Laufschritt weiter. Besonders muss ich hier erwähnen, dass das Cola auch noch bis zum Schluss angeboten wurde, war durchaus nicht Standard ist. Großes Lob an die Organisatoren!

In der dritten Runde überholte ich Patrizia, die sich heute vorgenommen hatte, ihren ersten Ultra zu laufen, mit genau einem einzigen Marathon Erfahrung. Begleitet wurde sie von Rüdiger und beide waren sie optimistisch. Klar, warum auch nicht. Ich bin ja sowieso der Meinung, dass ein Ultra für einen Neuling leichter zu laufen ist als ein Marathon; niemand erwartet schnelle Zeiten, man kann im Wohlfühltempo laufen und den Lauf richtig genießen – man sollte sich lediglich sorgfältig vorbereiten. Vorab schon das Ergebnis: die Beiden sind erfolgreich und glücklich nach 50 Kilometern im Ziel angekommen, nur knapp zwei Minuten nach mir!

Die ersten vier Runden konnte ich meine Rundenzeit von etwa 34 Minuten einhalten, dann aber bemerkte ich doch an allen möglichen Stellen meines Leibes die Auswirkungen der schlechten Wegbedingungen. Hier und dort tat es mehr als üblich weh und meine Oberschenkelmuskeln waren auch nicht mehr so, wie ich das gewünscht hätte. Also verabschiedete ich mich von einer besseren Zeit und nahm mir vor, zumindest innerhalb des offiziellen Zeitlimits von sechs Stunden ins Ziel zu kommen.

Bereits zwei Mal war das Fahrrad an mir vorbeigekommen, das dem Führenden den Weg bahnte. Beim dritten Mal sah er nicht mehr ganz so dynamisch aus, wie zu Beginn, trotzdem war ich jedes Mal begeistert, wie die Führenden doch leichtfüßig vorbeizogen. Für die schien der Schnee nicht zu existieren und so wunderte ich mich nicht, dass die diesjährige Siegerzeit nur wenige Sekunden langsamer war als im vergangenen Jahr. Allerdings musste der Vorjahressieger Thomas Dehaut den Verhältnissen auch Tribut zollen, war er doch ganze 10 Minuten langsamer und kam damit „nur“ auf den dritten Platz.

Meine Rundenzeiten aber wurden nun doch langsamer und ich rechnete bereits, ob ich mir eine Gehpause gönnen dürfte. Nein! Also joggte ich weiter in meinem langsamen Schritt. Angelika ging es nicht besser, aber klar war, dass wir nicht abbrechen würden.

So ab Runde sechs war es einigermaßen ruhig geworden. Ganz viele hatten bereits vorzeitig aufgehört, andere waren auf ihrer letzten Runde, Hannes hatte sich nach vorne abgesetzt und Bernd war sowieso schon viel schneller unterwegs und würde uns bald überholen.

Jeden Einzelnen, den ich jetzt überholte fragte ich nach der Zahl der restlichen Runden und nahezu alle hatten eine oder zwei Runden Vorsprung und hatten nun einen kleinen Durchhänger. Nur ganz wenige lagen mit uns gleichauf in der Rundenzahl und noch viel weniger lagen eine Runde hinter uns. Klaus hatte sich auch schon von der Strecke gemacht, ihm war zunehmend kälter geworden und vermutlich hatte er eh schon jeden Teilnehmer mehrmals fotografiert.

Auch mir war es jetzt kalt geworden und ich überlegte, ob ich meine Fäustlinge aus dem Kleiderbeutel holen sollte. Trotz warmer Fingerhandschuhe hatte ich eiskalte Hände. Die Zeit aber drängte, also hieß es, die kalten Hände noch drei Runden zu ertragen.

Irgendwann in Runde acht überholten wir Sigrid Eichner, die sich ebenfalls Sorgen machte, ob sie das Zeitlimit einhalten könne. Sie aber wusste natürlich auch, dass man in Rodgau großzügig war. Bisher noch jedes Jahr waren die Letzten mit einer Zeit von ca. 6:30 h im Ziel angekommen, warum sollte das diesmal anders sein?

Unglücklicherweise begann es dann in der neunten Runde zu schneien! Bald aber stellte ich fest, dass das so schlecht nicht war. An manchen Stellen war der Schnee „weggelaufen“ worden, der Asphalt schaute heraus. Da es auch kälter geworden war, bildete sich an diesen Stellen eine hauchdünne glatte Eisschicht, auf der ich ein paar Mal ausrutschte. Der Schnee aber deckte diese Stellen nicht nur zu, sondern machte sie wieder besser laufbar.

Lediglich auf der letzten Runde verfluchte ich das Schneetreiben. Nach der Verpflegungsstelle blies der Wind so stark, dass die Schneeflocken nahezu horizontal von links kamen. Innerhalb weniger Sekunden war meine linke Gesichtshälfte eingefroren. Mühsam schützte ich mich, indem ich meine Hand zu Hilfe nahm. Als es dann endlich rechtwinklig rechts weg ging und der Wind von hinten kam, war ich richtig erleichtert. Bis zum Ende aber ließ der Schneefall nicht nach.

Glücklich liefen wir dann ins Ziel und ich konnte Angelika zu ihrem 100. Marathon gratulieren, den sie tatsächlich noch innerhalb der Sollzeit geschafft hatte. Da ich weiter vorne gestartet war, lag ich einige Sekunden über der Sollzeit. Wie aber bereits gesagt, in Rodgau ist man großzügig und auch dieses Jahr wurde der Letzte mit 6:39:39 h in der Ergebnisliste geführt.

Wie dankbar war ich auch diesmal wieder über meine Wechselkleidung und den warmen Tee, der auch uns ganz am Ende noch angeboten wurde.Der anschließende Kilometer zurück zur Halle und den Duschen war dann nochmals eine Herausforderung. Nach der warmen Dusche aber war die Welt wieder in Ordnung, wir feierten mit einem Glas Sekt Angelikas Erfolg und machten uns dann auf den Heimweg. Zwei Stunden für die Herfahrt und vier Stunden für die Rückfahrt sagen alles über den neu hereingebrochenen Winter.

Rodgau war auch dieses Jahr eine Reise wert und nächstes Jahr bin ich wieder dabei, denn Rodgau ist Kult!

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Ergebnisse 50 km Ultramarathon

Männer

1 Glyva, Evgenii Symi, Ukraine Malaya Pavlovka  3:08:34,4 
2 Hegmann, Tobias Groß-Umstadt TSG Kleinostheim  3:15:14,6
3 Dehaut, Thomas Obernheim-Kirchenarnbach LLG Landstuhl 3:18:27,1

Frauen

1 Ulrich, Veronika Offenbach LG TELIS FINANZ Regensburg  3:49:41,9  
2 Friedländer, Katja Niedernberg   4:06:39,4   
3 Müller, Antje Rötha SV Eula 4:20:59,4  

Streckenbeschreibung
Zehn Runden je 5 km,

Kosten
25 Euro bei Voranmeldung, zu bezahlen bei Abholung der Startunterlagen, Nachmelder zahlten 30 Euro

Teilnehmer
1.130 Voranmeldungen, 656 waren am Start 410 liefen die gesamten 50 km

Zeitnahme
Bibchip, in der Startnummer integriert, wird beim Durchlaufen zwischen zwei Messstationen erfasst; super Ergebnislisten mit allen Zwischenzeiten

Auszeichnung
Jeder Teilnehmer erhielt bei der Startnummernausgabe einen Buff.

Verpflegung 
Etwa 700 Meter nach dem Start- und Zielbereich mit Wasser, Tee, Iso, Cola, Bananen, Riegel, Rosinen, Schokolade, Kekse (salzig und süß), und, und, und.

Zuschauer
Wenige Begleiter im Zielbereich; einige auch in Laufgegenrichtung auf der Strecke.

 

Informationen: Ultramarathon Rodgau
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