Die Laufszene ist voller Phänomene. Der Rodgauer Ultramarathon ist so eines. Oder wie will man über 1100 Anmeldungen für einen 50er mitten im Winter erklären, wenn man dazu noch weiß, dass jede windanfällige und jede matschige Passage gleich zehnmal auf einen wartet, weil man die 50 km auf einer 5km-Runde sammelt, die Halle vor und nach dem Rennen aus allen Nähten platzt und wahrscheinlich nur die Top-Ten in den Genuss einer heißen Dusche kommen?
Nach Rodgau kommt man eben nicht, um sich mit solchen Nebensächlichkeiten zu beschäftigen. Nach Rodgau kommt man, weil einem echten Marathoni und Ultraläufer der Winter, egal ob weiß oder grau, viel zu lange dauert. Weil man seine Freunde und Kameraden vermisst und die Atmosphäre, die es nur bei einem ursprünglichen, handgemachten Lauf gibt.
1100 Anmeldungen kommen auch deshalb zusammen, weil man sich mehr oder weniger „unverbindlich“ anmeldet, denn bezahlt wird, wenn man seine Startnummer abholt. Reizvoll ist auch die Möglichkeit, nach jeder Runde auszusteigen, ohne dass einem ein Makel anhaftet. Man hat dann halt einen langen, unterhaltsamen Trainingslauf gemacht und auch nie etwas anderes vorgehabt. Trotzdem sei erwähnt, dass sagenhafte 587 Läuferinnen und Läufer (Rekord!) über die volle Distanz gehen. Ich kenne etliche Veranstalter, die würden angesichts eines solchen Ergebnisses vor Freunde an die Decke springen.
An die Decke springt Wolfgang Junker, Frontman beim Ultramarathon Rodgau, vor allem deshalb, weil ihm ein gewisser Florian Neuschwander die Freude macht, erstmals in weniger als 3 Stunden den nicht ganz einfachen Rundkurs zehnmal zu durchlaufen. Nicht ganz einfach ist für einen Spitzenläufer der Rundkurs deshalb nicht, weil er nicht nur wie alle mit Wind und Matsch zu kämpfen hat, sondern bereits in der zweiten Runden laufend überholen muss.
Außer einem Pokal, der Bewunderung und dem Applaus der Läuferinnen und Läufer in der proppenvollen Halle bekommt der Florian dafür nichts. Vor Freunde an die Decke springen könnte aber auch er. Mit seiner Zeit von 2:58:42 (sie gesagt, Streckenrekord!) deklassiert er nicht nur die hochgehandelten Ukrainer, sondern schiebt sich in der nationalen 50km-Bestenliste jetzt auf Rang 5.
Gute vier Minuten bleibt Siegerin Astrid Staudach (3:41:52) über dem gültigen Streckenrekord (3:37:28). Aber was ist das für eine Leistung für die 42jährige von der LG Vogelsberg? Als Constanze Wagner 2004 den Rekord aufstellte, hat Astrid als junge Mutter gerade so richtig mit dem Laufen angefangen. Notgedrungen sozusagen, denn ihr Fußballverein hatte sich aufgelöst und sonst war in ihrem Dorf sportlich nichts geboten. Heute verbessert sie ihre persönliche Bestzeit um fast 11 Minuten!
Männer
1 Neuschwander, Florian Trierer Stadtlauf e.V. 2:58:43
2 Holovnytskyy, SC Kovel 3:06:00
3 Hegmann, Tobias TSG Kleinostheim 3:08:58
Frauen
1 Staubach, Astrid LG Vogelsberg 1971 3:42:05
2 Werthmüller, Gabriele LG Derendingen 3:53:16
3 Bethke, Ricarda LG Derendingen 4:01:53
587 Finisher