Salzburg ist für mich immer eine Reise wert und so verschlägt es mich auch nicht zum ersten und vermutlich auch nicht zum letzten Mal in die wohl schönste Barockstadt Österreichs. Tatsächlich nehme ich aber erst zum zweiten Mal bei der inzwischen 16. Austragung des Salzburg Marathons teil. Vor fünf Jahren lief ich erstmals in Salzburg und war von der Strecke und Organisation mehr als angetan. Also ist es mal wieder an der Zeit, zu den Lauffestspielen in die Mozartstadt zu reisen.
Nachdem uns die Eisheiligen in den letzten Tagen kalte Temperaturen bescherten, freue ich mich auf ein sonniges Wochenende, das diverse Wetterdienste für das Marathonwochenende ankündigen. Und so ist es dann auch. Am Freitag und Samstag können wir schon mal ausgiebig die Stadt erkunden.
Am Samstagnachmittag führt uns der Weg von der Altstadt auch zum Volksgarten im Ortsteil Parsch hinaus. Dort befindet sich die Eis-Arena, das Zuhause von Red Bull Salzburg, die schon mehrfach österreichischer Eishockeymeister wurden. Da die Saison bereits beendet ist, wird die Halle erstmals für die Marathon-Messe, sowie für die Startnummernausgabe genutzt. Der Umzug in die geräumige Eis-Arena kommt zum rechten Zeitpunkt, denn in diesem Jahr müssen so viele Startnummern wie noch nie ausgegeben werden. Rund 8.500 Teilnehmer haben sich für die verschiedenen Wettbewerbe angemeldet. Neben dem neu ins Leben gerufenen Frauenlauf am Freitag über 5,5 Kilometer, gibt es am Samstag auch noch den Integrationslauf, einen Junior-Marathon und einen Frühstückslauf. Der 10 Kilometerlauf wird am Sonntag um 08:45 Uhr gestartet, Marathon und Halbmarathon eine viertel Stunde später. Alleine für den Marathon sind 1.014 Läuferinnen und Läufer gemeldet. Auf den Halbmarathon entfallen mit 2.537 Teilnehmern erwartungsgemäß die meisten Meldungen.
Ich schlenderte kurz durch die Sport Mall, bei der neben diversen Laufausrüstern natürlich auch der ein oder andere Laufveranstalter auf sich aufmerksam macht. Als ich meine Startnummer abholen will, zögere ich kurz. Wie gewohnt steuere ich den Marathon-Counter an. Aber diesmal ist man nebenan für mich zuständig - bei den Halbmarathonis. Ich bin nach langer Zeit mal wieder bei einem Halben gemeldet, um meinem Plan nicht zu durchkreuzen, in drei Wochen meinen 100. Marathon zu laufen. Schon etwas neidisch schiele ich zu den Marathonis hinüber. Mein Trost: Der Marathon wird in zwei identischen Runden gelaufen. Ich verpasse also nichts.
Nach einem guten Sonntagsfrühstück im Hotel freue mich auf den Lauf durch Salzburg. Am Himmel ist keine Wolke zu sehen und es ist bereits angenehm warm. Die drei Kilometer bis zum Startbereich am Ferdinand-Hanusch-Platz erledige ich zu Fuß und kann mich dabei schon mal einlaufen. Es ist noch Zeit für einen Bummel durch die berühmte Getreidegasse. So entspannt wie jetzt um diese Zeit kann man das sonst nie. Besonders gefallen mir immer wieder die vielen schmiedeeisernen Firmenschilder, die teilweise mehrere hundert Jahre alt sind.
Dass die Hausnummer 9 in der Getreidegasse für viele Touristen die Hauptattraktion ist, liegt aber daran, dass hier am 27. Januar 1756 Salzburgs bekanntester Sohn, Wolfgang Amadeus Mozart geboren wurde. Hier findet man heute eines von zwei Mozart-Museen in Salzburg.
Auf meinem weiteren Spaziergang durch die Altstadt treffe ich auf Jürgen, Günter und Andrè, die als Pacer im Einsatz sind. Jürgen will mich auf meiner Runde begleiten, die für mich ein entspannter Trainingslauf werden soll mit genügend Zeit zum Fotografieren.
Rechtzeitig machen wir uns auf den Weg in die Griesgasse, wo die Startaufstellung ist. Wir sortieren uns in den blauen Startblock ein, der für Finisher mit einer Zielzeit von über vier bzw. zwei Stunden vorgesehen ist, also ziemlich am Ende des Feldes. Pünktlich um 9:00 Uhr erfolgt schließlich der Start für die Elite und des zweiten Blocks. Bis ich über die Startlinie laufe, vergehen gut 10 Minuten.
An der Salzach entlang geht es nun erst mal in Richtung Südosten der Sonne entgegen. Bald sind die ersten beiden Kilometer abgespult und wir kommen in die Hellbrunner Allee, die die Altstadt mit dem Schloss Hellbrunn verbindet. Auf diesen Streckenabschnitt freue ich mich schon ganz besonders. Zweieinhalb Kilometer geht es zwischen schattenspendenden Eichen immer geradeaus.
Die Hellbrunner Allee wurde Anfang des 17. Jahrhunderts durch Fürsterzbischof Markus Sittikus von Hohenems angelegt und ist heute die älteste erhaltene herrschaftliche Allee Mitteleuropas. Dank des herrlichen Wetters haben wir einen wunderschönen Blick auf die teils noch (oder schon wieder) schneebedeckten Salzburger Berge. Wir passieren imposante Herrensitze, wie Schloss Fronburg und Schloss Emsburg. Jürgen und ich sind schon jetzt begeistert, obwohl der Marathon noch gar nicht richtig begonnen hat.
Höhepunkt ist am Ende der Allee das Schloss Hellbrunn selbst. Wir biegen nach rechts ab und laufen durch ein Tor auf einer langen Auffahrt direkt auf das Schloss zu. Der Kiesweg ist für den Marathon mit einem orangen Teppich (unsere Firmenfarbe!) ausgelegt und sorgt für ein ganz besonderes Feeling. Das Schloss selbst entstand in einer rekordverdächtigen Bauzeit von 1612 bis 1615. Baumeister Santino Solari, zu dessen Werken auch der Salzburger Dom gehört, schuf hier einen der prächtigsten Spätrenaissance-Bauten nördlich der Alpen. Das Lustschloss wurde für Fürsterzbischof Sittikus zu Vergnügungszwecken erbaut. Berühmt sind die Wasserspiele in den großzügigen Garten- und Parkanlagen. Auch der Salzburger Zoo ist heute auf dem Gelände der Hellbrunner Schlossanlage beheimatet.
Ehe wir uns versehen, haben wir das Schloss auch schon wieder hinter uns gelassen und laufen kurze Zeit später auf der Keltenallee in Richtung Osten. Vor uns liegt wieder ein traumhaftes Bergpanorama mit dem 1972 m hohen Untersberg. Für ein paar Kilometer wird aus dem Salzburg Marathon ein herrlicher Landschaftslauf. Die Temperaturen haben inzwischen sicherlich schon die zwanzig Gradmarke geknackt und ich freue mich über den Schatten der Bäume. Es ist abzusehen, dass es heute kein einfacher Lauf werden wird, vor allem nicht für die Marathonläufer/innen.
Wir nähern uns nun wieder der Stadt, von weitem kann ich schon die Festung Hohensalzburg erkennen. Wir laufen durch ein Wohnviertel und kommen zum Schloss Leopoldskron. Erst geht es aber noch ein paar hundert Meter an dem dazu gehörenden beschaulichen Weiher entlang, von dem aus man den schönsten Blick auf das Schloss hat. Sitzt man im Biergarten vom Weiherwirt, hat man Schloss und Festung auf einen Blick. Und gut essen kann man dort auch.
Noch kurz was zum Schloss Leopoldskron: 1736 ließ der Fürsterzbischof von Salzburg, Leopold Anton Freiherr von Firmian das Schloss als Familiensitz erbauen. Er hing so sehr daran, dass er sein Herz in der Schlosskapelle begraben ließ. Dass Schloss Leopoldskron 1965 Hauptdrehort des US-Filmklassikers „The Sound of Music“ war, wusste ich bisher nicht. Ich will ehrlich sein: Ich kenne auch den Film nicht. Jürgen klärt mich auf und erzählt, dass es sich bei dem Filmmusical um einen Klassiker und einer der erfolgreichsten Produktionen überhaupt handelt. Laufen bildet.
Gut die Hälfte der ersten und meiner einzigen Runde habe ich hinter mir, wir nähern uns durch ein Wohn- und Geschäftsviertel langsam aber sicher wieder der Salzburger Innenstadt. Kurz bevor wir die Staatsbrücke über die Salzach überqueren, entdecke ich rechterhand noch die Augustiner Brauerei Mölln, Österreichs größte Brauereigaststätte. Das Brauereigebäude steht heute unter Denkmalschutz. Einst verkauften hier Mönche das Bier noch an der Klosterpforte.
Nachdem wir die Salzach hinter uns haben, tauchen wir endgültig wieder in die Altstadt ein. Unser nächstes Ziel ist der Mirabellplatz mit der Universität Mozarteum und der Stadtpfarrkirche St. Andrä. Das im 17. Jahrhundert erbaute Schloss und vor allem der dazugehörige Mirabellgarten zählen zu bekanntesten Touristenzielen in Salzburg.
Wir schlängeln uns durch die Altstadt und schon bald kann ich den Salzburger Dom über den Dächern erkennen. Das Ziel ist also nicht mehr weit. Noch einmal überqueren wir die Salzach und finden uns am Ferdinand-Hanusch-Platz wieder, wo wir vor gut zwei Stunden losgelaufen sind. Durch die Griesgasse, die parallel zur Getreidegasse verläuft, erreichen wir kurz darauf die Pferdeschwemme vor dem Großen Festspielhaus Salzburg. In Salzburg gibt es heute noch zwei Pferdeschwemmen. Die bekannteste ist die am Festspielhaus, die dort auch nicht zufällig liegt. Das Gebäude des Festspielhauses beherbergte ursprünglich die Hofstallungen des Fürst Erzbischofs und die Pferdeschwemme erfüllte den einfachen Zweck, Pferde zu tränken und zu waschen. Im Zentrum der Schwemme wurde durch den Steinmetz Michael Mandl eine Statue errichtet, die als „Rossbändiger“ bezeichnet wird. Heute erfüllt die Pferdeschwemme keinen praktischen Zweck mehr, fügt sich aber noch immer gut ins barocke Bild der Stadt ein. Touristen fühlen sich beim Anblick der Pferdeschwemme offenbar oft an die Fontana di Trevi in Rom erinnert und werfen Münzen in den flachen Brunnen.
Gleich im Anschluss laufen wir am Großen Festspielhaus vorbei. Eigentlich hat Salzburg zwei Festspielhäuser, das Kleine Festspielhaus wurde aber nach einem Umbau zum „Haus für Mozart“, weshalb sich heute der Begriff Festspielhaus nur noch auf das Große Festspielhaus bezieht. Mit einem Ausmaß von 100 Metern Breite gehört es heute zu den größten Konzertsälen der Welt. Es wurde im Juli 1960 mit Richard Strauss` „Rosenkavalier“ unter der Leitung von Herbert von Karajan feierlich eröffnet. Heute locken die Salzburger Festspiele jährlich nicht nur internationale Topstars, sondern auch gut eine viertel Million Besucher in die Stadt.
Und damit liegt der Salzburg Marathon eigentlich auch schon wieder hinter mir. Für die Marathonis geht es in diesem Moment nach links auf die zweite Runde, ich laufe geradeaus ins Ziel in der Hofstallgasse vor dem Festspielhaus. Über einen blauen Teppich geht es durch den Zielbogen. Die Kulisse mit der alten Universität, dem Ritzerbogen und der Kollegienkirche, überragt von der Festung Hohensalzburg ist mehr als eindruchsvoll.
Ich nehme meine Medaille in Empfang und überhöre die Glückwünsche zu meiner Leistung heute einfach einmal. Der Zielbereich ist es rappelvoll. Nicht nur die Halbmarathonis laben sich am reichhaltigen Angebot, ich erkenne an den Startnummern auch einige Marathonis, die wegen der sommerlichen Temperaturen auf eine zweite Runde verzichten. Auch dem Marathonsieger Victor Kipchirchir wurde es auf der zweiten Hälfte zu heiß, er musste seinen Plan, neuen Streckenrekord zu laufen, aufgeben. Mit 2:17:02 Stunden blieb er etwas unter seinen Erwartungen.
Für mich zählt der Salzburg Marathon mit zu den schönsten Stadtmarathons. Die Mischung aus herrlicher Landschaft und damit verbundenen ruhigen Laufpassagen und einer tollen, stimmungsvollen Runde durch die schöne Altstadt machen die „Lauffestspiele in der Mozartstadt“ zu einem unvergesslichen Erlebnis.