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Laufberichte

Auf dem roten Teppich

 

Salzburg,  Hauptstadt des gleichnamigen österreichischen Bundeslandes, ist ein touristischer Hotspot (Stichwort: Weltkulturerbe) sowie ein Wirtschafts- und Kongresszentrum ganz nah an der Grenze zu Deutschland. Die mit 145.000 Einwohnern viertgrößte österreichische Stadt ist von München gerade mal 150 Kilometer entfernt und kann per Bahn oder Auto in 1,5 Stunden erreicht werden.

Wir reisen schon Samstag früh an, um uns vor der 11. Ausgabe des Salzburg-Marathons noch ein bisschen vor Ort umzusehen. Leider beginnt der starke Regen schon auf der Hinreise. Nachdem wir uns lange vergeblich um einen freien Parkplatz an der Oberfläche bemüht haben, fahren wir in die riesige Tiefgarage im Burgberg. Hier, im ehemaligen Bunker, wurden am Ende des Zweiten Weltkriegs die „Verhandlungen“ mit den Amerikanern zur kampflosen Übergabe geführt, sodass die schöne Altstadt noch komplett erhalten ist. Wir kommen über einen langen Gang fast direkt zur Marathonmesse in der Universität.

Gleich am Eingang empfängt uns eine große blaue Tafel mit den Namen aller gemeldeten Teilnehmer in sämtlichen Disziplinen: Da wird natürlich fleißig gesucht. Ich finde meinen Namen eine Zeile unter Joel und Francesca Beckenbauer. Judith klärt mich auf, dass so die beiden jüngsten Kinder der Fußball-Legende heißen.



Die Abholung des Startsackerls und eines Salzburg-Marathon-T-Shirts geht problemlos und ohne große Wartezeiten vonstatten. Wir scheinen uns in den Räumen der theologischen Fakultät zu befinden: An einem Aushang werden katholische Berufe vorgestellt.

Erfreulich und sehr schmackhaft sind die Bio-Gerichte, die in der oberen Etage zur Stärkung angeboten werden. Auch Spargel ist dabei, dank Teilnehmer-Rabatt für wenige Euro erhältlich.

Nachmittags ab 17 Uhr stehen die Jugendläufe an: Die Runde um den Dom misst 800 Meter und wird von den Kategorien U8 und U10 absolviert. Die Älteren bis U16 laufen die klassische Meilendistanz, also die doppelte Strecke. Leider regnet es immer noch und es wird immer kälter; so 3 Grad wird es haben. Trotzdem sind die Kids mit Feuereifer bei der Sache. Der 12-jährige Sieger in der U14 läuft die Meile in 5:35,2 min, seine direkten Verfolger sind kaum langsamer. Da könnte ich nicht mithalten.

Wir warten das letzte Rennen nicht ab und fliehen vor der Kälte ins  Hotel Wyndham Grand beim Hauptbahnhof. Dort wartet der Wellness-Bereich samt Sauna auf uns. Das Sightseeing überlassen wir den japanischen Touristen, von denen wir viele am nächsten Morgen beim Frühstück (marathonfreundlich ab 6 Uhr) wiedersehen.

Am Marathontag hat Petrus ein Einsehen: kein Regen und nicht ganz so frostige 6 Grad. Der Start-Zielbereich liegt sehr schön auf dem Residenzplatz am Dom. Hinter selbigem stehen die Laster für die Abgabe der Kleidersäcke.

Beim Umziehen gesellt sich Grzegorz aus Polen zu uns. Ich muss ihm gleich erzählen, dass wir in zwei Wochen in Krakau antreten werden. Er wirkt in der Startvorbereitung recht konzentriert und professionell, lässt sich nicht auf ein weiteres Gespräch ein und wird in der Wertung - im Gegensatz zu uns - weit vorn landen.

Dieses Jahr wird in Salzburg wieder die österreichische Staatsmeisterschaft samt mannigfachen Zusatzwertungen ausgetragen. Das bringt dem Veranstalter über 1000 Marathonläufer und damit das zweitgrößte österreichische Marathonfeld. Mit von der Partie sind auch Teilnehmer/innen aus 59 anderen Nationen. Das Lauf-Event lässt sich halt wunderbar mit einem Städteurlaub verbinden.

Nach dem Verklingen der Österreichischen Bundeshymne („Land der Berge..“) geht’s pünktlich um 9 Uhr auf die Strecke. Marathon- und Halbmarathonläufer starten gemeinsam.

 



In Kürze erreichen wir die Salzach. Der Laufweg ist hier recht breit, sodass jeder nach Herzenslust überholen kann. Unser Ziel liegt jetzt im Süden, das heißt, es geht im Salzburger Talgrund Richtung Berge, die man wolkenverhangen und noch schneebedeckt immer wieder sehen kann. Allein dieser Anblick ist es wert, hier zu laufen. Über die Hellbrunner Allee streben wir ab Kilometer 2,5 dem gleichnamigen Schloss entgegen. Hier ist es zwischen den Baumreihen etwas eng und für 2 Kilometer laufen wir über einen Kiesweg.

Ich ordne mich hinter einer brasilianischen Gruppe ein und versuche über die Pfützen zu springen und keine nervigen Schlenker hinzulegen wie einige Mitläufer. Im inoffiziellen Socken-Sauberkeitsranking werde ich heute den Ehrenpreis erringen: Meine Kompressionsstrümpfe mit Trailrunning.de-Logo bleiben fast blütenweiß.

Hellbrunn kündigt sich mit der ersten Musikgruppe an. Durch das Tor geht es auf den roten Teppich in Richtung Schloss. Links liegt der Sound-of-Music-Pavillon. Außerdem gibt es hier die weltberühmten Wasserspiele. Judith beflügelt der rote Untergrund zu Kilometer-Durchschnittszeiten von 5 Minuten. Ich laufe an die Seite und mache noch ein paar Fotos.



Das „Schlösschen“ wurde als Vergnügungs-Residenz (offzielle Bezeichnung aus dem Infoheft) des Erzbischofs Markus Sittikus (1612-1619) erbaut. Vergleiche mit aktuellen Vorkommnissen in Deutschland verkneife ich mir.

Schon mal was von Capoeira gehört? Das ist ein Kampfsport-Tanz aus Brasilien, der auch in Salzburg Anhänger gefunden hat. Kostproben ihres Könnens gibt eine Gruppe an der ersten Verpflegungsstelle.

Es geht nun in einen Eichenwald, wo wir für 2 Kilometer die fast meditative Ruhe und die frische Luft genießen. Am Knick beim Kneissl-Moor erneut Zuschauer und im Hintergrund wieder ein schöner Blick auf das Untersberg-Massiv und nach dem Wald erscheint zum ersten Mal die majestätische Festung Hohensalzburg. Die werden wir jetzt öfters sehen und ich werde immer wieder versuchen, sie trotz widriger Belichtungsverhältnisse auf einem Foto einzufangen.

Bei km 10 kommen wird zum Leopoldskroner Weiher, den wir einmal umrunden werden. Das Schloss Leopoldskron ist Treffpunkt internationaler Führungskräfte aus Politik, Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft. Ein Luxus-Auto samt Fahrerin wartet geduldig auf das Ende der Läuferschar.

 



Hier in der Nähe wurde um 8:50 Uhr der 10-km-City-Run gestartet. Der Sprecher am Salzburger-Nachrichten-Bogen macht den Halbmarathonis Mut: „Ich habt die Hälfte der Strecke geschafft, die Marathonläufer leider erst ein Viertel“. Verpflegungsstellen gibt es fünf, also für Marathonis zehn, gut bestückt mit Wasser, Iso-Getränk, Bananen, Orangen und später auch Coca-Cola. Immer freundlich, die engagierten Helfer.

Es folgt ein schönes Freibad, das schon geöffnet hat, aber ziemlich verlassen aussieht. Beim Hitzemarathon 2007 war hier mehr los. Wir laufen über die König-Ludwig-Allee. Also ist Bayern hier auch präsent. Viele touristische Angebote sind länderübergreifend und umfassen die EuRegio Salzburg – Berchtesgadener Land – Traunstein. Man kann beispielsweise mit dem bayerischen Länder-Bahnticket bis Salzburg fahren. Da denke ich immer mit Schrecken an die Zeit zurück, in der wir stundenlang vor dem Autobahngrenzübergang warten mussten. Heute gibt’s da keine Probleme mehr.

Wir sind jetzt wieder in einer Vorstadtgegend mit schönen Häusern. Teilweise sieht man architektonisch interessante Neubauten. Und überall werden wir angefeuert. Ein kurzes Stück laufen wir an einer wartenden Autoschlange vorbei. Ansonsten ist die Laufstrecke größtenteils frei von motorisiertem Verkehr. Einmal werde ich von einem radelnden Polizisten überholt.

Plötzlich ein ohrenbetäubender Knall. Irgendwie erinnert der mich an einen Böllerschuss. Und es stimmt, es folgen noch mehr Kracher. Wir sind beim Gelände der bekannten Salzburger Stiegl-Brauerei. Dort wird erst heute, am 4. des Monats, ein Maibaum aufgestellt - mit allem, was dazu gehört. Ich laufe einen kleinen Schlenker und knipse durch den Zaun. Nett, dass ihr auf uns gewartet habt!

Ich war ja schon einige Male in Salzburg, aber mein Orientierungssinn ist etwas durcheinander: Bei km 15 sind wir fast an der Festung und darunter ist doch die Altstadt, aber wir laufen noch einige Schleifen. Gut, dass die Strecke super ausgeschildert ist. Einen Kilometer weiter spielt die Gruppe Maxglan auf einem Truck.

Eine meiner Lieblingsstellen ist eine Radar-Kilometeranzeige am Mönchsberg, welche die aktuelle Geschwindigkeit der Läufer angibt. Wir schaffen immerhin zwischen 12 und 14 km/h. Rechts das Augustinerkloster mit angeschlossener Brauerei. Dann geht es durch einen Tunnel unter Häusern hindurch und kurze Zeit später über die Salzach. Linker Hand sieht man am nächsten Berg die Wallfahrtskirche Maria Plain. Rechts fällt der Blick auf Innenstadt und Festung. Nach einem kurzen Stück am Fluss entlang kommen auf die breite Rainerstraße mit stattlichen Gebäuden. Hier werde ich von einem der zahlreichen O-Busse überholt. Schloss Mirabell liegt (versteckt) auf der rechten Seite. Es beginnt kurz ganz leicht zu regnen: Der nur hier existierende Schnürlregen bereitet auch immer wieder Probleme bei den Salzburger Festspielen auf dem Domplatz.

 



Vorbei am deutschen Honorarkonsulat (nach Deutschland sind es ganze 6 Kilometer) geht es in die Fußgängerzone und dann wieder über die Salzach. Sogar ein Ausflugsboot verkehrt auf diesem Gebirgsfluss.

Der letzte Kilometer hat noch einige Sehenswürdigkeiten und leider auch paar Höhenmetern zu bieten. Mich fasziniert immer die Pferdeschwemme, quasi eine Vorform der Autowaschanlage. Leider wird sie zur Zeit renoviert. Nebenan in der berühmten Getreidegasse liegt das Geburtshaus eines gewissen Wolfgang Amadeus Mozart. Der ist natürlich hier überall präsent. Ich werde meinen Kollegen auch einige Mozartkugeln mitbringen.

Ein weiterer bekannter Salzburger wird wohl nur Physikern bekannt sein: Christian Doppler. An dessen Geburtshaus kommen wir auch vorbei.

Nach 2:05 Stunden bin ich wieder am Residenzplatz. Knapp 2.500-Halbmarathonis sind im Ziel. Für mich ist klar: Ich laufe die nächste Runde auch noch. Nach sechsmonatigem krankheitsbedingtem Ausfall lasse ich mir die Chance auf meinen ersten Marathon in diesem Jahr nicht entgehen. Das Wetter ist perfekt (12 Grad) und dank der zurückhaltenden ersten Runde habe ich noch Reserven. Wenigstens bis Kilometer 23. Da werde ich spürbar langsamer.



Auf der zweiten Runde sind immer noch genügend Läufer unterwegs. 955 Marathonis werden das Ziel erreichen, ich lande unter den letzten 140. Auffallend ist, dass sämtliche Musikgruppen noch immer spielen und auch sehr viele Zuschauer am Wegrand ausharren und applaudieren. Trotzdem verspreche ich, kein drittes Mal vorbeizukommen – ein Spruch, der bei jeder Zuschauergruppe für Heiterkeit sorgt.

Die Capoeira-Truppe Unicas Salzburg bei Schloss Hellbrunn tanzt immer noch, beweist also auch viel Ausdauer. Das Wäldchen lädt nun noch mehr zum Meditieren ein. Leider überholen mich bei Kilometer 35 die 4:15-Läufer: ein Pacemaker mit zwei „Gefolgsleuten“. Ich wünsche viel Glück, so viel Kraft habe ich nicht mehr.

Ein Läufer fragt nach M4Y-Kollege Anton, der heute in in Regensburg unsere Farben vertritt. Die letzten 5 Kilometer machen viel Spaß. Immer mehr Zuschauer feuern mich an, darunter etliche Läufer, die sich bereits auf dem Heimweg befinden. Die Verpflegungsstelle bei Kilometer 40 hilft mir, noch einmal Kraft zu tanken. Den letzten Kilometer in der Altstadt lege ich lächelnd und mit Blick auf die vielen Zuschauer zurück.

Der Zieleinlauf ist wunderbar. Ich werde von zwei Klinik-Clowns begleitet. Sehe ich so fertig aus? Über meine Zeit von 4:21 h kann ich nicht meckern. Judith und Hugh warten schon frierend auf mich, was mich daran hindert, jetzt erst mal richtig loszuheulen. Und es gibt noch Kuchen! Der ist in Salzburg immer sehr lecker und man hat auch für die später eintreffenden Teilnehmer/innen ganze Bleche voll aufgehoben. Außerdem gibt's  Iso, Wasser sowie Bier mit und ohne Alkohol.

Hugh war nach 3:24 h im Ziel und konnte damit seine Zeit vom London-Marathon nicht verbessern. Er ist aber Zweiter in M-60 und Judith hat es geschafft, Erste in ihrer Altersgruppe zu werden und unter vier Stunden zu bleiben! M4Y-Autor Andreas Greppmeir stößt auch noch zu uns; er ist mit  4:27 h sehr zufrieden.

Ein  Läufer aus Polen wird mit einem polnischen Lied im Ziel begrüßt und ist glücklich.
Apropos: Grzegorz, den wir vor dem Start trafen, ist Gesamt-Achter und Sieger in der AK45.

Österreichische Staatsmeisterin wurde zum dritten Mal in Folge Karin Freitag in 2:49:45.
Und österreichischer Staatsmeister wurde der mit einer Einheimischen verheiratete, für Klagenfurt startende Edwin Kemboi aus Kenia in 2:22:00.



Marathon
Damen:
1. Nancy Joan Rotich (KEN) 2:48:30 Stunden (dritter Salzburg-Sieg in Folge)
2. Karin Freitag (AUT) 2:49:45 Stunden
3. Katharina Zipser (AUT) 2:53:02 Stunden

Herren:
1. Edwin Kipchirchir Kemboi (KEN) 2:22:00 Stunden
2. Julius Cheruiyot Koech (KEN) 2:22:02 Stunden
3. Sammy Kiprop Kiptoo (KEN) 2:23:51 Stunden

Österreichische Staatsmeisterschaften
Damen:
1. Karin Freitag  2:49:45 Stunden (zum dritten Mal in Folge)
2. Katharina Zipser 2:53:02 Stunden
3. Andrea Weber 2:53:15 Stunden

Herren:
1. Edwin Kipchirchir Kemboi  2:22:00 Stunden
2. Karl Aumayr   2:24:37 Stunden
3. Robert Gruber   2:24:49 Stunden

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Informationen: Salzburg Marathon
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