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Laufberichte

Schlüpfer auf der Strecke

15.04.12
Autor: Joe Kelbel

Anstieg zur Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen (km 14) - Das Kloster wurde 1803 durch Napoleon aufgelöst (Säkularisierung) um seine deutschen Versallen mit den Besitztümern der Kirche zu belohnen. Seit 1839 wohnen hier wieder einige Franziskaner, die die Betreuung der Pilger übernommen haben. Jetzt am Sonntagmorgen gehen einige Kirchgänger hier hinauf. Die zahlreichen, mich sehr beeindruckenden  Buden der Devotionalienverkäufer künden aber von einer großen Pilgerzahl in den Sommermonaten.

Die mächtigen Glocken treiben mich die steile Rampe hinauf. Würde gerne in die Kirche reinschauen, aber noch habe ich Hoffnung auf eine gute Zielzeit.

Brauerei Trunk, zartsäuerliches Pilgerbier, mehr Honig als Malz, mehr Wein als Bier. Die Tür steht offen. 2,10 Euro für den  halben Liter. Ich laufe weiter, ramponiere mein Image.

Es geht hinauf auf die Begegnungstrecke, die zum Staffelstein führt. Der Staffelstein (539 m)  ist ein sogenannter Zeugenberg, ein einzelner Berg, dessen umliegende Gesteine durch Erosion abgetragen wurden. Dieser Zeugenberg erzählt von der Zeit, als dieses Gebiet von Meer bedeckt war. Zwischen Tongesteinen und Sandsteinen sind im Riffkalk Versteinerungen zu finden. Eisen entsand durch bakterielle Tätigkeit. Die Meersablagerungen sind deutlich in Schichten (Staffeln) erkennbar.

Die Felder sind nicht fruchtbar. Keimlinge der Futtererbse lugen durch das mit Millionen Steinen übersäte Feld, hier war der Fundort der rotgoldenen Goldschnecken, kleine Ammoniten, ein, bis zwei Zentimeter groß aber wunderschön  und gloldbraun glänzend.

1982. Goldrausch am Staffelstein. Mein Geigenlehrer hatte mich mitgenommen. Merke wieder, wie ein Image zerstört wird. Nun gut, irgendjemand nahm mich mit hierher. Es war wie am Yukon: Mit Raupenschiebern und Baggern wurden die „goldhoffigen“ Schichten abgetragen und auf die Müllkippe geworfen, wo zahlreiche, mit Eimern bewaffnete Sammler, und ein angehender Marathonsammler sich auf das Material stürzten, ehe es überhaupt aus der Schaufel fiel.  Selbst betagte Frauen, wie die „Goldhanni“ gingen zum Frontalangriff über. Na gut, die übernachtete hier auf der Müllkippe. Claims wurden abgesteckt. Wenige Wochen später aber war es schon vorbei.

Jetzt sehe ich einige Triebe des weißen Mauerpfeffers, Nahrungspflanze des ausgestorbenen Apollofalters auf dem Keltenwall. Das riesige, keltische Oppidum wurde 30 n Chr. verlassen. Grund war der „Fluch des Nordens“, wie es in alten Liedern heisst, die im Zuge der Völkerwanderung aus Gotland und von der Ostseeküste einwandernden Germanen. Die Kelten, von den Römern Gallier genannt, zogen in die westlichste Ecke Europas.

Die Trockenwiesen werden durch die Esparsette dominiert, eine Futterpflanze, die im Mittelalter eingeführt wurde. Mit der Pflanze kamen die Bläulinge, die kleinen Tagfalter, einzigartig am Staffelstein.

Dann die steile Rampe hinauf. Wir kommen an die oberen  Dolomitfelsen, durchsetzt mit Versteinerungen  von Seeanemonen und Korallen. Dies ist kein Geheimnis, ein großes Schild weist auch darauf hin. Die Frage ist nur, ob man unbedingt noch Fossilien sammeln muss.

Auf der aderen Seite bis hinunter zum Mergelkalk wird die Fläche durch einen Wanderschäfer, oder bessser, durch seine Schafe beweidet.

Wir laufen nicht auf dieser steilen Seite hinunter, schön wäre es, dort die gesetzlich geschützten Kalktuffquellen zu sehen. Das Wasser bringt von höheren Schichten Kalk mit, lagert es hier unten ab, sodass die Rinnsale wie kleine Kanäle aussehen. Sehr hübsch zwischen den Wiesenblumen, wo man noch reichlich Knabenkraut, die heimischen Orchideen findet.

Oben auf dem Staffelberg ist die Adelgundiskapelle. An allen Wänden und an der Decke findet man einen blutroten Krebs. Adelgundis ist die Schutzpatronin der Krebskranken.

In der Karwoche, also letzte Woche, konnte man hier  „Das heilige Grab“ bewundern. Es wurde 1763 von einem Einsiedler gebaut, dessen Behausung noch erhalten ist. Das heilige Grab war ursprünglich wasserbetrieben, nun durch Strom. Es besteht aus drei beweglichen Figurengruppen, die die Vorhölle, den Leidensweg Christi von der Todesangst am Ölberg, die Erscheinung vor seiner Mutter, über Maria Magdalena bis zur Erscheinung bei den Emmausjüngern zeigt. Darüber die „Arma Christi“, die Engel mit den Leidenswerkzeugen.

Links die Gaststätte mit dem besten Bier der Gegend, wie mir die BraveheartBattle-Jungs sagen. Aber ich  könnte immer  noch die 4 Stunden-Marke halten, laufe vorbei.

Wenige Meter von der Gaststätte entfernt ist die sogenannte Querkelehöhle. Nächtens suchen  Gothictypen  hier nach ihren keltischen Wurzeln. Die Querkele waren kleinwüchsige, hilfreiche Wesen, die deutschlandweit in Sagen vorkommen (Siehe Bericht Hollenlauf ). Man nimmt an, dass diese Heinzelmännchen auf slavische Bevölkerungsreste deuten.

Runde über das Palteau (km 20/21), drei geschichtsträchtige Kreuze stehen hier. Meine Geschichte jedoch geht um die kraftspendenden Orte, die diese Gotictypen in ihren Foren besprechen.

Abseits vom Christentum existiert noch immer ein latent germanischer Kult. Man muss es ja nicht übertreiben, wie wir es mit dem griechischen Kult des Laufes tun. Aber ich würde jetzt gerne hier mit ner Fluppe und nem fetten Met auf einem dieser  Felsen, die weit über das keltischen Land ragen,  sitzen und dem Donnergott Paroli bieten.  Leider spüre ich aber nichts von irgendeiner Kraft. Und Cola, Bananen und Regen sind auch eher kontraproduktiv. Also mache ich mich vom schnell vom Acker.

Die Begegnungstrecke ist intereressant, schließlich ist dies ein Wettkampf.  Km 25, das Gossental ist schön und einsam, ich auch.  Uetzing  (km 28) hat acht Quellen, die alle vom karstigen Staffelstein, der selbst kein Wasser speichern kann, gespeist werden.

Der Königsbrunnen heilte eine schwerkranke Königstochter. Sie schenkte daraufhin dem Pfarrer einen goldenen Becher, der im 17.Jahrhundert leider bei einem Kirchenraub gestohlen wurde. Das Wasser des Königsbrunnen ist für diese Gegend ungewöhnlich kalkarm, fliesst gleichmäßig , ist eiskalt und lange haltbar, was auf erstklassige Qualität und ein hohes Alter schließen lässt. Der Brunnen ist überragender Mittelpunkt des Dorfes.

Es scheint sich um uraltes Wissen der Menschen zu handeln, das sich in der Sage vom Riesenfisch im Staffelberg äußert: Der Fisch lebt in einer Wasserhöhle, die so klein ist, dass er sich in seinen Schwanz beissen muss. Wird der Fisch schwach, lässt er los und seine Körperspannung lässt den Berg expodieren.

Interessant finde ich das Fleischbrünnla, wo der Storch sich die Kinder holt. Er soll sie „am Zipfel“ transportieren, was erklärt, warum nur die Buben diesen Transport überstehen. Beim Serkendorfbrunnen hing ein Aushang  „…dass  da keiner mehr ins Wasser macht“. Aus dem Wasser wird Bier gebraut. Diese Kleinigkeiten, die hübschen Vorgärten, die geschmückten Brunnen, die liebevollen 30km/h- Schilder , die Nachwuchsfeuerwehrleute mit ihren überdimensionierten Helmen, die meine Frage nach einem Bierchen vehemend abwehren, das alles macht diese Gegend liebenswert.

Die Kirche in Uetzing zählt zu denjenigen 14 Kirchen, die Karl der Große zur Bekehrung der Slaven um 800 errichten ließ. Fast jeder Ort hat hier die wunderbar renaturierten Bäche in der Stadtmitte. Finde ich gut.

Der Typ mit dem Lederhut, den mutmaßlich kaum einer kennt, lässt keinen Hochsitz aus,  seit so ein Ding mal unter seinem dicken Laufschuh zusammengebrochen ist. Die Bilder, die er mir von dem  platten Jägerstand zeigte,  sind aber auch der Hit. Gut, dieser 4:15 - Bittel geht jetzt an mir vorbei, mitsamt seinem Team.  Damit endet für mich und für Euch der Bericht dieser Sightseeingtour, denn ich muss mich ab jetzt quälen. Zu hart war die letzte Woche.Ich werde aber noch eine gute 4:26 hinlegen, was soll`s.

Stublang, (km 30), Loffeld, Horsdorf, bleiben in meiner Erinnerung als wunderhübsch dekorierte Dörfer. Unterzettlitz ( km 36), Firmensitz von Kaiser Porzellan „ Für die schönen Momente im Leben…“ An den zahlreichen Wasserläufen dicke Trollblumen und fettes Hahnenkraut.

Riedsee (km 40). Ich mache ein Foto von dem Kilometerschild, da grinsen mich zwei dicke Angler an. „ Macht ihr auch Sport?“,  frage ich und setze meinen Siegeszug erschöpft fort.

Aqua-Riese-Hallenbad, Kurpark mit seinen Salinen, wo die Kurgäste salzhaltige, statt biergeschwängerte  Luft atmen sollen. Immerhin hat Bad Staffelstein 10 Brauereien aber nur 2 Salinen,  dann geht es zügig ins Städtischen Stadion wo ich endlich das langersehnte 42 Kilometerschild entdecke.

Im Ziel bekomme ich mein lang ersehntes Bier. Jeder Finisher erhält eines, samt Krug. Irgendein Image ist zerstört, meins nicht.  Drei m4y-Läufer waren  hier, das sagt alles. Ich bin den Berg hianufgeflogen, habe dann abwärts leiden müssen, weil der Strom ausfiel. Nächstes Jahr wünsche ich mir  richtig viel Sonne! Der Lauf ist es wert! Und das mit dem verlorenen Schlüpper bei km 7,5 lass ich mir nochmal durch den Kopf gehen, vielleicht sollte ich mal ganz vorne mitlaufen. 

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