„Wohlauf, die Luft geht frisch und rein, wer lange sitzt, muss rosten;
Den allerschönsten Sonnenschein lässt uns der Himmel kosten.
Jetzt reicht mir Stab und Ordenskleid der fahrenden Scholaren,
ich will zu guter Sommerszeit ins Land der Franken fahren.“
Eingestimmt mit dem berühmten Frankenlied von Victor von Scheffel, welches bei offiziellen Anlässen in Unter-, Mittel- und Oberfranken neben der deutschen und bayrischen Nationalhymne gesungen wird, mache ich mich am Sonntag morgen auf den Weg zum sechsten Obermain-Marathon im oberfränkischen Bad Staffelstein.
Eingerahmt vom berühmten Dreigestirn Kloster Banz, der Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen und dem Staffelberg befindet sich Bad Staffelstein an den Gestaden des Obermaines inmitten des idyllischen Gottesgarten zwischen Bamberg und Coburg.
Berühmtheit erlangte Bad Staffelstein nicht nur durch das Frankenlied und das Dreigestirn. Das Mathematik-Genie Adam Ries(e) erblickte hier 1492 das Licht der Welt.
Die Erschließung der mit 50° wärmsten eisen- und kohlensäurenhaltigen Sole in Bayern im Jahre 1975 und den 2001 zugesprochenen Zusatz „Bad“ war für die Stadt Staffelstein ein bedeutsamer neuen Abschnitt in ihrer rund 1200-jährigen Geschichte.
„Der Wald steht grün, die Jagd geht gut, schwer ist das Korn geraten;
Sie können auf des Maines Flut die Schiffe kaum verladen.
Bald hebt sich auch das Herbsten an, die Kelter harrt des Weines;
der Winzer Schutzherr Kilian beschert uns etwas Feines.“
Waren früher Landwirtschaft und Weinanbau die Haupteinnahmequellen, so bekam der Tourismus eine immer größere Bedeutung. In der Obermain-Therme können Besucher die Thermalsole auf sich wirken lassen. Im angrenzenden Kurpark mit stattlichen Gradierwerken, in denen die Sole vernebelt wird, kann man „echte“ Meeresluft einatmen.
„Wallfahrer ziehen durch das Tal mit fliegenden Standarten;
hell grüßt ihr doppelter Choral den weiten Gottesgarten.
Wie gerne wär´ ich mitgewallt, ihr Pfarr` wollt mich nicht haben.
So musst ich seitwärts durch den Wald als räudig Schäflein traben.“
Seit jeher sind in dem Gebiet um Staffelstein Wallfahrer unterwegs. Auch wir Marathonis werden im Verlauf des Rennens zu Wallfahrern, dazu aber später mehr.
Die Schaltzentrale des Marathons ist die großzügige Adam-Riese-Halle. Im Foyer der Halle ist eine kleine Marathonmesse angesiedelt. Die Startnummernausgabe ist sehr großzügig bemessen, so dass selbst zu Spitzenzeiten kaum Wartezeiten entstehen. Zusammen mit der Startnummer erhält man noch ein Poloshirt mit dem Emblem des Obermain-Marathons.Für das leibliche Wohl ist ebenfalls reichlich gesorgt. Neben einem großen Kuchenbüffet gibt es noch Wurst- und Käsesemmeln, sowie eine große Portion Pasta, mit der nach dem Lauf die Kohlehydrat-Speicher wieder aufgefüllt werden können. Auch bei den Getränken bleiben keine Wünsche offen. Dass das Weißbier aus dem Fass und nicht der Flasche kommt, versteht sich im Gebiet mit der höchsten Brauereidichte von selbst.
Der Start, der nur etwa 500 Meter von der Halle entfernt im angrenzenden Wohngebiet liegt, wurde um etwa 50 Meter verschoben. Bad Staffelstein war dieses Jahr Austragungsort der bayrischen Halbmarathon-Meisterschaft und so wurde im Vorfeld die Strecke exakt mit dem geeichten Jones-Counter vermessen. Die neue flache Streckenführung für diese Meisterschaft und die leicht geänderte Strecke des Marathons führten zu diesem Startort.
Neben dem Marathon und dem Halbmarathon werden in Bad Staffelstein seit jeher zwei Nordic-Walking-Wettbewerbe über 21 und 14 Kilometern angeboten.
Insgesamt über 2000 Starter sorgten für einen neuen Teilnahmerekord.
Um Punkt neun Uhr wurden die Halbmarathonis, allen voran die Teilnehmer an der bayrischen Halbmarathon-Meisterschaft, zu den heißen Rhythmen einer Samba-Trommelgruppe auf die Strecke geschickt.
Langsam formierte sich das Feld der Marathonis, als sich m4y-Kollege Markus Pitz zu mir gesellte. Wir standen am Rande des Starterfeldes und verpassten wegen unseres netten Plausches beinahe den Startschuss. Markus verabschiedete sich und reihte sich in die davon stürmende Menge ein. Ich nutzte die Gelegenheit für ein paar Bilder, als ich am Ende des Feldes einen Läufer mit seinem Hund „Pit“ sah. Herrchen und Pit gingen ebenfalls die gesamte Marathon-Distanz an.
Leicht bergab laufend verließen wir das Wohngebiet und kamen am Bahnhof vorbei. Verkehrstechnisch ist Bad Staffelstein sowohl mit dem Auto als auch mit der Bahn sehr gut zu erreichen. Schon am Ortsausgang von Bad Staffelstein war bei bestem Sonnenschein auf dem Banzberg das erste Ziel unserer Marathon-Wallfahrt, das Kloster Banz, zu sehen.
Die ersten Meter im Maintal waren flach und genau richtig zum Warmwerden und Einrollen. Nach rund zwei Kilometern war in Unnersdorf die Halbmarathon-Weiche. Die Halbmarathonis wurden nach rechts um den Banzberg herum geleitet. Wir Marathonis liefen aber geradeaus und durften unseren ersten Anstieg in Angriff nehmen.
Auf dem Planetenweg waren auch die Planeten zum Greifen nahe. Dieser Weg von Untersiemsau nach Unnersdorf war bei seiner Einweihung 1988 mit der Darstellung des Sonnensystems Deutschlands erster astronomischer Lehrpfad. Schilder mit Motivationssprüchen halfen uns an dieser ersten Herausforderung des Tages.
Den ersten Kulminationspunkt erreichten wir nach etwa fünf Kilometern am Waldklettergarten Banz. Mit einer herrlichen Aussicht auf das ehemalige Benediktinerkloster Banz und das Maintal konnten wir zum ersten Mal verpflegen.
Die Strecke führte um das Kloster herum hinunter ins Maintal und so verloren wir die zuvor mühsam erkämpften Höhenmeter wieder.
„Manchmal ist es das Vernünftigste, einfach ein bisschen verrückt zu sein“. Bei diesem Spruch konnte ich mir ein Lachen nicht verkneifen, steckt doch soviel Wahrheit drin.
Wieder im Tal angekommen, passierten wir über ein Wehr den Main und konnten bei Kilometer neun ein zweites Mal verpflegen. Wir liefen an einem Stausee entlang und hatten zur Rechten die Rückseite des Kloster Banz und zur Linken den Staffelberg im Blick. Der folgende Kilometer nach Schönbrunn war topfeben und genau richtig zur Erholung, bevor die nächsten Herausforderungen des Tages auf uns warteten.
In Schönbrunn angekommen, führte uns die Strecke über die Bahnlinie und kurz darauf über die Autobahn A67. Nach einem Drittel der Laufstrecke konnten wir uns rechtzeitig vor dem nächsten Anstieg zur Wallfahrtsbasilika Vierzehnheiligen noch mal stärken.
„Zum heil´gen Veit von Staffelstein komm` ich emporgestiegen
und seh´ die Lande um den Main zu meinen Füßen liegen.
Vom Bamberg bis zum Grabfeldgau umrahmen Berg und Hügel
die breite, stromdurchglänzte Au – ich wollt´, mir wüchsen Flügel.“
Erst sanft ansteigend erwartete uns direkt vor den Toren der Basilika eine Rampe, die schließlich so steil wurde, dass sie die meisten Läufer zu Wanderern werden ließ.
Seit dem 15. Jahrhundert streben viele Wallfahrer zur Basilika um den Schutz der vierzehn Nothelfer zu erbitten. Nicht genau bekannt ist, ob es sich bei dem im Frankenlied besungenen Veit von Staffelstein um einen der vierzehn Schutzpatrone handelt.
In der Basilika leben und arbeiten zur Zeit sieben Franziskaner, die die Pilger unter anderem im Beichtstuhl, in Gesprächen und Gottesdiensten betreuen. Am Vorabend des Marathons findet hier traditionell der Marathon-Gottesdienst statt. Ein Besuch dieser Basilika und dieses Gottesdienstes ist sehr empfehlenswert.
Wir passierten die Basilika und über eine weitere Rampe gelangten wir auf der Hochebene auf einen der zahlreichen Jakobuswege. Auf einer Begegnungsstrecke liefen wir auf welligem Kurs unserem Tageshöhepunkt, dem Staffelberg, entgegen.
Ich unterhielt mich gerade mit zwei Mitläufern und erklärte den Verlauf der restlichen Strecke, als mir der derzeit Führende Alexander Kurz und kurz darauf Vorjahressieger Rudi Paulus entgegenkamen. Kurz vor der nächsten Verpflegungsstelle bei Kilometer 19 kam mir Vorjahressiegerin Antje Möller entgegen, die, wieder in Führung liegend, ihren Triumph wiederholen konnte.
Die Jungs an der Verpflegungsstelle zeigten ganzen Einsatz und machten aus kohlensäurehaltigem Mineralwasser durch unablässiges Flaschenschütteln stilles Wasser. Danke Jungs für diesen Service.
Kurz darauf kam mir Markus entgegen und wir bannten uns gegenseitig auf die Speicherkarte unserer Kameras.Eine sehr steile Rampe hinauf zum Hochplateau des Staffelberges bremste den Vorwärtsdrang merklich und machte aus nahezu jedem Läufer einen Marschierer.
Schon zur Steinzeit war der Staffelberg immer wieder besiedelt. Historiker gehen davon aus, dass hier auch die sagenumworbene keltische Stadt „Menosgada“ angesiedelt war.
„Einsiedelmann ist nicht zu Haus, dieweil es Zeit zu mähen;
ich seh´ ihn an der Halde drauss bei einer Schnittrin stehen.
Verfahrner Schüler Stoßgebet heißt: Herr, gib uns zu trinken!
Doch wer bei schöner Schnittrin steht; dem mag man lange winken.“
Heute befindet sich , auf dem Plateau des Staffelberges neben der Adelgundiskapelle ein Ausflugslokal, welches aufgrund des herrlichen Wetters sehr gut besucht war. Wir bekamen als Belohnung für unsere Mühen eine Ehrenrunde auf diesem Plateau geschenkt und konnten den Ausblick auf das darunter liegende Maintal und Bad Staffelstein genießen.
Nach einer ausgiebigen Verpflegung nutzte ich das Wetter und die Aussicht, um noch ein paar Bilder zu schießen, bevor ich mich auf den weiteren Weg machte.
Es ging den steilen Weg wieder hinunter, als mir „Pit“ mit seinem Herrchen entgegenkam. Guter Hund, super Kondition.
Wir liefen wieder auf dem welligen Jakobusweg und anschließend bergab durch das Gossental nach Uetzing, wo an Pfingsten ein großes Kreismusikfest stattfindet. Am Ortsausgang feuerte uns ein Läufer an, der mit einem kühlen Getränk gemütlich auf einem Gartenstuhl in seinem Garten saß. Auf meine Nachfrage „Wie, schon fertig?“, bekam ich als Antwort: „Ich bin nur den Halben gelaufen“. Ach so.
Ich verließ Uetzing und sah wieder den Staffelberg, diesmal von der anderen Seite. Die nächsten Kilometer waren entspannt und ohne nennenswerte Höhenunterschiede. Es ging durch kleinere Ortschaften und hin und wieder überholte ich einige marschierende Läufer, die ich mit einem „Ist nicht mehr weit“ zu motivieren versuchte.
Nachdem wir die Bahnlinie unterquert hatten, lernten wir die geänderte Streckenführung kennen. Ging es im Jahr zuvor zwischen dem Mittel- und Ostsee über eine ruppige Strecke, so wurden wir dieses Jahr auf gut zu laufendem Weg dem Riedsee entlang in Richtung Bad Staffelstein geleitet. Beim Ablichten des Sees meinte ein Wanderer: „Der hat ja noch Zeit zum Fotografieren“. „Dafür ist immer Zeit“, entgegnete ich mit einem Lachen.
Die letzten Meter führten uns durch den Kurpark, vorbei an den Gradierwerken und der Obermain-Therme. Mit einer dreiviertel-Ehrenrunde im Stadion des TSV Staffelstein beendete ich mit einem Lächeln meine dritte Teilnahme an diesem wunderschönen Marathon. Im Ziel bekam ich die Medaille mit dem Motiv von Bad Staffelstein umgehängt.
„Einsiedel, das war missgetan, dass du dich hubst von hinnen!
Es liegt, ich seh´s dem Keller an, ein guter Jahrgang drinnen.
Hoiho! Die Pforten brech´ ich ein und trinke, was ich finde.
Du heil´ger Veit von Staffelstein, verzeih mir Durst und Sünde.“
Im Startgeld mit inbegriffen ist ein kühles Bier in einem Motivkrug vom Obermain-Marathon. Doch bevor ich mich an diesem edlen Gebräu labte, genoss ich zunächst das kühle Nass der hiesigen Wasserwerke.
Nach einer kühlen Dusche (warmes Wasser war aus) und der Rückgabe des Chips, der mehr einem Bauklotz als einem Hightechgerät ähnelte, ließ ich mir noch echt fränkische Bratwürste und das dazu passende Weißbier munden.
Mein Fazit: Nicht nur gute Sprüche an der Strecke zeichnen diesen Lauf aus.
Karl-Heinz Drossel und sein über 600 Personen starkes Helferteam haben wieder einmal hervorragende Arbeit geleistet. Der Teilnahmerekord spricht für sich. An den Verpflegungsständen und im Zielbereich gab es alles, was das Läuferherz begehrte.
Die Laufstrecke ist anspruchsvoll, entschädigt aber mit herrlichen Ausblicken.
Zuschauer waren, wie bei einem Landschaftsmarathon üblich, nur sporadisch vorhanden.
Mein Dank gebührt neben den zahlreichen freiwilligen Helfern auch der Polizei, den Feuerwehren sowie den Rettungs- und Sanitätsorganisationen, die hoffentlich außer der Steckensicherung und der Verpflegung der Läufer ansonsten einen ruhigen Sonntag erleben konnten.
Marathonsieger
Männer
1 Rainer Kirsch TSV Dinkelsbühl 02:47:45
2 Uwe Bäuerlein TSV 1860 Staffelstein 02:49:59
3 Rudi Paulus SSG Königswinter 02:58:02
Frauen
1 Antje Möller ASV Duisburg 03:09:56
2 Sabine Pullins Freaky Friday Runners Bamberg 03:19:14
3 Alexandra Fenski VfB Halbergmoos 03:29:10
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