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Laufberichte

Marathonwallfahrt im Gottesgarten

09.04.06

„Siegst es, i hobs Euch gsagt, mir brauchen a Bier.“

 

Liebe Lauffreunde, Servus aus Bad Staffelstein vom Obermainmarathon. Wir bekommen ein Gedicht von Adam Riese als Lektüre. Wie kam Vierzehnheiligen zu seinem Namen? Was hat der Staffelberg mit Menosgada zu tun? Wie war das sportliche Drumherum der Veranstaltung? Was ist noch interessant? Dieses und anderes mehr erfahrt Ihr von meiner Marathonwallfahrt durch den Gottesgarten in und um Bad Staffelstein.

 

Wo liegt denn eigentlich Bad Staffelstein? Die fränkische Stadt liegt rund 30 Kilometer oberhalb von Bamberg im schönen Maintal. Zu erreichen ist sie auf dem Frankenschnellweg der A73 und B173 mit eigener Ausfahrt. Auch via Eisenbahn (Bahnhof vor Ort) ist die Anreise einfach zu bewerkstelligen. Die Stadt wurde bereits um das Jahr 800 erstmals in Urkunden erwähnt.

 

Ein großer Bürger dieser Stadt war der Rechenmeister Adam Riese, der hier 1492 geboren wurde. Von ihm ein kleines Gedicht (stört Euch nicht an der Rechtschreibreform anno 1520):


„Pithagoras der sagt für war
All ding durch zal wird offenbar
Drum sih mich an verschmeh mich nit
Durchliß mich vor das ich dich bitt.“ Und später:
„Dis nim zu hertzen bitt ich sehr
Und jeder sein Kind Rechnen lehr
Wie sich’s gegen Gott und Welt verhalt
So werden wir in ehren alt.“

 

Der 05.07.1684 war hier der schwärzeste Tag in der Geschichte, denn ein großer Brand vernichtete die ganze, damals befestigte Stadt. Im Jahr 2001 wird der Stadt schließlich der Titel „Bad“ zugesprochen. Wohl die Konsequenz von dem guten Thermalwasser und der Kur- und Erholungseinrichtungen. Es gibt sogar noch acht Hausbrauereien, da schaun `mer mal, ob nicht etwas Gerstensaft für uns übrig ist.

 

Doch nun ein paar Infos zum Lauf: Die Startgebühr kostet 30 EUR für den Marathon bei Voranmeldung bis wenige Tage vor dem Lauf. Der halbe Kanten mit dem Laufschuh oder mit den Nordic-Stecken kostet 15 Silberlinge. Von diesem Geld gehen dann zwei bzw. ein EURO an die Fanconi-Anämie-Hilfe. Das ist eine extrem seltene und meist tödliche, genetisch bedingte Erbkrankheit, die im Kindesalter ausbricht.

 

Die Zeitmessung geschieht per Transponder, welcher am Schuh angebracht wird. Eine Leihgebühr wird in Höhe von fünf EUR erhoben.

 

Vor meiner Abfahrt in Neuburg an der Donau ruft mich Werner Gesche an, er hat verschlafen und ist am Treffpunkt ein paar Minuten später als ausgemacht. Die Anfahrt geht dann recht flott, so dass wir bereits kurz vor acht Uhr vor Ort sind, wo wir bereits von Helfern auf einen Parkplatz gelotst werden. Wir laden unsere Sporttaschen aus und machen uns auf den Weg zur Adam-Riese-Halle. Bei der Ausgabe der Unterlagen kommt es zu keiner Wartezeit. In Sekunden haben wir die Nummer in der Hand. Die Marathonis erhalten zusätzlich ein orangenes Funktionsshirt mit dem Logo der Veranstaltung. Die Umkleide für die Männer ist im Untergeschoss der Halle kaum belegt.

 

Dann beginnt unser übliches Startprocedere, welches routiniert abläuft. Lediglich für die Kleidungsfrage überlegen wir kurz. Aufgrund des kühlen Wetters wähle ich eine lange Laufhose und auch ein langärmeliges Funktionshemd.

 

Schließlich machen wir uns auf den Weg zum Start, der in unmittelbarer Nähe des historischen Rathauses ist. Dieses wurde nach dem Stadtbrand wieder aufgebaut und 1687 in der bis heute erhaltenen Form seiner Bestimmung übergeben. Über dem Haupteingang befindet sich ein Stuckrelief mit kaiserlichen Insignien – doppelköpfiger Adler mit Schwert und Zepter – darüber eine Krone. Unter dem Baldachin folgt die Halbfigur Kaiser Heinrichs II. Das zweite Obergeschoss trägt eine Sonnenuhr. Überhaupt ist die ganze Innenstadt sehenswert.

 

Im 15-Minuten-Abstand starten die Nordic-Walking-Marathonis, die Nordic-Walking-Halbmarathonis, die HM-Läufer und die Marathonliebhaber zuletzt um Punkt 09.00 Uhr. Das stärkste Feld stellen die rund 900 Halbmarathonläufer, die in wenigen Augenblicken die Startlinie überqueren. Unsere Aufstellung zum Start ist dann unmittelbar danach. Zwei bis drei Meter hinter der Startlinie stelle ich mich auf. Dann genau um Neun werden wir vom Landrat Reinhard Leutner auf die Strecke geschossen.

 

Durch die Altstadt hinaus sind wir nach ein paar Minuten am Bahnhof. Der ist ein für die damalige Königlich Bayerischen Staats-Eisenbahn charakteristischer Quaderbau. Die Bahnstrecke wurde als Teil der Ludwig-Süd-Nord-Bahn von Lindau nach Hof um 1845 eröffnet. Flugs verlassen wir dann die Stadt. Nach gut zwei Kilometer überqueren wir in Unnersdorf den Main, der erst ab Bamberg schiffbar ist. Dann beginnt bereits die erste Steigung, bei der wir auf etwa vier Kilometer Länge rund 170 Höhenmeter zur Roten Marter bezwingen müssen.

 

Die Steigung endet und im Sturzflug geht es auf Kloster Banz zu. Die im Barock erbaute Klosterkirche hat einen wuchtigen, überwältigenden Eindruck. Ein Besuch oder eine Führung wird sich lohnen. Für mich reicht die Zeit lediglich für ein Getränk, obwohl der Verpflegungstisch bereits reichlich gedeckt ist.

 

Und weiter im Galopp, zuerst auf Asphalt, dann auf breitem Waldweg nach Hausen, wo wir wieder den Main an einem Wehr überqueren. Damit befinden wir uns auf dem gleichen Höhenniveau wie am Start. Wir biegen rechts ab und laufen an zwei Baggerseen vorbei in die Ortschaft Schönbrunn. Hier fressen wir ein paar Kilometer, bevor es durch Wolfsdorf zum Zubringer nach Vierzehnheiligen geht. V

 

Vorher mache ich eine unangenehme Erfahrung, denn der Speicher meiner Digicam ist voll. Da fehlt mir noch etwas Praxis zum Digi-Profi. Vor dem Einsatz volle Batterien und genug Kapazität, das ist erste Priorität mit diesem Gerät. Den Fehler kann ich in wenigen Minuten beheben. Aber zur Wallfahrtskirche keuchen nicht nur einige Autos und Busse die Strasse hoch, uns hängt ebenfalls die Zunge heraus, denn der Anstieg ist recht happig und die eigenen kleinen Sünden kommen ins Gedächtnis. Nur nicht fluchen in Anbetracht des Gotteshauses.

 

Weil’s nun gerade passt, wie kam denn Vierzehnheiligen zu ihrem Namen. Der Legende nach erschien 1446 dem Hirtenjungen Hermann Leicht 14 rot und weiß gewandete Kinder zusammen mit dem Jesuskind und taten ihm kund: „Wir sein die viertzehn nothelffer und woellen ein Cappeln haben.“ Drei Ritter, drei Bischöfe, drei Jungfrauen, drei Jünglinge, ein Abt und Christophorus, das sind die vierzehn Nothelfer, und daher kommt also der Name. Wenn Ihr die Namen wissen wollt, dann aufgepasst: Achatius, Ägidius, Barbara, Blasius, Christophorus, Cyriakus, Dionysius, Erasmus, Eustachius, Georg, Katharina, Margareta, Pantaleon und Vitus (Veit) sind die Helfer in allen Notlagen.

 

Bereits 1448 wurde ein Altar dort geweiht. Dem Baumeister Balthasar Neumann blieb es bis zu seinem Tod 1753 vorbehalten, den Bau voranzutreiben. Die folgende Zeit meinte es dann nicht gut, denn Blitzeinschlag, Feuer, Säkularisation und Wassereinwirkung sowie gar ein staatliches Verbot der Wallfahrt machten der Basilika zu schaffen. Aber alles wurde gut und mir ham’ wieder was glernt.

 

Für eine Besichtigung der Kirche und der sehenswserten Orgel habe ich leider keine Zeit, lediglich ein schnelles Foto der prachtvollen Kirche muss sein. In Gedanken zünde ich aber eine Kerze für meinen vor zwei Wochen verstorbenen Vater an. Ein paar Meter danach befindet sich die Brauerei Trunk mit dem eigenen Wirtshaus. Da hätte man uns doch ein Bier von dunkler Sorte ausschenken können.

 

Nach einem weiteren Anstieg (vom Maintal bis hier rund 200 Höhenmeter auf zwei bis drei Kilometer) erreichen wir wieder eine Getränkestelle, wo wir Wasser, Elektrolyt, Apfelschorle, Obst und Riegel erhalten können. Wir befinden uns jetzt auf einem Hochplateau und rennen Richtung Staffelberg. Momentan ist unser Weg etwas wellig, aber gut zu belaufen. Es dauert aber nicht lange, dann kommt uns bereits die Spitze entgegengedonnert, wobei der Führende bereits einen Mordsvorsprung hat.

 

Nach rund drei Kilometern stehen wir sprichwörtlich am Berg. Denn: Der Staffelberg ist hier am Hochplateau wie ein Schwalbennest zu bezwingen. Der Fahrweg ist steil, den man fast nicht mehr belaufen kann. Na ja, auf vielleicht 200 bis 300 Meter 50 eingebaute Höhenmeter. „Vatter, schau mal, die laufen ja wie die Jemsen“, so höre ich zwei nichtbayerische Touristen am Anstieg. Bergläuferqualitäten sind hier sicher von Vorteil.

 

Irgendwie komme ich dann doch hoch (Kilometer 21) und sehe auch hier eine Kirche, die Adelgundiskapelle, die in der jetzigen Form 1653 auf den Ruinen einer älteren Kirche errichtet wurde und auch von Pilgern das Ziel war. Der 539 Meter hohe Staffelberg wurde bereits im 4. Jahrtausend vor Christus besiedelt. Ausgrabungen weisen darauf hin, dass hier von den Kelten die Stadt Menosgada errichtet wurde. Das geschah im 1. Jahrtausend vor Christus. Menosgada war mit rund 50 Hektar wesentlich größer als das mittelalterliche Staffelstein und war auch die Hauptstadt am Obermain. Wenn die Sicht heute etwas klarer wäre, würde unser Blick weit in den Thüringer Wald hinein gehen. Doch wir müssen uns auf den Boden konzentrieren, denn auf der zu belaufenden Plateaurunde mit rund 500 Meter können uns Unebenheiten und hervorstehende Steine den Fuss legen. Ein Wanderer macht noch schnell ein Bild von mir, bevor ich wieder die V-Stelle ausnütze.

 

Jetzt geht es den gleichen Weg zurück, zu Beginn noch steil bergab, später lasse ich es auf dem welligen Weg rollen und mache mehrere Bilder. In meinen Tran erkenne ich Thomas Schmidtkonz fast zu spät. Ich wünsche ihm noch viel Spaß. Dann führt unser Kurs gerade weiter und jetzt können wir Tempo machen, denn es geht durch das Gossental kilometerlang immer leicht bergab. Uetzing und Stublang werden durchlaufen. An einer Verpflegungsstelle verlange ich ein Bier, worauf ein Helfer in seinen fränkischen Dialekt sagt: „Siegst es, i hobs Euch gsagt, mir brauchen a Bier.“ Anschließend rennen wir auf einem Radweg nach Loffeld und Horsdorf. In diesen Orten können wir schöne Osterbrunnen, Kirchen und Bäche bewundern. Ein Auge dürfen wir auf die Cheerleadergirls werfen, die uns mit Jubel und Ansporn weitertreiben.

 

Vor Eichelsee unterqueren wir die B173 und es schließt sich einer der wenigen Gegenanstiege an. In Unterzettlitz macht dann die Feuerwehr Party für uns. Nicht nur wieder was zum Saufen, hier auch mit Cola, wird serviert, sondern wir hören auch Rock aus den Achtzigern. Die Feuerwehrjugend hört man noch ein gutes Stück des Weges. Der Weg durch die Auwaldsiedlung wie im Vorjahr bleibt uns erspart. Mittlerweile ist mir der Werner entgegengelaufen, der seinen Halbmarathon schon beendet hat. Er begleitet mich und nimmt mir auch die Kamera ab.

 

Beim West- und Mittelsee kann ich nochmals zwei Gegner „schnupfen.“ Die Wege sind hier mitunter durch das kürzliche Hochwasser etwas uneben, da der Feinbelag vom Wasser weggeschwemmt wurde. Am Campingplatz, kurz hinter dem 40-Kilometer-Schild nehme ich zwei Schluck Wasser als letzte Nahrung.

 

Unser Weg führt jetzt Richtung Kurpark, am Gradierwerk vorbei, ein schöner Springbrunnen, eine Unterführung und wir laufen ins Stadion ein. Einen kleinen Hinweis für die Walker muss ich aber noch loslassen. Wenn von hinten schnellere Läufer kommen, dann muss man nicht zu Dritt nebeneinander walken, so dass der Läufer in den Grünstreifen ausweichen muss. Auf der Tartanbahn hat’s dann jeder begriffen und mit Schwung laufe ich durchs Ziel, wo ich die Medaille mit einem herzlichen Händedruck umgehängt bekomme.

 

Nach kurzem Verpflegen gehe ich gleich in den Massagewagen, im Vorjahr war die Massage in zugigen Zelten, und komme nach kurzer Wartezeit zur Behandlung. Meine Unterschenkel sind etwas verhärtet, aber der Masseur macht seine Aufgabe sehr gut. Dann lassen wir den Bierkrug mit bayerischem Manna befüllen. Zu den Bratwürsten schmeckt das Freibier doppelt gut. Leider geht der Alkohol in die Birne.

 

Dann besuchen wir noch die Siegerehrung in der Adam-Riese-Halle, wo reichhaltige Speisen angeboten werden. Als Überraschung holt sich Werner in seiner Klasse den zweiten Rang. Als Preis erhält er einen Gratisstart im nächsten Jahr. Ja, da müss ma dann halt wieder hin. Ich werde Vierzehnter meiner Klasse.

 

Nach dem Kaffee und der Torte lösen wir die Karte für die Obermain-Therme ein, wo wir ausgiebig Whirlpool, Strömungsbad, Dampfbad und Inhalationsbad testen. Das tut den geschundenen Muskeln gut. Der Eintritt hier ist ebenfalls im Startgeld enthalten.

 

Die Heimfahrt geschieht dann problemlos und wir sind uns einig, dass wir hierher zurückkehren wollen.

 

Gewinner

Tobias Hegmann (TSG Kleinostheim; 2.46.29 Stunden) vor Vorjahressieger Rudolf Paulus (SSG Königswinter; 2.51.10) und Stephan Gunzelmann (LAC Quelle Fürth; 2.51.44).

 

Bei den Frauen gewinnt Claudia Welscher (SSG Königswinter; 3.32.08) Gertrud Härer (LG Erlangen; 3.36.16) und Sandra Nossek (TSV Scheßlitz; 3.43.42).

 

Streckenbeschreibung:

Landschaftsmarathon mit 700 Höhenmetern. Zwei lange Anstiege (Kloster Banz und auf die Hochfläche), ein kleinerer auf den Staffelberg auf den ersten 21 Kilometern. Zweite Marathonhälfte (mit kaum Anstiegen) bei defensiver Renneinteilung problemlos schneller zu laufen als die erste Hälfte.

 

Rahmenprogramm:

Kleine Sportausstellung. Preiswerte Verpflegung bei der Siegerehrung.

 

Auszeichnung:

Medaille, Funktionsshirt für Marathonis, gefüllter Bierhumpen, Aufkleber, Urkunde aus dem Internet und Nudelparty am Vorabend. Gratiseintritt in die Obermain-Therme (allein das ist 7,50 EUR wert).

 

Logistik:

Parkplätze in unmittelbarer Nähe werden eingewiesen. Bahnhof in Gehweite.

 

Verpflegung:

Im Abstand von drei bis vier Kilometer mit Leitungs-, Mineralwasser, Apfelschorle, Iso, Tee, Cola, Riegel, Obst. Getränke angewärmt.

 

Zuschauer:

Aufgrund der Strecke nur in den Ortschaften und bei den V-Stellen vorhanden. Am Zielgelände und im Kurpark viele Zuschauer.

 

Finisher:

Marathon 281, Halbmarathon 806, NW-Marathon 31, NW-Halbmarathon 345.

Es bleibt nur eine angenehme Erinnerung, wobei die familiäre Stimmung, die gute Ausschilderung und die gute Organisation herausstechen. Die Strecke rund um Bad Staffelstein bietet Genuss für das Auge und den Geist. Karl-Heinz Drossel hat mit seinen Mannen eine gute Arbeit geleistet. Wir freuen uns auf 2007.

 

Eine gute Zeit, bis demnächst - Servus und Ade.

 

Informationen: Obermain-Marathon
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