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Laufberichte

Türme, Kirchen, Brücken und Paläste

27.11.11
Autor: Klaus Duwe

Noch 10 km. Luca gehört zu den 4:45-Pacern. Er hat die Aufgabe übernommen, Läufer, die etwas zurückgefallen sind, wieder an die Gruppe heranzuführen. Er will wissen, was marathon4you ist. Inzwischen habe ich ein paar Standardsätze auf Englisch parat. “Du kannst deutsch sprechen”, sagt er mir aber. Er hat etliche Jahre in der Nähe von Stuttgart gearbeitet. Was er von Spätzle hält, will ich wissen. Gut seien die, wie die Schwäbische Küche überhaupt. Er würde in Deutschland sowieso zu keinem Italiener gehen. Irgendwie würden die anders kochen als in der Heimat. Bei mir ist das genau umgekehrt. Keine Ahnung, wann ich zuletzt in einem typisch deutschen Gasthof war. Gibt es sowas überhaupt noch? Und wenn ich aus dem Kühlschrank alles “made in italy” rausnehme, ist kaum noch was drin.

Durch schmale Gassen und auf teilweise holprigem Pflaster geht es weiter. Niemals würde ich auf die Idee kommen, dass sich hinter dem alten Gemäuer mit den vorgesetzten Laubengängen die Kunstakademie verbirgt. Das wäre auch nicht weiter erwähnenswert, würde da nicht Michelangelos David zu bewundern sein. Nicht eine Kopie wie auf Piazzale oder vor dem Pallazzo Vecchio. Nein, das Original, das der Meister 1501 – 1504 aus einem einzigen Marmorblock gehauen hat. Zuvor waren an dieser Aufgabe andere namhafte Künstler gescheitert. Der David gilt als die bedeutendste Skulptur der Kunstgeschichte.

Die Gassen werden jetzt noch enger, noch schattiger noch kühler. Am Ende einer solchen schnurgeraden Gasse sieht man die weiße Fassade des Doms (km 35). Wir laufen rechts, nehmen einen kleinen Umweg und kommen dann auf den Domplatz. Es ist gigantisch. Die Kathedrale Santa Maria del Fiore, das Baptisterium, der Campanile … Es herrschte ein Wettstreit zwischen den Metropolen in Italien. Wer baut die größte Kirche, wer wagt die kühnste Konstruktion? Florenz wollte Maßstäbe setzen und beauftragte Bunelleschi mit dem Bau einer Kuppel, die größer sein sollte, als die des Pantheon in Rom. Weil der von Giotto geplante Glockenturm irgendwann nicht mehr weiter gebaut wurde, überragt ihn heute die Kuppel deutlich.  Geht mal in das Kaufhaus Rinascente. Dort gibt es auf dem Dach ein Café von dem aus ihr glaubt, auf gleicher Höhe der Kuppel zu sein. Der Blick ist sagenhaft.

Wir kommen zur Piazza della Repubblicca, links das erwähnte Kaufhaus, rechts der Arcone genannte Triumphbogen, durch den wir laufen.  Noch 5 km, wir sind wieder beim Torre Prado, den wir bei km 4 schon einmal gesehen haben. Die Rockband ist noch immer aktiv und gibt gerade „Knocking on Heavens Door“ in der Version von Gun’s and Roses zum Besten. Gleich sind wir am Arno. Vor mir läuft einer mit kunstvoll geflochtenem Zopf. Ich kenne nur zwei Zopfträger: Karl Lagerfeld und Joey Kelly. Und Lagerfeld ist das nicht.

Wir laufen über die Brücke Santa Trinita, die älteste dieser Art weltweit. Die vier Statuen symbolisieren die vier Jahreszeiten. Noch besser gefällt mir aber die Ponte alla Carreira, die westlich liegt. Ich traue meinen Augen nicht. Ohne besoffen zu sein, sehe ich alles doppelt. Die Bögen spiegeln sich im Wasser und bilden gleiche Ellipsen, die Häuser, die Ufermauer, alles steht auf dem Kopf. Wo hört die Realität auf, wo fängt die Spiegelung an?

Da hilft nur weiterlaufen. Spätestens auf der Ponte Vecchio sehe ich wieder klar. Auf der berühmtesten Brücke von Florenz glitzert und funkelt es vor lauter Gold, Silber und Edelsteinen. Denn in den Geschäften dürfen sich seit 1593 nur Goldschmiede niederlassen.  Zuvor waren dort hauptsächlich Schlachter und Gerber ansässig, die aber einen solchen Gestank verursachten, dass den hohen Herren bei ihrem Weg vom Palazzo Pitti zur Arbeit im Palazzo Vecchio oder in den Uffizien fast die Luft wegblieb.

Schon sind wir auf der Piazza della Signoria mit dem besagten Palast, einst Mittelpunkt der weltlichen Macht in Florenz. Mit dem Bau wurde 1299 begonnen, 15 Jahre später zog das Parlament ein. Der 94 m hohe Turm prägt das Stadtbild nicht weniger als der Dom mit seiner Kuppel. Wo heute die David-Kopie steht, stand einst das Original. Bei einer hitzigen Debatte flog einmal ein Tisch durch’s Fenster und beschädigte die Skulptur. Daraufhin suchte man einen sicheren Platz für Michelangelos Kunstwerk. Wir sehen wir noch den Neptun-Brunnen und das Denkmal für Cosimo I. Medici, dann laufen wir noch einmal zum Dom. An der Rückseite werden wir letztmalig mit allem versorgt und fit gemacht für den letzten Kilometer.

Durch eine schmale Gasse erreichen wir das Arno-Ufer, wo aufgereiht die roten LKW-Aufleger mit den Kleiderbeutel stehen. Hunderte Läuferinnen und Läufer ziehen sich dort um, als die Gruppe „Marathon Abili“ mit ihren behinderten Freunden auftaucht. Spontan versammeln sie sich an der Strecke und bereiten den wahren Helden dieses Laufes einen Empfang, dass es denen die Tränen die Augen treibt. Es ist für mich der schönste Moment des Tages.

Der umjubelte Zieleinlauf vor vielen Zuschauern auf der Piazza Santa Croce ist großartig. Dankbar, zwei vergleichsweise gesunde Beine zu haben, halte ich einen Moment inne. Dann schnappe ich mir das schwere Fotogerät und halte noch ein paar Eindrücke fest.

Florenz war wieder alle Mühen wert.

 

Impressionen

 

  

Siegerliste

 

Männer

1 BEKELE BERGA B.  ETH  02:09:52
2 SEIFU GELA HAILU ETH  02:10:17
3SAJI ABDELKABIR MAR 02:12:11

Frauen

1 GIGI ASHA ETH 02:31:36 
2 HANANE JANAT MAR 02:34:20
3 MARCONI GLORIA ITA 02:34:57

 

Abschluss-Party

 

 

Die Stadt

 

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Informationen: Firenze Marathon
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