Nach zahlreichen wunderbaren Landschaftsläufen wählen Norbert und ich als Saisonabschluss etwas ganz anderes: Den Firenze Marathon. Es wird unser erster Marathon in Italien und der einzige Citylauf in 2014 sein. Ich freue mich besonders über die Wetterprognose: Während für Deutschland ein kleiner Wintereinbruch voraus gesagt wird, herrschen in Florenz milde 12 bis 18 °C. Dass mit Nieselregen gerechnet wird, kann mich da nicht erschrecken. Zur Vorsicht packen wir Laufoutfit für alle Wetterlagen ein.
Die Anreise am Freitag lässt schon mal hoffen. Schnell ist die Winterjacke verstaut und mit leichter Kleidung machen wir uns zur Marathonmesse auf. Der Lauf scheint prächtig organisiert zu sein. Bereits im Vorfeld konnte man das Gesundheitszeugnis einreichen, was direkt auf der Anmeldebestätigung des Veranstalters vermerkt wird. Nachdem man seinen Ausweis gezeigt hat, kommt man in Besitz seiner Startnummer auf der nicht nur der volle Name sondern auch die Flagge des Heimatlandes aufgedruckt ist. Das ist super, denn so kann man Landsleute schnell erkennen. Auch eine Startertasche mit netten Kleinigkeiten gibt es dazu. An einer großen Wand ist der Streckenverlauf zu sehen. Jeder Läufer kann sich darauf „verewigen“. Wir suchen in der Mitte einen schönen Platz für unseren Servus.
Um das im Startgeld enthaltene langärmelige Laufshirt zu erhalten, geht es durch ein kleines Tor in eine angrenzende Halle. Hier sind Messestände verschiedener Firmen und diverser Laufveranstaltungen aufgereiht. Da muss man jetzt vorbei. Wir holen uns Anregungen für das kommende Jahr und haben Ruckzuck den großen Schalter für die T-Shirt Ausgabe erreicht. Anprobieren und Umtauschen kein Problem. Hunderte von Menschen schieben sich jetzt durch die Gänge. Es ist heiß und unglaublich laut. Schnell machen wir ein paar Bilder, dann nichts wie weg.
Den Abend verbringen wir in der nahen Altstadt in einer Pizzeria. Nein, wir sitzen nicht in der Pizzeria, sondern im Freien. Genial! Ende November tobt hier immer noch das Leben auf den Straßen.
Am nächsten Morgen vor dem Start ist es trüb und nieselig. In der Startertasche finden wir Regenschutz und den Beutel für die Kleiderabgabe. Zeitig machen wir uns auf den Weg. Die Startblöcke werden eine halbe Stunde vor dem Start geschlossen und Norbert möchte gerne pünktlich sein. Bei mir ist es egal. Ich muss eh in den letzten Startblock.
Die sechsspurige Straße am Kai des Arno ist gesperrt. Der Startbereich ist mit hohen Gittern umzäunt. An den Eingangstoren der verschiedenfarbigen Blöcke wird die Startnummer kontrolliert. Im vorderen Block ist von den Spitzenläufern noch niemand zu sehen. Sie kommen wohl erst kurz vor dem Start. Ein Sprecher begrüßt die Athleten der verschieden Nationen in der jeweiligen Landessprache.
Mein Startblock geht von 4:30 bis 6:00 Laufzeit. Ich finde nur noch ziemlich hinten Platz. Na gut, dann lasse ich es eben ruhig angehen und rolle das Feld von hier aus auf. Von den Lautsprecherdurchsagen bekommen wir gar nichts mit. Langsam wird die Anspannung der Läufer um mich herum spürbar. Die Schutzfolien werden abgestreift und in hohem Bogen an die Seite geworfen. Irgendwann erfolgt wohl der Start und wir können in Wellen vorrücken. Nach guten 5 Minuten erreichen wir das Starttor. Hinter den hohen Gittern stehen etliche Zuschauer, auch das Fernsehen ist da. Endlich können wir loslaufen. Nach ein paar Metern wird plötzlich abgebremst, denn jeder möchte einmal in die Kamera winken, dann geht es endgültig los. Und das ist ganz wörtlich gemeint. Um mich herum wird gerannt, als gäbe es kein Morgen. Meinen Plan, mich langsam weiter nach vorne zu arbeiten, verschiebe ich erst einmal. Ich werde von hinten schier überrollt.
Florenz wurde bereits 60 v. Chr. von den Römern gegründet. Weil die Stadt im Laufe der Zeit immer größer wurde, hat es insgesamt 6 Stadtmauern gegeben. Die letzte und somit äußerste wurde im 13. Jahrhundert vollendet - jedoch 1871 fast völlig abgerissen um Platz für die neue Umgehungsallee zu schaffen. Auf dieser breiten Viale rund um die Altstadt sind wir nun unterwegs. Immer wieder stehen Zuschauer und feuern uns an. Wir sind ungefähr zur Hälfte um den Stadtkern herum, da taucht links das gewaltige Fortezza de Basso auf. 1537 als Kaserne außerhalb der Stadt erbaut, ist sie mittlerweile zum Messegelände umfunktioniert. Von außen wirkt es abweisend und unnahbar. Im Innern befinden sich jedoch weitläufige parkähnliche Anlagen mit alten, restaurierten Gebäuden und modernen Pavillons.
Es geht bergab. Eine Unterführung bringt uns unter der Piazza Bambini di Beslan, einer Verbindung zwischen der Festung und dem Messegelände hindurch. Oben steht Publikum und klatscht. Im Läuferfeld herrscht prächtige Stimmung. Die Akustik in der Unterführung wird genutzt, um sich mit lauten Parolen weiter zu puschen. Die Luft vibriert vor lauter Lärm. Es geht unter dem Hauptbahnhof hindurch; dann verlassen wir scharf rechts die Hauptstraße. Der offizielle Firenze-Sightseeingbus steht quer und Brasilianische Rhythmen bringen die Läufer vom oberen Deck aus noch mehr in Fahrt.
Wir sind nun im Wohngebiet. Viele Menschen stehen hier und klatschen Beifall. Die erste VP bei km 5 wird dankbar angenommen. Es gibt Tee, Wasser und Iso. Es folgt ein kurzes Begegnungsstück, eine scharfe Kurve und das Ganze auf der anderen Straßenseite wieder zurück. Wir kommen in den Parco delle Cascine. Am Eingang spielt eine Band und die Läufer klatschen und bedanken sich für die tolle Unterstützung.
Bei km 8 bricht dann der Gegenverkehr links weg und wir haben die Straße für uns. Vor dem Gelände der Pferderennbahn werden Schwämme ausgeteilt. Super Idee. Es ist zwar nicht gerade heiß, aber was ich kühlen kann, muss ich schon nicht trinken. Die Straße macht eine Kurve und führt uns richtungsmäßig wieder zurück. Es geht am Ufer des Arno entlang. Ungefähr in der Mitte des Parks hinter km 10 liegt die nächste VP. Hier haben die Helfer alle Hände voll zu tun, denn auch von der anderen Seite kommen Läufer. Bei uns wird es hektisch. Drei Pacer für 4:30 kommen mit einer ganzen Meute von hinten. Ich gehe in Deckung und werde einfach mitgezogen. Das ist ja eigentlich nicht meine Welt, aber die Stimmung im Pulk ist wirklich toll. Gerade fragt ein Pacer, wer hier seinen ersten Marathon läuft. Nahezu die Hälfte meiner Mitläufer gibt Handzeichen. Sie bekommen Tipps und Ermutigungen.
Es geht nun im Zick-Zack durch den Park und die Sonne kommt allmählich hervor. Wir passieren noch eine weitere, große Pferderennbahn und die dritte VP. Ich beschließe, die Gruppe ziehen zu lassen. Mir ist das zu eng und außerdem laufen sie doch einen Tick zu schnell.
Zwischen den Tennisplätzen und einem futuristisch anmutendem würfelförmigen Gebäude geht es hindurch. Wir gelangen nun von der anderen Seite an den ersten Abzweig, wo die Brasilianischen Trommler auf dem Firenze-Sightseeingbus nun in unsere Richtung Stimmung machen. Auch ein Spalier von Helfern in lilafarbenen Jacken feuert uns an, als wir auf die große Piazza Vittorio Veneto laufen. Es geht kurz bergab, unter einer Brücke hindurch und hinten wieder hinauf. Dort wartet eine große Brücke über den Arno auf uns. Zum ersten Mal geht es hinüber auf die andere Seite. Wir genießen die Aussicht auf die ausladenden Palazzi direkt am Kai, überragt von den Türmen des Doms, des Palazzo Vecchio und Santa Croce im Hintergrund.