Nehmen wir einmal an, es ist Marathon. Es regnet und es ist kalt. Nach der Hälfte der Strecke bist Du ausgekühlt, die Beine tun weh, die Stimmung ist unter Null und Deine Zwischenzeit unter aller Sau. Um Dich herum sind lauter in silberne Folie gekleidete Aussteiger. In ihren Gesichtern ist zu lesen: "Mit mir nicht!". Auch Du hast die Schnauze voll. Auf der anderen Straßenseite ist Dein Hotel. Du weißt, das Zimmer ist warm, die Dusche heiß, der Schrank voll mit trockenen Klamotten. Was machst Du? Nur die ganz Harten laufen da weiter - und ich. Aber ich erzähl Euch das der Reihe nach.
Schon vor dem Abflug erkundige ich mich nach dem Wetter. Freitag und Samstag soll die Sonne scheinen, auch am Montag. Am Sonntag soll es aber ergiebigen Regen geben. Also packe ich die Goretex-Schuhe ein. Die sind auch dann nützlich, wenn ich auf den Lauf verzichte und nur Fotos mache, was ich mir zunächst als Alternative offen lasse.
Letztendlich erinnere ich mich aber daran, dass ich bei schlechtem Wetter und Kälte lieber als Läufer unterwegs bin, als mir als Fotograf an der Strecke den Allerwertesten abzufrieren. Also ziehe ich mir in der Früh über ein Kurz- und Langarmshirt die Regenjacke und darüber die vom Veranstalter spendierte Folie und gehe die zweihundert Meter vom Hotel Mediterraneo zu den Shuttlebussen, die die Läufer zur Piazzale Michelangiolo, der Aussichtsterrasse von Florenz bringen. Seinen Kleiderbeutel gibt man vorher ab, was heute nicht die beste Lösung ist.
Über 10.000 Läuferinnen und Läufer haben sich angemeldet, nur die ersten finden hier oben in einem kleinen Zelt, einem Bushäuschen oder in der Telefonzelle ein trockenes Plätzchen. Alle anderen sind schon vor dem Start bis auf die Haut durchnässt. Woher die Leute bei dem Scheißwetter nur die gute Laune nehmen. Hart trifft es offensichtlich nur die, die vor einer Italienreise von Sonne und blauem Himmel träumen.
„Ciao, Klaus!“ Ilaria macht lautstark auf sich aufmerksam. Ihr erinnert Euch, sie ist die Gute-Laune-Pacerin, die mich in Turin bei km 30 hat stehen lassen. Heute macht sie das Tempo für die 5.00-Stunden-Läufer und fragt mich, ob ich mit ihr laufe. „Nein, Du bist mir zu langsam“, gebe ich stolz zur Antwort. Ich rechne mir tatsächlich aus, heute für meine Verhältnisse besonders schnell zu sein. Auch, weil ich wohl weniger Fotos machen werde, um das Gerät möglichst heil ins Ziel zu bringen.
Die Strecke hat man in diesem Jahr etwas geändert. Der Höhenunterschied zwischen Start und Ziel entsprach nicht den Vorschriften und der Florenz Marathon wurde als Down-Hill-Rennen eingestuft. Zwar hat man (zum Glück!) den Startplatz beibehalten, man geht jedoch, eingesperrt zwischen zwei Meter hohen Gittern, 300 – bis 400 Meter die Straße abwärts, wo die Strecke dann beim Startbogen offiziell beginnt und die Zeit genommen wird. Das ganze passiert auch noch in entgegengesetzter Richtung wie bisher, weil die Straße hier nicht ganz so steil ist.
Die Läufer sind richtig happy, als es nach einer kleinen Verspätung endlich los geht. Die meisten sind ja in Begleitung unterwegs, deshalb sind am Start und auf den ersten Kilometern trotz des Regens recht viele Zuschauer. Die Bewegung tut gut, vertreibt die Kälte aus den Gliedern und das Wasser aus den Schuhen. Ich liege mit meinen Trailschuhen goldrichtig, meine Füße sind trocken, sonst aber nichts.
Wir laufen über die Ponte Sant Niccolo und dann in Richtung Norden einen weiten Bogen um die Innenstadt. Alte Mauern, Türme und Tore gibt es zu bestaunen, überrascht bin ich nach wie vor wegen der vielen lärmenden Zuschauer. Einer hat sich mit seiner Vuvuzela in die Unterführung gestellt. Ihr könnt Euch vorstellen, wie sich das anhört? Ich bin froh, wieder draußen im Regen sein.
Rechts sehen wir die Festung Da Basso aus dem 16. Jahrhundert, ein schmuckloses dunkles Gemäuer, hinter dem sich Alessandro Medici seinen eigenen Palast errichten wollte. Er blieb dann aber doch im Familienpalast in der Via Larga wohnen. Ein Wohngebiet mit schönen alten Häusern noch, dann geht’s ins Grüne.
Italienisch ist schon eine wunderbare Sprache. Parco delle Cascine – wie sich das anhört! Viehweide würde man auf Deutsch sagen. Bevor der Park im 15. Jahrhundert angelegt wurde, wurden hier nämlich Rinder gezüchtet. Die majestätische Baumallee wurde im 17. Jahrhundert angelegt. Eine gute Idee der Veranstalter, die 7 km (km 8 – 15) durch den schönen Park jetzt an den Anfang zu legen. Letztes Jahr quälten wir uns noch von km 30 – 36 durch die Grünanlage.