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Laufberichte

Zehnmal im Kreis

26.01.08

Jetzt hat es auch bei mir geklappt. Ich darf einen flachen 50er rennen. Nicht so wie auf der Schwäbischen Alb mit vielen Höhenmetern, sondern in Rodgau auf einer flachen Runde. Das wird fein.

Der Wetterbericht sagt trockenes Wetter und für die Jahreszeit zu milde Temperaturen vorher. Wenn es recht kalt wäre, so wie vor zwei Jahren in Bad Füssing mit knapp zehn Grad minus, dann wäre ein Ultra wohl ein Kampf ums Überleben. So braucht nur noch die Sonne ein wenig scheinen, und alles wird gut.

Ich reise am Vortag nach der Arbeit an. Die Autobahn ist recht voll, da noch viele Lastwagen unterwegs sind, aber es geht ohne Staus voran. Dann höre ich eine Verkehrsnachricht im Radio. Ach du lieber Schwan. Ein solcher dreht auf der Autobahn 9 bei Höchstädt/Aisch seine Runden. Wenn der nur nicht unter die Räder gerät. Weil des ist auch nicht grad des gsündeste.

Nach drei Stunden erreiche ich Rodgau und finde nach zwei Schlenkerern die Turnhalle des TSV Dudenhofen. Einige Läufer sind gerade angekommen, dabei befinden sich drei Münchberger, die vor mir auf den Parkplatz eingebogen sind. Die Oberfranken sind mir 2007 gleich mehrmals über den "Laufweg" gelaufen, zuletzt im Herbst in Werdau. "Wir können schon in die Halle“, sagt ein anderer, da laut Ausschreibung erst um 20.00 Uhr die Halle belegt werden kann. 80 Gleichgesinnte haben sich für die Übernachtung angemeldet. "Die Halle wird voll werden, wenn alle kommen“, hat mir Reinhardt Schulz vom RLT Rodgau gemailt.

So schlimm kommt es nicht. Dafür treffe ich viele Bekannte aus dem Ultrakreis. Karl-Heinz Kobus, Klaus Neumann, den Deutschlandlauforganisator Ingo Schulze, frisch gebackener 60er, und viele andere. Nebenan ist eine Wirtschaft, ein Nudelgericht als Henkersmahlzeit, zwei Halbe Bier für einen tiefen Schlaf, und ich bin glücklich. Ich drück mir noch zwei Stöpsel in die Ohren, dann hör ich eventuelles Sägen auch nicht mehr.

Wo ist denn dieses Rodgau, wird sich mancher fragen. Nun, die Stadt mit 45000 Einwohnern liegt in der Untermainebene und ist von "Ascheberg" (Aschaffenburg), Hanau, Frankfurt und Darmstadt gleich weit entfernt. Die Landesgrenze zu Bayern liegt nur wenige Kilometer am Main. Die Stadt Rodgau hat keine alte Geschichte, denn erst 1977 entstand sie im Rahmen der Gebietsreform aus den umliegenden Gemeinden. In Dudenhofen, einer der Stadtteile und an diesem Wochenende unser Wettkampfort, finden sich schon eher Wurzeln in die Geschichte. So wurde der Ort von Franken im 6. Jahrhundert gegründet. 1278 wurde Dudenhofen erstmals in einer Urkunde zwischen Erzbischof Werner von Mainz und mit den Herren von Eppstein genannt.

Im dreißigjährigen Krieg erlitt die Bevölkerung einen harten Einschnitt. Von 430 Bewohnern erlebten nach Kämpfen und Pest gerade einmal 26 Einwohner das Kriegsende. Heute hat der Ort knapp 8000 Bewohner.

Im Bereich der Wirtschaft dominiert das Dienstleistungsgewerbe. Die Firmen IBM, Atlas, FEGRO Großhandel, MEWA Textilservice, PepsiCola, DHL und weitere sorgen für viele Arbeitsplätze. Ein großer Teil der Erwerbstätigen pendelt zudem in die umliegenden Großstädte Frankfurt, Offenbach, Hanau, Darmstadt und natürlich auch zum Frankfurter Flughafen.

Kulturell ist hier der Fasching gut vertreten. Da gibt es die sogenannten Kreppelkaffees, gemütliche Kaffeerunden, bei denen faschingstypische Kreppels (Krapfen) vertilgt werden – dem folgt dann ein umfangreiches Sitzungsprogramm. "Erbarme, die Hesse komme“, wer kennt den Song der Rodgau Monotones nicht. Im September ist das Drachenfest ein weiteres Highlight im Jahresprogramm.

Ja, und an diesem Wochenende ist woanders auch noch viel los, wie zum Beispiel im bayerischen Thurmannsbang das Elefantentreffen oder das Winterschwimmen für Wasserratten in Neuburg, meiner Heimat. Da lassen sich 1800 Schwimmer in der Donau hinabtreiben und einige (Eis-)Bären brauchen da nicht mal einen Neoprenanzug.

Ich schlafe ganz gut, bis jemand früh um sieben Uhr das Licht anmacht. Und dann kann ich schon Geschirrgeklapper hören. Das Frühstück wird gerichtet. Ein schöner Service ist es für uns, dass hier ein Frühstück mit frischen Semmeln, Schinken, Hartwurst, Käse, Müsli und Kaffee zum Nulltarif angeboten wird. Hartmann Stampfer aus dem Grödner Tal in Südtirol klopft mir auf die Schulter. Er hat in seinem Auto übernachtet. Gefroren hat's ihn nicht, der Standheizung sei’s gedankt.

Als ich Schlafsack und Liegematte zum Auto trage, läuft mir Klaus über den Weg. Er ist gerade nach knapp zwei Stunden Fahrzeit angekommen. Er übergibt mir noch einen Packen von Terminkalendern und dann holen wir die Startnummern. Die Ausgabe ist im benachbarten Tennisclub. Die Anmeldung hat problemlos geklappt, nur meine Starttüte ist nicht vorhanden. Für mich schaut das so aus, als ob diese an einen anderen Sportler ausgegeben wurde. Ich erhalte eine neue Nummer.

 


Die Turnhalle ist nun schon gut gefüllt. Es geht noch ohne Gedränge ab, nur bei den Toiletten haben sich schon Schlangen gebildet. Aber 10 Minuten Wartezeit ist noch zu tolerieren. Die Zeit vergeht schnell. Kurz nach 09.30 Uhr leert sich die Halle zunehmends. Also auf zum Startplatz der Freizeitanlage Gänsbrüh. Diese ist rund zehn Minuten Fußweg entfernt. Hier können wir unsere Wechselbekleidung wettergeschützt ablegen. Ich sehe bereits Start und Ziel aufgebaut.

Bei rund 800 Anmeldungen ist das Startfeld nicht gerade übersichtlich, aber es wird sich schon auf der Strecke entzerren. Wir werden aufgefordert, uns in den Startbereich zu begeben. Es ist jetzt zwar noch Bewölkung am Himmel, doch erste Lücken sind schon erkennbar. Mit so sechs, sieben Grad ist es auch optimal für den Wettkampf. Bürgermeister Alois Schwab entlässt uns dann mit einem Schuss auf die Strecke. Ich schieße noch zwei Bilder vom Start und mache mich dann auch auf die Socken.

Runde eins: Es geht leicht bergab auf geteertem Untergrund. Nach einer scharfen Rechtskurve führt uns die Laufstrecke am Waldrand entlang, wo nach rund 800 Metern bereits die Versorgungsstation wartet. Es greift niemand zu, ist ja noch zu früh. Wir biegen links ab. Es geht hinaus in die Felder. Links wird Kilometer eins angezeigt, ein großes rotes Schild, nicht zu übersehen. Nach weiteren vierhundert Metern biegen wir rechtswinkelig ab und erreichen den zweiten Kilometer, jetzt wieder im Wald. Am Ende dieses Stückes sind ein paar Waldarbeiter und machen Holz.

 


Etwa bei Kilometer 2,5 finden wir das kurze Pendelstück, an dessen Ende eine gefüllte Regentonne als Markierung umlaufen werden muss. Etwas beengt ist jetzt die Wendepunktstrecke, ein bisschen Konzentration schadet nicht. Dann finden wir schlagartig mehr Platz, als der Gegenverkehrsbereich endet.

Wir verlassen wieder den Wald, es geht für rund 500 Meter über das freie Feld. Der Wind stört ein wenig, aber jetzt können wir noch im Windschatten laufen. Wieder im Wald geht es leicht links herum, hier müssen wir aufpassen, denn der Untergrund ist etwas uneben. Also Fuß heben, sonst haut's Dich auf die Fresse und Du hast selber Schuld.


Kilometerschild vier: Links ist ein Gelände der Opel AG, eingezäunt wie eine Bundeswehrliegenschaft. Hier finden wir einen leichten Anstieg, den man jetzt kaum wahrnimmt. Später wird man ihn wohl verfluchen. Eine leichte Rechtskurve, und dann geht es für 800 Meter leicht bergab zum Startbereich. Ich lasse es laufen. Die Ansagerin in Gestalt von Gabi Leidner, alias Frau Werwolf, höre ich schon von weitem. Links sehen wir noch einen kleinen Weiher und einen Kinderspielplatz.


Runde eins ist abgehakt, ich fühl mich wohl, noch neun Runden. Wer jetzt glaubt, dieser 50er ist öde und langweilig, den muss ich enttäuschen. Ich habe selten so eine kurzweilige Runde erlebt. Es ist immer was los. Man wechselt ein paar Worte mit Laufkollegen, die Landschaft ändert sich laufend, bis auf den Wendepunkt ist alles flüssig zu rennen, geteerter und befestigter Untergrund, immer breit genug. Ja, und am Wendepunkt sehe ich die vor mir Platzierten und die Verfolger.

Ich glaube, bei Runde zwei überhole ich Klaus-Dieter Hellwig. Er ist seit dem Herbstmarathon in Werdau verletzt gewesen und will heute mal sehen, wie weit er ohne Probleme kommt. "Nimm Dir Zeit, und höre in Deinen Körper hinein“, rate ich ihm. Mehrmals werde ich angesprochen, ich glaube, ich bin auch schon ein bunter Hund, obwohl ich noch nicht so viel Ultraerfahrung habe. Nun, Schwäbische Alb, Einheitslauf, Swiss-Alpine sind nicht gerade einfache Dinger, aber diese nötigen nicht nur mir einen gehörigen Respekt ab. Aber auf diesem flachen 50er gilt es auch, dass ein gleichmäßiges Tempo angeschlagen wird. Heißsporne werden gerade auf dem hinteren Wettkampfteil demütig werden.

Bei Runde drei beginnen bei mir bereits die Überholungen, zwei Walkerinnen, später ein Läufer. Dann kommt bereits die Spitze, ein Fahrradfahrer macht diesem die Strecke frei. Der hat einen tollen Speed drauf.


In der vierten Runde sehe ich Klaus vor mir. Vor dem Start sagte er. "Einmal darfst du überholen". Ich will mich indianermäßig anschleichen, aber er schaut laufend umher, wohl auch immer wieder interessante Perspektiven für seine Fotoarbeit zu entdecken. "Du bist zu früh dran“, höre ich. Ja lieber Klaus, entweder bin ich zu schnell unterwegs oder Du hast zu viel Zeit verplempert. Wahrscheinlich liegen wir irgendwo dazwischen. Ich wünsche ihm noch viel Glück. Ich werde ihn ein zweites Mal noch sehen.

Die Runden vergehen schnell, man wird überholt, es ist nicht langweilig und viele werden von mir überrundet. Bis mich eine gleichstarke Läuferin anspricht. Beim Zieldurchlauf nach der fünften Runde erfahre ich über die Ansagerin ihren Namen, es ist die Angelika Alt. Ja, und Moderatorin Gabi Leidner hat Hunger. Gebt ihr halt etwas zu Futtern.

Runde sechs bis acht laufe ich mit Angelika. Es rollt, Runde sechs wird in 23:40 Minuten heruntergerissen. Ich fühl mich sauwohl, auch wenn wir zur Einsicht kommen, diese Runde war wohl zu schnell. An der Verpflegungsstelle nehme ich warmen Tee oder Iso, dazu ein Stück Energieriegel. Hier sind etwa 15 Helfer versammelt, schenken aus, schneiden Obst, packen Riegel aus oder sammeln leere Becher entlang der Strecke ein. Beim Streckenteil mit dem Gegenwind wechseln Angelika und ich uns ab, damit der andere sich im Windschatten verstecken kann.

 


Bei Runde acht sehe ich wieder Klaus von hinten. Er bemerkt uns und schwingt seine Kamera. Langsam fällt mir das Laufen schwer. Angelika motiviert mich laufend und gibt mir nochmals Windschutz. Am Zaun des Opelgrundstücks schicke ich sie vor: "Lauf, damit Du die vier Stunden knacken kannst." Bei mir ist jetzt der Schwung dahin. Ich muss langsam machen, nicht dass mir der Kreislauf durchdreht.

Die vorletzte Runde jogge ich, nur nicht spazieren gehen. Ich greife an der Verpflegungsstation einen Becher Cola, der Inhalt ist saukalt. Der Müsliriegel bleibt mir fast im Hals stecken, ich würge ihn hinunter. Jetzt werde ich öfters überholt. Gefühlsmäßig brauche ich für diese Runde eine halbe Stunde.

Letzte Runde. Es geht ja um nichts mehr, einen persönlichen Rekord über 50 Kilometer werde ich auf jeden Fall aufstellen. Also, die letzte Runde ordentlich herumbringen und noch ein paar brauchbare Bilder schießen. Wieder gut verpflegt lasse ich diesmal der Mannschaft meinen Dank für ihren geleisteten Dienst wissen. Die kleine Steigung am Opelgelände mutiert mittlerweile zum Berg. Dann nach der letzten Rechtskurve lasse ich es laufen. 4.09 Stunden und ein paar Zerquetschte zeigt mir die Uhr beim Durchlaufen des Zieltores an. Feierabend.

Im Ziel sehe ich schon einige bekannte Gesichter, mehr oder weniger fertig. Ich schnappe mir meine Fleecejacke um nicht auskühlen. Die Zielverpflegung lässt nichts zu wünschen übrig. Warmer Tee, Malzbier, Wasser und das Futter reicht für alle. Die Duschen sind mollig warm. Jetzt sich 50 Minuten lang berieseln lassen, das wär schön - macht aber die Haut nicht mit.

Der "Fuchzger" hat nicht nur mir viel Spaß gemacht. Auch wenn viele Sportler noch nicht so weit sind um diese Jahreszeit und früher aussteigen - jeder ist in der Ergebnisliste verzeichnet. Bei mir sagt die Ergebnisliste 4.09.00 Stunden. Gesamtplatz 89 bei 446 Läufern, die alle zehn Runden hinter sich gebracht haben, das ist ja nicht schlecht. Ja, und zwei andere Läufer haben noch eine Ehrenrunde angehängt. Zum Auslaufen?

 

Informationen: Ultramarathon Rodgau
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