“No more snowrun!” so die Aussage meines Importläufers aus Kambodscha nach diesem Rodgau Ultra. Eigentlich ist Krasse Bulgare aus London, aber dann ist er nach unserem gemeinsamen Lauf auf dem Alten Khmer Pfad in Süd-Ost-Asien hängen geblieben und macht nun seit November Diätberatung für dicke Touris in Phnom Pehn. Das Geschäft läuft so gut, dass er die 25 Flocken für den Rodgau Ultra, von dem er im Tempel des Todes von mir gehört hatte, aus der Portokasse zahlen und nun an diesem berühmten Lauf in Frankfurts Osten teilnehmen kann.
Ganz so verrückt, wie wir Kambodscha-Läufer muss niemand sein, um bei diesen Schneeverhältnissen einen Ultra zu laufen. Sehr viele Läufer wollen einfach nur bei diesem Familientreffen dabei sein und schauen, wie weit sie auf der 5 km Runde kommen. Trotzdem finde ich es enttäuschend, dass nur 449 Läufer von über 800 Startern die ganzen 50 Kilometer gelaufen sind, denn die Verklärung eines harten Laufes erfolgt unmittelbar auf der Ziellinie, wo die Träumerei für das nächste harte Finish eines Wunschlaufes beginnt, und das können Kurzläufer einfach nicht erleben.
Mein Import-Kambodschaner Krasse, wundert sich zunächst, dass es kälter wird, je mehr man schwitzt, dann aber eine Spitzenzeit hinlegt und sich sogleich mit der heute dominierenden Schweizer Abteilung für extreme Bergläufe verabredet. Das ist beispielhaft!
Jeder hat Gründe, warum er heute nicht wie geplant läuft. Wir alle haben nach diesem Winter, der wohl wie jedes Jahr als einer der härtesten in die Geschichte eingehen wird, einen Adventskranz am Bauch, uns bei Ski-, Wetter- und Getränkeunfällen Gelenke, Sehnen und Innereinen verdreht. Wir alle haben Arbeits- und Familienüberlastung und auch ich habe einen 36 Std.-Tag und muss auch noch nachts Berichte für Eure liebste Website schreiben. Aber deswegen laufen wir ja, und wer so eine schreckliche Kindheit mit all den Laufbehinderungen hatte, wie Krasse und ich, der läuft erst recht.
Uff, da habe ich ein grandioses Entré hingelegt. Ich hoffe, das gibt ein bisschen Drive für jeden von Euch, denn in diesem Winter wird die globale Erwärmung uns bestimmt noch so manche Eigenverpflegung gefrierplatzen lassen! Zieht Euch und die Bierdosen warm an!
“Ich bin nur wegen dir hier!” höre ich an diesem Morgen vielfach. Damit meinen die jungen Läufer eher meine Berichte und drängen auf ein Foto mit mir, als sei ich Achim A.. Das macht mich froh, denn es ist mein Anliegen, viele Läufer zu motivieren.
Ich erinner mich an letztes Jahr, als ich gewartet habe, bis Evgenii Glyva, der Streckenrekordler zusammen mit seinen Betreuern die Berge von Schwarzwälder Kirschtorte verdrückt hatten, ehe ich ein Foto zusammen mit ihm machen konnte. Rodgau Ultra: die Olympiade der kleinen Leute mit Kontakt zu den ganz Großen.
Ich mag das, auch ich suche Kontakt und Fotos mit den Schnellen, will dabei sein, das motiviert auch mich!
Morgens, vor dem Ultra, der Gang in die Halle. Sämtliche Linsen sind beschlagen. Das ist so wie früher, als wir noch samstags statt zum Ultra in die Disco gingen und uns im Nebel zuerst zur Tränke tasteten, schnell aus Unsicherheit eine Kippe ansteckten und einfach in die Menge grüßten, als seien wir James Dean. War ja auch so, ist ja auch noch so, aber nun leben wir!
Jetzt ist die Disco auf der verschneiten Strecke: “Hot summer in the City” und “ Ich hab`ne Zwiebel auf dem Kopf, ich bin ein Schneller!” RLT statt RTL, beste Mukke aus den 60er, 70er und dem Besten von heute. Während sich die Sesselpupser anschauen, wie sich Pleitegeier bei RTL Kängurugenitalien vor laufender Kamera reinschieben, so drehen wir laufend fröhliche Runden beim RLT, auf einem Untergrund, der jedem Dschungelcampbewohner 20 Sterne einbringen würde. Sicherlich der ein oder die andere zu kurz bekleidet, aber wir sind alle verrückt, bekloppt, RLT-Läufer ohne Profilneurose, auch wenn uns Nichtläufer dieses unterstellen möchten. Niemand muss uns hier rausholen! Wir drehen unsere Runden!
Wir brauchen keine 20 Sterne um beste Ernährung zu erhalten. Es ist alles vorhanden, warm und kalt, süß und salzig, fett, fest und matschig. Alle 5 Kilometer von einer fröhlichen Crew serviert. Hätte ich gewusst, dass Conny Schmalzbrote in ihrer Tupperdose deponiert hat … Ich glaube ja nicht, dass es Mundräuber gibt, aber sicherheitshalber versehe ich meine isotonische Verpflegung mit einem Totenkopf. Man weiß ja nie - die Ukrainer, die Kambodschaner?
Dahinten bei km 4 ist die Opel-Teststrecke. Abgeschottet durch einen hohen Zaun röhren an diesem Samstag die Motoren und begleiten uns auf unserem Lauf, auf dass der Magen wummert. Das macht uns schnell.
Verschwörungstheorien, dass Mercedes Benz die Manta-Witze erfunden hat, Erinnerungen (ich hatte es in irgendeinen Bericht geschrieben), wie ich und die “One-Egg-Twins” Stahlstangen aus dem Opel Corsa hinaus geschärft hatten , um dann im Rüsselsheimer Stadtpark Karpfen zu spießen…. Wenn ich jetzt höre, wie die Motoren heulen und wie mit 400 Sachen nur wenige Meter von uns entfernt getestet wird, dann wird mir warm ums Herz. Opel lebt! Und wir auch! Aber warum müssen mache an dieser Ministeigung gehen? Der Lauf heißt Ultralauf!
Runde um Runde. Gaby, die Werwölfin (die Namensherkunft habe ich letztes Jahr erläutert), erwähnt mich auf jeder Runde, lobt mich für meine großzügige Vergebung.
Sie hatte sich auch einen großartigen Knaller geleistet: Postete ein Kochrezept in einem meiner Ultrathreaths auf FB! Dadurch wurde meine Timelife natürlich auf das Übelste verletzt. Ich habe ihr verziehen, weil es absolut lustig ist, wie alles am Rodgau Ultra, und überhaupt.
Eine Sache werde ich in diesem Bericht nicht erwähnen. Das ist mein berühmter Whisky-Aufguss in der Sauna. Dieses Jahr schlugen nämlich hohe Flammen aus dem Ofen, denn was Krasse, mein Import-Kambodschaner aus dem Dutyfree brachte, war so hochprozentig, wie dieser geniale Lauf! Lieber nackte RLT-Läufer in der Sauna als nackte RTL- Sternchen im Dschungel! Ich liebe Rodgau.
Ergebnisse 50 km
Männer
1 Neuschwander, Florian Trierer Stadtlauf e.V. 3:08:48
2 Holovnytskyy, SC Kovel 1975 m 3:15:57
3 Stegner, Carsten Skivereinigung Amberg 3:17:44
Frauen
1 Etter, Franziska www.mega-joule.ch 4:02:13
2 Staubach, Astrid LG Vogelsberg 4:03:50
3 Werthmüller, Gabriele LG Derendingen 4:11:26
449 Finisher