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Laufberichte

Kreuzdeich-Runde Lilienthal

17.02.07

Mal wieder 'ne TopTen-Platzierung

 

Eigentlich sollten der 17. und 18. Februar 2007 ein wettkampffreies Wochenende sein. Da mein Wohnort Bonn weit oben in der 2. Liga der Karnevalshochburgen rangiert, war auch so genügend Abwechslung in meinem Ruheständlerdasein zu erwarten. Doch was das Pausieren und Regenerieren betraf, sollte es ganz anders kommen. Am Mittwoch, dem 14. Februar 2007, erreichte mich nämlich ein Anruf meines langjährigen "Laufkumpels" Ernst Güdelhöfer. Dieser war am 3. Februar-Wochenende "alleinstehend" und wollte nicht Gefahr laufen, im rheinischen Karnevalstreiben zu "versumpfen". Was konnte es in dieser für Ernst schwierigeren Situation Hilfreicheres geben, als einen Marathonlauf zu bestreiten!

 

Uns war klar, dass dies mit sehr frühem Aufstehen und einem erheblichen Reiseaufwand verbunden sein würde. Denn wer schon hier im Rheinland oder in einer anderen Region, in der das Karnevals-, Faschings- oder Fastnachtstreiben an diesem Wochenende seinem Höhepunkt zustrebte, wäre bereit gewesen, zu diesem Zeitpunkt einen Marathonlauf auszurichten? Da Ernst erkennen ließ, dass ihm kein Reise-km zu weit sein würde, und ich leicht zu "verführen" bin, wenn es um die Teilnahme an einem Marathon- oder Ultralauf geht, verblieb uns nur noch, die richtige Veranstaltung herauszufiltern.

 

Ich erinnerte mich, von einem für den 17.02.2007 terminierten Vorlauf zum "Bad-Salzuflen-Marathon" gelesen zu haben, stellte dann aber keine weiteren Nachforschungen an, weil "Vorläufe" nicht "mein Ding" sind. Entweder wird der Hauptlauf bestritten oder gar nicht gestartet. Zudem gab es da ja noch ein üppiges Angebot bei den Lauffreunden im hohen Norden unserer Republik. Zum Beispiel sollte in Raisdorf bei Kiel an besagtem Wochenende ein Marathonlauf veranstaltet werden. Dieser wäre jedoch am weitesten entfernt gewesen. Zudem war die Internetausschreibung plötzlich nicht mehr aufzufinden. Und außerdem hatte nach meiner Erinnerung das Zeitlimit 5 Stunden betragen - plus Toleranz. Letzteres bedeutet jedoch, Bittsteller sein zu müssen. Das haben Ernst und ich nicht nötig.


Also lenkten wir unser Augenmerk auf Hamburg. Dort ist doch immer etwas los in Sachen "M oder U". Das war es auch diesmal wieder, und zwar am "Öjendorfer See" und an den "Deichwiesen". Mithin gleich zwei Läufe an einem Tag. Weshalb quält man denn die Interessentenschar damit, sich für eines der beiden Rennen entscheiden zu müssen? Also auch nix! Aber warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nahe - oder zutreffender gesagt "am nächsten", nämlich in Lilienthal bei Bremen (nur ca. 350 km von Bonn entfernt)?

 

Kleiner Ort, lange Geschichte

 

Der Ort Lilienthal geht auf eine Klostergründung des Bremer Erzbischofs Gerhard II. zurück. Unter dem Namen "vallis liliorum" begann 1232 der Bau des Nonnenklosters, das dem Zisterzienserorden angegliedert und 1264 geweiht wurde. Um 1400 erlebte das Kloster seine Blütezeit. Nach der Reformation wurde es ein evangelisches Damenstift, das sich unter kläglichen Bedingungen noch bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges halten konnte. 1650 erfolgte die Säkularisierung.

 

Inzwischen war nach den Bestimmungen des Friedensvertrages von Münster und Osnabrück das zwischen Weser und Elbe gelegene ehemalige Erzbistum Bremen-Verden an Schweden gefallen. Königin Christine belehnte einen verdienten schwedischen Heerführer, den Landgrafen Friedrich von Hessen-Eschwege, mit der neu geschaffenen Herrschaft Osterholz, in der die Ämter Lilienthal und Osterholz zusammengeschlossen waren. Nach dem frühen Tod des Landgrafen übernahm 1655 dessen Frau Eleonora die Regierung mit Sitz in Osterholz und mühte sich tatkräftig um eine Verbesserung der wirtschaftlichen und sanitären Lage der Landbevölkerung. Nach ihrem Tod im Jahr 1692 fiel das Lehen an die schwedische Krone zurück. Lilienthal blieb bis 1712 schwedisch (daher die schwedischen Farben des Wappens), kam dann zu Dänemark und 1719 unter die Herrschaft des Königreichs Hannover. Lilienthal wurde Sitz eines hannoverschen Amtes. 1740 wurden die Klosteranlagen abgerissen. Auf dem ehemaligen Grundbesitz des Klosters, der aufgeteilt wurde, entwickelte sich die Ortschaft Lilienthal.

 

Der Befreiungskrieg von 1813 traf Lilienthal sehr hart. Nach einem Zwischenfall während des Rückzugs setzte ein französischer Truppenteil den gesamten Ort Lilienthal in Brand. Nur die Kirche, einige wenige Häuser und die Sternwarte blieben von den Flammen verschont. 1866 verlor das Königreich Hannover seine Selbständigkeit, Lilienthal wurde preußisch. Das Amt Lilienthal wurde aufgelöst und mit dem Amt Osterholz zum Landkreis Osterholz vereinigt. Im weiteren Verlauf wuchs die Gemeinde stetig. 1939 hatte sie 3.100 Einwohner, 1974 bereits 12.500. Durch die im gleichen Jahr erfolgte Eingemeindung der Nachbardörfer stieg die Einwohnerzahl auf nahezu 17.000 Menschen an. Heute ist Lilienthal geprägt durch neue Wohnviertel, deren Bewohner oftmals durch die Nähe zur Großstadt Bremen angezogen werden, jedoch im Grünen leben möchten.

 

Ein herausragender Bürger Lilienthals war der Amtmann Johann Hieronymus Schröter. Er bezog 1782 den "Amtshof" in Lilienthal. Neben seiner Verwaltungstätigkeit befasste sich Schröter sehr intensiv mit der Astronomie. Er errichtete im Garten seines Amtssitzes eine Sternwarte. Diese wurde in den folgenden Jahren zu dem am besten ausgerüsteten Observatorium der Welt. Hier befand sich u.a. ein "Riesenteleskop" mit 50 cm Öffnung und 8,25 m Brennweite. Durch das Teleskop erlangte Lilienthal Berühmtheit. Der Ort wurde von Astronomen, hohen Staatsbeamten und Militärs aller Armeen besucht. Schröter stand in brieflichem Kontakt zu allen bedeutenden Astronomen seiner Zeit. 1800 gründete er in Lilienthal zusammen mit anderen Gelehrten die "Astronomische Gesellschaft". Nach Schröters Tod im Jahre 1816 verfiel die Sternwarte. 1850 wurden die letzten Überbleibsel abgerissen.

 

Das "Running Solutions Team Mattejiet"

 

Die Erzählungen über Johann Hieronymus Schröter beeindrucken mich sehr, weil ich allem, was mit Mathematik im weitesten Sinne zu tun hat, sehr zugetan bin. Es gibt jedoch einen derzeit lebenden Lilienthaler Bürger, den ich noch viel interessanter finde. Es ist Carsten Alfred Mattejiet, ein erfahrener Marathon- und Ultraläufer, der selbst Laufveranstaltungen organisiert. Das von ihm zu diesem Zwecke gegründete "Running Solutions Team Mattejiet" richtete im letzten Jahr mit dem Frühlingslauf (u.a. über 60 km), der Passionsserie (täglich ein Marathonlauf vom Gründonnerstag bis Ostermontag, mithin 5 Rennen hintereinander), dem Sommerlauf und dem "Lilienthaler Triple" (3 Marathonläufe an einem Tag) 4 Highlights aus.


Aber damit nicht genug. Carsten, dessen offene, unkomplizierte und unbekümmerte Art etwas Gewinnendes an sich hat, führt an vielen Wochenenden des Jahres zusätzliche Marathonläufe durch. Diese werden je nach gelaufener Streckenführung "Truper-Blänken-Marathon", "Kreuzdeich-Marathon" oder "Höftdeich-Marathon" genannt und fortlaufend durchnummeriert. Carstens Veranstaltungen besitzen allesamt die erforderlichen behördlichen und verbandsseitigen Genehmigungen und Absegnungen. Sie sind somit - auch wenn sich die Teilnehmerfelder nicht mit denen großer Stadtmarathons messen können - gleichwertige Wettkämpfe auf DLV-vermessenen Kursen.

 

Ernst und ich brauchten also nicht mehr lange zu überlegen: Wir entschieden uns für den am Samstag, dem 17.02.2007, in Lilienthal ausgerichteten "41. Kreuzdeich-Marathon", dessen Start für 8.00 Uhr festgelegt war. Dies bedeutete: Abfahrt in Bonn gegen 3.00 Uhr, Bruttofahrzeit 4 Stunden für ca. 350 km, Ankunft am Veranstaltungsort gegen 7.00 Uhr. Wir zogen uns auf einem nahe gelegenen Parkplatz im PKW um und dösten dann noch etwas vor uns hin. Gegen 7.30 Uhr suchten wir schließlich das "Veranstaltungszentrum" auf, zu dem der Vorgarten des Mattejiet'schen Einfamilienreihenhauses umfunktioniert worden war. Dort hatte Carsten bereits eine gut sortierte Verpflegungsstelle eingerichtet, wobei ich dem warmen Tee und Müssli-Riegeln zusprach.


6.028 m lange "Kreuzdeich-Runde"

 

Nach und nach "trudelten" 12 von 15 vorangemeldeten "Marathonis" ein, und ziemlich pünktlich ging es anschließend auf die exakt 6.028 m lange und mithin siebenmal zu durchlaufende "Kreuzdeich-Runde". Diese war landschaftlich ungemein reizvoll und sehr abwechslungsreich, wobei vor ihrem Beginn und nach ihrem Ende ein zum Teil innerörtlicher Wendepunktgegenlaufabschnitt absolviert werden musste. Das Streckenprofil konnte man als "flach" bezeichnen. Gelaufen wurde fast durchgehend auf einwandfrei asphaltierten Wegen. Es waren lediglich die beiden Brückenabschnitte im Bereich der "Wümme" betoniert, und nach km 2 gab es ein kurzes Stück mit ebener Verbundsteinpflasterung.

 

Erfreulicherweise waren diesmal auch keine Witterungsunbilden zu beklagen. Ganz im Gegenteil: Die Sonne schien von fast wolkenlosem Himmel. Dies änderte allerdings nichts daran, dass es morgens ziemlich kalt (um 8.00 Uhr +2,5° Celsius) und in der Mittagszeit noch immer ziemlich frisch war (um 11.00 Uhr +4,0° sowie um 12.00 Uhr +6,0° Celsius). Erst gegen 14.00 Uhr hatte sich mit nun +7,5° Celsius eine "Wohlfühltemperatur" eingestellt. Zudem wehte ein zeitweise böiger Wind, der folgende Werte in m pro Sekunde erreichte: "6" um 8.00 Uhr, "8" um 9.00 und 10.00 Uhr, "7" um 11.00 und 12.00 Uhr, "8" um 13.00 Uhr und "9" um 14.00 Uhr. Die Rückenwindphase in einer Allee hatte sicherlich nicht die Gegen- und Seitenwindphasen auf der Deichkrone aufgewogen. Carsten Mattejiet hätte sich im Nachhinein am liebsten selbst in seinen Allerwertesten gebissen, weil er nicht die Entscheidung getroffen hatte, die eigentliche Runde in umgekehrter Richtung laufen zu lassen, und damit sein eigenes Vorhaben, "3:16" zu erzielen, "in die Binsen ging".

 

Ich selbst hatte die 1. Runde (sozusagen zum gemeinsamen Kennenlernen der Strecke) mit meinem "alten Laufkumpel" Ernst zurückgelegt. Später machte jeder "sein Ding", wobei 'mal Ernst vor mir und 'mal ich vor ihm lag. Zu Beginn der 6. und 7. Runde nützte ich schamlos aus, dass Ernst an der Verpflegungsstelle zu trödeln pflegte. Ich lief in diesen Phasen einen solch großen Vorsprung heraus, dass meine 2:1-Führung in unseren diesjährigen (nicht ganz so ernst gemeinten) Duellen nicht mehr zu gefährden war. Auch war es mir bei km 37 gelungen, Sportfreund Horst-Peter Hahl, den muskuläre Probleme plagten, zu passieren. Da zudem noch die 5 "schnellen Hirsche" Carsten Alfred Mattejiet, Jürgen Ludwig, Patrick van Hall, Norbert Holtz und Jürgen Hinrichs trotz guter Zwischenzeiten ihre "Vorstellungen" nach 5 Runden (= 30.140 m) oder 6 Runden (= 36.168 m) beendet hatten, fand ich mich am Ende auf Rang 5 wieder. Es gelang mir also 'mal wieder eine TopTen-Platzierung und dürfte daraufhin wohl so kommen, dass ich die gesamte nächste Woche über bezecht sein werde.


5 € Startgeld und „Erdinger bis zum Abwinken“

 

Anzumerken ist noch, dass das Startgeld lediglich 5 € betrug. Damit dürften gerade einmal Carstens Aufwendungen für die Verpflegung und Getränke abgedeckt gewesen sein. Ich vermute übrigens, dass Carsten in seinem Keller in Lizenz "Erdinger alkoholfrei" braut, denn solches gab es nach dem Lauf kostenlos bis zum Abwinken. Die Ergebnisliste sowie eine geschmackvoll gestaltete und mit den individuellen Daten versehene Urkunde können sich die Teilnehmer/innen an Carstens Laufveranstaltungen stets über das Internet ausdrucken. Diesmal ziert ein Foto von Jörg Gerlach die Urkunden, was mich sehr freut, weil dieser ein besonders sympathischer Lauffreund und zudem noch ein Vereinskamerad von mir ist.

 

Ergebnisliste:

 

1. Harald Ehlers, TuS Zetel, 1./M45, 3:49:56 Stunden
2. Jörg Gerlach, 100 Marathon Club, 2./M45, 4:05:17 Stunden
3. Helmut Rosieka, 100 Marathon Club, 1./M55, 4:31:14 Stunden
4. Rolf Böttger, Weyher LT, 1./M50, 4:34:44 Stunden
5. Volker Berka, 100 Marathon Club, 1./M60, 5:49:50 Stunden
6. Ernst Güdelhöfer, Alfterer SC, 2./M55, 5:51:37 Stunden
7. Horst-Peter Hahl, DUV Schwanewede, 3./M45, 5:59:54 Stunden

 


 
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