1997 wurde in Bilbao das Guggenheim-Museum für zeitgenössische Kunst eröffnet. Der futuristische Bau nach Plänen von Frank O. Gehry hat weltweit für Aufsehen gesorgt .Für die Metropole im spanischen Baskenland war das ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung von einem Zentrum der Schwerindustrie zu einer Stadt der Kunst und Kultur. Inzwischen besuchen jährlich 1,3 Millionen Touristen das Museum, davon 60% aus dem Ausland. Auch für mich stand Bilbao auf der To-do-Liste.
Der Bilbao Night Marathon wird heuer zum 15. Mal ausgetragen. 12.000 Teilnehmer sind angemeldet, von denen sich allerdings nur 700 an die 42,2 km trauen. Die Internetseite ist auf Baskisch, Spanisch und Englisch verfügbar und man findet leicht alle Informationen. Ein Marathonheft wird zum Download angeboten. Das Baskische, einheimisch Euskara (EUS, EU abgekürzt) ist nach dem Ende der Diktatur und dem Zwang, Spanisch zu sprechen, wieder stark im Kommen. Am Flughafen befinden sich Hinweisschilder in drei Sprachen, Auch mit Spanisch oder Englisch kommt man zurecht. Ein wichtiges Wort ist Komunak, also Toiletten.
Judith und ich kommen Freitagmittag an. Man spürt beim Aussteigen aus dem Flugzeug die Nähe des Meeres und es ist schon fast zu warm. Wir beziehen erst mal unser Hotel am Fluss Nervión. Spannend ist es, den Gezeiten im Fluss zuzusehen, daher also die etwas hohen Flussmauern. Dann geht es zu Fuß zum Palacio Euskalduna, einem Konzertsaal mit angeschlossenem Messezentrum. Wir bekommen die Startnummer und in einem schönen Beutel u. a. ein Adidas-Shirt in Rot, das man es beim Lauf häufig sehen wird. Alles für sagenhafte 46 €. Die Anmeldung schließt eine Woche vor der Veranstaltung oder nach Erreichen einer Teilnehmer-Obergrenze. Die Messe ist sehr klein. Außer Adidas gibt es nur zwei, drei Verkaufsstände.
Danach machen noch einen Spaziergang durchs Zentrum. Viele schöne Bauwerke gibt es zu bestaunen, Architekturfans können sich einen speziellen Reiseführer downloaden. Die Dame vom Tourismusbüro rät uns, für die Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel die beliebig aufladbare “Barik”-Karte zu kaufen. Die koste einmalig drei Euro, könne von mehreren Personen genutzt werden und wir sollten bloß nicht mehr als 10 Euro aufladen. Und wirklich: Die Fahrten sind spottbillig. Sogar die Rückfahrt mit dem Flughafenbus kostet nur 75 Cent.
An nahezu jeder Haustür im Zentrum hängen Informationen zum bevorstehenden Marathon und Hinweise, wie Anwohner trotzdem aus ihrem Viertel hinaus oder in dieses hinein kommen.
Dann in die Altstadt, “Casco Viejo” genannt. Wie an einem Freitagabend im Süden zu erwarten, ist bis in die Nacht viel los. Man trifft sich meist gruppenweise zu einem Gläschen, begleitet von Pintxos, schmackhaften Appetithäppchen, die an Tapas erinnern, aber aufwändiger zubereitet sind.. Auf der Plaza Barria lassen wir den Abend ausklingen.
Nach dem Frühstück bin ich froh, nicht erst am Marathontag angereist zu sein. Heute fühle ich mich fitter als nach der doch anstrengenden Reise. Wir wollen heute Sightseeing betreiben, aber auch die Beine schonen. Also zuerst mit der Standseilbahn Funikularra auf den Artxandako. Von dort hat man einen wunderbaren Blick auf die Stadt und auch auf das Meer in der Ferne.
Dann mit der U-Bahn an die Küste. Die Untergrundstationen wurden von Sir Norman Foster gestaltet, worauf man sehr stolz ist. Die verglasten Zugänge werden daher Fosterinos genannt. Die Stationen wirken auf jeden Fall gesundheitsfördernd, denn die Bahnsteige erreicht man nur über Treppen oder mit dem Lift und entsprechender Wartezeit. Natürlich gibt es für die längeren Abgänge auch Rolltreppen. Aber irgendwie wirken die Einheimischen recht fit. Hügelig ist die Stadt allemal und in den steilen Straßen gibt es oft Aufzüge und sogar Rolltreppen..
Wir fahren nach Areeta, ein Stadtteil von Getxo, wo im 19. Jahrhundert der Badestourismus begann. Damals ließen sich schwerreiche Geschäftsleute aus Spanien ihre Villen erbauen und der Aufschwung begann. Die Häuser am Meer könnten auch an der holländischen Nordseeküste stehen.. Eine Schwimmerin genießt den 20 Grad warmen Atlantik.
Eine Fahrt mit der Schwebefähre nach Portogalete darf nicht fehlen, Weltkulturerbe natürlich. Wer schwindelfrei ist und Mut hat, kann auch den Übergang über den 45 Meter hohen und 160 Meter langen Verbindungsträger wagen. Sieht recht luftig aus. Die Einheimischen fahren oft auch mit der Fähre nebenan. Die Schwebefähre kann sechs Autos überführen, wobei wir sehen, dass man sich mit den Ausmaßen aktueller PKW schon schwer tut. Da muss man ganz nah an den Rand der Fähre fahren. Die Schwebefähre war Vorbild für 20 weiterer ihrer Art. Auf der anderen Seite können wir mit der Metro zurück nach Bilbao fahren und legen am Nachmittag im Hotelzimmer die Füße hoch.
Keine zwei Kilometer sind es zum Start am San-Mamés-Stadion, Heimat des achtmaligen spanischen Fußballmeisters Athletic Bilbao. Da das Ziel noch näher am Hotel liegt, verzichten wir auf die Abgabe eines Kleiderbeutels. Schwieriger zu lösen ist die Frage des Outfits. Am Start beträgt die Temperatur 20 Grad, bis Mitternacht soll es auf 10 Grad abkühlen. Da bin ich froh, über das Veranstaltungshemd, dass ich unter dem M4Y- Shirt tragen kann.
Am Stadion ist die Hölle los. Eine Rockband heizt ein. Toiletten gibt es ausreichend. Zufälligerweise machen Teilnehmende vom Sportclub Portugalete ein Gruppenfoto, samt Schwebefähre auf der Vereinsfahne. Die sechs Startbereiche liegen nebeneinander und pünktlich um 19 Uhr geht es los. Nett anzusehen, wie die Blöcke rechts von uns sich leeren. Dann, nach 10 Minuten, kommt Block fünf dran. Hinter dem Startbogen riesige Gasfeuer, da wird einem ziemlich heiß, vor uns ein kleines Feuerwerk.
Wir umrunden das Stadion, der Zuschauerzuspruch ist von Beginn an phänomenal und wird auch noch viele Stunden so bleiben. Die Strecke führt kreuz und quer durchs Zentrum plus einem Abstecher in ein nahes Quartier, Kreuzungen manchmal über Brücken. Es sind zwei Runden zu absolvieren und irgendwie ist man nie weiter als vier Kilometer vom Ziel entfernt. Die Gran Vía de Don Diego López de Haro am Beginn und die folgenden Straßen sind sehr breit, so dass man recht gut mit Abstand laufen kann.
Langsam wird es dunkel. Spanien liegt geografisch schon in der westeuropäischen Zeitzone, hat aber die mitteleuropäische gewählt. Daher sind der Sonnenaufgang hier um 8:40 und der Untergang erst um 19:30 Uhr. Trotzdem wird es recht schnell ein Nachtmarathon. Aber keine Sorge: Die Laufstrecke ist gut bis exzellent ausgeleuchtet. Besonders die neuen LED-Straßenlampen machen es oft taghell. Der Laufuntergrund ist immer sehr gut. Ich sehe später nur eine Läuferin mit Stirnlampe und einige mit mehreren kleinen Lämpchen. Auch ich habe meine Startnummer mit einer bunten Lichterkette aufgehübscht. Das kommt besonders auf der zweiten Runde gut an.
Wir umrunden den zentralen und großen Platz Moyua fast ganz und halten dann auf das moderne, 165 m hohe Bürohaus Torre Iberdrola zu. Es wurde nach Entwürfen des argentinisch-US-amerikanischen Architekten César Pelli, Schöpfer der Petronas Towers in Kuala Lumpur, erbaut und 2012 fertiggestellt. Rechts die Kirche Iglesia de San José de la Montaña. Weiter am Zubiarte merkataritza-zentroa, einem eleganten Einkaufszentrum, vorbei über die Brücke Deustuko zubia. Wunderbare Ausblicke. Die breite Straßenbrücke schwingt unter dem Gewicht der Laufenden.
Nun folgt die Schleife durch Deusto und San Ignazio. Richtig flach ist die Strecke nicht, besonders hier auf den ersten zehn Kilometern geht es an einigen Stellen spürbar bergauf und natürlich auch bergab. Ich genieße lieber die erstklassige Stimmung, besonders in der Einkaufsstraße Madariaga Etorbidea.. Am nächsten VP gibt es 0,5-Liter-Wasserflaschen, Gatorade in Bechern und später Bananen und Gel-Beutelchen. Die Standbetreuung ist sehr gut und zuvorkommend.
Kurz vor Kilometer zehn dann die Trennung von den “Piratas”, so der Name der 10-km-Läufer. Es wird spürbar leerer. Damit ist für uns auch klar, dass die roten Nummern die Halbmarathonis kennzeichnen. Beide Gruppen haben ungefähr 9.000 Finisher, sodass jetzt schon fast die Hälfte Platz gemacht hat.
Zurück in das Zentrum und am Bahnhof Abando vorbei. Der wird nur noch von den S-Bahnen benutzt. Dann sehen wir das Konzerthaus Arriaga Antzokia, hell beleuchtet. Dahinter liegt die Altstadt. Am Samstagabend natürlich dicht bevölkert, aber im Moment sind die Läuferinnen und Läufer wohl die größte Attraktion. Wendepunkt, dann folgt eine Schleife am Fluss entlang, Richtung Ribera de Botica Vieja. Ein riesiger hell angestrahlter Tiger auf einem Gebäude von 1941, der Tigresen eraikina. Dann hört man Diskowummern vor einem rot beleuchteten Schiffskran am Werftmuseum. Die heutigen Hafenanlagen befinden sich draußen am Atlantik.
VP an der Disko-Moderation, dann zurück? Von wegen: In dem kleinen Park drehen wir noch mal stadtauswärts. Erst einige 100 Meter später kommt dann die endgültige Wende. Zurück Richtung Altstadt. Besonders an den Brücken stehen viele Zuschauer. Die irischen Schlachtenbummler habe ich schon ins Herz geschlossen. Das Guggenheim-Museum auf der anderen Seite verzichtet auf eine Beleuchtung. Nur der Zielbogen nebenan leuchtet zu uns hinüber. Ein Läuferpärchen aus Polen, „Via Polonia“, beglückwünsche ich zum Ausgang der Wahlen in ihrer Heimat. Ihrem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, sind sie damit eher nicht einverstanden.
Am Theater wieder über die Brücke und jetzt am Fluss entlang Richtung Ziel. Nicht wirklich gut ausgeschildert, aber irgendwie wird doch klar, dass die Full-Marathonis rechts am Ziel vorbei müssen. Seit 2 Stunden und 20 Minuten sind Judith und ich unterwegs und plötzlich fast allein, was der vergleichsweise geringen Zahl von 700 Marathonis geschuldet ist. Vielleicht wäre es mehr, wenn das Ziel länger als 5 Stunden geöffnet wäre. Für viele ist das auf dem nicht leichten Kurs knapp bemessen. Festgelegt sind die Durchgangszeiten für Halbmarathon mit drei Stunden und für 30 km mit vier. Interessant, dann bleibt 1 Stunde für die letzten 12 Kilometer.
Ein Stück am Fluss entlang und bald darauf schwenken wir auf die von der ersten Runde bekannte Strecke. Stimmungsmäßig bleibt es ganz gut. Jetzt wird man ganz persönlich angefeuert. Der Name steht ja auf der Startnummer. Am Kulturzentrum schenken uns gut gekleidete distinguierte Damen und Herren ihre Zuneigung. Die VPs sind immer noch bestens bestückt, wenn auch allmählich mit dem Abbau begonnen wird. Die zahlreichen Begegnungsstellen heitern die Sache zusätzlich auf. Ein wenig vor uns sind noch viele Teilnehmende unterwegs und hinter uns zum Glück auch noch ein paar. Judiths und meine Kilometerzeiten sind konstant, sodass wir unter 5 h bleiben werden und auch noch ein paar Mitstreiter einholen.
In San Ignazio ist man jetzt oft auch ziemlich einsam unterwegs. Bei Kilometer 27 hat man dann den schönen Blick auf die Lichter der Stadt. Und dort sitzt ein Mann mit einer Trommel. Es ist wirklich ergreifend. So im Dunkel der Nacht, nur für uns letzte Marathonis.
Noch ein kleiner Hügel, der Fußballplatz ist nun dunkel und wir kommen wieder in Stimmungszonen. Die Einheimischen stehen bei nun 15 Grad vor den Kneipen, und immer, wenn ein Laufender vorbei kommt, gibt es was zu feiern. Dann noch einmal die Brücke samt Einkaufszentrum und einer Band, die fleißig weiter spielt. Ich gönne mir nun an fast jedem VP ein Gel. Apropos: Die Strecke ist komplett autofrei. Auch auf der zweiten Runde.
In der Altstadt nimmt man schon wahr, dass es später am Abend ist. Auch das Theater ist nicht mehr angestrahlt. Gut so, spart Energie. Am großen VP vor dem Rathaus stehen wieder Polizisten Die tragen hier rote Baskenmützen, was man sonst eher selten sieht. Ich darf sie fotografieren.
Dann auf die längste Pendelstrecke des Tages. Der letzte Pacer mit der 4-Stunden-Fahne ist schon durch. Also keine Anhaltspunkte. Langsam versiegt auch die Masse der Entgegenkommenden. Die Wende ist nun um einige 50 Meter verkürzt und schon sind wir auf dem Weg zurück. Auf den Pilonen der Brücke Salbe Rubia gibt es eine Art Lightshow, die man gut beobachten kann.
Auf einmal macht es vor mir bumps und Judith liegt am Boden. Irgendwie muss sie am Bordstein hängen geblieben sein. Sofort ist ein Helfer zur Stelle, aber es scheinen nur leichte Blessuren zu sein. Vorsichtig geht es weiter. Km 39. Ich bewundere eine riesige Palme vor einem alten Palazzo. Wende über den Fluss und noch zwei Kilometer am Ufer entlang. Vor einer Kneipe ist viel Stimmung. Eine Dame läuft mit Bierglas neben mir her, will Telefonnummern austauschen. Ein Ordner nimmt sie von der Strecke.
Noch einen Kilometer. Es zieht sich. Dann die 42-km-Marke, wir schwenken in den Zielkanal. Beeindruckend, hier warten noch Zuschauende. Mit 4:57 h bleiben wir im Limit. Hier gilt auch auf den Ergebnislisten die Netto-Zeit, was in Spanien gar nicht so selbstverständlich ist.
Zorionak steht auf dem Zielbogen. Die Auflösung kommt gleich danach: Congratulations
Wir bekommen die verdiente Medaille und einen Beutel mir der Zielverpflegung. Massagen gibt auch noch. Judith ist 2. in ihrer AK, ich bleibe ohne Platzierung. Es ist recht kühl, wir brechen auf in Richtung Hotel und sehen noch ein gutes Dutzend Teilnehmende, dann den Schlussradler.
Die Straße ist perfekt gereinigt, als wir morgens zu einem langen Sightseeingtag aufbrechen. Natürlich geht es ins Guggenheim-Museum, das dieses Wochenende Geburtstag feiert und daher freien Eintritt gewährt. Könnte nächstes Jahr übrigens wieder so zusammen passen.
Dann noch mal ans Meer, zu den Surfer-Stränden Atxabiribil und Sopelana. Wir genießen einen Imbiss in der warmen Sonne und ich erkundige mich bei den Surfern, ob man hier schwimmen kann. Es bleibt aber bei einem kurzen Bad. Die Wellen sind doch recht groß.
Abends dann natürlich noch durch die Pintxos-Bars und am Montag zurück. Ich wäre wirklich gerne noch ein wenig geblieben.
So schön können Marathonreisen sein.
Der Bilbao Night Marathon ist ein abwechslungsreicher Lauf mit sehr viel Stimmung und Zuschauern. Die Steigungen machen zusammen etwa 200-400 Meter aus. Die letzten Kilometer sind flach. Dank der breiten Straßen ist der erste Teil zusammen mit zehnmal so vielen Halbmarathonis und 10-km-Läufern machbar.
Die Stadt Bilbao ist sehr schön und gepflegt und eignet sich wegen der überschaubaren Größe und guten Infrastruktur perfekt für einen Wochenendausflug. Das Wetter ist mild und die Preise sind günstig.
Siegerinnen Marathon
1 MARCO OYARZABAL DOLORES 02:56:26
2 SÁEZ CARRO LAURA 03:24:09
3 DAVEZAT SANDRA 03:28:11
Sieger Marathon
1 WIEWALD PHILIPP, Hamburg 02:39:08
2 SANTOS MARTIN JAVIER 02:39:29
3 LELOUP LÉONARD 02:41:05
Finisher
Marathon 682
Halbmarathon 4.489
10k 5.384