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Laufberichte

Grand Trail des Lacs & Châteaux GT42

14.05.23 Special Event
 
Autor: Rudo Grimm

Einstieg ins Trailrunning, zweiter Versuch

 

Nach meinem ersten Lauf in den Ardennen hatte ich Appetit auf mehr. Und tatsächlich findet man im Internet unter www.betrail.run eine tolle Seite für alle Trailläufe in Belgien, Luxemburg, Frankreich und den Niederlanden, nach Registrierung auch mit persönlicher Statistik. Im Angebot für Mai das belgische Meisterschaftsrennen GTLC (Grand Trail des Lacs & Châteaux) mit Läufen über 160, 85, 42, 2x20, 16 sowie für die Kinder 2 und 1 km. Also ein Wochenende für die ganze Familie.

Das Event wirkt entsprechend professionell organisiert, die meisten Informationen auch auf Englisch, zahlreiche größere Sponsoren und einige Tage vor dem Lauf eine Mail  mit umfangreicher Broschüre und dem (asowieso sehr gut markierten) Trail als gpx-Datei. Da ich nicht so richtig Zeit zum Trainieren hatte, habe ich mich für die Marathondistanz mit 1820 Höhenmetern und UTMB Index 50k angemeldet (ich weiß zwar nicht genau, was dieser Index ist, klingt aber elitär oder wenigstens bedeutsam). Kostenpunkt 37 Euro. Auch Spätkommer haben eine Chance, die Läufe waren etwa zu 2/3 gebucht.

Start Sonntag um 8 am Skiclub in Ovifat (Fischvenn). Tatsächlich gibt es hier im Südosten Belgiens drei Schlepplifte und zwei Pisten, die dank künstlicher Beschneiung sogar im vergangenen Winter in Betrieb waren. Die Gegend ist auch wirklich bergig, die Hautes Fagnes (Hohe Venn) mit 674 m liegt ganz in der Nähe. Ist übrigens wirklich nicht weit von Deutschland – 130 km von Düsseldorf, 120 km von Köln.

Nun zum Lauf selber: 443 Läufer waren gemeldet, was eine für das Gelände ganz geeignete Gruppengröße war. Einerseits ist man selten ganz allein, andererseits gab es auf der Strecke auch kaum Probleme, obwohl viele Wege für das Überholen zu schmal sind. Der Gewinner im Vorjahr lag bei rund 3:40 h, so dass ich, trotz meines katastrophalen Abschneidens beim letzten Lauf, auf eine Zielzeit von etwas über 6 h gehofft hatte. Das Wetter war bestens, 10 °C am Morgen, 16 °C am Mittag, weitgehend Sonnenschein. Die Stimmung war bombig, zumal während des Wartens auf den Start einige Läufer vom 160 km Lauf, der um 4 Uhr in der Früh am Vortag gestartet war, ins Ziel einliefen und man sich mit ihnen freuen konnte. Sie sahen eigentlich noch ganz frisch aus, so dass die Marathondistanz gut machbar erschien. Deutsche habe ich keine getroffen, den Autokennzeichen nach muss es aber ein paar gegeben haben. Neben den 95% Belgiern einige Niederländer und Franzosen.

 

 

Vom Start ging es erst einmal die Skipiste runter – war aber nur eine blaue und das Gras auch nicht zu hoch, so dass niemand zu Schaden kam. Am Ende in den Wald, dort ein erster kleiner Stau, da die Piste nur 600 m lang war und somit alle in einem sehr engen Zeitfenster durch wollten. Dann erst einmal herrlicher Waldboden, beste Luft, und über die erste Hälfte auch ein unerwartet angenehmes Laufen.

Diese Hälfte verlief grob am Château  Reinhardstein vorbei um den Lac de Robertville. Allerdings sah man die Burg nur kurz und auch vom See keine so malerische Ansicht, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Weniger Lacs und Châteaux als der Titel des Rennens erahnen lässt, aber immerhin viel Grün, eine Staumauer, eine große Autobrücke, dutzende Bäche, ein Wasserfall und mehrere Campingplätze. Man konnte sich also eigentlich voll aufs Laufen und die generell sehr schöne Natur konzentrieren.

Allerdings ist ein Aspekt der Natur, der im Zusammenhang mit diesem Lauf erwähnt werden muss, die Existenz von Wurzeln. Wenn da schon keine großen Steine sind, wie es manchmal in den Bergen und auch in Belgien vorkommt, gibt es Wurzeln. Man denkt gar nicht, dass so viele Bäume Flachwurzler sind und diese auch gerne einmal, nein auf dieser Laufstrecke gefühlt überall, aus dem Boden ragen. Man ist danach ein richtiger Experte für das Setzen der Schritte zwischen den unterschiedlichsten Wurzelkonfigurationen, und so manchen hat es dann auch sprichwörtlich umgehauen, gerade wenn die Beine schon etwas müde sind. Faceplant nennen die jungen Leute so etwas wohl, wirklich unangenehm, vor allem, weil man aller Wahrscheinlichkeit auch auf einer Wurzel aufkommt. Nun aber weiter entlang der Strecke - nach 6 km der erste steile Anstieg und damit der zweite und letzte Stau. Und meine erster Einsatz von Stöcken.

Kleiner Einschub zu Stöcken: Bei meinem ersten Traillauf hatte ich keine und war durch die Beobachtung der Stockbesitzer zu der Überzeugung gekommen, dass diese lebensrettend  sein können oder wenigstens die Anstiege um die Hälfte leichter machen. Das stimmt nicht ganz, aber ich muss sagen, dass sie mich trotzdem beflügelt haben. Bei steilen Stücken bergauf hat man zusätzliche Kraft, beim Bergablauf mehr Stabilität, bei den Flussdurchquerungen eine bessere Trittsicherheit und im Matsch Halt gegen das unsägliche Abrutschen. Für mich ab jetzt bei anspruchsvollen Trailläufen immer! Ich hatte sie vorher auf den Abraumhalden des Ruhrgebietes etwas getestet, die steilen Stücke, die die Mountainbiker gerne nach unten nehmen, sind perfekt dafür. Was ich hätte tun sollen ist die Armmuskulatur zu trainieren. Dann hätte es richtig reingehauen. Aber manche Läufer sind halt faul, was alles oberhalb des Bauchnabels angeht.

Übrigens, wie man seine Stöcke trägt ist wirklich jedem selbst überlassen. Manche lassen sie gefaltet am Rucksack, bis sie gebraucht werden, andere tragen sie die ganze Zeit ausgezogen, wieder andere falten sie ab und zu wieder zusammen und tragen sie so in der Hand. Richtig ist vermutlich, wie so oft beim Laufen, was für einen selber gut funktioniert, technisch und mental.

Wie gesagt, die erste Hälfte war angenehm. Bei km 20 dann die einzige Versorgungsstation. Wie alles andere, was die Helfer so aufgebaut haben, sehr anständig. Alles da, falls man sein Läufer-Mittagessen vergessen haben sollte. Tolle Leute, die einen unterstützen. Da ich mich allerdings hauptsächlich von Gels ernähre, war vor allem das Wasser hilfreich und die frischen Früchte. Schmeckt einfach besser als Gel.

Der zweite Teil war anspruchsvoller und hat mich dann auch eine Stunde mehr gekostet als der erste. Zunächst war da bei km 25 ein fieser steiler und matschiger Aufstieg von fast 200 m, und wieder  einer bei km 28. Überhaupt diese ständigen Anstiege. Aber dank Stöcken ja kein Problem, dauert halt nur extra. Ganz generell tauchte auf einmal aus dem Nichts Matsch auf. Bis dahin war der Boden perfekt gewesen, gerade feucht genug, dass man mit Profil guten Halt hatte, aber nicht so feucht, dass man ausgerutscht ist und nicht so tief, dass die Soße gar in die Schuhe lief.

 

 

Das änderte sich leider, woran auch die zahlreichen Stege nichts ändern konnten. Da es aber glücklicherweise die zweite Hälfte war, war es einem eigentlich auch relativ egal. Ab Mitte läuft man gefühlt nach Hause – in diesem Fall konkret zur recht modernen Duschanlage, die die Veranstalter organisiert hatten. Und außerdem waren da auch noch die Flussdurchquerungen, drei an der Zahl. Die waren zwar kalt, aber sie gingen auch nicht übers Knie – es sei denn man ist ausgerutscht – und haben vor allem die Schuhe und Waden wieder gut gereinigt. Die weißen Sportsocken natürlich wie immer nicht. Und die Kälte verflog auch relativ schnell, so dass einige Läufer sogar an Stellen, wo es Brücken gab, einfach kurz durch den jeweiligen Bach gelaufen sind. Gut, dass ich nicht meine „wasserdichten“ Schuhe anhatte, da wäre das Wasser vermutlich nur schleppend abgelaufen.

Als ich mich dann schon auf ein baldiges Ende freute – ab Kilometer 32 zähle ich immer runter – war der Lauf dann wohl doch eher 44 als 42 km lang. In der Broschüre stand auch 43,6, hätte ich mich besser vorbereiten sollen. Wie dem auch sei, ganz am Ende wie erwartet der Aufstieg zurück zum Skiclub direkt entlang des Tellerliftes. Hat irgendwie auch seinen Reiz.

Die Resultate inklusive der belgischen Meisterschaft werden demnächst veröffentlicht. Gefühlt müsste ich mit meinen 6:13 h so im Mittelfeld liegen, also da, wo ich sonst auch meist laufe. Im zweiten Versuch bin ich also beim Trailrunning angekommen und werde sicher auch weitermachen. Viel besser als Straße, viel vielseitiger, viel schöner, viel bessere Luft, viel lockerer. Und es gibt genügend Duschen.

 

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Die Rückfahrt war übrigens auch sehr befriedigend. Beim Mountainbike-Rennen „MTB Weekend Eupen“, das am gleichen Wochenende stattfand, war gerade auf der Fahrspur neben mir der Start einer Etappe die Landstraße bergauf. Schön zu sehen, wenn man seinen Lauf hinter sich hat, dass anderer Sportler auch Dinge tun, auf die man selber nie käme, aber dabei vermutlich genauso einen Riesenspaß haben wie wir Trailläufer, die wir, anders als die „normalen“ Marathonläufer, ebenfalls tendenziell unverstanden sind.

Für die, die am GTLC Interesse haben und nicht bis zum nächsten Mai warten wollen: Das Rennen gibt es auch als Winterausgabe, nächster Termin 04.11.23.

 


 
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