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Laufberichte

Immer für Rekorde gut ...

 

In der niedersächsischen Landeshauptstadt standen an diesem Marathon-Wochenende erneut alle Zeichen auf Erfolg: grandioses Wetter, sagenhafter Teilnehmerrekord sowie triumphaler Streckenrekord der Frauen. Mehr als eine Viertelmillion Zuschauer hatten unter blauem Himmel und Sonnenschein weit über Sechsundzwanzigtausend Aktive aller Disziplinen angefeuert.

Der HAJ Hannover Marathon erlebt von Jahr zu Jahr ein Wachstum, und zwar in jeder Hinsicht. Am Vorjahrestag des 30. Geburtstags wurden erneut Rekorde pulverisiert. Cheforganisatorin Steffi Eichels kann daher nochmals auf eine mehr als gelungene Veranstaltung zurückblicken. Was mich bei meiner sechsten Marathon-Teilnahme in Hannover ganz besonders erstaunt ist das alljährliche, perfekte Frühlingswetter am Veranstaltungs-Wochenende: Sonne, blauer Himmel, trockene und klare Luft bei 20 Grad - es war weder zu warm, noch zu kalt (außer vielleicht für  die Kenianer). Steffi muss für Hannover eine Schönwetter-Flat gebucht haben. Welch ein Glück für Teilnehmer und Zuschauer!

 

 

Zum Auftakt des diesjährigen Laufspektakels  war ich als Laufreporter bereits am Vortag an den Start gegangen. Am Familientag vor dem Marathon fand nämlich der „Frühstüxlauf - powered by Bosselmann“ am Maschsee statt, welcher von Marathon-Ehrengast Lisa Hahner sowie dem amtierenden deutschen Marathonmeister Tom Gröschel eröffnet wurde. Jeder konnte sich seine Startzeit zwischen 8:00 Uhr und bis zum Zielschluss um 11:00 Uhr für die knapp sechs Kilometer lange Strecke rund um den Maschsee und die Rundenanzahl selbst aussuchen. Der Start- und Zielbereich befand sich bei der Fackelträger-Säule am Maschsee-Nordufer. Nach einer lockeren Runde um den Maschsee mit Lisa, Tom und weiteren Teilnehmern wurde allen ein leckeres Frühstück serviert. Hautnah plaudern mit den Profi-Sportlern, bei einem heißen Kaffee und Rosinen-Schnecken am Maschsee – das will ich im kommenden Jahr unbedingt wieder erleben!

Wenige Stunden später fand am Familien-Samstag dann ab 15 Uhr der Kinderlauf statt, vor dem Neuen Rathaus direkt auf dem Friedrichswall. Die Strecke führt die Kinder aller Altersgruppen auf einer 800m langen Runde rund um den Trammplatz und das Rathaus. Die Starteinteilung erfolgt nach Jahrgängen. Die Strecke wird von den Kids einmal und beim Fun Run viermal durchlaufen. Selbstverständlich gibt es im Zielbereich für alle großen und kleinen reichlich Erfrischung, eine hübsche Medaille sowie Urkunde.

 

 

Als Hannoveraner fällt die Anreise leicht: Entweder fährt man mit dem Bus, der Bahn oder dem Auto. Ich, Frauchen und Lauf-Atze Thomas haben uns diesmal für letzteres entschieden. In den Vorjahren bin ich überwiegend mit dem Zug angereist und anschließend vom Hauptbahnhof zum Veranstaltungsgelände flaniert. Knapp anderthalb km zu Fuß genießt man so schon vor dem eigentlichen Lauf die schöne Innenstadt von Hannover. Vorbei am Ernst-August-Denkmal befindet man sich bereits im Herzen der City. Die Bahnhofstraße, die direkt ins Zentrum führt, ist nämlich eine Fußgängerzone auf zwei Ebenen: die Niki de Saint Phalle-Promenade erstreckt sich hierbei zusätzlich ins „Untergeschoss“. An der Kröpcke-Uhr kreuzt auch die Georgstraße, die unter anderem den Aegidentorplatz verbindet. Von dort aus und vorbei an der imposanten Doppelglasfassade des Verwaltungsgebäudes der Nord/LB sind es dann nur noch wenige Meter bis zum Veranstaltungsgelände.

Ich hatte vor der Autofahrt zunächst überlegt, eine spezielle Navi-App auszuprobieren, welche seitens des Verkehrsministeriums in Zusammenarbeit mit dem Veranstalter zur Verfügung gestellt wurde. Sie soll stauvermeidend direkt auf einen freien Parkplatz führen. Als Ortskundige kennen wir jedoch schon ein nettes Plätzchen für unser Schätzchen, und schon wenig später marschieren wir entlang der Marienstraße Richtung Aegi.

 

 

Weil ich fröhlich am Knipsen bin, bemerke ich nicht, dass sich Thomas aus dem Staub gemacht hat. Meine Frau klärt auf: es hat wohl mit seinem Zeitchip zu tun. Mach Dir keine Sorgen, Thomas, ich behalte für mich, dass du ihn Zuhause hast liegen lassen. „Und ich muss jetzt ganz schnell ins nächste TOI-TOI“, verabschiedet sich fluchtartig meine Frau und verschwindet in wohl letzter Sekunde in Dixieland. Viele dieser Verrichtungsörtchen befinden sich sowohl auf dem Veranstaltungsgelände als auch entlang der Strecke. Übrigens, wusstet ihr, dass der Name Dixiklo vom lateinischen "dicsi" stammt und ein Kompositum aus den Verben "dicere" = "sprechen" und "schittere" = "scheißen" sein soll? Dankt mir jetzt aber nicht für Eure nächste Kneipendiskussion.

Anstelle meiner Mitstreiter schlendern nun „zwei alte Säcke mit Sonnenbrille“ neben mir her. Deren Plastikumhänge dienen als Aufwärmkleidung vorm noch recht kühlen Start an diesem frühen Sonntagmorgen. Die meisten Marathoni warten bereits in den einzelnen Starter-Blöcken. Verwundert blicke ich hinunter auf einem Aktiven, der gerade sein Warm-Up mit mehreren Liegestützen beendet. Der Hubschrauber des NDR dreht hoch über uns bereits seine Kreise. Wird Zeit, meinen Kleiderbeutel los zu werden. Kurzer Blick auf die Uhr: keine fünf  Minuten mehr bis zum Startschuss. In der Willy-Brandt-Allee stehen die rollenden Garderoben von DB Schenker bereits seit Samstag-Nachmittag Spalier. Achtzehn Trucks sorgen für die Logistik an der Strecke. Mittlerweile hat das Unternehmen weitere Aufgaben für den Veranstalter übernommen: Kiloweise Obst und Getränke werden gelagert und kommissioniert, zudem wird technisches Equipment wie bspw. die Hubbühnen für das NDR Fernseh-Team oder Zuschauerabsperrungen zur Verfügung gestellt. Kleiner Fakt am Rande: 25.000 Meter Absperrband und 8.000 Meter Gitter gewährleisten während der gesamten Dauer der Veranstaltung die Sicherheit aller Teilnehmer und Zuschauer auf der Strecke. Ich reiche meinen Beutel an das junge Personal, es wird auf der Ladefläche des Lkw fachmännisch „entsorgt“.

 

 

Kaum reihe ich mich im allerletzten Block ein, fällt auch schon der Startschuss. Das nennt man wohl durchdachtes Timing. Kurzes Wiedersehen mit Thomas in Block D. Sieh mal einer an, ist er also doch nicht disqualifiziert worden, denn ein neuer Zeitchip ziert seine Schlappen. Meine Frau startet heute eine Stunde später, denn sie beteiligt sich an der Marathon-Staffel ihrer Firma. Eine solche Staffel besteht aus zwei bis sechs LäuferInnen, die sich die Marathon-Strecke auf verschiedenen Distanzen zwischen 5,5 und 9,2 km teilen. Reihenfolge und Einteilung ist den Staffeln überlassen. Für den gemeinsamen Zieleinlauf können alle Läufer einer Staffel abschließend auf Ihre letzten Läufer warten, um die letzten Meter gemeinsam zu absolvieren. Ich würde sie später bei Wechselzone Emmichplatz (km 27,3) wiedersehen.

Wenige Minuten nach dem Start setzt sich die Masse allmählich in Bewegung. Nun bin ich eins mit den tausenden Läufern. Während ich langsam trabe und erste Fotos schieße, setzt sich Thomas langsam ab. Endlich Massenbewegung, es geht immer schneller voran. Ich kann es jetzt kaum erwarten, freue mich auf jeden Meter Hannover-Marathon!

Okay, dann legen wir mal los, denn es wird viel geboten: Siebenundfünfzig Aktionspunkte warten entlang der zweiundvierzig Kilometer langen Strecke, ganz zu schweigen von den  zahlreichen Streckenhighlights. Kaum losgelaufen, passieren wir links das Ernst August Kestner Museum für Kulturgeschichte. Es präsentiert eine ägyptische Sammlung mit Reliefs, Skulpturen, Amuletten und Mumien sowie eine antike Sammlung mit Gegenständen des griechisch-römischen Mittelmeergebietes. Auffällig sind die vielen kleinen Fenster, es sollen fast fünftausend an der Zahl sein. Dann taucht nicht weit entfernt die knapp 47m hohe Waterloo-Säule vor uns auf. Auf Ihrer Spitze thront Siegesgöttin Victoria.

 

 

Rechtsseitig folgt wenig später dann einer der größten Festplätze Deutschlands, früher ein Exerzierplatz für Soldaten. Im Sommer findet hier das weltgrößte Schützenfest statt. Das Frühlingsfest hingegen startet in diesem Jahr bereits am 20. April. Kurz darauf laufe ich an der HDI Arena vorbei, dem Fußballstadion von Hannover 96. Fußball geht weiter, für 96 wohl leider in der zweiten Liga. In der Robert-Enke-Straße findet die Live-Übertragung des Marathon in der „Nordkurve“ statt. Wir überqueren die Leine, nun geht es am Maschsee-Nordufer entlang, dann am Fackelträger sowie einem sechs Meter hohen und zwei Tonnen schweren „Kunst-Tornado“ des Sprengel Museums vorbei. Die Läufer genießen am heutigen Tag jedoch den Wirbel, der um sie gemacht wird. Die begeisterten Zuschauer machen den Marathoni nämlich Beine, was das Zeug hält! Hier werden die Sportler schon ab dem ersten Kilometer mit Rasseln und Trommeln bejubelt und angefeuert.

An der Yacht-  und Segelschule Maschsee Nord wird abgebogen. Zu unserer Rechten hätten wir einen flüchtigen Blick auf den „Hellebardier“ des Künstlers Alexander Calder werfen können, doch Wind und Wetter haben der vierzig Jahre alten Skulptur arg zugesetzt. Sie ist derzeit eingerüstet, wird aber schon bald wieder in „Calder-Rot“ leuchten. Wir laufen vom Nord-  zum Südufer des 2,4 km langen Maschsee, dem größten Gewässer von Hannover. Der Name leitet sich von der "Leine-Masch", einem tiefer gelegenen Überschwemmungsgebiet der Leine und dem Landschaftstypen der Marsch ab. Per Handarbeit wurde der Maschsee in den Jahren 1934 bis 1936 geschaffen. Der 6 km lange Rundweg um den See lädt zum Spazierengehen, Joggen, Inlinern oder Radfahren ein. Hier laufen auch meine Frau und ich regelmäßig ein Ründchen.

Ich habe mir vorgenommen, hinter den 4:30 Pacemakern zu bleiben. An ihren großen, gelben Ballons, einer Flagge sowie den auffallenden Shirts sind sie leicht zu erkennen. Die schönen Inselterrassen am Südufer des Maschsee kommen in Sichtweite. Ich schaue angestrengt nach vorn, dann entdecke ich den gelben Ballon, allerdings nicht auf der Strecke, sondern hinter einer Werbetafel. Auch ein Zugläufer muss mal …. Dumm nur, dass sich der Ballon danach an besagter Tafel verfranst, sich von der Halteschnur löst und himmelwärts davonfliegt. Na toll, meine angestrebte Zielzeit löst sich gerade in Luft auf! Der Tempomacher zuckt kurz mit den Schultern („shit happens!“) und rennt weiter.

Vor uns taucht der erste VP bei km 4,2 höhe Riepestraße auf. Insgesamt warten heute fünfzehn Erfrischungs – und Verpflegungspunkte auf alle Teilnehmer. Die Halbmarathonläufer werden später hier abbiegen, wir laufen weiter geradeaus, auf den schwarzen Weg und mitten hinein in die grünen Felder der Leinemasch. Ich kippe mir lediglich einen Becher Wasser in den Rachen, renne dann unterm Südschnellweg durch. Wir laufen am Maschpark entlang, umrunden die Leineinsel, eine Flussinsel im Stadtteil Döhren. Heute befindet sich auf der Insel eine Wohnsiedlung mit rund 1000 Wohnungen. Im Kleingärtnerverein „Im Apfelgarten eV“ herrscht wie immer ausgelassene Stimmung! Auf beiden Seiten stehen die Kleingärtner und feuern uns mit Trillerpfeifen, Kuhglocken und großem Applaus an. Ein toller Streckenabschnitt, jedoch viel zu schnell vorbei.  Nun wird es wieder zunehmend städtischer, wir nähern uns dem Stadtteil Wülfel.

 

 

Wenig später schon befinde ich mich auf  der Hildesheimer Straße, die längste Streckengerade des Hannover-Marathon. Es ist faszinierend, wie viele Aktionspunkte allein auf diesem Streckenabschnitt auf Sportler und Zuschauer warten. Die Funkenartillerie Blau-Weiss, der hannoversche carneval club und die Leinespatzen Stadtgarde Hannover sorgen am Döhrener Turm mit Musik für die richtige Party-Stimmung. Der 1382 gebaute Turm gilt als wichtige Landmarke Hannovers, er wurde als Teil der Hannoverschen Landwehr mit etwa 17.000 Mauer-und Dachsteinen errichtet. Ich sehe einige Zuschauer bereits ein Bierchen süppeln – auch anfeuern macht offenbar durstig. Für einen guten Laufrhythmus und optimale Schrittfrequenzen sorgen Trommel- und Sambagruppen. Die treibenden Beats verschiedenster DJ's peitschen uns Athleten  stetig nach vorn und heizen die Zuschauer musikalisch ein. Ein wahrer Lauf-Rausch auf diesem 6 km langen Streckenabschnitt, beginnend in Döhren-Wülfel über Südstadt-Bult bis hinauf zum Aegidientor, welches seit dem Mittelalter das südöstliche Stadttor der Stadtbefestigung Hannovers gewesen ist. Zur linken taucht zunächst das Braukesselhaus auf, gefolgt von der Gilde-Brauerei.

Nun geht es schwungvoll zurück in die Innenstadt. An den Absperrungen jubeln uns unzählige Zuschauer zu. Ich nähere mich der ersten Fankurve, hier moderiert der NDR: vor mir das blau-orange-weiße Tor, beidseitig flankiert von hochmotivierten Cheerleadern des TKH und iIch mittendrin. Die Euphorie und das Hochgefühl sind unbeschreiblich, während ich Theater und Nord/LB am Aegi passiere, dann den Platz überquere und  auf der  Georgstraße, Hauptschlagader der City, direkt in das Herz der Stadt laufe. Großartige Stimmung! Vor dem klassizistischen Staatstheater durchlaufe ich mehrere orangefarbene Torbögen der Continental AG und nähere mich dem Kröpcke. Der Platz gehört zu einer großräumigen Fußgängerzone und ist ein beliebter Treffpunkt.  Unterhalb des Platzes befindet sich die größte Stadtbahn-Station.

Ich biege rechts ab, blicke unvermittelt auf die Niki-de-Saint-Phalle-Promenade, Ernst-August-Platz und Hannover Hauptbahnhof. Als einzige deutsche Großstadt hatte Hannover bis 1847 keinen Kopfbahnhof, daher bekam die Stadt den ersten Durchfahrts-Bahnhof des Kontinents. Durch Hannover „fährt man durch“, sagte man spöttisch. Jahre später erkannten die Großstädte, dass ein Durchfahrts-Bahnhof doch vorteilhaft ist. Hannover galt als Vorreiter, vor allem, weil sich der Straßen- und Bahnverkehr nicht mehr kreuzte. Hier bei km 14,5 befindet sich auch die zweite, großräumig abgesperrte Wechselzone für die Staffelläufer.

Plötzlich wird es dunkel, denn ich durchquere die lange Unterführung unterhalb der Bahnhofsgleise. Hier genieße ich für eine Weile ein von den Wänden zurückschallendes Pfeifkonzert. Am Ende des Tunnels wartet ein „alter Bekannter“ auf die Marathoni: Spaßvogel Michel Descombres, dem Stimmungsmacher mit Herz. Ich winke ihm zu, er antwortet – natürlich! – mit einem fröhlichen „Bonjour“.
Zunächst einmal lassen wir die Oststadt im wahrsten Sinne „links liegen“, denn der weitere Streckenverlauf führt uns bis hoch nach Groß-Buchholz. Am IHK-Gebäude bei km 16 wird links auf die lange Fritz-Behrens-Allee abgebogen. Es wird wieder Grün, wir durchqueren die Eilenriede, dem rund 640 Hektar großen Stadtwald. Auf der gegenüberliegenden Absperrung kommen uns die ersten Marathonläufer wieder entgegen, mit einem Vorsprung von 11 km – der helle Wahnsinn!

Der zoologische Garten im Stadtteil Zoo kommt in Sichtweite. Er wurde 1865 gegründet und umfasst eine Fläche von 22 Hektar. Die Anlage beherbergt über 2000 Tiere. Ich werde von zwei tierischen Maskottchen und  ihrer Tierpflegerin begrüßt. Hier geht es ja tierisch zur Sache (Phrasendrescherei muss auch mal sein). Auf der rechten Seite fällt vor allem der 32 Meter hohe Turm am Zoo auf. Er birgt im Innern ein Rundbild des tropischen Regenwaldes, welches aus 3500 Quadratmetern Stoff besteht. Das 360-Grad-Erlebnis wird durch Geräusche, Musik sowie Tag - und Nachtsimulation inklusive tropischem Gewitter zum Leben erweckt. Ein Besucht lohnt sich!

Durch die Eilenriede geht es hoch bis zum „Steuerndieb“ - ein im 14. Jahrhundert errichtetes Warthaus. Damals diente es Landherren zur Abgrenzung gegen das Hochstift Hildesheim und zur Kontrolle über die Nutzung des Waldes. Drei Jahrhunderte später wurde es zum Restaurant umfunktioniert. In der Linkskurve sind „Samba Raio“ die Stimmungsmacher.  

Der Telemax kommt in Sichtweite, mit einer Höhe von 282 Metern der fünfthöchste Fernmeldeturm in Deutschland. Obst und ISO gibt es in der Leiblstraße bei VP 7. „Gönn Dir!“, ruft mir ein cooler Opa mit dunkler Sonnenbrille entgegen und hält mir dabei einen Becher vor die Nase. Lachend Danke ich ihm.

Auf dem Groß-Buchholzer-Kirchweg Richtung Noltemeyerbrücke herrscht Public-Viewing-Stimmung. Neben australischen Klängen stehen auch hier viele Zuschauer beidseitig am Straßenrand. Gerade laufe ich am Geburtshaus von Jasper Hanebuth vorbei. Bekannt wurde der Räuber durch 19 Morde, die er begangen haben soll. In der Eilenriede trieb er sein Unwesen. Nach seiner Festnahme 1652 gestand er alles und wurde dafür öffentlich am Steintor gerädert. Ich dachte immer, er säße auf Malle im Knast.

 

 

Grandiose Kanalquerung: Zwei 14 Meter hohe Stahlbögen mit quadratischem Querschnitt überspannen auf 41 Metern den Mittellandkanal, eine Stadtbahnhaltestelle wurde direkt auf die Brücke  verlegt. Auf dem Geha-Platz werden Musik-  und Tanzeinlagen geboten. Erneut viele, viele Kinderhände, die abgeklatscht werden wollen. Hier und dort haben die Kids mit Asphaltkreide sogar Grüße hinterlassen. Wie süß, da muss ich doch glatt an meine jüngste Tochter denken, welche gestern am Kinderlauf teilgenommen hat und im Zielbereich Medaille, Urkunde und Beutel  in die Hand gedrückt bekam. Neugierig fischte sie was aus besagtem Beutel, meinte dann trocken: „Papa, nimm Du die Medaille. Ich nehme die bunte Kreide!“.

Wir laufen nun zurück in Richtung Oststadt. Hier knallen dir die Bässe nur so um die Ohren! Mit viel Sound werden Teilnehmer und Zuschauer unterhalten. Der achte Erfrischungspunkt auf der Podbie hat seine Pappbecher-Schlacht wohl noch nicht hinter sich. Nennenswert an dieser Stelle: Rund 350.000 Pappbecher werden an den VP's und im Zielbereich befüllt,  ausgegeben und wieder eingesammelt.

Vielfalt ist im Viertel geboten: Samba-Rythmen, Street-Dance und Spiele auf dem fünfseitigen Wohnkomplex Spannhagengarten. Dann geht es erneut am Stadtwald entlang.  Höhe Lister Turm werfe ich einen kurzen Blick auf die Markuskirche, dann werde ich von der Eilenriede verschluckt. Grüne Großstadt Hannover, hier herrscht Idylle pur! Der Stadtwald ist Erholungsgebiet, Freizeitspaß und Sportgelände. Regelmäßig fahren wir mit den Kindern auf dem Abenteuerspielplatz „Wakitu“. Diesen kann ich als Hannoveraner nur empfehlen.

Am Emmichplatz an der Musikhochschule dann das freudige Wiedersehen mit meiner Frau. Zeit für Plaudereien ist nicht, das kann man ja dann abends auf dem Sofa erledigen. Schnelles Küsschen, weiter geht's!

Marathon, Halbmarathon und Staffel aufeinander. Es herrscht dichtes Gedränge, als wären hier alle auf Schnäppchenjagd! Die Dreifaltigkeitskirche kommt in Sichtweite, für mich stets ein Zeichen dafür, dass es nun bald durch Oststadt, List und Vahrenwald geht. Im dichten Läuferstrom lasse ich mich Richtung Kulturzentrum Pavillon treiben. Hier findet unter anderem das „Masala Weltbeat Festival“ statt, das seit 24 Jahren im Sommer die Kulturen der Welt in die Landeshauptstadt Hannover und in Veranstaltungsorte der Region lockt.

 

 

Wir sind im bevölkerungsreichsten Stadtbezirk – eben genau dort, wo die Stimmung regelrecht überkocht. Es ist am Marathontag ein einziges Open-Air Amphitheater. Dicht gedrängt stehen die Zuschauer und jubeln sich die Kehle aus dem Leib! Wir werden wie Helden gefeiert, während wir auf den nächsten Kilometern die grüne Oase des Welfenplatzes entlang laufen und dem Moltkeplatz zusteuern. Seit 1919 findet dort der Wochenmarkt statt, heute startet zugunsten geflüchteter Kinder das Vossfest mit Musik von DJ Holli und vielen Aktionen.

Brasilianische Klänge, unzählige Kaffee-, Kuchen- und Bratwurststände gibt es am laufenden Meter. Ich krieg richtig Schmacht auf was Deftiges! Hoffentlich legt der Schwiegervater am späten Nachmittag noch ein paar Würste auf seinen Grill. Ich steuere auf den nächsten Erfrischungspunkt zu, gönne mir eine kalte Cola.

Wir  kommen nachVahrenwald-List, 24.000 Menschen aus 108 Nationen leben hier – und machen den Stadtteil damit zu einem der größten und beliebtesten in ganz Hannover. „Ich schaff das, ich schaff das, ich schaff das...“, schnauft und keucht unentwegt ein Läufer mit tief hängendem, hochrotem Kopf  neben mir. Ja, es ist nicht einfach. Mittlerweile hat es in der Sonne gut 25 Grad! Ich drücke ihm die Daumen.

Ein Schild kündet km 35 an, bald ist Feierabend. Nicht so im gleichnamigen Kleingärtnerverein um die Ecke. Ich überhole grüßend einige „Pummelanten“. So werden liebevoll die Finisher des „Osnabrücker Piesberg-Ultramarathon“ genannt. Unübersehbar sind ihre Regenbogenfarbenen Shirts. Ich hatte selbst schon einmal das Vergnügen, den „PUM“ zu laufen und hoffe auf eine Teilnahme im kommenden Jahr. Liebe Grüße an HaWe an dieser Stelle. Wir treffen später noch überraschend aufeinander.

Bei km 37 durchlaufen wir erneut einen Bahngleistunnel. Auf der rechten Seite befindet sich die Feuer-  und Rettungswache 1. In den dortigen Fahrzeughallen sind 20 Einsatzfahrzeuge stationiert und die Rettungswache ist für 100 Mitarbeiter, die im Schichtdienst arbeiten, vorgesehen. Wenig später laufe ich an der Lutherkirche vorbei, welche seit 2006 auch als erste Jugendkirche Norddeutschlands genutzt wird.

 

 

Keine 5 km mehr bis zum Ziel. Ein wenig traurig wird mir ums Herz, denn ich genieße den Lauf in vollen Zügen. Schnurgerade führt die Nienburger Straße Richtung Königsworther Platz. Auf der linken Seite ein weiteres Streckenhighlight, der Welfengarten. Ein Stadtpark, der im Stil englischer Landschaftsgärten angelegt wurde. Die alten Baumgruppen, Teiche und eine historische Brücke des Baumeisters Laves erinnern an die Gestaltung des 19. Jahrhunderts. Kurze Zeit später blicken die meisten Läufer wohl mindestens einmal hinüber zur Gottfried Wilhelm Leibniz Universität, der zweitgrößten Hochschule Niedersachsens. Hier hat der NDR eine weitere Fankurve aufgebaut, wo uns vor allem vielen Studenten anfeuern. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie mir unser Joe, auf einem schwarzen Ledersofa sitzend, mit Herrenhäuser in der Hand zuprostete. Ach was, ich kann’s ruhig schreiben, er hatte eine ganze Kiste vor sich. Leider ist der Ärmste verletzt, sonst wären wir dieses Jahr vielleicht zusammen unterwegs.

Ich rieche förmlich das Ziel, steuere daher direkt auf das Leibnitzufer zu. Die „Hannover-Runners“ und drei märchenhafte Prinzessinnen bejubeln mit DJ MarcO lautstark auf den letzten Kilometern die Läufer. Die Anwohner sitzen im Freien, die Holzkohle glüht, es fließt literweise Bier und der Grillmeister winkt den Aktiven mit einer Bratwurstzange hinterher. Andere picknicken mit Prosecco. Sommerfeeling pur! Es ist großartig, diese Begeisterung und Freude an und auf diesem letzten Streckenabschnitt zu erleben! Am hohen Ufer auf der linken Straßenseite tanzen die drallen Frauenfiguren von Nikki de Saint Phalle - die drei „Nanas“. Danach passiere ich das Leineschloss, eine klassizistische Schlossanlage, die den Königen von Hannover als Residenz diente. Der Landtag ist dort untergebracht.

 

 

Das Ziel ist in Sichtweite, ich gebe nochmals Gas. Freude macht sich breit! Tausende Zuschauer stehen Spalier und peitschen jeden Läufer nach vorn, egal, wie er sich fühlen mag. Dann überschreite ich die Ziellinie und bin glücklich.

Auf eine Massage verzichte ich, meine Frau und Ihre Firmenkollegen erwarteten mich bereits in „Meiers Lebenslust“, einem Restaurant direkt neben dem Nachzielbereich, und lockt mit leckerem Schnitzel und einer rahmigen Sambalsauce –  tja, wer kann da schon nein sagen?

Der HAJ Hannover Marathon geht am 26. April 2020 in die 30. Runde. Da will ich unbedingt wieder dabei sein.


Marathonsieger

Männer

1 Mwetich, Silas (KEN) 02:09:37
2 Kipkemboi, Hosea (KEN) 02:10:40
3 Wale, Alebachew Debas (ETH) 02:10:57

Frauen

1 Mutgaa, Racheal Jemutai (KEN) 02:26:15
2 Gebeyahu, Tigist Memuye (ETH) 02:27:35
3 Nadolska, Karolina (POL) 02:27:43

 

Informationen: ADAC Marathon Hannover
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