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Laufberichte

Perfekter Saisonabschluss

 

Von der großen Menge Zuschauer abgelenkt, merken wir nicht, dass hier heimtückisches Kopfsteinpflaster lauert. Prompt kommt es hinter mir zum Sturz. Gott sei Dank ist nichts passiert. Aber die Warnung haben alle verstanden. Vor der Porta Romana, einem der wenigen noch erhaltenen Reste der großen Stadtmauer, gibt es erneut Schwämme und Livemusik. Wir laufen bis zum Tor, dann geht es im spitzen Winkel wieder zurück. Die Porta Romana mit seinem schweren Holztor war der Zugang von Süden, von Rom und Siena.

Durch eine enge Wohn- und Ladengasse geht es zurück. Rechts hinter den Häusern, für uns leider nicht zu sehen, liegen die berühmten Boboli Gärten. Mit Laubengängen, Zypressenalleen, einem Amphitheater, der Grotte und diversen Wasserspielen sind sie eine Zone der Ruhe. Sie gehören zum Palazzo Pitti, dem riesigen Medici-Palast. Eigentlich wurde der Palast im Auftrag des Bankiers Lucca Pitti gebaut. Pitti ging dann aber das Geld aus, so dass der Bau 80 Jahre lang unvollendet blieb. Weil die Medicis ihn zu protzig fanden, kam er erst 1580 in deren Besitz  und wurde zum Familiensitz.

1865 - 1871 war Florenz die Hauptstadt Italiens. In dieser Zeit war der Palazzo Pitti königliche Residenz. Heute sind hier mehrere Museen untergebracht.  Davor haben sich einige Schlachtenbummler eingefunden und eine Band macht Musik (km 19). Die Straße wird wieder eng. Vor uns liegt die berühmte Ponte Vecchio. Viele Zuschauer versperren die Sicht auf die historische Brücke. Wir laufen weiter am Arno entlang. Hier ist ganz schön was los. Die Fans stehen mehrreihig hintereinander und Kinder klatschen uns ab.

Von hier hat man wieder einen tollen Blick auf die Altstadt, die gerade in der Sonne liegt. Das Wetter ist optimal. In kurzen Laufsachen ist man perfekt angezogen. Die Sonne ist meist hinter Wolken und die Temperaturen halten sich unter 20 Grad.

Nach km 20 kommt die nächste Verpflegung auf der Piazza Georgie Poggi. Dort steht auch noch ein altes Stadttor, das aber aussieht wie ein Turm. Von hier kann man in ca. 10 Gehminuten steil bergauf zum Piazzale Michelangelo dem bekannten Aussichtsplatz gelangen. Ein Weitblick über die ganze Stadt belohnt die Mühen des Aufstiegs. Früher wurde von dort oben gestartet.

Ich habe Hunger. Neben Bananen- und Zitronenstücken gibt es  glutenfreies Gebäck. Ich probiere mich durch: Alles wirklich lecker.  Ein paar hundert Meter weiter haben wir die Ponte San Niccolo erreicht. Hier geht es auf die andere Seite des Arno. Wir sind wieder in der Nähe des Startbereichs, halten uns nun aber rechts und laufen direkt an unserem Hotel Mediterraneo vorbei. Am hier aufgebauten Marathontor ist die Hälfte geschafft,  eine Uhr zeigt die Zeit an. 

 „A destra“ ruft man hinter mir. „A destra“, rechts halten, ein große Gruppe Läufer mit weißen Ballons  braucht Platz, denn sie schieben oder ziehen Menschen mit Behinderung in ihren Rollstühlen über die gesamte Marathonstrecke. Und das mit großer Begeisterung. Die Stimmung ist super. Natürlich gibt es vom Publikum für die sportliche Leistung und für die menschliche Geste stürmischen Beifall. Der Lärmpegel steigt deutlich an, sobald die Gruppe auftaucht

Eine Weile laufen wir noch am Arno entlang, dann zweimal links und parallel wieder zurück. Vor uns kommt eine hohe Brücke in Sicht, oben kann man Läufer erkennen. Hier kreuzt die Strecke. Wir laufen unten durch und kommen später auf der Brücke wieder zurück. Zunächst geht es aber weiter geradeaus, an einer hohen Mauer entlang. Hinter der befindet sich das Gelände des Bahnhofs Campo Marte (km 25).

In entgegengesetzter Richtung führt die Strecke zurück. Bei km 27 verlassen wir die Bahnhofsgegend, nicht ohne vorher die Helfer abzuklatschen, die immer noch unermüdlich anfeuern. Schon von weitem hören wir fetzige Musik. An einer großen Kreuzung stehen Chearleader mit ihren Puscheln Spalier. Ein Sprecher begrüßt die Läufer mit Namen und unterhält das kräftig applaudierende Publikum. So beschwingt überstehen wir auch die nächsten Kilometer. Es geht im Zick zack durch den weitläufigen Sportpark unter anderem am Stadion Artemio Franchi vorbei. Hier sind naturgemäß kaum Zuschauer.

Hinter km 30, wo nochmals die Zwischenzeit elektronisch angezeigt wird, erreichen wir erneut die Kreuzung mit den Chearleadern auf der anderen Seite. Hier sind die Straßen nun wieder belebt. An der VP gibt es alles im Überfluss. Auf der breiten Viale Edmondo de Amicis geht es schnurgerade entlang. Da vorne kommt die Brücke, unter der wir vor einigen Kilometern hindurch gelaufen sind. Zuerst müssen wir hinauf, dann auf der anderen Seite wieder herunter. Hinter km 33 kommt mir die Gegend bekannt vor. Wir sind wieder ganz in der Nähe des Startes. Die Straßen werden enger und kündigen das Erreichen der Altstadt an. Achtung Kopfsteinpflaster! Mir fällt auf, dass hier die meisten Läufer gehen. Kaputt, oder wollen sie so das schönste Stück noch mehr genießen?

Im 15. und 16. Jahrhundert war Florenz eine der reichsten Städte Europas und Geld zieht bekanntlich auch Gelehrte und Künstler an. Nicht umsonst gilt die Stadt als Wiege der Renaissance. Hier gaben sich die renommiertesten Baumeister die Klinke in die Hand und erstellten so manches prachtvolle Gebäude, das dann noch mit entsprechenden Kunstwerken aufgewertet wurde. Wenn man Florenz hört, wird immer wieder der Name Medici fallen. Über 350 Jahre war dieser weit verzweigte Familienclan eng mit der Geschichte Florenz verbunden. Nicht nur Bankiers gehörten der Familie an, viele Fürsten, zwei Königinnen, sieben Kardinäle und sogar zwei Päpste entstammten diesem Geschlecht.

Durch einen alten Torbogen betreten wir die Piazza Santissima Annunziata. Rechts mit dem Säulengang aus Marmor steht die Marienwallfahrtskirche Basilica della Santissima Annunziata aus dem 13. Jahrhundert. Die Geschichte erzählt von einem Madonnenbildnis, das wie durch ein Wunder über Nacht gemalt wurde. Das Bildnis ist heute noch in der Basilika zu sehen. Das Reiterstandbild in Mitten des Platzes zeigt Ferdinand I. de Medici. Die Basilika ist eingebettet in den weitläufigen Gebäudekomplex der Universität, die wir nun hinter uns lassen.

Die Piazza San Marco wird dominiert von der neoklassizistischen Fassade der gleichnamigen Chiesa. Am Ende der schmalen Gasse können wir nun die markante Marmorfassade des Doms erkennen. Wir laufen direkt darauf zu. An normalen Tagen herrscht hier Verkehrschaos. Heute ist der Platz vor der Kathedrale für die Läufer reserviert (km 35). Zunächst gibt es Verpflegung, dann erreichen wir den Dom. Der Platz ist übersät mit Menschen. Gut, dass die Strecke abgesperrt ist. Zunächst umrunden wir teilweise das Baptisterium San Giovanni. Der in grün-weißem Marmor gehaltene Bau ist der ältere Teil der Kathedrale und wurde 1128 in florentinisch-romanischem Stil erbaut. Es ist wegen Renovierungsarbeiten eingerüstet; trotzdem kann man gut seine achteckige Form erkennen. Es war die Taufkapelle der Florentiner. Einmal am Tag fällt Sonnenlicht durch die sogenannte Laterne am Dach ins Innere direkt auf das Taufbecken.

Wir verlassen den überfüllten Domplatz und tauchen in die weihnachtlich geschmückte Altstadt ein. Nächstes Highlight ist die Piazza della Republica. Zur Zeit der Römer befand sich hier das Stadtzentrum und Mittelpunkt des Straßennetzes, was man auch heute noch erkennen kann. Im Mittelalter entstand dort der Markt und das jüdische Ghetto mit zahlreichen Synagogen. Von der alten Bebauung ist nur die Bildsäule in der Mitte des Platzes geblieben. Die Colonna dell Àbbondanza gilt als der Nabel der Stadt. 1865 wurden umfangreiche Sanierungen durchgeführt. Im Zuge derer wurden die mittelalterlichen Gebäude abgerissen und der Platz im französischen Stil wieder aufgebaut. Ein wirklich schönes altes Karussell mit Holzpferdchen gibt dem Platz weihnachtliches Flair. Durch den Arcone, den Triumpfbogen, verlassen wir den Platz.

Riesige Plakate weisen auf die große Piccasso Ausstellung hin. Im Palazzo Strozzi sind häufig bedeutende Ausstellungen von internationalem Ruf. Das auffällige Gebäude im Stil der Rennaissance wurde Anfang des 16. Jahrhundert gebaut. An der Via della Vigna nuova reiht sich eine Designerboutique an die nächste. Ich komme aus dem Staunen gar nicht mehr heraus.

Die Piazza Goldoni liegt direkt am Arno. Hier kommen wir später noch einmal vorbei. Nun geht es aber zunächst in eine Parallelstraße zum Arno zur Piazza Ognissanti mit seiner gleichnamigen barocken Kirche. Weiter geradeaus verlassen wir die typische Altstadt und kommen in ein Wohnviertel. Wir biegen links auf die große Viale Fratelli Rosselli ein, die wir bereits vom Beginn von der Umrundung der Altstadt kennen. Am Porta Prato, einem der ältesten noch erhaltenen Tore der äußeren Stadtmauer, geht es links wieder zurück in die Altstadt. Nach einem Rechts-Links finden wir uns auf der Straße direkt am Arno wieder. Für das weit auseinander gezogene Läuferfeld wirkt die gesperrte dreispurige Straße überdimensioniert.

Die Piazza Organissanti und die Kirche dazu erkennen wir wieder. Dann geht es über die nächste Brücke auf die andere Arnoseite. Von hier kann man die Ponte Vecchio, das Wahrzeichen von Florenz, in seiner ganzen Pracht bestaunen.  Die Ponte Vechio (Alte Brücke), ist tatsächlich die älteste erhaltene Brücke in Florenz. Sie ist eine Segmentbogenbrücke, was Anfang des 14. Jahrhundert einer Sensation gleichkam. Um die Bauarbeiten zu finanzieren, wurden Ladengeschäfte auf der Brücke an Gewerbetreibende, hauptsächlich Metzger und Gerber, vermietet. Die wurden dann von Goldschmieden abgelöst, was bis heute so ist. Ein Schmuckgeschäft reiht sich an das nächste. Großherzog Cosimo de Medici ließ 1565 einen Geheimgang vom Palazzo Pitti zum Palazzo Vecchio direkt über die Läden der Ponte Vecchio bauen. So konnte er ungesehen von seinem Wohnsitz zu seinem Arbeitsplatz gelangen.

Es dämmert schon etwas, als es nun durch schmale Gässchen geht. Die Weihnachtsbeleuchtung der Läden strahlt in hellem Glanz. Wir erreichen die Ponte Vecchio. Die Auslagen der Schmuckläden leuchten golden.  Es geht weiter durch die Altstadt. Die Straßen sind hier auch für Passanten gesperrt. Der Palazzo Vecchio kommt in Sicht. Im 13. Jahrhundert war er eine Art Rathaus, hier war der Sitz der Stadtverwaltung, die Signoria. Er steht auf die gleichnamigen Piazza, die auch Piazza della Signoria genannt wird. Im Säulengang findet man einige bekannte Kunstwerke und vor dem Eingang steht eine Kopie des David von Michelangelo. Die Stadtverwaltung ist übrigens immer noch dort.

Nun geht es noch einmal zum Dom. Diesmal allerdings von der Seite des Campanile de Giotto. Er ist niedriger als der Dom. Ursprünglich sollte er 110 m hoch werden. Als  der Architekt Giotto starb baute man nicht weiter und es blieb bei 85 m.

Die Kathedrale von Florenz ist der viertgrößte Sakralbau der Welt. Der Aufbau der gigantischen Kuppel wird auch als Wunder von Florenz bezeichnet. Es erscheint auch heute noch unvorstellbar, wie man zu damaliger Zeit (1296) zu solch einer Meisterleistung fähig war.

Wir kommen durch ein schwarzes Marathontor zur letzten Verpflegung bei km 40. Es geht weiter durch die Altstadt. Als wir bei km 41 auf die große Straße einbiegen, kann ich den Startbereich vor mir erkennen. Die Strecke führt nun rechts am Arno entlang, vorbei am Aufenthaltszelt der Athleten, dem Massagezelt und den Gepäck-LKWs. Norbert erwartet mich hier und klatscht mir zu. Wie weit ist es denn noch? Oh je, das zieht sich. Wo ist die Piazza Santa Croce? Sie müsste sich doch mitten in der Altstadt befinden und nicht hier am Fluss. Dann geht es an der Bibliothek endlich rechts ab in die Altstadt. Nach ein paar Metern, in der Kurve sehe ich das 42 km Schild. Es geht durch mehrere Marathontore zum Zieltor. Ich genieße den Applaus der Zuschauer, dann ist es geschafft.

Wir werden in einen Korridor gelotst. Zuerst gibt es etwas zu trinken, dann die Medaille. Als nächstes werden wir vom Zeitmesschip befreit. Helfer stehen bereit, um uns mit silberner Wärmefolie zu versorgen. Dann gibt es noch einen Verpflegungsbeutel. Alles funktioniert reibungslos. Noch immer ist der Bereich abgesperrt. Es geht eine enge Straße entlang. Außerhalb der Absperrung warten Betreuer. Ich gehe bis ans Ende wo es nochmal Verpflegungsstände gibt. Hier wartet auch Norbert. Er ist heute neue persönliche Bestleistung gelaufen! Gratuliere!

Florenz ist immer eine Reise wert. Kunst, Kultur und Romantik gibt es hier auf engstem Raum. Der Marathon bietet eine gute Gelegenheit, sich die Stadt einmal anzuschauen. Zu Fuß ohne nerviges Verkehrschaos ist es ein besonderes Erlebnis. Die Organisation dieses Großereignisses ist perfekt, die Verpflegung reichhaltig und die Helfer sehr engagiert. Für uns war der Lauf der perfekte Saisonabschluss.

 

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Informationen: Firenze Marathon
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