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Laufberichte

Endlich Biel

 

Wir sind erst kurz wieder auf dem Weg, da sehen wir ein Schild im Lichtkegel des Fahrrads. Eine Kontrollstelle liegt vor uns. Das Fahrrad geht links weg und ein Spalier von Kontrolleuren wartet auf mich. Ich bin gespannt, was passiert: Ein Stempel kommt auf meine Startnummern, dann bin ich durch. Das war eine nette Abwechslung. Ich bin immer noch hundemüde. Ich muss nun zu meiner Geheimwaffe greifen: Kaffee. Einen doppelten Espresso mit ganz viel Zucker habe ich von zuhause mitgebracht. Prompt geht es wieder besser. Das Zeug wirkt wirklich Wunder. Noch einmal Cola an der nächsten VP, und ich bin wieder in der Spur. Mittlerweile ist es auch kühler geworden und es beginnt zu tröpfeln.

Wir sind inzwischen dazu übergegangen, alle Streckenposten, die Helfer an den Verpflegungsstellen und natürlich auch die Zuschauer mit einem fröhlichen „guten Morgen“ zu begrüßen. Fast immer kommt ein netter Gruß zurück. Das macht uns und sicher auch den anderen gute Laune.

Kurz vor 5 Uhr sehen wir ein helles Licht am Horizont. Genau nach 7 Stunden passieren wir das km 50 Schild. Mit meiner Zielzeit von 13 Stunden wird das wohl nichts werden. Dafür ist aber mittlerweile auch von Aufgeben keine Rede mehr. Bei Tag wird es sicher leichter werden. Der Regen hat mittlerweile aufgehört. Kirchberg erreichen wir bereits bei Helligkeit. An der VP gibt es Kuchen, so etwas wie Linzer Torte mit Marmelade. Lecker. Ich stärke mich ausgiebig. Hinter Kirchberg erfolgt die Trennung von Läufer und Radler. Die Velofahrer werden um den unwegsamen Emmendamm herumgeleitet und treffen erst wieder nach 10 Kilometern auf die Laufstrecke.

Zunächst geht es durch ein Industriegebiet, bis links der Wald auftaucht. Wir laufen auf einem ebenen, bequemen Feldweg. In der Ferne kann ich im morgendlichen Dunst die Erhebungen des Schweizer Jura erkennen. Dann geht es in den Wald. Links fließt die Emme. Nanu, warum ist die so braun? Bereits im 19. Jahrhundert wurde, wegen der immer wiederkehrenden verheerenden Hochwasser, die Emme kanalisiert und das umliegende Land mit Dämmen geschützt.

Es geht rechts und wir überqueren eine Straße. Dann geht es auf den Damm. Links liegen der Wald und rechts weite Felder. Hier ist das Gras frisch gemäht und Laufen kein Problem. Vor mir kann ich auf der langen Geraden einige Läufer erkennen. Dann geht es links wieder in den Wald hinein. Hier ist der Weg eng, steinig und außerdem rechts und links durch Brombeeren und Brennnessel begrenzt. Das ist also der berühmtberüchtigte Ho-Chi-Minh-Pfad. Mir fallen die Lampen auf, die alle hundert Meter auf Stöcken befestigt sind. Sie dienen zur Beleuchtung des Weges bei Nacht, denn zwischen 2 und 3 Uhr waren schon die ersten Läufer hier.

Hinter dem km 60 Schild geht es unter einer Autobrücke hindurch. Ich bin gerade im Schwung, als ich plötzlich vor einer VP stehe. Das ist ja eine perfekte Stelle für das reichhaltige Angebot. Als nächstes geht es auf einen schmalen Asphaltweg direkt an einem kleinen Mäuerchen entlang. Wieder kann ich vor mir eine Läuferschlange erkennen. Eine Läuferin liegt auf der Mauer. Ich frage nach ihrem Befinden. Sie meint, sie nutze die Zeit bis die Sonne herauskommt zu einem Schläfchen.

Ich komme noch an zwei Kraftwerken vorbei und dann spuckt mich der Wald auf einen Parkplatz wieder aus. Hier warten auch schon die Fahrradbegleiter. Es sind nun 67 km geschafft. Die Helfer der nächsten VP haben ihre Tische besonders liebevoll gedeckt und mit Blumen geschmückt. Man möchte gerne länger verweilen. Doch die Zeit läuft unaufhaltsam weiter. Eine Brücke bringt uns über die Emmer, dann erreichen wir Biberist. Hier am Ortsrand scheint noch alles zu schlafen. Mit einem kleinen Schlenker verlassen wir das Örtchen auch gleich wieder.

Auf einem Radweg geht es nun über grüne Felder am km 70 Schild vorbei. Bei Lohn-Ammannsegg kommen wir an einem großen Schrottplatz vorbei. So viele aufeinandergestapelte Autos habe ich noch nie gesehen. Dann sichern Streckenposten unseren Überweg über eine größere Straße. Hier stehen bereits die ersten Zuschauer. Es geht nun ein Stück an der Straße entlang bergauf. Auf halber Höhe zweigt eine kleinere Straße nach Bibern ab. An der VP bei km 73,5 verweilen wir wieder. Irgendwie werden meine Pausen immer länger. Wir überholen den Läufer im Nikolauskostüm. Er scheint auch ziemlich platt zu sein. Kurz vor Bibern kommt die Sonne heraus. Die erfahrenen Bielläufer haben mich vorher schon gewarnt, dass der Vormittag in Biel besonders heiß sein soll. Nun gut, wir haben noch 25 Kilometer, also keine 4 Stunden mehr. Das wird schon nicht so schlimm werden.

Die VP in Bibern ist wieder vorbildlich ausgestattet. Hier ist der letzte Staffelwechsel. Aber die Staffelläufer scheinen alle schon durch zu sein. Vorsorglich beginne ich wieder mit Kühlen. Dann geht es bergauf. Es ist so steil, dass ich kaum vom Fleck komme. Oder bin ich einfach zu müde?

Eine tolle Aussicht auf das Aaretal belohnt die Mühe. Nach dem Anstieg kommt auch gleich ein wunderbares Gefälle - genau meins. Norbert muss ganz schön bremsen. In Arch hinter km 80 liegt wieder eine VP. Wir durchqueren schnell den Ort, bis wir das Ufer der Aare erreichen. Hier geht es nun entlang. Es gibt kaum Schatten. Die Sonne brennt gnadenlos vom Himmel. Wo bleibt das km 85 Schild? Haben sie das etwa vergessen? Nach endlosen Kilometern ist es da. Und immer noch ist kein Ende des Aarewegs in Sicht. Der Fluss gibt nach jeder Kurve neue fantastische Ansichten preis. Aber ich habe kein Auge mehr für die Schönheit. Mir tut jeder einzelne Muskel weh und ich will nur noch ausruhen. Norbert versucht mich aufzumuntern und ich kann hin und wieder einen Läufer überholen. Trotzdem geht es mir nicht schnell genug.

Endlich kommt die überdachte Holzbrücke von Büren in Sicht und zur VP direkt an der Uferpromenade ist es nicht mehr weit. Hier ist ganz schön was los. Aber es handelt sich um normalen Ausflugsverkehr. Für uns Läufer bleibt nur ein mitleidiger Blick.

Wir verlassen Büren auf der Straße nach Biel direkt am Nidau-Büren-Kanal entlang. Ein kleines Straßenschild zeigt noch 11 km bis Biel. Die Straße ist bolzgerade und schattenlos. Mit abwechselndem  Gehen und Laufen kämpfe ich mich voran. Das km 90 Schild lässt sich wieder ungebührlich viel Zeit. Wie können 5 Kilometer nur so lange sein?

Die VP in Scheuren ist eine willkommene Abwechslung. Kühlen ist jetzt wichtiger denn je. Wir überqueren die Aare und laufen nun zur Abwechslung auf der anderen Seite. Das macht die Kilometer aber auch nicht kürzer. Bei km 95 sind wir in Brügg und die Anzeichen einer nahen Großstadt mehren sich. An der letzten VP wird nochmals gut aufgetankt. Juchuh, jeder Kilometer wird nun angezeigt. Km 96 und 97 sind relativ schnell geschafft. Dann wird es wieder zäh. Wir müssen über eine Brücke, das ist hoffentlich die letzte Steigung. Unten kommen wir beim km 98 Schild vorbei. Die Streckenposten an den Abzweigen klatschen, das motiviert ein letztes Mal. Es geht im Zickzack durch die Stadt.

Km 99 ist direkt am Bahngleis. Von Innenstadt ist aber nichts zu sehen. Noch einmal geht es bergab, ein Streckenposten muntert mich auf. Vom Ziel kein Spur. Da kommen schnelle Schritte von hinten. Ein Läufer im roten Dress, ebenfalls mit Fahrradbegleitung, spurtet an mir vorbei. Er scheint, wie in Trance, das Ziel schon zu erahnen. Ich warte mal mit dem Rennen, bis ich das Ziel wirklich sehen kann. Da ist die letzte Kurve und es liegt vor mir. Eigentlich liegt nur ein Zelt vor mir, aber der Applaus des Publikums zieht mich magisch an. Das eigentliche Ziel ist dann um die Kurve herum.

Anton beglückwünscht mich als erster. Es gibt eine schwere Medaille und gleich etwas zu trinken. In dem Zelt, durch das die Finisher laufen, herrscht tolle Stimmung. Die Akustik macht das Ganze noch stimmungsvoller. Während Norbert unser Auto holt, bekomme ich im Zelt mein im Startgeld enthaltenes Erdinger. Jeder Teilnehmer hat einen entsprechenden Gutschein an seiner Startnummer, so dass auch wirklich noch ein Bier für mich vorrätig ist. Auf diesen Genuss hatte ich mich schon die ganze Zeit gefreut. Nach einer ausgiebigen Pause machen Anton und ich uns auf den Weg zum Parkplatz an der Sporthalle Esplanade. Hier gibt es Duschen, Massagen und das hart erarbeitete Finisher-Shirt und dann kommt auch Norbert schon mit dem Auto.

100 Kilometer sind 100 Kilometer. Bei Biel kommt noch die Schwierigkeit des Nachtlaufens hinzu, was ich total unterschätzt hatte. Andererseits ist in diesem Jahr das Wetter perfekt. Der angekündigte Dauerregen und das Gewitter bleiben aus. Die Temperaturen in der Nacht sind alles in allem angenehm, so dass auch die feiernden Zuschauer etwas von der Nacht der Nächte haben. Die Stimmung im Feld ist ausgesprochen gut und dass es zum Ende hin hart wird, weiss man.

„Mister Biel“ Werner Sonntag hat einmal gesagt: „ Es heißt, die 100 Kilometer werden mit dem Kopf gelaufen. Richtig ist, sie werden mit dem Bauch gelaufen. Nicht mit dem Intellekt, sondern mit der Psyche bewältigt man 100 Kilometer.“

 

Siegerliste

 

100 km

Männer

1. Eggenschwiler Bernhard, Büsserach         7:02.42,7
2. Boch Michael, F-Saverne                   7:14.22,8
3. Thallinger Rolf,  Burgdorf                 7:26.07,5

Frauen

1. Zimmermann Denise, Mels                   8:38.31,8
2. Ahrendts-Konold Silke, D-Herbrechtingen   8:43.14,8
3. Kern Karin, D-Wäschenbeuren               8:57.59,0

926 Finisher

Marathon

Männer

1. Kläusli Manuel, Nidau                     2:52.17,3
2. Rubusch Lothar, Dierikon                  3:05.26,4
3. Muller Pascal, F-Seltz                    3:07.20,4

Frauen

1. Tuch Carolin, D-Schmölln                  3:08.15,2
2. Sobrino Karen, St. Gallen                 3:15.06,3
3. Göldi Elena, Höchstetten                  3:26.14,0

159 Finisher

 

12
 
 

Informationen: Bieler Lauftage
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