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Laufberichte

Das gesamte Feld vor uns hergejagt

 

Im Rahmen des diesjährigen Marathons finden in Hannover die Deutschen Marathonmeisterschaften statt. Mit dabei die amtierenden Champions Domenika Mayer und Amanal Petros. Beide wollen den Marathon auf der flachen und schnellen Strecke in der niedersächsischen Landeshauptstadt als Generalprobe für die olympischen Spiele in Paris nutzen. Entsprechend trainiert und motiviert reisen die beiden an. Und die Planung geht auf, beide pulverisieren die Streckenrekorde, werden Gesamtsieger und sichern sich überlegen die Deutsche Meisterschaft. Ganz großes Kino, live übertragen im NDR.

Nicht ganz so viel Aufmerksamkeit bekommt das Gros der Läuferschar, zu der ich mich zählen darf. Manche haben sich ehrgeizig bestimmte Zeiten als Ziel gesetzt, ich wäre heute schon froh darüber, heil und gesund im Ziel anzukommen. Tatsächlich hat eine Thrombose mich 3 Monate auf läuferische Schmalkost gesetzt. Nach Rücksprache mit einem Facharzt kann und darf ich antreten, ohne körperliche Schäden befürchten zu müssen. Vernünftigerweise sind meine Ambitionen stark reduziert. Trotzdem reise ich voller Vorfreude mit meiner besseren Hälfte bereits am Samstag an. Ein gewisses Kribbeln im Bauch stellt sich ein, als ich meine Startnummer in Empfang nehme, denn dieser Marathon stellt mich vor eine ganz neue Herausforderung. Die eingespielte Routine mit gutem Essen und frühem Schlafengehen beruhigt.

Ausgeschlafen treffen wir gegen 8.30 Uhr im Startbereich am neuen Rathaus ein. Erbaut Anfang des 20. Jahrhunderts vereint es gelungen verschiedene frühere Baustile. Imposant bietet es ein tolles Ambiente. Die Sonne strahlt schon jetzt vom Himmel, die Temperaturen sind moderat, bestes Laufwetter. Die zahlreichen Teilnehmer können sich auf großen Plakatwänden wiederfinden. Auch mein Name ist gelistet und einfach zu finden, genauso, wie HaWe und Günter, mit denen ich mich zum gemeinsamen Marathon verabredet habe. Da Zeit nur eine untergeordnete Rolle spielt, finden wir uns gemeinsam am Ende des Feldes ein. Zahlreiche Bekannte gesellen sich zu uns.

 

 

Gestartet wird heute zeitversetzt in drei Blöcken. Vor uns über 3.600 Marathonis, ein Meer von Köpfen, die Elite kaum zu sehen. Nach den ersten Starts rücken wir gemütlich auf die Startlinie zu. Der Startschuss fällt gegen 9.10 Uhr auch für uns. Rechts auf einer Leinwand können wir uns bewundern und noch einmal unseren Laufstil überprüfen. Alles in Ordnung, also geht es los auf die Strecke. Wir werden das Feld vor uns herjagen.

Als erstes passieren wir den Waterlooplatz. Der gastierende Zirkus verspricht eine angenehmere Unterhaltung als die die letzte Schlacht Napoleons. Damals, als die Könige Hannovers noch in Personalunion Großbritannien beherrschten, waren sie maßgeblich am Sieg beteiligt, woran die Säule voran erinnert. In einem großen Bogen führt die Strecke kurz darauf nach Süden. Etwa 1 Kilometer ist absolviert als ich das Niedersachsenstadion, Heimat von Hannover 96 passiere. Die Kneipe links hat einen großen Biergarten. Auf der dazugehörigen Leinwand läuft die Übertrageng des NDR. Für uns eine Gelegenheit, die Elite zu bewundern, die weit nach vorne enteilt ist.

Unterwegs sind wir mit Alena und Tim, die ihr Marathondebüt geben. Da das Training in den letzten Wochen nicht wie gewünscht verlaufen ist, wurde als Ziel des Tages ein gesundes Finish ohne Zeitdruck ins Auge gefasst. Gelegenheit, gemeinsam zu laufen und unseren Erfahrungsschatz weiter zu geben. Nach nicht einmal zwei Kilometern ist der Maschsee erreicht, künstlich angelegt in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zur Erholung der Hannoveraner. Nicht nur wir Läufer sind heute in Bewegung, auch Rudern ist angesagt. Allerdings in bescheidener Anzahl im Vergleich zu den über 26.000 Teilnehmer über die verschiedenen Distanzen des Marathonlaufes. Für jeden ist etwas dabei, neben der Königsdisziplin darf man sich am Halbmarathon, 10 Kilometern oder als Staffel über die klassische Distanz versuchen. Man muss nicht laufen, auch Walking und Nordic Walking ist möglich. Die Familie kann geschlossen am Fun Run teilnehmen und selbst die Kids dürfen erste Wettbewerbsluft schnuppern. Für die kürzesten Läufe würde allein die lange Gerade genügen, der ich hier nach Süden folge. Scheinbar endlos führt sie in den Stadtteil Dören, immer gesäumt von zahlreichen Bäumen. Nachdem sich von Start her die Zuschauerreihen etwas gelichtet haben, stehen hier wieder vermehrt Gruppen, die uns freudig anfeuern.

 

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Impressionen

(Silke Pitz)

 

 

 

 

 

Die ersten Kilometer reihen sich kurzweilig aneinander. Nach nicht einmal 5 KM überholen die ersten Staffelläufer und füllen die Straße auf. Ich lasse mich nicht verführen und folge weiter dem Tempo, das HaWe bestimmt, auch wenn die erste Trommlergruppe einen schnelleren Takt vorgibt. Die folgende Brücke wird gerade in Stand gesetzt, die Bauarbeiter schauen uns zu und  veranstalten einen ordentlichen Lärm mit einer Handsirene. Kurz darauf erreiche ich, etwa bei KM 6, in der Bothmerstraße den südlichsten Punkt der heutigen Strecke, dann führt die Hildesheimer Straße zurück in die Innenstand. Es ist eine elend lange Gerade, angenehme Gespräche und einige Zuschauer entlang der Strecke lenken ab. Neben Nachkriegsbebauung sind schöne Gebäude aus der Vorkriegszeit zu bewundern.

Mittlerweile sind wir umgeben von zahlreichen Staffelläufern. Ungewöhnlich ist dabei die Streckeneinteilung, denn eine Staffel besteht aus bis zu 6 Läuferinnen und Läufern, die Streckenabschnitte zwischen 4,5 und 9,4 Kilometern zu bewältigen haben. Mit der richtigen Einteilung kann das ziemlich schnell werden. 9 Kilometer liegen bereits hinter mir, als ich einen Wechselpunkt erreiche. Direkt in die Strecke ist er nicht integriert, sondern im rechten Winkel an die Strecke angegliedert. Eine Störung der Langstreckler wird dadurch vermieden.

Die Staffeln können sich gerne von den nächsten Trommlern antreiben lassen, ich bleibe konsequent bei meiner Begleitung. 10 KM sind absolviert und die nächste Verpflegungsstation nicht weit. Neben Wasser gibt es auch Iso und Bananen. Cola gibt es später auch noch. Am Bogen des NDR werden wir mit einer La Ola der Cheerleader begrüßt. Damit nähere ich mich der Innenstadt und dem Ende der langen Geraden. Rechts säumen Denkmäler von Heinrich Marschner, Karl Karmasch und Louis Strohmeyer die Strecke. Alle drei wichtig für die Geschichte Hannovers in den Bereichen Musik, Hochschule und Medizin. Dicht darauf folgt das Opernhaus, erbaut zwischen 1845 und 1852 im klassizistischen Stil. Oben genannter Heinrich Marschner war zu der Zeit Hofkapellmeister im Königreich Hannover.

 

 

Artistisch geht es bei den Aufführungen im GOP, einem Varieté-Theater, zu. Wenig später liegt die südliche Marathon-Schleife endgültig hinter mir. Beim Kröpcke, mit seiner historischen Uhr beliebtester Treffpunkt der Landeshauptstadt, geht es in die Bahnhofstrasse. Hier erwartet mich Silke, um mich anzufeuern und sicher zu gehen, dass es mir gut geht. Nicht nur Parterre, sondern auch eine Etage tiefer bietet  die Shopping-Mall des anlässlich der Expo 2000 umgebauten, imposanten Hauptbahnhofs vielfältige Einkaufsmöglichkeiten. Davor blickt mich Ernst August I. von seinem Pferd herab an. Nach Auflösung der Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien aufgrund unterschiedlichen Erbrechts war er der erste König Hannovers.

Aufpassen muss ich auf den nächsten Metern, denn die Strecke teilt sich. Während die Halbmarathonis sich schon hier auf den Weg nach Norden machen, steht mir noch eine Schleife in Richtung Nordosten bevor. Aber ich bin ja nicht alleine unterwegs und brauche den anderen nur zu folgen. Zunächst auf einer breiten Ausfallstraße, dann über den Schiffgraben in die Fritz-Behrens-Allee. Ich tauche durch eine Zuschauertraube in ein Meer von Bäumen ein. Die Straße ist hier geteilt und etwa einen Kilometer Begegnungsstrecke. Auf der gegenüberliegende Seite spurten mir die Pacemaker mit ihrer Gruppe für die 3 Stundenmarke entgegen. Während diese bereits 25 Kilometer in den Beinen haben, bin ich gerade einmal bei 14. Immerhin ist ein Drittel damit schon geschafft und das ohne Zwicken in den Waden. Am Ende des Begegnungsstückes riskiere ich einen kurzen Blick nach links. Es wird nicht mehr lange dauern, dann laufe auch ich dort entlang. Wir überholen Gunter, der in der Altersklasse M 80 noch an der Deutschen Meisterschaft teilnimmt. So fit möchte ich in dem Alter auch sein. Aber das hat noch Zeit, also lieber auf die nächsten Kilometer konzentrieren. Diese führen wohltuend durch Schatten spendenden Wald, vorbei an zum Teil recht alter Wohnbebauung. Eine Augenweide. Die Anwohner feiern ein Marathon-Party, immer wieder wollen Kinderhände abgeklatscht werden.

Mehr als 18 KM sind bewältigt. Die Bogen der Brücke über den Mittellandkanal kündigen den nördlichsten Punkt der Strecke an, der östlichste ist gerade passiert. Über die Brücke hinweg eine Windmühle, in der Ferne die nächsten Brücken, über die zweite werde ich das Ufer erneut wechseln. Unser Quartett ist immer noch zusammen. Der nächste VP wartet schon. Ein Gedränge gibt es schon lange nicht mehr, denn nur wenige sind in unserem gemächlichen Tempo unterwegs. Weiterhin führt die Strecke über lange Geraden. Gut für schnelle Zeiten, derzeit in Richtung Südwesten zurück in die Innenstadt. Ganz nebenbei überschreiten wir die Halbmarathonmarken nach deutlich weniger als 3 Stunden. Das Zeitlimit werden wir einhalten können.

KM 22, Der Wald links schirmt uns vor der Sonne ab. Wir laufen auf Dennis auf, der schwer zu kämpfen hat. Es ist sein erster Marathon, den er seinem verstorbenen Vater gewidmet hat. Eigentlich wollten sie heute zusammen laufen ….

Immer wieder unterbrochen durch Gehpausen erreichen wir erneut die  Fritz-Behrens-Allee. Die gegenüberliegende Seite ist mittlerweile leer. Am VP kommen wir jetzt regulär vorbei und tanken auf. Die Cola kann ich gut gebrauchen. Mit neuen Kräften lasse ich den Waldpark hinter mir. Recht kurvenreich es  zuerst durch die Nordstadt, dann  ist bei KM 26 die Oststadt erreicht. Voraus ragt der auffällige Turm der Dreifaltigkeitskirche in den Himmel. Zahlreiche Zuschauer halten tapfer aus und feuern uns an. Bei Dennis zeigt das kaum Wirkung, die Beine sind zu schwer, er fällt zurück.  Ins Ziel wird er es trotzdem schaffen, und das sogar unter 6 Stunden.

 

 

Noch markanter als der gerade passierte Kirchturm ragt der alte Fernsehturm, jetzt VW-Tower, in die Höhe. Aber wohl nicht mehr lange, denn aufgrund stark steigender Instandhaltungskosten ist der Abriss geplant. Dieses Wochenende dient er mir noch als Orientierung, steht er doch in direkter Nachbarschaft zu unserem Hotel in der Friesenstraße. Kurz vor KM 28 biegen wir nach rechts in die Celler Straße und erblicke erleichtert meine bessere Hälfte. Erleichtert ist auch Silke, als ich bestätigen kann, das letzte Drittel schmerzfrei laufen zu können. Viele Zuschauer feuern uns an.  Auf den nächsten Kilometern wird es zwar etwas ruhiger, dennoch werden wir an etlichen Hotspots immer wieder lautstark gefeiert.  Bis KM 37 zieht es sich ein wenig, aber auf die Bevölkerung ist Verlass. Marathon ist nur einmal im Jahr und so bilden sich weiterhin Gruppen treuer Zuschauer, die auch noch den letzten Läufer und/oder die letzte Läuferin feiern.

Vorbei an Gründerzeitbauten erreichen wir die Nienburger Straße, die uns nach Süden in Richtung Ziel führt. Schlappe 4 Kilometer liegen noch vor uns.  Die Strecke führt vorbei am Georgen- und Welfengarten, links sehen wir das Welfenschloss, heute Heimat der Leibniz-Universität. Noch eine kleine Zusatzrunde nach Westen inklusive Querung der Leine, die hier mehr als 2/3 ihres Weges vom Eichsfeld zur Aller zurückgelegt hat. Da sind wir dem Ziel schon deutlich näher. Lediglich 2 Kilometer stehen noch an. Die Zeit ist weit fortgeschritten und die Stadtreinigung ist bereits im Einsatz.  

Jetzt abbiegen auf die Brühlstraße, die uns direkt zum Ziel führt. Halbbögen markieren den finalen Kilometer, dekoriert mit den Teufelslappen, wie man sie von Radrennen her kennt. Links grüßen die Nanas Sophie, Charlotte und Carline der Künstlerin Niki de Saint Phalle. Ein paar Meter warten die letzten Staffelläufer auf ihre Mitstreiter, um gemeinsam ins Ziel zulaufen. Die Kuppel des neuen Rathauses ist zu sehen, es wird etwas lebhafter auf der Strecke, da von links kommend auch die Walker dem Ziel entgegenstreben. Dann ist es geschafft. Geteilte Freude ist doppelte Freude, unsere Gruppe ist fast komplett beieinander.  Die Novizen sind stolz und sicher, dass es nicht bei dem einen Marathon bleiben wird. Dafür haben alleine schon die Geschichten gesorgt, die HaWe und ich unterwegs zum Besten gaben.

Der Zielbereich hat sich schon stark geleert. Wir haben wohl das gesamte Feld vor uns hergejagt.  Einige Meter müssen wir noch gehen, ehe wir unsere verdiente Medaille in Empfang nehmen, die nicht bei allen Teilnehmenden gut ankommt, wie man im Netz erfahren kann. Sie ist aus Holz und mir gefällt sie.  

 

 

 

 

 

 

Informationen: ADAC Marathon Hannover
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