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Laufberichte

Von wegen ''Rodgau monoton''

26.01.08
Autor: Klaus Duwe

Grill- und Spargelfeste, Musikfestivals und Feldgottesdienste hat es auf der Gänsbrüh schon viele gegeben. Was sich aber am Samstag auf der Freizeitanlage bei Rodgau-Dudenhofen abspielt, ist einmalig. Über 700 Läuferinnen und Läufer (642 wurden schließlich von der Zeitnahme erfasst) zählt der RLT Rodgau als Veranstalter des 9. Ultramarathons, soviel wie nie zuvor. Was zur Jahrtausendwende mit 86 Teilnehmern begann, hat sich zu einer der größten und bedeutendsten Ultralaufveranstaltung entwickelt. Fast alle, die sich der Szene zurechnen, kommen am letzten Januar-Samstag nach Dudenhofen und machen den kleinen Ort quasi zum Wallfahrtsort der Laufverrückten.


Jedenfalls kein Außenstehender wird die Teilnehmer an einem 50 Kilometer langen Lauf bei Wind und Regen, Schnee und Kälte anders als „verrückt“ bezeichnen wollen. Wenn man hinzufügt, dass die Distanz auf einem 5 km-Rundkurs bewältigt wird, winkt auch mancher Läufer ab und benutzt abfällig dieses Wort. Ich weiß, wovon ich spreche, ich habe selbst jahrelang einen Bogen um solche Veranstaltungen gemacht. Heute bin ich ein Fan von „langen Strecken auf kleinem Raum“.


Das hat viele Gründe: nach einer Runde kennt man die Strecke, weiß Bescheid über Wegbeschaffenheit und Verpflegung. Nach der zweiten überrunden die ersten Läufer und man verfolgt den weiteren Rennverlauf aus der ersten Reihe. Die schnellen Kumpels lassen nicht lange auf sich warten und bremsen für ein kurzes Gespräch ihren Lauf. Bald ist man selbst an der Reihe und überholt mit seinem gleichmäßigen Lauf den einen oder anderen Schnellstarter, gegen Schluss ist vielleicht sogar eine Überrundung möglich. Und nach jeder Runde gibt’s Applaus und Zuspruch. Von wegen „Rodgau monoton“.

Außerdem: nur so kann ein Veranstalter mit relativ kleiner Helferschar eine solche Veranstaltung stemmen. Und nur so kann man auch bei widrigen Witterungsverhältnissen, die es in Rodgau schon in jeder Variante gegeben hat, eine reibungslose Durchführung gewährleisten. 

Dazu kommt, dass gar nicht jeder die Absicht hat, 10 Runden zu laufen.  Viele sehen den Lauf als ideales Training in guter Gesellschaft und steigen lächelnd nach 6, 7 oder 8 Runden aus. Trotzdem: 446 Finisher für die 50 km sind eine stolze Zahl, 19 machen nach 9 Runden Schluss und drehen ihren „Marathon-Counter“ eins weiter.

Für die von weit her Angereisten beginnt die Wallfahrt schon am Freitag, denn der Veranstalter stellt die Halle zur (kostenlosen) Übernachtung  zur Verfügung. Am Morgen gibt’s Frühstück mit allem Drum und Dran und spätestens um 9.00 platzt die Halle aus allen Nähten. Zum Glück hat man die Ausgabe der Startunterlagen in den Tennisclub gegenüber ausgelagert, denn das Gedränge war bei weniger Teilnehmern schon größer.

Alles optimal also? Na ja, man sollte erwähnen, dass der Rodgau-Ultra keine Veranstaltung der kurze Wege ist. Manche sprechen scherzhaft auch nicht von einem 50, sondern einem 52 km-Lauf. 1000 Meter sind es von der Halle zum Start und natürlich auch wieder zurück. Was für manchen verwöhnten Marathoni vielleicht eine Unzumutbarkeit ist, nötigt den Ultras ein vergnügliches Lächeln ab. Munter schwatzend wird zum Gänsbrüh gepilgert, in der Grillhütte der Kleiderbeutel deponiert und im nahen Verpflegungsbereich die Eigenverpflegung platziert.

 


Von Hektik ist hier keine Spur. 10 Minuten vor dem Start stehen nur ein paar Fotografen im Startbereich, die Läuferinnen und Läufer verteilen sich auf das große Freizeitgelände und versammeln sich erst in letzter Minute unter dem Startbanner. Unspektakulär und ohne Gedränge geht es nach dem Startschuss um 10.00 Uhr auf die Strecke.

Kaum hat man etwas Tempo aufgenommen, geht es nach einer scharfen Rechtskurve am Waldrand entlang. Nach ungefähr 800 Metern ist man an der Verpflegungsstelle, die jetzt natürlich gänzlich unbeachtet bleibt. Wir folgen dem Weg durch Felder und Wiesen und dann rechts in Richtung eines kleinen Waldstückes.

Das Wetter ist herrlich, 8 Grad, blauer Himmel, Sonnenschein. Wer ein Haar in der Suppe sucht, kann sich später über etwas Wind und vorübergehende Bewölkungszunahme beklagen. Nein, die Bedingungen sind optimal. Wenn ich an die eisige Kälte vor zwei Jahren denke und an den scharfen Gegenwind,  ist das heute das reinste Vergnügen. Der Strecke tun die Änderungen (Verlegung von Start und Ziel, Umkehrung der Laufrichtung) gut, so kann sie bleiben.

Nach 2,5 Kilometern laufen wir links auf eine kurze Pendelstrecke, sind dann raus aus dem Wäldchen und auf freiem Feld wieder kurz etwas dem Wind ausgesetzt. Dann sind wir in hohem Kiefernwald und laufen dem Schutzzaun zum Opel-Versuchsgelände (km 4) entlang. Hier befindet sich eine leichte Bodenwelle, die man auf den ersten Runden kaum wahr nimmt. Ab der zweiten Hälfte spürt nimmt man sie schon deutlicher und zum Ende hin empfindet man sie als gute Vorbereitung auf die Bergläufe im kommenden Sommer.

 


Nach einer Rechtskurve geht es schnurstracks dem Gänsbrüh entgegen. Dort sind sogar ein paar Zuschauer, meist Angehörige der Aktiven. Aus einem Campingwagen heraus, warm verpackt, kommentiert Gabi Leidner (Frau Werwolf) das Geschehen. Sie macht das echt klasse und soll sich nicht wundern, wenn ihr demnächst ein paar Angebote ins Haus flattern, obwohl RLT-Chef Wolfgang Junker darauf hinweist, sie sei „nur eingesprungen“.

 


In der zweiten Runde überrunden mich dann erstmals die Dehaut-Brüder Thomas und Helmut, allerdings mit deutlichem Abstand zueinander. Thomas Dehaut war im Vorjahr hier Zweiter. Sein älterer Bruder Helmut sorgte letztes Jahr beim Bieler 100er für Aufsehen, als er auf der Zielgerade von Pius Hunold überspurtet wurde und Zweiter wurde.

Michael Sommer ist der Dritte, den ich vorbei lasse. Jeder kennt den sympathischen und überaus erfolgreichen Schwaikheimer. Seine Konkurrenten fürchten vor allem sein gnadenloses Tempo am Ende eines Rennens. Heute demonstriert er das wieder äußerst eindrucksvoll. Bei km 30 liegt er noch 3 Minuten hinter Helmut Dehaut, macht dann aber Runde für Runde eine halbe Minute gut. Kurz nach seinem Finish treffe ihn im Verpflegungsbereich, frage wie’s war und kriege strahlend zur Antwort: „Prima, ich bin noch Zweiter geworden.“ Eine Minute Vorsprung hat er noch herausgelaufen.

 


Ich beende gerade meine zweite Runde, da überrundet mich als erste Frau Constanze Wagner. Sie ist bereits zum sechsten Mal am Start, fünf Mal hat sie gewonnen. Nach langer Verletzungspause will sie die beeindruckende Serie fortsetzen. Kurz hinter ihr kommt schon die 07er Biel-Siegerin Martina Groß. Als sich der Vorgang zwei Runden weiter wiederholt, liegt sie bereits deutlich vor Constanze Wagner und baut die Führung bis zum Finish auf 6 ½ Minuten aus. Den dritten Platz erläuft sich auf dem letzten Drittel des Rennens Doro Frey.


Mehr Ultra-Promis als in Rodgau trifft man höchstens in Biel. Nur sind die dort schnell auf Nimmerwiedersehen in der Nacht verschwunden, während man sie in Rodgau praktisch nicht aus den Augen verliert. Ein Gruß ist immer drin oder ein Zuruf als Aufmunterung. Wer es nicht ganz so eilig hat, geht auch mal für ein kurzes Gespräch vom Gas. So wird Runde um Runde abgespult, von wegen „Rodgau monoton“.

Nur auf den letzten fünf Kilometern wünsche ich mir, ich hätte meinen iPod dabei. An sich sind die Dinger laut Reglement ja nicht erlaubt (wie auch die Verpflegung außerhalb des gekennzeichneten Bereiches), aber ich habe etliche „verkabelte“ Läuferinnen und Läufer gesehen. Jedenfalls bin ich mit meinem Läuferlatein ziemlich am Ende. Wie ein lahmer Gaul trabe ich dahin und vermeide es, meine Füße auch nur einen Millimeter weiter anzuheben, als die teilweise unebenen Wege es erfordern.

„Mach mal die Augen zu“, sage ich dem Streckenposten am Beginn der Pendelstrecke. Gnadenlos weist er mich nach links, um mir wenig später noch ein „siehst du, geht doch“ mitzugeben. Die Buckelpiste im „Opelwald“ und die schon erwähnte Bodenwelle machen mir mächtig zu schaffen. Dann ist es vorbei. Auch ohne Gabi Leidners Hinweis: „Klaus Duwe ist im Ziel“ wäre ich keinen Meter mehr weiter gelaufen.

Aber schön war’s, sehr schön. Ich widerspreche keinem, der sich mit einem „bis zum nächsten Jahr“ verabschiedet. 

 


Sieger Männer

1. Dehaut, Thomas LLG Landstuhl 3:08:23,4
2. Sommer, Michael EK Schwaikheim  3:11:26,0
3. Dehaut, Helmut VT Zweibrücken 3:12:31,3

 

Frauen
1. Gross, Martina MTV Kronberg 3:42:16,3
2. Wagner, Constanze Laufreport  3:48:46,7
3. Frey, Dorothea TF Feuerbach 3:49:15,4

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Streckenbeschreibung 
Zehn Runden je 5 km, Luftbild auf der Homepage des Veranstalters

 
Kosten
22 Euro bei Voranmeldung, zu bezahlen bei Abholung der Startunterlagen, Nachmelder zahlten 27 Euro


Teilnehmer
642 Starter, 446 Finisher (50 km)


Zeitnahme
Bibchip, in der Startnummer integriert, wird beim Durchlaufen zwischen zwei Messstationen erfasst; Ergebnislisten mit allen Zwischenzeiten


Auszeichnung
Funktions-Cap


Verpflegung
Im Start- und Zielbereich mit Wasser, Tee, Iso, Cola, Bananen, Riegel, Rosinen, Schokolade, Kekse (salzig und süß), und, und, und.

 
Zuschauer
(Fast) nur Begleiter im Zielbereich.

 

Informationen: Ultramarathon Rodgau
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