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Laufberichte

L’équipe Noël - Ja, ist denn heut schon Weihnachten?

 

Zum dritten Mal sind Judith und ich in Luxemburg gemeldet. Zuletzt waren wir vor fünf Jahren hier – eine lange Zeit, aber der Wunsch, diesen schönen Nachtmarathon noch einmal zu laufen, konnte nach den pandemiebedingten Ausfällen erst dieses Jahr wieder erfüllt werden.

Der Lauf startet am Samstagabend um 19:00 Uhr. Wir kommen erst mittags in Luxemburg an. Start und Ziel befinden sich auf dem Messegelände im modernen Viertel Kirchberg, gut zu erreichen, da nahe an Autobahn und Flughafen gelegen und mit der neuen Straßenbahnlinie ans Zentrum angebunden.

In den Hallenanlagen der Messe wird man wie üblich in einer Einbahnregelung an allen wichtigen Orten vorbei geführt und ist viele Meter unterwegs, kann sich also schon einmal „warmlaufen“.  So sieht man die Halle mit dem Zielbereich, wo es am Freitag eine Pastaparty gegeben hat, und die Halle mit der Taschenabgabe, in der auch die Startnummern bereit liegen. Unsere großen Startersäcke samt Nummern bekommen wir gegen Vorlage des Personalausweises sehr schnell. Gefüllt sind sie mit einem Stirnband, Luxemburg-Tattoos, Wasser, Apfel, einem Riegel sowie allerlei Rabattgutscheinen. Weiter geht es zur Marathonmesse, die etwas kleiner als sonst ist und vor allem von Laufveranstaltern genutzt wird.

 

 

Die Stadt Luxemburg mit ihren 114.000 Einwohnern ist gleichzeitig auch Hauptstadt des Staats Luxemburg. Die Errichtung der Festung im Jahr 963 gilt als Gründungsdatum der Ansiedlung,, obwohl es hier schon zu Zeiten der Römer eine kleine Festung an der Kreuzung zweier Römerstraßen gab. Den Großherzoglichen Palast, heute auch Sitz des Abgeordnetenhauses, werden wir bei unserem Lauf sehen. In der Kathedrale Unserer Lieben Frau von Luxemburg sind viele Herzöge beerdigt. Da Luxemburg anno 1868 eine der fortschrittlichsten Verfassungen überhaupt einführte, war der Wunsch der Bevölkerung, sich einem der großen Nachbarländer anzuschließen, eher gering.

Bis zur Schleifung 1867 besaß Luxemburg ausgeklügelte Festungsanlagen. Die Besichtigung der unterirdischen Kasematten am Bockfelsen ist besonders bei heißem Sommerwetter eine wohltemperierte Option.

Mit der Tram fahren wir zum Hotel. Das Sightseeing verkneifen wir uns vorerst, und nach ein paar Stunden Ausruhen geht es zurück zum Start. Die Taschenabgabe schließt eine Stunde vorher, zumindest offiziell. Ich denke, hier geht es hauptsächlich darum, einen übermäßigen Andrang in letzter Minute zu vermeiden.

Startaufstellung ist auf dem Parkplatz vor dem Haupteingang der Messe. Dort gibt es auch unzählige Toilettenhäuschen. In der Sonne ist es angenehm, aber eher kühl. Perfekt für einen schnellen Lauf. Die Startaufstellung verläuft in U-Form, die hinteren Blöcke müssen also erst mal um den Platz herum. Halbmarathonis, Staffelläufer und wir Marathonis starten zusammen. Punkt 19:00 Uhr geht es mit einem Konfettiregen los.

 

 

Bei Kilometer 1 kommen wir auf die Hauptachse des Kirchberg-Viertels: Die Avenue John F. Kennedy werden wir für drei Kilometer schnurgerade hinunter rasen. Dieses Jahr lerne ich eine neue Streckenführung kennen. Im Quartier Européen laufen wir an der Philharmonie vorbei und dann durch einen Straßentunnel zurück. Dort empfängt uns laute Musik, es werden moderne Orgelwerke aus der Philharmonie übertragen.

Zwischen dem Kirchbergplateau und der Ville Haute, also der Oberstadt, liegt das Pfaffenthal. Mit dem Beginn der Erschließung des Kirchbergplateaus wurde auch eine neue Brücke angelegt.  Der Pont Grand-Duchesse Charlotte, wegen ihrer Farbe „Rote Brücke“ genannt, wurde im Jahr 1965 fertiggestellt und wird nun auch von der Straßenbahn befahren. Neu gestaltet sind die Gitter an den Fußwegen. Sieht man im 90-Grad-Winkel auf das Tal, ist das Gitter fast unsichtbar. Ab hier fährt die Straßenbahn übrigens mit Akku. Daher sieht man keine Oberleitung mehr.

Hinter der Brücke kurz durch eine Unterführung. Die Place Glacis wartet heute zweimal auf uns. Zuvor noch eine kurze Runde durch den Park, eine Spezialität des Luxemburg-Marathons: Die Altstadt ist von einem Parkgürtel an der Stelle der ehemaligen Stadtbefestigungen umgeben. Und in diesen Parkanlagen werden wir heute einige Kilometer zurücklegen.

 

 

Wie kann man die Streckenführung beschreiben? Kreuz und quer durch Luxemburg, immer auf und ab. Eigentlich gibt es jetzt vom Zentrum aus vier Schleifen in Wohngebiete. Aber es wirkt wie Achterbahn, samt Stimmung an der Strecke. Vor jeder Kneipe und vor vielen Häusern stehen die Luxemburger und feiern mit uns. Unzählige Bands und Trommelgruppen spielen auf. Unglaublich.

Vier Kilometer durch Limpertsberg. Hier soll es die höchste Stelle des Kurses geben. Was mehr im Gedächtnis bleibt, sind der kirchliche Komplex, den man von mehreren Seiten ansteuert, und die Menschen vor den Eckkneipen. Ausgelassene Stimmung verbreitet die pink gewandete spanische Frauenlaufgruppe, die wegen ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit kaum zu überholen ist.

Wieder auf dem Glacis-Platz. Nun also in die Altstadt, in die Grand Rue, Einkaufsstraße: Gesäumt von Menschen rasen wir dahin. Dazwischen auch hier Musikgruppen. Auf der großen Place d´Armes dann die Trennung von den Halbmarathonis. Die dürfen am großherzoglichen Palast vorbei. Für uns geht es auf der Avenue Monterey weiter. Auf dem Boulevard Royal dann eine Straßenbahnschleuse. Hier werden die Sportler abwechselnd links und rechts von der Trambahnhaltestelle geführt, so können die Züge den Laufweg queren. Gibt es noch ein paar Mal auf dem Kurs.

Nächstes Schleifchen, Belair. Eine der wenigen längeren Geraden. Man sieht bis zum Horizont Partys vor den Häusern. Wer hier wohnt, kann sich wohl begütert nennen. Zurück ein Stück durch den Park. Schleife drei steht bevor. Bei Kilometer 21 kommen uns die 3:44- Pacer entgegen. Das Foto belegt: Wir waren dabei. Nur halt sieben Kilometer dahinter. Tankstellen gibt es hier, also für die Autofahrer. Das Benzin ist in Luxemburg immer etwas billiger als in den Ländern drum herum.
Der Tanktourismus boomt.

Parc de Merl liegt an der Strecke. Ein schöner großer Springbrunnen. Das Foto mit den Tänzerinnen davor fällt der Dunkelheit zum Opfer. Hier folgen auch einige längere Geraden, diesmal bergab. Da werde ich prompt von einigen Mitstreitern überholt. Verpflegungspunkte gibt es unzählige, gefühlt alle zwei Kilometer, da gäbe es auch bei höheren Temperaturen keine Probleme. Und immer das volle Programm: Wasser, Iso-Getränke, Bananen, Energy-Riegel und ab der Hälfte auch Cola. Immer auch freundlich angereicht.

 

 

Wir kommen zurück ins Zentrum. 45 Minuten liegen Judith und ich hinter den 3:44-Pacern. Vor dem Pont Adolphe geht es nach unten. Die Brücke war nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1903 die größte Steinbogenbrücke der Welt und besteht aus zwei parallelen Bögen, auf denen eine Stahlbetonplatte für Straße und Tram ruht. Dadurch konnten die Kosten während des Baus reduziert werden, da das Tragegerüst schmaler war und für beide Seiten Verwendung fand. Unter der Brücke zwischen den beiden großen Bögen wurde quasi ein dünnes Band angehängt, auf dem Radler und Fußgänger queren können. Très chic. Aus dem Tal der Petrusse unter uns dröhnen Techno-Bässe herauf. Da es langsam dunkel wird, schalten Judith und ich unsere farbigen LED-Lämpchen an, welche ich um die Startnummern drapiert habe. Das wird uns ab sofort viel Zuspruch bringen.

Hinunter ins Tal scheint es Probleme mit der Streckenbeleuchtung zu geben. Der breite Teerweg ist zwar auszumachen, aber man muss schon sehr aufpassen. Teilnehmer, die auf Nummer sicher gehen wollen, sollten vielleicht eine Lichtquelle mitnehmen  wie die Läuferin neben mir, die jetzt ihre Stirnlampe einschaltet. Schnelle Marathonis und natürlich die Halbmarathonis werden damit kein Problem bekommen. Die letzte Dämmerung, die Blaue Stunde, endet um 22:30 Uhr.

Denen, die schon fast am Ziel sind, entgeht aber auch sehr viel, da nun unzählige beleuchtete Lampions an der Strecke hängen. Unter dem Pont Viaduc dann auf einem Sträßchen steil bergab zum Talgrund. In der Nähe fließt die Petrusse in die Alzette, dort im Stadteil Grund gibt es schöne Häuschen und Kneipen. Wir drehen aber Richtung Petrusse aufwärts. Ein großer neuer Skaterpark liegt auf der anderen Seite des Rinnsals. Oder besser gesagt der Baustelle. Das Tal wird hier neu gestaltet und so ist der uns von früher her bekannte breite Weg gesperrt, auch eine Brücke fehlt im Moment.

Wir bleiben auf einem geteerten Umgehungspfad. Hier sind unzählige Feiernde unterwegs und in der Überzahl. Das wird oft sehr eng. Einmal bekommt Judith fast einen Bierbecher ins Gesicht geschüttet, der zwischen Flaneuren weiter gereicht werden soll. Der Kilometer 30 wird mit großen Lampions angezeigt. Hier ist auch das Ziel der Spazierenden: Eine große Techno-Bühne auf der anderen Flussseite. Da geht die Post ab. Dichtes Gedränge an den Essensständen. Danach haben wir glücklicherweise wieder Platz zum Laufen. Auch hier sind die Schnelleren sicher besser durchgekommen.

Wir laufen langsam weiter nach oben - ein Saxophonspieler durchbricht die neuerliche Stille - und kommen bei Kilometer 31 im Bahnhofsviertel an. Hier dominieren Tanzgruppen mit Musik aus Portugal, Spanien und natürlich der hiesigen Region. Unsere bunten Lämpchen haben immer mal wieder Kommentare wie „Disco“ hervorgerufen. Ich höre auch manchmal etwas, was ich als „Christbaum“ interpretiere. Es ist meist Französisch. Spannend finde ich die Dreisprachigkeit im Fürstentum. Landessprache ist das Lëtzebuergesch, ein moselfränkisches Idiom. Das hört man gelegentlich und man kann einiges davon verstehen. Amtssprachen sind aber auch Französisch und Deutsch. Mir kommt es so vor, als habe jeder Bereich seine bevorzugte Sprache. Die Straßennamen sind auf Französisch mit lëtzebuergeschen Untertiteln gehalten und die jungen Leute sprechen oft Französisch und natürlich Englisch. Das ist zumindest mein subjektiver Eindruck.

Ein paar hundert Meter weiter dann endlich mal etwas, was ich verstehe: „L’ équipe Noël“ ruft jemand bei unserem Anblick. Judith und ich sind also die Weihnachtsläufer. Vermutlich, weil sich so manch einer von unseren Lämpchen an die Lichterketten auf Christbäumen erinnert fühlt. Na ja, dann ist es halt so. Vielleicht schneit es bald. Obwohl wir eher auf wärmere Temperaturen hoffen.

Wir laufen auf ein schön beleuchtetes Palais zu. Der Platz davor wurde nach der deutschen Besatzung im 1. Weltkrieg angelegt und besitzt einen schönen Rosengarten. Schöner Blick auf den Bahnhof mit hell erleuchtetem Uhrturm. Wir umqueren die Tram-Endhaltestelle und laufen nun zurück Richtung Altstadt über den Pont Viaduc. Unten dröhnen immer noch die Bässe.

Von der Brücke bietet sich ein phänomenaler Blick hinunter ins Tal. Links auf die Place de la Constitution mit dem „Monument du Souvenir“ und seiner „gëlle Fra“ genannten goldenen Statue auf hohem Obelisk. Heute ist der kleine Parkplatz Partyzone. Laute Musik. Anzumerken wäre noch, dass der Laufweg hier in der Ville Haute immer perfekt mit Gittern gesichert ist. Die Übergänge werden von Helfern organisiert.
Nun geht es auch für uns am großherzoglichen Palast vorbei, der aus aktuellem Anlass in den ukrainischen Farben erstrahlt. Ich denke oft an unsere Eindrücke vom Kiew-Marathon 2019. Die folgenden Gässchen sind gesäumt von Kneipen mit den entsprechenden Feiernden davor, die auch
immer ein Auge auf die Läufer haben. Unsere bunten LED-Lämpchen scheinen die Zuschauer auch hier aus einer beginnenden Lethargie herauszureißen, für uns beide natürlich super.

Das Ende der Altstadt beschert uns ein paar Meter sehr schlechtes Kopfsteinpflaster. Bis ich mich entscheide, auf den Fußweg auszuweichen, ist es auch schon wieder vorbei. Am schlossartig anmutenden Gebäude der Stiftung J.P. Pescatore vorbei zur Hangkante. Dort wurde ein Steg angelegt, über den wir nun zur Roten Brücke laufen. Hier gibt es auch einen Panorama-Aufzug ins Tal.

 

 

Die Rote Brücke ist schnell erreicht und nun beginnen die finalen sieben Kilometer durch das Verwaltungsgebiet Kirchberg. Schnurgerade, leicht bergauf. Das Trommeln der Sambagruppe vor uns gibt uns den nötigen Schwung. Auch wenn ich durch das Fotografieren in der Dunkelheit einiges an Zeit verloren habe, können wir nun beständig Mitstreiterinnen und Mitstreiter „einsammeln“. Schön auch der Blick über die unzähligen gelben Straßenlampen vor uns.

Vermutlich als Auflockerung der langen Geraden gedacht ist die Schleife, die wir jetzt laufen. Wir umrunden das Fort Thüngen mit dem – theoretisch - wunderbaren Blick auf die Altstadt gegenüber. Aber ganz ehrlich: Ich sehe beides nicht. Der ordentlich gepflasterte Weg und die trübe Beleuchtung erfordern meine ganze Konzentration. Hinfallen wäre jetzt auch blöd. Kurz danach wieder in den Tunnel unter der Philharmonie hindurch, immer noch mit ohrenbetäubenden Orgelklängen. Draußen dann eine heiße, weil mit Feuer dekoriertete Verpflegungsstelle, an der es sogar Bier gibt. Ich winke dankend ab.

Kurz danach das letzte Samba-Team mit farbig beleuchteten Trommeln, nochmals Verpflegung, dann auf die letzten zwei Kilometer. Die Marathonis laufen einen schnurgeraden Weg durch den Parc Reimerwee unter dunklem Laubdach. Beleuchtet zwar, aber es zieht sich doch ein wenig. Ich denke, die Veranstalter hatten den Wunsch, die Straßensperrung nebenan nach den Halbmarathonis aufzuheben. So warten also auf uns noch ein paar kleine Kurven, dann kommen wir zum Messegelände, wo kostümierte Stelzenläufer auf uns warten. Fackeln am Boden, dann hinein in die Halle. In einer großen Kurve geht es um den Fan-Bereich des Hauptsponsors ING herum, wo der Sekt in Strömen fließt. Unglaublich die Stimmung. Glücklich laufen wir durch den Torbogen.

In der nächsten großen Halle gibt es noch eine gute Verpflegungsauswahl mit Getränken und Kuchen. Aber um ein Bier zu ergattern, hätten wir wohl schneller sein müssen. Bei der Taschenabgabe ist auch nicht mehr viel los. Wer will, kann sich in den Duschtrucks erfrischen. Später tobt in der Halle immer noch der Bär, ein DJ heizt die Stimmung an. Das macht richtig Spaß. Trotzdem machen wir uns um ein Uhr mit der Straßenbahn auf den Weg zum Hotel.

Der Luxemburg Marathon mit seiner sehr abwechslungsreichen Stadtstrecke ist eine fantastische große Party. Wenn es darum geht, einen Marathon und dessen Teilnehmende gebührend zu feiern, liegt Luxemburg ganz weit vorne.

 

Siegerinnen und Sieger

Frauen

1 TUITOEK, MERCY JEPTOO (KEN)        02:43:34
2 KOECH, SHAULINE CHEPKIRUI (KEN)    02:45:12
3 PRISE, KERRY (GBR)                02:58:29

Sieger Männer

1 KOECH, EZEKIEL KIPROP (KEN)        02:15:46
2 MURREI, GEDION KIPCHIRCHIR (KEN)    02:31:43
3 HRIOUED, ALAA (MAR)                02:35:16

Finisher
Marathon         1.161
Halbmarathon     4.639

 

 

Informationen: ING Night Marathon Luxemburg
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