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Laufberichte

Ein Stück vom Fürstenglück

14.06.14


Teamplayer


Nun bin ich auf 1301 Höhenmeter in Steg. Die LGT HalbmarathonPLUS Läufer sind im Ziel, für mich ist es nur eine Zwischenstation. Staffelläufer übergeben die „elektronische Fußfessel“ mit dem Chip am Klettband rasch an ihre(n) Partnerläufer(in). Wer sich noch nicht wagt, oder sich nach einer Verletzung noch nicht an die volle Marathonstrecke traut, für den ist der Staffelwettbewerb genau richtig. Denn zwei Sportler teilen sich die komplette Strecke. Achtundfünfzig Staffelpaare (Damen, Herren, Mix) probieren es aus.

Darunter die Liechtensteiner Ex-Skirennläuferin Marina Nigg die unter dem Teamnamen „Geschwister Team Nigg“  die Fußfessel von ihrem Bruder Rico übernimmt. 1:52:11 Stunden. Rico hat auf dem ersten fünfundzwanzig Kilometern richtig Druck gemacht. Marina übernimmt die letzten, nicht weniger anstrengenden, siebzehn Kilometer bis ins Ziel von Malburn. Sie steht ein wenig unter familiären Leistungsdruck. In einem Interview bei Radio Liechtenstein sagte sie: „Wenn ich langsam luufe, dann regt er (der Bruder) sich uff“. 

In Steg liegt die Wiege des Skilaufs in Liechtenstein. 1950 zieht der erste private Skilift die Wintersportler hoch auf die verschneiten Almen. So eine bequeme Aufstiegshilfe käme mir jetzt irgendwie auch gelegen. Denn kurz nach dem ich aus dem Blickfeld der vielen Zuschauer laufe, muss ich auch schon wieder gehen. So steil nach oben führt der Weg. Was mich schon wieder an Wintersport erinnert.

Der Skisport in Lichtenstein kam nämlich schon vor 1900 auf, als eine der ersten Sportarten überhaupt. Ab 1932 wurde es schon professioneller. Die touristische Entdeckung der Alpen begann. Zu Beginn der 1930er Jahre kamen die Gäste überwiegend aus der Schweiz und Süddeutschland mit den ersten Reisebussen. Die Fahrt endete in Triesenberg, von dort übernahmen „Träger“, dies waren überwiegend junge Bauern aus dem Ort, den Gepäcktransport bis hoch nach Malbun. Für die Malbuner Gäste wird ein Ski- und Tourenführer aus Lech engagiert. Ebenfalls aus Österreich kam auch der erste Olympia-Trainer Liechtensteins, das war im Winter 1935/1936.

Zwei Kilometer geht es gleichmäßig und sachte aufwärts. Meine Gedanken driften ab.

Ich denke an vergangenen Mittwochabend, als ich mit fünfzig Arbeitskollegen zwischen Hochhäusern am Start des Chase Lauf stand. Gemeinsam mit 71.735 schwitzenden Läufern komme ich immerhin unverletzt nach 5,6 Kilometer durch die Straßen der Frankfurter City ins Ziel. Und jetzt? Ich schaue auf blühende Almen hinab. Pusteblumen, gelbe Butterblumen, blaue Glockenblumen und blauer Enzian, dazwischen der rote Mohn.

Gleichmäßig sind die Schritte der Läufer vor und hinter mir. Niemand spricht, wir kommen langsam, aber gut voran. Unbemerkt hat mich Robert, ihr wisst schon, das 39er Baujahr, überholt.

Am Sassförkle auf 1771 Höhenmetern ist bei Kilometer 34 der höchste Punkt des Marathons erreicht. Ich bin umgeben von Zweitausendern: Ochsenkopf, Sareiserjoch, Augstenberg und dem höchsten Berg Liechtensteins, dem Gamsgrat.


Lustkurven


Die Werbung spricht von „Lustkurven“ und meint damit den Abfahrtsgenuss beim Wintersport.  Nur noch sechs Kilometer bis ins Ziel, welches ich von hier schon sehen und besonders gut hören kann. 4:58 Stunden, die „Heidiland Runners“ sind im Ziel, hallt Röbis Stimme durch das Mikrofon bis hier oben rauf. Namen für Namen schallen durch die Landschaft - im Sekundentakt. Mit Liechtensteiner, oder soll ich sagen,  deutscher Präzession läuft Didi Walter, der 5 Stunden Pacemaker, nach genau 4:59:56 Stunden(!) ins Ziel. Fünf Stunden und nur noch vier Kilometer bis ins Ziel - so kann es laufen denke ich und freue mich.

Durch die Freude, bald das Ziel zu erreichen, werde ich belebt und verdopple meine Schritte. Es ist, als sehe ich ein kleines Licht am Ende des Marathontunnels – fast am Ziel. Aber oh weh! Wie kann man sich täuschen. Am gegenüberliegenden Hang erkenne ich bunte Läuferpunkte, die nicht wirklich schnell vorwärts kommen.  „Rodelbahn, Fußgänger rechts gehen“ steht auf einem Schild. Ich kann es nicht glauben, da sollen wir noch hoch und da sollen wir noch rum. „Nee, echt jetzt?“
Jetzt wird mir klar: Der Panoramarundweg wird zur Endlosschleife! Ich passe mich dem neuen Tempo an und werde auf wundersame Weise beruhigt. „Maaarrcoooo Büüüchellll“ (ihr wisst schon, der Rennläufer) ist im Ziel, hallt es mir entgegen. Ich schaue auf die Uhr: Knapp über 5:30 Stunden. Cool! Da liege ich doch gar nicht so schlecht im Rennen - nur noch schlappe zwei Kilometer und ein Teil davon tatsächlich auch nochmal bergab ins Bergdorf Malbun.


Einkehrschwung


Alle Skipisten führen in das einstige kleine Bergdorf. Verlassene, mechanische Aufstiegshilfen in Form von Sechsersessel-Liften stehen am Hang,  schaufeln die sportlichen Wintersportler von November bis in den April auf die Zweitausender. Die Windhauben und die angenehm warmen Poheizungen schützen dann die Outdoorsportler vor den Stürmen der Natur am Berg und letztlich auch vor Erfrierungen – zumindest solange sie sitzen. In den Sechzigerjahren sprossen die Hotels wie Pilze aus dem Boden, heute sind dies meist familienfreundliche Hotels – für den verwöhnten Sprössling gibt es vorgeschmierte Butterbrote.

Dennoch ist Malbun übersichtlich. Zwischen Chalets und Matratzenlager, zwischen alpenländischen Bauernhäusern und prächtigen Villen. Für Alpin- und Langläufer, für Snowboarder und Rodler. Von weitem sehe ich den fürstlichen Zielbogen am traditionsreichen roten Alpen Hotel Malbun von 1908 - Halbpension für 7,50 Franken – aber das ist lange her, sehr lange. „Aaaandreaaa Hellllmuth aus Deutschland, hallt es hinter mir. Nach 5:46 Stunden bin auch ich im Ziel.

Was passt besser zu einem fürstlichen Lauf, als eine funkelnde Kristallfigur vom Co-Sponsor Swarovski. Die limitierte, vier Zentimeter kleine Luxus-Kuh mit Glocke und Hörnern kommt jedes Jahr mit einem neuen Outfit anstelle einer Medaille in die Finisher-Tüte. „Disco Mo“ heißt das diesjährige verspielte Sammlerobjekt der „Lovlots“. Wer also im nächsten Jahr  neben dem Funktions-Shirt vielleicht die „Soccer Champion Cow“ in der Tüte finden möchte, sollte starten und finishen. Ich drücke die Daumen.

Wer weiß, vielleicht haben wir diese ausgefallene Auszeichnung Ihrer Königlichen Hoheit, der Erbprinzessin Sophie, zu verdanken, die wie ich hörte, gerne bei Swarovski einkauft.

Zwei Wochen nach meinem Lauf im Großherzogtum Luxemburg konnte ich nun auch das Fürstentum Liechtenstein kennenlernen. Ich sitze auf der Sonnenterrasse eines kleinen Restaurants. Um mich herum eine Gebirgskulisse, hinter der die Sonne versinkt. Vor mir auf dem Tisch Reiseführer, Broschüren und eine Flasche Wein mit fürstlichem Etikett.

Angeblich trifft hier jeder auf jeden. Den Fürsten jedenfalls habe ich heute nicht mehr getroffen. Dafür jede Menge anderer netter Leute. Leider wird es Zeit für mich aufzubrechen, denn:

BAUERN, DIE ZU WEIHNACHTEN NOCH IN MALBUN SIND, BEKOMMEN ES, so will es die Legende, MIT DEN BÖSEN GEISTERN ZU TUN.

Ich bin zwar kein Bauer, aber das Schicksal will ich lieber nicht herausfordern.
 
Gesamtzeit/Höhenmeter/Streckenprofil für den Marathon:
Sollzeit 7 Stunden/Steigung 1.870 HM, Gefälle 720 HM/Punkt-zu-Punkt-Strecke

Anreise: Auf der A 96 nach Österreich durch den Pfändertunnel. Weiter über Feldkirch nach Liechtenstein. Das Autobahnnetz von Liechtenstein hat 0 Kilometer Autobahn. Zweimal in der Woche donnert der „Orient-Express“ auf der neun Kilometer kurzen Bahnstrecke auf seinem Weg zwischen Venedig und London durch das Land. Es gibt keinen Bahnhof und keinen Flughafen. Die nächsten Flughäfen befinden sich in Zürich oder München. 

Währung: Schweizer Franken. Der Euro wird in der Regel akzeptiert.
Internet: www.tourismus.li, liechtenstein.li

Übernachtungstipp: www.turna.li Neu renoviertes Hotel mit großen Zimmern (bis fünf Personen) direkt am Ziel, Sauna, Schwimmbad und ab 5:30 Uhr bereits großes Frühstücksbuffet.

Wettbewerbe: Neben dem Marathon wird ein Staffelmarathon (25 km und 17 km)
sowie einen Halbmarathon Plus von 25 km angeboten. Neu dabei der 33M-Cup. 33M bedeutet, drei Länder, drei Monate, drei Marathons - eine Wertung. Dabei handelt es sich um den LGT Alpin Marathon Liechtenstein, den  Zermatt Marathon und dem Allgäu Panorama Marathon.

Temperatur: 20°C

Verpflegung: Wasser, Competition "Orange", Long Energy "Citrus", Energieriegel, Liquid Sachet, Bouillon, Cola, Bananen, Orangen, Brot


Ergebnisse gesamt Männer:

1. Stefan Hubert, Jahrgang 1986, CH-Bad Ragaz               3:07.57,3h
2. Ralf Birchmeier, Jahrgang 1982, CH-Buchs SG              3:13.59,9h
3. Arnold Aemisegger, Jahrgang 1976, FL-Triesenberg         3:15.32,6h

Ergebnisse gesamt Frauen:

1. Jasmin Nunige, Jahrgang 1973, CH-Davos Platz             3:40.55,3h
2. Lea Bäuscher, Jahrgang 1982, D-Friedberg                 3:45.15,5h
3. Michelle Maier, Jahrgang 1989, Deutschland               3:45.44,3h

Finisher (Marathon):  517 gesamt, 421 Männer, 96 Frauen

Angemerkt: Shuttlebusse

Resümee: Ideal um die alpine Landschaft aus halber Höhe zwischen Gipfel und Tal zu durchqueren und die richtige Jahreszeit um die Bergblumenblüte zu erleben.

 
 

Informationen: LGT Alpin Marathon Liechtenstein
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