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Laufberichte

Gipfel und Blumenwiesen über dem Rheintal

 

Sommer, Sonne, Alpen - für mich ist der Marathon im Fürstentum heute eine sportliche Wellness-Kur, anstrengend und gleichzeitig entspannend. Bergauf und bergab zu laufen, ist sicherlich eines der schönsten Mittel gegen Alltagsstress.

Die sprichwörtliche „eierlegende Wollmilchsau“ hat noch immer niemand gezüchtet. Doch dem LGT Alpin Marathon Liechtenstein gelingt es sehr gut, möglichst viele läuferische Vorlieben und Bedürfnisse auf einer einzigen Strecke zu kombinieren. Wer es flach mag, der kann auf den ersten zehn Kilometern frei laufen.  Auch wer am liebsten auf Straßen oder Waldwegen mit nicht zu starker Steigung die Natur erkundet, sollte unbedingt hier starten. Und für Trailrunner gibt es unterwegs auch ein paar Pfade. 36 % Asphalt, 42 % Naturstraße, 22 % Trail bietet die vielseitige Mixtur.

Die 1870 Höhenmeter Auf- und 720 Höhenmeter Abstieg fordern Läufer, die noch keine alpine Erfahrung haben, überfordern sie aber nicht. Gleichzeitig kommen auch Ultratrailer auf ihre Kosten. Wer es lieber kürzer mag, kann den Halbmarathon Plus (25 km) laufen, bei der 25+14 km Staffel starten oder beim 10 km Charity-Lauf ohne Zeitmessung für einen guten Zweck rennen. Das Teilnehmerfeld entspricht (noch) nicht dem eines Groß-Events, die Organisation ist professionell und familiär herzlich.  

Ein Teil der Läufer übernachtet in Bendern, Schaan oder Vaduz, viele andere ziehen ein Zimmer oben in Malbun vor. Wer unten schläft, der gibt morgens vor dem Start einen Rucksack mit trockener Kleidung ab, der zum Ziel transportiert wird. Wer oben übernachtet, der wird am Morgen in einem Shuttle-Bus zum Start transportiert.  

Um 9 Uhr starten alle Disziplinen gemeinsam. Heute ist es angenehm warm, aber nicht zu heiß. Auf der Liechtensteiner Seite des Rheintals ragen alle Berge wolkenfrei in den blauen Himmel, auf der Schweizer Seite werden einige Gipfel von Wolken verhüllt. Da mir die Strecke im letzten Jahr so gut gefiel, startet dieses Mal auch meine Freundin. Annette hat ebenfalls meine „Lieblingskamera“ und fotografiert damit ebenfalls für diesen Bericht.

Zuerst folgen wir der Straße, dann biegen wir kurz vor Schaan nach rechts in Richtung Rhein ab. Anfangs ist es noch etwas schwül, doch das ändert sich bald. Die Umgebung ist landwirtschaftlich geprägt. Ich komme an einer sehr spartanisch wirkenden Scheune mit der Aufschrift „Liechtensteinische Landesbank“ vorbei. Nicht gerade repräsentativ! Zeigt die Bankenkrise schon so starke Auswirkungen? Zum Glück sponsert die LGT-Bank schon zum 18. Mal den Marathon.  

Bald darauf laufen wir ein Stück am Binnendamm entlang, dann auf dem Damm mit Blick auf den Fluss und viele Alpengipfel. Immer wieder herrlich! Rechts neben uns fließt der Rhein auf seinem Weg aus den Alpen heraus auf den noch etwa 40 km entfernten Bodensee zu. Rechts und links des Rheintals ragen hohe, teilweise noch schneebedeckte Berge in die Höhe.   

 


Dann verlassen wir den Damm und laufen auf Vaduz zu, die Hauptstadt des Fürstentums. Vor uns sehen wir schon das Schloss, das über dem Ort thront.
Liechtenstein, das sechstkleinste Land der Welt, ist nur 160 Quadradtkilometer groß, hat also nur etwas mehr als halb so viel Fläche wie München. Das Land mit 37.500 Einwohnern ist eng mit der benachbarten Schweiz verbunden, der Schweizer Franken gilt auch hier als Zahlungsmittel.  

Anfangs umgeben mich viele in rosa Shirts gekleidete Läufer und Läuferinnen. Bei km 9 nehmen viele einen rosa Luftballon auf. 230 Teilnehmer sind heute für den Pink Ribbon Charity Lauf zugunsten der Brustkrebshilfe gemeldet.

Bei km 10 gibt es die erste größere Verpflegungsstelle. Danach geht es durch die kleine Fußgängerzone, vorbei am modernen Bau des Kunstmuseums, das unter anderem Bestandteile der fürstlichen Sammlungen zeigt, die zu den ältesten Privatsammlungen Europas zählen.  

Bisher war unsere Strecke völlig flach, doch auf den restlichen 32 km geht es nun kräftig bergauf und bergab. Gleich am Ortsrand von Vaduz wechseln wir fast übergangslos von der fast ebenen Fußgängerzone auf eine steile Straße. Blumengeschmückte Vorgärten und schöne Häuser lenken von der Anstrengung des Aufstiegs ab. Oft sehen wir über uns das Schloss.   

 

 

Dann laufen wir direkt am Schloss vorbei, das im 12. Jahrhundert erbaut und im 16. und 17. JH erweitert wurde. Es kann nicht von Touristen besichtigt werden, da es seit 1938 als Wohnsitz der Fürstenfamilie von Liechtenstein dient. Doch als beliebtestes Fotomotiv des Fürstentums gibt es auch von außen viel her.

Nun geht es eine Weile durch dichten Wald bergauf, nicht zu steil, gerade recht. Schließlich führt unser Weg über sonnige Wiesen bergauf. Wir folgen einer kleinen Straße über Serpentinen in die Höhe. Je weiter wir aufsteigen, desto weiter reicht die Fernsicht. Abgesehen von den paar Wolken, die nach wie vor  einige der Gipfel im Westen verbergen, ist ideales Laufwetter.

Triesenberg ist eher eine weit über die Hänge verstreute Ansammlung von Häusern als ein richtiges Dorf. Hier erreiche ich auch wieder eine Verpflegungsstelle mit Wasser, Iso und Cola. Meist gibt es auch Bananen, Orangen und Brot, manchmal Riegel, Gel oder Bouillon. Immer weiter laufen wir an diesem sonnigen Sommertag in die Höhe.  

 

 

Zu den schönsten Aspekten unserer Art von Sport zählt sicherlich, dass es nicht ausschließlich auf das Ergebnis ankommt. Jemand, der heute erstmals das Ziel erreicht oder die Strecke nach 7 Stunden im letzten Jahr nun in 6,5 Stunden schafft, kann ebenso stolz auf seinen persönlichen Erfolg sein wie die Sieger. Man stelle sich das mal beim Fußball vor: letzter Tabellenplatz, aber „das Spiel hat mir sehr viel Spaß gemacht!“ Und auch in der Leichtathletik wird sicherlich niemand nach einem 1000 m Sprint auf der Bahn davon schwärmen, wie gut ihm die Strecke gefallen hätte. Wie glücklich können wir uns da schätzen! Hier treffe ich mal wieder auf Leute, die sich seit Monaten gezielt darauf vorbereiteten, heute eine bestimmte Platzierung zu erreichen. Ebenso rede ich mit Läufern, die einfach nur die Strecke und die Landschaft genießen wollen, ganz ohne jeden Druck. Dabeisein ist alles! Ich laufe den Alpin Marathon auch nicht im Wettkampf-Modus, sondern genieße die Landschaft die ganze Zeit über in entspanntem Trainingstempo.

Und genießen kann ich heute wirklich genug. Die blühenden Wiesen, die mich bereits letztes Mal begeisterten, wirken bei Sonnenschein noch viel bunter. Das Blumenparadies oberhalb von Triesenberg könnte aus einem Märchenbuch stammen. Da unser Aufstieg nie zu steil ist, hat jeder noch genug Muse, die Farbenpracht zu bewundern.   

 


 Mal Asphalt, mal Wirtschaftsweg, zwischendurch Pfade, immer weiter geht es bergauf. Oberhalb von Silum liegen bereits die ersten tausend Höhenmeter Aufstieg hinter mir. Noch ein Stück geht es weiter bis zur Silumer Höhe (1539 m). Hier sieht man bei der Getränkestelle nun ganz andere Berge vor sich, als bisher. Unter uns liegt der Weiler Steg, bis zu dem es nun 300 Höhenmeter Abstieg sind.  

Anfangs führt ein Pfad auch über einige Wurzeln bergab, gewissermaßen ein kleiner Trailrunning-Schnupperkurs, doch bald mündet der Trail auf breite Wege, die man in gutem Tempo bergab sprinten kann.  

Unten am Ufer des Samina-See ragen hinter der Verpflegungsstelle hohe, noch teilweise schneebedeckte Berggipfel in den Himmel.   

 


Bei Steg ist nach 25 km das Ziel der Halbmarathon-Plus Strecke sowie die Wechselzone für die Staffeln. Die nächsten sechs Kilometer geht es häufig wechselnd bergauf und wieder bergab. Weit in der Ferne kann ich einen kleinen Abschnitt des Bodensees erkennen.

Etwa bei km 31 trinke ich wieder Bouillon und Cola. Nun laufe ich auf einem schmalen Pfad weiter, der zunehmend steiler wird. Bald entwickelt sich der Pfad zu einem wunderschönen, manchmal etwas anstrengenden Trail durch herrliche Vegetation. Schon von weitem höre ich über mir die Klänge eines Alphorns.

Die Berge in unmittelbarer Umgebung wirken nun deutlich alpiner, doch unsere Route bleibt weiterhin relativ einfach.   

 


 Am höchsten Punkt des Marathons, am Sassförkle (1771 m), werden wir Läufer von einem gut gelaunten Moderator begrüßt. Seine Laune ist ebenso großartig wie meine.  Wie schon an den letzten Wasserstellen trinke ich hier mehr, als ich es normalerweise mache. Als ich nun auf der anderen Seite des Passes den breiten Weg nutzen will, um schnell bergab zu rennen, gluckert mein überfüllter Bauch so sehr, dass ich lieber langsam mache. Das ist aber egal, ich habe mehr als genug Zeit.  

Bald nach dem kleinen Saas-See liegt wie ein weites Amphitheater der Talkessel von Malbun vor mir. Im Winter ist Malbun auf 1600 m Höhe ein beliebter Wintersportort.  Wer bei der Verpflegungsstelle neben der kleinen Kapelle keine Kraft mehr hat oder zu spät ankommt, der kann nun direkt hinab zum nur etwa zwei Minuten entfernten Ziel laufen. Die Verlockung, hier abzukürzen, ist recht hoch, denn allzu gut hört man hier schon die Lautsprecherdurchsagen, mit denen unten die Ankunft der Finisher verkündet wird.

Doch ich will nicht, dass mein Lauf jetzt schon vorbei ist. Auf mich warten noch einige Kilometer in weitem Bogen und mit einigem Auf und Ab um das Tal herum, bis ich mich dem Dorf dann von der gegenüberliegenden Seite wieder nähere.  

 


 Am hinteren Ende des Tales trinke ich noch zwei Becher Cola, dann geht es wieder leicht bergauf, zwischendurch auch kurz steiler. Als ich mit einer Läuferin rede, erfahre ich, dass sie bei jedem der bisher 18 Marathons in Liechtenstein dabei war, ebenso der Läufer vor mir. So viel Treue belohne ich mit einem Foto von Vreni und Hans.  

Nur noch zwei Kilometer bis zum Ziel! Auf breitem Weg geht es bergab. Eigentlich könnte ich es so richtig krachen lassen, doch ich werde ohnehin viel früher als geplant das Ziel erreichen, daher belasse ich es beim lockeren „Energiespar-Modus“. Noch kurz durch den Ort, dann erreiche ich nach 6:00:55 das Ziel.

 

 

Tasche mit dem Gepäck abholen, Duschen, Bier, Wurst, Kaffee, Kuchen, Sonnenschein, dann erreicht auch meine Freundin glücklich und zufrieden das Ziel. Wer so wie ich am liebsten mit öffentlichen Verkehrsmitteln anreist, der sollte auf jeden Fall im Tal übernachten. Wer in Begleitung der Familie kommt, für den empfehle ich Malbun, da die Angehörigen hier tagsüber schöne Spaziergänge oder Wanderungen machen können, während man selbst läuft. Malbun trägt das Gütesiegel «Family Destination» des Schweizer Tourismus-Verbandes, da die Angebote gezielt auf die Bedürfnisse von Kindern, Eltern und Begleitpersonen ausgerichtet sind.  

Vom Ziel können wir Läufer mit kostenlosen Shuttle-Bussen bis direkt zum Startgelände fahren. Dort kann ich nun auch die am Morgen noch von Wolken verborgenen Berge auf der Schweizer Seite sehen. Wenn ich hier zum dritten Mal starte, wird der Himmel wolkenlos sein. Ich freue mich darauf!

Beim Marathon erreichen 293 Männer und 72 Frauen das Ziel. Schnellste Frau ist Michelle Maier (3:36) vor Simona Staicu (3:47) und Nadja Kessler (3:48). Schnellster Mann ist Shaban Mustafa (3:05) vor Hannes Rungger (3:11) und Patrick Wieser (3:13).    

 

 

 

 

Informationen: LGT Alpin Marathon Liechtenstein
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