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Laufberichte

Auf Du und Du

11.06.11

Auf den edlen Natursteinplatten bin ich froh, dass ich heute einen Trailschuh mit weicher Gummimischung gewählt habe. Der sichere Halt auf nassem Stein gibt Sicherheit und dieTraktion bei dem nun folgenden Anstieg auf Kopfsteinpflaster zusätzlichen Dampf. Das erste flache Viertel war gerade perfekt, um auf Touren und in Schwung und zu kommen. Letzteren kann ich gut in die Steigung mitnehmen und eine erste Bilanz auf der Rückseite des Schlosses stimmt mich zuversichtlich, dass ich läuferisch einen guten Tag erwischt habe. Dass ich recht zügig unterwegs bin, spüre ich daran, dass ich trotz der allgemeinen Feuchtigkeit und der moderaten Temperatur am Wasserposten an dieser Stelle gerne einen Becher entgegennehme. Das wurde vom Veranstalter so gut eingerichtet.

Besonders in den Waldstücken hängt zwar die Feuchtigkeit zäh zwischen den Bäumen, das Laufen geht aber locker. „Läufst du auf 5:00?“, werde ich gefragt, da ich die Stützstrümpfe von Freiburg trage, auf welchen die damalige Zielzeit aufgedruckt ist. „Wenn überhaupt , dann nicht als offizieller Zugläufer“. So, wie ich drauf sei, werde ich das locker schaffen, wird mir beschieden. Danke fürs Vertrauen.

Mir gefällt, dass am Berg nicht vorherzusehen ist, wohin der Weg uns genau führt. Es sind nirgends in der Ferne Läufer zu sehen, die uns schon weit voraus sind und damit einen Motivationsdämpfer verursachen. In Triesenberg kommen wir wieder auf die asphaltierte Straße, am Kilometer 15 und dem dritten, komplett ausgestatteten Verpflegungsposten vorbei. Während sich sogar die Ziegen ins Trockene des Verschlags zurückziehen, halten einige Wetterfeste die Stellung und bedenken die Sportlichen mit Anerkennung und Aufmunterung.

Zum Glück habe ich meine Schirmmütze angezogen. Die hält mir den wieder stärker gewordenen Regen aus den Augen fern, das Einzige, was mich im Moment bei meinem Laufvergnügen stören könnte. Von den Faktoren Landschaft und Aussicht her wäre es bei schönem Wetter sicher ein Vielfaches schöner, doch auch so gefällt es mir ganz gut, denn leistungsmäßig läuft es sich so ganz gut. So gut, dass ich noch vor der Rennhälfte zu Anton Frommelt aufschließe. Er trägt die Flagge des Zugläufers für eben diese fünf Stunden, welche auf meinen Socken stehen. Sollen die anderen Läufer recht behalten mit ihrer Prognose?

Ich bin noch nicht lange vor Anton, da überrascht mich kurz nach dem Weiler Silum die Überquerung des Bergkamms ins Saminatal. Nach einer nochmaligen Erfrischung geht es auf schlammig, matschig, aufgeweichtem Trampelpfad hinunter nach Steg. Weil die Kamera nur noch Aussetzer zustande bringt, kann ich mich ganz aufs Laufen konzentrieren. Konzentration braucht es bei diesem Untergrund, doch die Sohlen meiner Schuhe krallen sich dermaßen in den Untergrund, dass ich mir den Spaß nicht nehmen lasse, es nicht nur rollen zu lassen, sondern gleich zu brettern. Ich muss nur an wenigen anderen Läufern vorbei, dann habe ich freie Bahn.

Mit dem Boden bin ich auf Du und Du und mental ist es ein Kinderspiel, denn am Ende dieser Gefällstrecke sind beim Stausee Steg Kilometer 25 und eine weitere Verpflegungsstelle erreicht. Auch bei dem trüben Wetter ist es ein erfrischender und gemütlicher Blick ins Tal, hinunter auf die beiden Teile des Sees. Schade, dass sich die Kamera nicht dazu überreden lässt ihn festzuhalten.

Ein kleiner Anstieg hinauf hinter die ortstypische Ringsiedlung und schon ist die den Bauernheiligen St. Wendelin und St. Martin geweihte Kapelle Steg am Eingang des Malbuntals zu sehen. Unmittelbar danach ist der Zieleinlauf für die Teilnehmer des Halbmarathons Plus, welcher an die zweihundert Finisher zu verzeichnen hat.

Für die Marathonis geht es über die Straße und gleich wieder kurz hoch, bevor fünf weitere, angenehm zu belaufende Kilometer folgen.  Zuerst gibt es die Herausforderung eines Weidewegs mit Schlammlöchern und Kuhfladen. Verglichen mit anderen sind meine Socken und Beine noch gar nicht so arg paniert, also habe ich allen Grund, mich jetzt nicht zurückzunehmen. Die Forststraße danach folgt in sanften Kurven und leichten Wellen der rechten Talflanke des Saminatals. Im Uhrzeigersinn wird der Schönberg umrundet.

Ab Kilometer 31 beginnt nochmals ein kräftiger Anstieg. Zuerst an der Güschghöttä vorbei und dann in einen Hang, der dem Namenszusatz „Alpin“ definitiv seine Berechtigung verleiht. Noch sind wir unterhalb der im Alpenraum geltenden Baumgrenze; die Nähe dazu ist an der Größe des Wuchses der verschiedenen Nadelbäume deutlich zu erkennen. Dazwischen ist das saftig grüne Gras mit weißen und gelben Blüten gespickt, deren Farben heute vermutlich noch mehr zur Geltung kommen als bei Sonnenschein. Ich bin draußen, in der Natur, mit meinen geliebten Bergen auf Du und Du. Es regnet zwar nicht mehr, aber auch wenn es würde, vermöchte es das Glücksgefühl nicht abzuwaschen. Es durchdringt mich zu sehr und wie die Strecke aufgebaut ist, steigert es sich noch mehr.

Kaum ist ersichtlich, wohin und wie weit hoch es noch geht, ist der höchste Punkt der Strecke bei Sassförkle auch schon erreicht. Mit einer Kombinationsspritze bestehend aus Bouillon und Cola tanke ich Energie für den vorläufigen Abstieg nach Malbun. Weil alle Versuche, meine Kamera zur Wiederaufnahme des Dienstes zu bringen, bisher gescheitert sind, gilt meine Konzentration dem Laufen bergab. Vorfuß, mit langen Schritten, fliegen auch diese Kilometer auf dem Wanderweg hinunter zur Friedenskapelle vorbei.

Das Ziel ist nur ein Steinwurf und gleichzeitig noch fast fünf Kilometer entfernt, denn zuerst muss der Talkessel umrundet werden. Dazu muss erst wieder Höhe gewonnen werden, doch gar nicht so viel, wie ich es in Erinnerung habe. Kurz nach der Abzweigung auf einen Bergpfad kommt das nächste Kilometerschild und bald schon geht zum südlichsten Punkt der Strecke hinunter, wo nochmals Getränke gereicht werden. Der linken Talseite entlang geht es in Richtung Skigebiet, wobei  etwa zweieinhalb Kilometer vor dem Ziel ein letzter knackiger Anstieg zu bewältigen ist.  Weil mir die Szenerie so gefällt, unternehme ich einen weiteren Versuch mit meiner Kamera, und siehe da: sie funktioniert, als wäre nichts gewesen.

Die letzten eineinhalb Kilometer sind nur noch lockeres Rollen bis ins Dorf. Kaum bin ich zwischen den Häusern angekommen, steht da schon das letzte Kilometerschild. Jetzt muss man sich nur noch einmal in eine rechtwinklige Kurve legen, dann ist man schon auf den letzten zweihundert Metern dieses eindrücklichen Marathons. Hinter den Absperrgittern harren die Zuschauer im Regen aus und lassen jeden Ankömmling ihre Anerkennung spüren.
Ich überquere die Ziellinie und fühle mich frisch und glücklich und freue mich, dass ich diesen Bergmarathon so locker und schnell ins Ziel gebracht habe. Mindestens für meine Verhältnisse, denn Felix steht schon geduscht und für weitere Abenteuer bereit da…

Als Zielverpflegung stehen verschiedene Getränke, Bananen, Orangen und leckeres Weißbrot zur Verfügung und gegen Abgabe des an der Startnummer befestigten Gutscheins gibt es die beiden Finishergeschenke. Zusätzlich zum hochwertigen Funktionsshirt wird beim LGT-Alpin-Marathon traditionellerweise nicht eine Medaille, sondern eine Kostbarkeit aus dem Hause Swarowski überreicht. In diesem Jahr sind es aus der breiten Masse hervorstechende Ohrhörer, die eher für die Dame zur Verwendung in der Fünf-Stern-Wellness-Oase als den Einsatz auf schmutzigen Trails gedacht sind.  Meine Jüngste wird das sicher so sehen. Mal schauen, ob ich mich mit dem Argument, das sei ebenso cooler Rapper-Style davor retten kann, sie gleich an sie abtreten zu müssen.

Was das Duschen im Duschzelt betrifft, so kann ich nur sagen, was ich aus gut unterrichteter Quelle weiß (da ich den Luxus habe, im Hotelzimmer duschen zu können), nämlich dass das Wasser richtig heiß ist. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer, vielmehr in den Durchlauferhitzer, der mir hier und an den Schweizer Mountain Marathon Cup-Veranstaltungen in Zermatt und auf der Kleinen Scheidegg schon mehrmals diesen Komfort geboten hat.

Wer sich mit dem Gedanken trägt, sich einmal an einen Bergmarathon heranzuwagen, dem kann ich zum Einstieg diese Veranstaltung nur empfehlen. Es gibt keine ausgesetzten Wege, welche besondere Trittsicherheit voraussetzen, auch keine Stellen, an welchen Höhenangst aufkommen könnte. Auch in Sachen Ausrüstung müssen keine zusätzlichen Investitionen getätigt werden. Wer auch im Winter regelmäßig läuft, hat die passende Kleidung, falls das Wetter wieder einmal wie heute sein sollte. Auch wenn bei dem im Regenwetter schlammigen und rutschigen Abstieg nach Steg ein Trailschuh mit griffigem, aggressivem Profil von Vorteil ist, kann die Strecke durchaus mit einem guten Straßenschuh gelaufen werden. Trotzdem ist es ein echter Bergmarathon.

Die Gliederung und das Profil der Strecke empfinde ich als mental unterstützend, vorausgesetzt man ist sich bewusst, dass es auf den letzen fünf Kilometern vom Ziel her so tönt, als sei die Ziellinie gleich um die Ecke.

Vielleicht sind Pfingsten und die Wettervorhersage schuld daran, dass in diesem Jahr nur knapp 600 Finisher gezählt werden; verdient hätten die Organisatoren auf jeden Fall einen größeren Zuspruch.

Ich bin gespannt, ob ich im dritten Anlauf das Glück haben werde, diesen Lauf bei schönem Wetter zu erleben. Diese Hoffnung ist aber nicht der einzige Grund, am LGT-Alpin-Marathon wieder teilzunehmen. Mir gefällt der Aufbau der Strecke, er kommt meinen Stärken, Schwächen, Vorlieben und Abneigungen entgegen und nach dem heutigen Tag können mir auch schlechte Wetterprognosen die Vorfreude nicht nehmen.

Mit diesem Marathon bin ich nun auf Du und Du. Oder, um es mit Blick auf den Falkner unseres Hotels und seinen Schützling zu sagen: Warum mit den Hühnern scharren, wenn man mit den Adlern fliegen kann?

Marathonsieger

Männer

1. Wieser Patrick, CH-Aadorf                 2:56.57,5    
2. Heuberger Bruno, CH-St. Margarethen TG    3:11.03,9   
3. Sturm Marco, D-Regensburg                 3:17.31,4

Frauen

1. Nunige Jasmin, CH-Davos Platz             3:33.45,8  
2. Staicu Simona, H-Mogyoród                 3:44.01,3  
3. Zimmermann Denise,  CH-Mels               3:45.59,0

577 Finisher 

12
 
 

Informationen: LGT Alpin Marathon Liechtenstein
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