Mit dem Tunnel Nr. 28 sind 34 Kilometer gelaufen und der letzte Durchgang ist erreicht, wenn ich mich nicht verzählt habe. Jedenfalls haben wir den starken Regen dank der Tunnels im wahrsten Sinne des Wortes gut überbrückt, denn es nieselt nur noch leicht. Immerhin kommt nun kein Nass mehr vom Himmel und 36 Kilometer des Seerundlaufes liegen hinter uns.
Auf der anderen Seeseite, aber auf gleicher Höhe, befindet sich Limone. Nebel liegt über den Zitronen. „Stand up paddling very trendy new sport!“ Surfschulen bieten an Plakaten ihre Dienste an. Eine grüne Wiese am See, jedoch zum Sonnenbaden ungeeignet, denn hier landen die Paraglider nachdem sie sich von den steilen Felswänden des 2200 Meter hohen Monte Baldo in die Lüfte gestürzt haben. Es folgt Kilometer 38 und ein Kieselstrand. Im Lago liegt ein Katamaran vor Anker, vor uns die mächtige Skaligerburg von Malcesine.
Der„botanischen Garten Europas“ ist bei Kilometer 40 erreicht und damit auch fast das Ziel auf dem Marktplatz von Malcesine. Die Carabinieri sind friedlich gestimmt und Kay trifft beim Fotografieren nicht das gleich Schicksal wie 1786 Goethe. Begeistert wie er war, also Goethe, zeichnete der die Skaligerburg und wurde wegen Spionageverdachts kurzzeitig festgenommen.
Sozusagen als Wiedergutmachung hat man ihm heute eine Büste und eine Gedenktafel, die am Hotel San Marco in unmittelbarer Nähe zum Hafen angebracht ist, gewidmet. Der letzte Kilometer liegt vor uns. Bei schwülen 18 Grad bleibt einem fast die Luft weg. Von der Gardesana laufen wir nun nur noch um die Barockkirche Santo Stefano. Und wo gestern noch Markttag war, trägt uns heute Applaus über den roten Teppich am Fuße des Monte Baldo. Das Ziel des Lago di Garda Marathon ist erreicht. "Per niente non si fa niente."„Für nichts tut man nichts." Bambinis freuen sich auf ihren Papa und die Mamas über den Einkauf in Verona und wir über die Medaille im Ziel. Vergessen sind die letzten Stunden. Die letzte Mühe ist verschwunden hinter dem letzten Tunnel.
Viele stapfen zur nahegelegenen Schulturnhalle zu den wenigen (wie ich hörte, aber warmen) Duschen. Manch einer humpelt vielleicht zurück hinter die Gardinen seines mächtigen Wohnmobils und schaut deutsches TV, ein anderer kehrt zurück in sein Hotel oder nutzt die ruhige Stunde und sucht auf dem Pad seinen Namen in der Ergebnisliste. Man sitzt in den Restaurants oder Cafés beisammen, isst Pizza oder Gelati.
Nur ein paar hundert Meter vom Ziel entfernt ist der Fähranleger. Laut erdröhnt das Schiffshorn zur Abfahrt. Es ist leider die Fähre nach Riva. Warten, endloses Warten. Endlich, die Fähre nach Limone. Der bedächtige Kapitän legt am Pier an. Immer mehr Athleten treffen ein und auf dem eben noch ruhigen Anlegeplatz für Schiffe macht sich von einer Minute auf die andere Betriebsamkeit breit. Läufer aus aller Herren Länder, die gelben Kleiderbeutel geschultert, gruppieren sich nach und nach wie an der Startaufstellung. Als wäre der Startschuss gefallen, kommt Bewegung in die wartende Meute und die Läufermengen nehmen Kurs auf die Fähre - jetzt bloß nicht ausbooten lassen.
Puh, wir haben zwei der letzten Sitzplätze erwischt und schon wieder passt der Spruch: "La costanza sempre avanza.“ Mit Ausdauer kommt man immer vorwärts. Der Kapitän schwenkt den Bug seewärts. Untermalt von dem Geplätscher der Wellen, nutzen wir die ca. 40-minütige Überfahrt und lassen unsere Eindrücke der vergangenen Stunden Revue passieren, bevor wir uns auf den über 700 Kilometer langen Heimweg machen. Thomas konnte den Marathon leider nicht gewinnen, ihm fehlte ein Tempomacher. Vielleicht hat ja jemand Lust, im nächsten Jahr? Einzige Bedingung: eine Zielzeit unter 2:40 Stunden!