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Laufberichte

Wo Italien am schönsten ist

28.09.08

„Einen Marathon am Gardasee? Da musst du unbedingt hin!“ So oder so ähnlich äußern sich alle unsere Freunde und Bekannte, denen wir vor ein paar Wochen von der Idee erzählt haben, Anfang Herbst in Italien noch etwas Sonne zu tanken und unseren Saison-Abschluss-Marathon für dieses Jahr zu laufen. Also melden wir uns zum 2. Gardasee-Marathon an und fahren am Freitag vor dem Lauf mit dem Auto in Richtung Süden. Sieben Stunden dauert die Fahrt von Karlsruhe über den Fernpass und die Brennerautobahn bis nach Limone sul Garda, wo sonntags der Start des Marathons stattfinden wird.

Limone, Expo, Pasta-Party

Noch am Freitagabend schlendern wir durch das malerische Örtchen, das sich hier im Lombardischen Teil des Gardasees zwischen die steil aufsteigenden Felswände und das Westufer des Gardasees gezwängt hat, und besuchen die Marathon-Expo auf der Uferpromenade, um unsere Startunterlagen abzuholen. Neben der Startnummer mit integriertem Chip und einigen Kleinigkeiten erhalten wir ein Funktionsshirt, ein paar Laufsocken mit „Lake Garda Marathon“-Aufdruck, einen Gutschein für die am Samstag stattfindende Pasta Party und ein rosafarbenes Armband, das von Freitagnachmittag bis Sonntag Abend zur kostenlosen Nutzung der Fähren und zum Besuch einiger Sehenswürdigkeiten berechtigt. Die Leihgebühr für den Chip beträgt zehn Euro, die man im Ziel in Malcesine wieder zurück bekommt.

Obwohl der Start erst auf 9.30 Uhr terminiert ist, müssen am Sonntag alle recht früh aufstehen: die Teilnehmer, die sich in Riva oder Malcesine einquartiert haben, weil sie die Fähre um 7.00 Uhr erwischen müssen, um rechtzeitig zum Start nach Limone zu kommen; die Läuferinnen und Läufer, die in Limone und damit in unmittelbarer Nähe zum Start wohnen, weil man bis spätestens 8.00 Uhr seinen Kleiderbeutel an der Uferpromenade abgeben muss. Also quälen wir uns um 7.00 Uhr aus dem Bett, bringen unsere Utensilien zu den Transportern und gehen wieder zurück ins Hotel, um zu frühstücken.

Start Limone, Riva

Gegen 9.15 Uhr erreichen wir den Startbereich, der auf der Seeuferstraße direkt unter dem Rathaus eingerichtet wurde. Die Sonne versteckt sich noch hinter den Wolken, aber ich bin mir sicher, dass sie uns heute sicher noch mächtig einheizen wird. Die Stimmung ist super. Aus den Lautsprechern motivieren uns Kracher wie „We will rock you“ oder „Eye of the tiger“, bis der Bürgermeister von Limone pünktlich um 9.30 Uhr den Startschuss abgibt.

Laut Sprecher setzen sich knapp 2.000 Läuferinnen und Läufer aus ganz Europa in Bewegung, die meisten selbstverständlich aus Italien. Im Ziel werden später aber nur 1.430 Finisher gezählt. Unmengen begeisterter Zuschauer säumen die Staatsstraße Gardesana Occidantale, die heute bis 16 Uhr komplett für den Autoverkehr gesperrt ist, und jubeln uns zu. Ihr Jubel bricht erst ab, als wir nach ca. 300 Metern den ersten Tunnel erreichen und Limone verlassen. Aber auch ohne Zuschauer sind die nächsten zehn Kilometer entlang des Gardasee-Westufers nach Riva del Garda alles andere als langweilig. Die Strecke bietet bleibende Eindrücke auf einen malerisch schönen See, steile, bizarre Felsen und schlanke, hoch aufragende Zypressen. Auch die vielen Tunnels und Galerien sind eine willkommene landschaftliche Abwechslung und bieten Schutz vor der Sonne, die jetzt langsam hinter den Wolken hervorkriecht und surreale Lichtspiele auf dem See und dem gegenüberliegenden Ufer veranstaltet.

Ab Kilometer 7 unterhalte ich mich auf Englisch mit einem 30-jährigen Italiener, der heute seinen zweiten Marathon läuft, bis wir nach Riva und den Piazza 3 Novembre kommen. Aus den Straßencafés und von den Zuschauern, die an der Strecke stehen, erschallen nun wieder die schon aus Limone bekannten „Brave“ und „Bravi“-Rufe mit zwar mit einem Enthusiasmus, den ich von anderen Läufen bisher kaum gewohnt bin. Jeder einzelne Läufer wird angefeuert und nach weiter nach vorne getrieben, vorbei am Apponale Turm und der Stadtburg, die komplett vom Wasser umgeben ist. Hier spricht mich Renzo aus Italien an, der mich, wie ich erst später auf meinen Fotos sehe, schon die gesamte Strecke mehr oder weniger begleitet, und bietet sich an, ein paar Fotos von mir zu knipsen, die aber so unscharf werden, dass sie nicht zu gebrauchen sind. Leider kann ich mich nicht mit ihm unterhalten, weil er nur italienisch spricht.

Riva, Arco

Weiter geht’s entlang des Nordufers durch schöne Parkanlagen und vorbei an Spielplätzen, der Surfstation und dem Jachthafen, bis wir ca. bei Kilometer 12 wieder auf die Verkehrsstraße kommen und nach Norden ins Landesinnere in Richtung Arco abbiegen. Wir laufen durch weitläufige Weinplantagen und haben den Burgfelsen mit der mittelalterlichen Burg von Arco, die hoch über dem ca. 6 Kilometer von Riva entfernten Ort liegt, fast immer im Blickfeld. Unterwegs komme ich mit vielen deutschen Läufern ins Gespräch, was wohl daran liegt, dass man am Aufdruck meines Vereinsshirts eindeutig erkennt, dass ich aus Karlsruhe in Deutschland komme. Immer wenn ich einen Gesprächspartner verliere, weil ich zum Fotografieren anhalte, spricht mich gleich darauf der nächste an. So auch der 70-jährige Ingo, der heute seinen 70. Marathon in 3:47 läuft.

Arco, Torbole

Auf dem Domplatz von Arco erwarten uns wieder jubelnde Zuschauer und eine von mehreren Rockbands, die uns auf der Strecke einheizen. Wir passieren den Palazzo Marchetti und kurz darauf die Messstation für die Halbmarathonzeit und machen uns entlang des Flüsschens Sarca auf den Weg zurück Richtung See. Unterwegs kommen wir an einigen Industrieanlagen vorbei, die mich aber überhaupt nicht stören, und laufen dann recht lange auf einem mit Oleanderbüschen gesäumten Weg. Hier treffe ich Helmut aus Nürnberg, mit dem ich schon öfter per E-Mail in Kontakt war, den ich aber noch nie persönlich getroffen habe. Wir laufen ein Stück zusammen, bis wir nach Torbole, dem Surfmekka des Gardasees, kommen, und ich ihn ziehen lassen muss, weil er mir zu schnell läuft.

Torbole,  Malcesine

Jetzt kommen wir auf die Gardesane Orientale, die uns am See entlang bis nach Malcesine führt. Die Sonne knallt inzwischen recht stark auf uns herunter und die Temperatur ist inzwischen, wie ich später auf einer Wetterstation erkenne, auf 30 Grad gestiegen. Wer auf der linken Straßenseite läuft, kann ab und zu etwas Schatten erhaschen. Aber die Hitze kommt mir gar nicht so schlimm vor, was wohl an meinem heute langsamen Tempo und dem leichten Wind liegt, der hier in der Nähe des Sees weht.

An der nächsten Verpflegungsstation greife ich mir eine halbe Banane und eine Flasche Wasser. Ich liebe es, wenn das Wasser in Plastikflaschen verteilt wird. Man muss nicht hastig das meist zu kalte Wasser aus einem Becher in sich reinschütten, sondern kann es leicht mit sich führen und es sich bis zur nächsten Getränkestation einteilen. Während ich laufe und trinke, blicke ich ständig auf den See und beobachte die vielen Segelboote, Wind- und Kite-Surfer. Bei Kilometer 31 passieren wir Tempesta, dann Navene und bei Kilometer 37 Campagnola. Die Strecke ist immer leicht ansteigend oder abfallend, aber insgesamt zeigt die Polaruhr meiner Frau später nur 80 Höhenmeter an. 

Etwa zwei Kilometer vor dem Ziel erblicken wir das Skaligerkastell von Malcesine. Wir laufen durch den Ort und gerade als ich an der Kirche Santo Stefano vorbeikomme, höre ich: „Hello, my friend“. Es ist der Italiener, mit dem ich mich vor Riva unterhalten hatte. Er hat im Gegensatz zu mir sein Tempo gehalten und geht schon frisch geduscht zum Hotel zurück, während ich noch einen Kilometer vor mir habe. Die Italiener sind eben einfach ein nettes Volk, denke ich, und werde kurz darauf erneut darin bestätigt, weil mich vor dem Ziel wieder viele Zuschauer anfeuern und sich ein Helfer anbietet, mich beim Zieleinlauf mit meiner Digitalkamera zu fotografieren.

Wir bekommen unsere Medaillen und gehen auf den Rathausplatz, wo Verpflegungs- und auch einige Verkaufsstände aufgebaut sind. Danach tauschen wir unseren Chip gegen die 10 Euro Kaution und fahren mit der Fähre zurück nach Limone. Morgen fahren wir mit dem Auto an den südlichen Gardasee. Mal sehen, ob es dort genau so schön ist, wie hier.

 

Informationen: LAKE GARDA 42
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