Fahrzeugabgase liegen heute keine in der Luft, eher eine andere Art der Geruchsbelästigung. Da ist die dynamisch-würzige Note, welche die Sportlichkeit und das Sex-Appeal manches Läufers unterstreichen soll. Nach Sonnenöl riecht heute niemand, der Duft kommt auch nicht von den Limonenbäumen an denen wir immer wieder vorbei laufen, vielmehr von den unterschiedlichen Duftwässerchen der Marathonis, welche sich nun Kilometer um Kilometer weiter entwickeln. Denn mit der Wärme der Körpertemperatur und der Außentemperatur steigt auch das Odeur aus Schweiß, ebenso wie nach einem sechswöchigen Abenteuertrekking. So ein „Dangerous Man“ zieht gerade an mir vorbei und hinterlässt dabei eine Spur von Muskatnuss, Bergamotte und Schweiß.
Kürzlich bekam ich den Tipp zum Neutralisieren der Nase zwischen zwei Düften. Man muss einfach kurz in die eigene Armbeuge riechen. Damit würde sich der eigene Geruchssinn wieder einstellen und man ist wieder voll empfänglich für das nächste Läuferodeur. Auch wir Frauen betören unser Umfeld gerne mit Düften, die so klangvolle Namen tragen wie: "Women Summer 2012", "Eternity Summer for Women", oder „OPIUM“. Wobei letzteres beim Sport eher nach Schweißperlen auf Schlagsahne duftet. Nun kurz in die Armbeuge gerochen und ich bin wieder voll duftaufnahmefähig für die nächsten Kilometer.
Tunnel Nr. 16 und noch 4 Kilometer bis Riva. Nr. 17, 18,19. Bei dem fast einen Kilometer langen Tunnel Nr. 20 queren wir den Gebirgsbach Ponale, der in den Gardasee fließt. Der Tunnel endet wie ein Gerippe eines Wahlfisches und wir sind mittendrin. Nur kurz erhaschen wir ein paar Sonnenstrahlen, bevor wir in die Tunnelröhre Nr. 21 laufen. Dieser Durchgang verschafft uns einen über 1041 Meter weiten Tunnelblick. Feuerlöscher, Notausgang, weißer Mittelstreifen.
Kilometer 9 ist erreicht. Es wird heller und die Strecke führt leicht bergab. Am Ausgang des Tunnels steht ein schwarzer Corsa mit Kassler Nummernschild, der Fahrer dieses Fahrzeuges diskutiert lebhaft mit den Carabinieri. Am Ortsschild Riva erfahren wir, dass die Hessische Stadt Bensheim mit Riva verschwistert ist.
Das zwischen die Felsen gequetschte, schattige Städtchen Riva ist bei Kilometer 10 erreicht. Ein Eldorado für Mountainbiker und Kletterer. Lange stand der Ort unter österreichischer Herrschaft und die Tiroler Bodenständigkeit weichte erst 1919 dem italienischen Flair. Riva ist mit über 13000 Einwohnern der zweitgrößte Ort am Lago. Hier erleben wir auch das erste Stimmungsnest seit unserem Start.
Die Laufstrecke führt mitten durch die Stadt. Wie schon immer, die Restaurants und Cafés mit den kleinen Tischen sind geblieben. Die Lokale unterscheiden sich nur durch andersfarbige Tischdecken, mal in grün, mal in lila oder klassisch italienisch in rotweiß kariert. Dazwischen immer wieder das italienische Designer-Duo Dolce&Gabbana in Form von Gürteln und Taschen.
„Leben und leben lassen." Der Duft von Zypressen oder Zitronen strömt aus einem Seifen-Laden an der Ecke zu uns auf die Straße. Eine Busladung „Discount“-Reisender schlendert verdutzt über die Laufstrecke. Sie sind auf dem Weg zur Fähre nach Malcesine oder Limone. Die zweite Getränke-Abholstation mit 0,5 Liter PET Flaschen zum Mitnehmen ist erreicht. Weiter führt uns der Weg an der palmengesäumten Uferpromenade vorbei an der Burg mit seinem Wassergraben und der schönen Parkanlage.
Bei einem Eis genießen italienische Familien mit ihren Bambini den Spaziergang rund um die Piazza 3 Novembre. Pärchen schlendern händchenhaltend an uns vorbei. Tatsächlich spürt man hier so was wie eine königlich geprägte Vergangenheit. Wir überqueren zwei, drei kleine Holzbrückchen. Von hier sind die bestimmt 50 winzigen Segelboote besonders gut zu erkennen. Die weißen Segel wehen nicht, es geht kein Wind und so sehen die kleinen Boote aus, als seien sie künstlich in den See gesetzt, wie Modellboote ohne Batterie.
Wir laufen genüsslich durch den Park, genießen die Atmosphäre und die warmen Sonnenstrahlen. Das Einzige was hier nicht in die Parkidylle passt, sind meine drückenden Einlagen in den Laufschuhen. Aber wenn interessiert das hier schon. Den Hafen der blauweißen Segelboote verlassen wir bei Kilometer 12.
Christian aus Aachen und tätig in Brüssel schließt sich uns an. Er läuft bereits zum sechsten Mal diesen Marathon und nur diesen! Am „Lido di Arco“ erfolgt die Streckenteilung, denn erstmals wird eine 30 Kilometerstrecke angeboten. So heißt es für die Läufer mit der andersfarbigen Startnummer rechts ab nach Torbole. Das Kilometerschild 17 haben wir passiert. Die Burg von Arco, die dem Grafen von Arco gehörte, liegt in Sichtweite vor uns. Sie wurde einst wegen ihrer unerreichbaren Lage streng belagert, kapitulierte später wegen Hungers.
Hier beginnt unser Sightseeing Programm des Hinterlandes. Immer mehr Olivenhaine tauchen auf, das Olivenöl "extravergine" bekommt man hier in kleinen Mengen. Und dort, wo der Valle del Sarca auf den Gardasee trifft, kann man noch den Wein aus Eigenanbau kosten. Laufend besichtigen wir den Weinanbau im milden Sarcatal. Bereits nach drei weiteren gelaufenen Kilometern erreichen wir schon die Altstadt von Arco.