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Laufberichte

Corriamo a Firenze

30.11.08

Der etwas andere Marathon -  Nette Leute, Marathon, ausgehen, essen und trinken, das macht Spaß!


Die Entscheidung für Florenz

Nachdem es mir beim Berlin-Marathon (dem 3. Marathon in diesem Jahr) so gut gegangen ist, hatte ich – noch leicht im Rausch der Endorphine – auf der Heimfahrt im ICE die glorreiche Idee, gleich noch mal einen draufzusetzen und den nächsten Marathon auf meiner „Wunschliste“ abzuhaken. Der Florenz-Marathon ist traditionsgemäß immer am letzten Novembersonntag, also ausreichend Zeit, endlich mal wieder in die geliebte Toskana zu kommen und auch ausreichend Zeit zur Regeneration und zum Trainingsaufbau. Mit ca. 8.000 Läufern ist Florenz der zweitgrößte Marathon in Italien. Und viele berichten von Florenz als der schönsten Strecke der Welt. Als ich Otto von meinem gewagten Plan erzählte, war er gleich Feuer und Flamme und wir haben sofort gebucht.
Die Anreise - Wo sind die Laufschuhe?

Kurz nach 3:30 Uhr in der Früh machten wir uns auf den Weg nach München, um den Flieger um 6.45 Uhr zu bekommen. So hatten wir den Vorteil, total entspannt und neugierig schon um 8.20 Uhr in Florenz zu sein. Auf meine Frage, ob Otto auch sicherheitshalber wie sonst seine Laufschuhe im Handgepäck habe, ist ihm eingefallen, dass diese immer noch zu Hause stehen und er sich dann halt auf der Laufmesse neue besorgen müsse. Der Transfer vom Flughafen zum Hotel (in die Altstadt von Florenz) klappte hervorragend, nachdem der Airport nur ca. 5 KM vom Zentrum entfernt ist. In Florenz wurden wir dann schon von Regen empfangen, allerdings hatte es angenehme 12 Grad.

Florenz im Regen – Wo ist David?

Auf jeden Fall sind wir gleich mal auf die Messe gegangen. Vor der Bushaltestelle gleich beim Hotel hat uns ein reizender Italiener in die richtige Buslinie 10 gelotst und ist dann gleich mitgefahren; auf der Strecke zur Messe haben wir uns mit ihm über alle möglichen Marathons unterhalten – zuletzt von seinem NYC-Marathon vor vier Wochen. Da kam uns das Regenwetter draußen gar nicht mehr so schlimm vor – die „italienische Mentalität“ der Gelassenheit sprang auf uns über. Egal, wir hatten einen Schirm und schöne Tage vor uns.

Auf der Messe wurden die letzten Messestände noch aufgebaut, wir waren ja auch früh dran. Gleich auf dem ersten Laufschuhstand konnte Otto Wettkampfschuhe erwerben; zum Glück war „seine“ Marke in der richtigen Größe da. Dann ging es zu den Startunterlagen; alles war super freundlich (italienisch halt) und übersichtlich. Im Starterpaket waren ein grell-oranges Langarmshirt und eine schöne knallblaue Asics-Windjacke enthalten, da kann man nicht meckern. Die Messe-Angebote sind wirklich gut und preiswert – besser als bei vielen anderen Veranstaltungen. Am Pastastand konnten wir dann (als erste Gäste) gleich um 4,50 € unseren Hunger bei leckerer Pasta stillen; das war auch nötig, wir waren ja schon so lange auf den Beinen. Alternativ gab es auch noch Risotto.

Als wir vor der Messehalle vom nächsten Wolkenbruch überrascht wurden, tauchte unser persönlicher Italiener auch wieder auf und zeigte uns gleich wieder die richtige Haltestelle und den Weg. Unsere Regenschirme hatten wirklich Hochsaison, und das in Bella Italia! Dann ging es nach kurzem Wechsel in trockene Klamotten gleich wieder weiter; wir wollten unbedingt Florenz anschauen.

Natürlich wollte ich endlich „meinen“ David am Piazza di Signoria beäugen und einen ersten echten Cappuccino trinken. Wir verpackten uns regendicht und besuchten gleich mal den wundervollen, beeindruckenden Dom; anschließend ging es gleich weiter zum Zieleinlauf am Piazza San Croce – einfach traumhaft. Als wir dann allerdings zum Piazza di Signoria kamen, suchte ich meinen David vergebens; eigentlich sollte der doch hier sein neben dem Neptunbrunnen und mich am Sonntag bei KM 39 erwarten? Skandal, er war vermutlich wegen des Regenwetters verschwunden, eigenartig, immerhin ist er über 4 m hoch und sollte nicht so leicht zu übersehen sein. Da entdeckte ich ihn endlich unter einem Baugerüst und mit Planen verhangen. So eine Gemeinheit! Weiter ging es dann zu wunderschönen Plätzen, Straßen und Gässchen, die trotz des Regenwetters ausnahmslos von fröhlichen Menschen bevölkert waren.

Florenz im Regen – der Marathontag!

Nach einer ruhig durchgeschlafenen Nacht trafen wir uns am Marathontag im Frühstücksraum und genossen unsere Henkermahlzeit, alles richtig gemütlich und entspannt und noch im Trockenen. Nachdem der Bus direkt vor unserer Nase zum Garderobenpunkt an den Lungarno della Zecca Vecchia startete, verzichteten wir auf ein Taxi oder einen Fußmarsch von ca. 1500 m und gönnten uns hautengen Kontakt mit Läufern aus aller Welt – echtes pralles Leben halt. Unvorstellbar, wie viele Menschen in einen Bus gehen – bei „Wetten dass?“ wäre das ein neuer Rekord gewesen.

Beim Ausstieg oben auf dem herrlichen Piazzale Michelangiolo bekam ich ein bisschen Gänsehaut, als ich die David-Kopie stehen sah. Inzwischen ist der Regen vom Dauerregen zum Platzregen übergegangen; das war auch der Grund, warum ich leider meinen Fotoapparat nicht mitgenommen hatte. Der Veranstalter weiß auf jeden Fall schon, warum im Startpaket eine putzige rosa Regenhaut mit eingepackt wird. Das sah einfach witzig aus: tausende Läufer aus allen Nationen – jeder gleich dusslig in rosa, nur unterschiedlich groß.

Aber auch hier fast alle wieder sehr locker und lustig drauf, so dass ich gar nicht auf den Gedanken „Was mache ich hier eigentlich?“ kam; ich hatte einfach nur Riesenspaß. Und den traumhaften Blick über Florenz gab es hier auch noch gratis dazu. Ich bekam eine kleine Vorstellung von der Strecke. Auch Otto stellte sich in seiner Reihe auf. Wir standen hier noch bis zum Startschuss wie unter einer Gießkanne.

Nach dem Startschuss setzte sich dann alles langsam in Bewegung, die Nettozeit wird ja erst ab der Matte gemessen. Nach einer ganz kurzen leichten Bergaufstrecke fiel es dann immer bergab, sehr angenehm beim Einlaufen. Otto und hatten nämlich wieder auf ein Warmlaufen verzichtet, ein Marathon ist unserer Meinung nach schließlich lang genug. Nachdem mir die 4.30-Pacer ein bisschen zu schnell unterwegs waren, bin ich gleich auf mein eigenes Tempo gegangen und konnte mir meine Zeit frei und ohne Stress einteilen. Ich legte natürlich gleich ein paar Kilometerchen ein, die ich ein bisschen schneller lief, aus purem Spaß.

Die Kilometer gingen ganz schnell vorbei, es war unterhaltsam, hier zu laufen, zum einen die schönen alten Häuser, die historischen Torbögen und die kleinen Läden, es gab immer genug Abwechslung. Natürlich waren auch Zuschauer an der Strecke, die uns sehr freundlich und herzlich anfeuerten. Auch an den Engstellen und der ersten Verpflegung gab es kein Gerangel, alles locker und entspannt. Bei KM 11 gings am Palazzo Pitti vorbei und wir konnten die herrliche Fassade des Palazzos bewundern. Danach gings zum ersten Mal Richtung Ponte Vecchio und hier war schon mal ordentlich was los, bevor es nach einer Rechtskurve am Arno entlang zwei Brücken weiter ging. Hier traf ich Herbert Steffny, den bekannten Marathonexperten mit den besten Trainingsplänen zum ersten Mal mit dem Fotoapparat an der Strecke. Darüber habe ich mich sehr gefreut, denn das ist ja schon mein neunter Marathon, den ich nach seinen Plänen finishen werde. Bei der Ponte Niccolo überquerten wir den Arno.

Kurz danach kam schon KM 15 und somit die Verpflegungsstelle. Ab hier nahm ich alle 5 KM als Getränk ISO und – zu meiner Freude – einen halben Schokokeks. Weiter gings Kilometer für Kilometer bis zum Stadion, hier war auch der Halbmarathonpunkt und ab jetzt gings „heim“ zum Ziel.

Ich freute mich schon, dass es zum ersten Mal Richtung Dom ging – teilweise durch schmale Nebenstraßen, aber immer abwechslungsreich. Total schön fand ich, als überraschend Christine ausgerechnet am Dom bei KM 28 stand und mich anfeuerte, für eine kleine glückliche Umarmung war auch noch Zeit. Kurz nach der Kurve stand auch noch Toni als „Aufpeitscher“ an der Strecke. Herrlich, jetzt musste nur noch irgendwann wieder Herbert Steffny auftauchen.

In diesem Streckenabschnitt waren ausgesprochen viele Zuschauer, die auch die langsameren Läufer in meiner Leistungsgruppe begeistert und fröhlich anfeuerten. Und da ist man so gut drauf, dass man auch immer wieder ein Schwätzchen mit den Läuferinnen und Läufern in seiner Nähe machen kann. Ganz begeistert schwärmte ich zusammen mit einer Australierin, als wir durch das große Tor auf die Via Strozzi kamen, wie herrlich es doch hier sei und wir strahlten um die Wette. Auch das ist Marathon!

Bei KM 30 ging es dann ab ins Grüne in den Parco delle Cascine. Hier war ich gleich an meinen Siebentischwald von Augsburg erinnert, einfach angenehm, gerade bei diesem KM-Abschnitt ein bisschen abseits und mit sich selbst zu laufen. Zum Glück habe ich auch nirgends den Mann mit dem Hammer getroffen. Und hier sah auch niemand, als ich zwischendurch mal eine kleine Gehpause von ca. 10 m machte; danach lief es immer besser und ich konnte immer mehr Läufer ein- und überholen.

Ab KM 34 ging es dann in eine Kurve zurück zum Arno; da wusste ich, dass ich bis zur Ponte Vecchio noch am Arno entlang und dann in die herrliche Altstadt laufen werde. Hier tauchte auf einmal auch wieder Herbert Steffny auf, der mir versprach, auch im Ziel zu stehen. Wenn das kein Anreiz war! Jetzt nahm ich wieder Kontakt zu einer Kubanerin auf, die schon seit einigen Kilometern immer bei mir in der Nähe war. Zusammen liefen wir ein langes Stück und zählten zusammen die Kilometer runter, bis ich auf einmal zu meinem Riesenschreck die 5-Stunden-Gruppe in einigem Abstand mit großem Getöse hörte. Ojeh, die durften mich auf keinen Fall einholen und ich begann, ein bisschen schneller zu laufen. Jetzt hatte ich immerhin ein fixes Ziel und ich lief davon.

Zum absoluten Abheben war es ab der Ponte Vecchio, hier wusste ich, dass gleich rechts die wunderschöne Piazza di Signoria auftauchen sollte – wenn auch ohne meinem David! Egal, auch der Neptunbrunnen alleine war herrlich und ich war immerhin schon 39 KM unterwegs. Dann ging es weiter wieder zum Dom – das Kribbeln unter meiner Kopfhaut begann, so schön war das alles und dass ich hier laufen konnte.

Das historische unebene Pflaster spürte ich gar nicht mehr unter den Füßen, ich schwebte wie auf Wolken, zumindest fühlte ich mich so. Noch kurz bei KM 40 ein kleines Kekschen und ein Schluck Iso, damit es mir auf den letzten KM weiterhin so gut ging. Ein Blick auf die Uhr – das passt und mein ganz persönliches Ziel „Unter 5“ wird klappen, sogar ganz locker.

Natürlich kamen mir auf den letzten Kilometern viele schnellere Läufer entgegen, bereits mir Medaille und umgezogen, aber wir alle strahlten um die Wette: sie, weil sie fertig waren und ich, weil ich den schönsten Teil (die letzten Kilometer) gerade unter den Füßen hatte. Als ich dann am Lungarno delle Zecca Vecchia an den Garderobenwagen vorbei kam, habe ich innerlich ganz leise triumphiert; Meter für Meter nur noch Genuss!

Um die Kurve rum und auf den traumhaften Piazza San Croce – mit der Kirche im Rücken dann in den Zieleinlauf rein – ein Traum! Auch hier war viel Publikum, das begeistert jubelte und im Ziel stand dann auch tatsächlich Herbert Steffny. Die ganz besonders schöne Medaille wurde uns gleich nach dem Zieleinlauf umgehängt. Ich habe mir dann noch ein bisschen Zeit genommen, um meine Endorphine und mein kleines Tränchen im Auge genießen zu können, bevor ich total glücklich runter zur Chiprückgabe, Verpflegung und Garderobenservice ging.

Danach waren wir in einer kleinen Kneipe verabredet und freuten uns, dass es bei uns allen so gut und so rund gelaufen war – trotz unserer zwei Tage Sightseeing. Und Otto hatte trotz funkelnagelneuer Laufschuhe keine Blasen! Abends wurde dann ordentlich in „unserer“ Trattoria mit Brunello und leckerem Essen gefeiert – wenn auch mit patschnassen Hosen wegen eines erneuten Wolkenbruchs. Auch das ist Marathon!

Florenz im Regen – Fazit

Am Montag machten wir dann noch mal einen ausgiebigen Rundgang durch Florenz, alle unsere „Ruhmesorte“ sind wir zum Abschied noch mal abgelaufen und in der Markthalle hatten wir dann aber ordentlich zugeschlagen: Pecorino, Salami, Gewürze, Steinpilze etc. Ich hatte nur Bedenken, ob ich das alles im Handgepäck mitnehmen darf, nachdem mein Koffer ja schon am Platzen war. Das hat aber alles reibungslos geklappt.

Der Florenz-Marathon ist ein absolutes „Must Have“ für LäuferInnen, die auch mal genießen können und wollen. Der Rundkurs ist sehr schön und abwechslungsreich, nachdem man immer wieder an weltbekannten Sehenswürdigkeiten vorbeiläuft. Die Organisation, Logistik und Startpaket habe ich auch sehr gut empfunden. Und alles in dieser herrlichen Weltkulturstadt, ob mit oder ohne Schirm, unter lauter freundlichen und fröhlichen Menschen.

Allerdings: für Florenz war die Zeit einfach zu kurz. Trotzdem suchten und fanden wir die italienische Lebensart „Ars Vivendi“ in den Restaurants und in unserem Lieblingscafé und ganz besonders beim Laufen.

Auch das ist Marathon!

 

 

Informationen: Firenze Marathon
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