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Laufberichte

Corriamo a Firenze, oder: Florenz zu Fuß

25.11.07

Ob Ngeny Paul Kipkemboi genauso viel Spaß hatte wie die anderen über 6000 Teilnehmer des Florenz-Marathon? Der Mann hat immerhin Florenz gewonnen in standesgemäßen 2 Stunden 12 Minuten. Müde 102 Minuten später kam ich dann auf der Piazza St. Croce an. Nein, keinerlei Neid mischt sich da mit hinein. Vielleicht aber etwas die Sorge, dass sich Ngeny Paul Kipkemboi möglicherweise nicht die Zeit nehmen konnte, all die schönen Dinge entlang der 42,195 Kilometer quer durch Florenz wahrzunehmen. Oder etwa doch? Der Rausch der Geschwindigkeit blieb mir jedenfalls erspart, dafür umso weniger der Genuss einer der schönsten Stadt-Marathon-Strecken in Europa.

 

Dem Leser dieser Zeilen dürfte klar sein: jetzt folgt wieder eine dieser klassischen Lobhudeleien. 16 Grad mildes Wetter, leckere Pasta, viel Piazza, dort noch ein wenig Ponte, hier noch eine Pizza, insgesamt alles prima. Stimmt! So war es auch. Aber der Reihe nach.

 

Alles beginnt in Florenz auf der Piazzale Michelangiolo. Wer will, läuft von der Klamottenabgabe direkt am Arno auf die andere Flussseite den kleinen Hügel hinauf - ein knapper Kilometer - oder man lässt sich einfach per Shuttlebus zum Start hinaufkarren. Viele tun dies, deshalb ist das Gedränge in den Bussen vorprogrammiert.

 

Oben angekommen genießen die Läuferinnen und Läufer den Panoramablick auf die Hauptstadt der Toskana. Ein leichter Dunstschleier liegt über der Stadt, nur hier und da blinzelt die Sonne hindurch. Partenza, also der Start, war eigentlich für 9 Uhr angekündigt, aber irgendwie nehmen es die Florentiner nicht so genau mit der Uhrzeit. Es dauert bis kurz vor halb10, erst dann rollt das bunte Läuferfeld völlig entspannt von der Anhöhe hinab über die Viale Galilei zum Piazzale di Porta Romana. Der Abwärtsgang ist genau der passende Auftakt für die noch müden Muskeln, Sehnen und Gelenke - Motto: bloß keine Hektik, schließlich soll dies ein Marathon der Muße, der Ruhe und Kultur sein.

 

Dichter wie Dante Alighieri oder Machiavelli wurden in Florenz geboren, ebenso berühmte Maler wie Michaelangelo. Und auch die gingen beileibe nicht mit Schnelligkeit zu Werke. Ganz im Gegensatz zur Marathon-Elite. Während meine Füße Km 10 und damit die Via dei Serragli ansteuern, sind die Kenianer und Top-Italiener bereits im Dunstkreis des Stadio Comunale, der Halbmarathon-Marke und Heimat des Fußballclubs AC Fiorentina.

 

Angenehm ist der stete Wechsel unterwegs. Verpflegung, dann wieder Schwamm drüber, Verpflegung, nasser Schwamm, und immer so weiter. Alle zweieinhalb Kilometer geht das so. Da fühle ich mich als läuferischer Durchschnitt gut aufgehoben und umsorgt. Und immer wieder lohnt sich ein neugieriger Blick auf das, was zwischen Ristoro (Mampfstation) und Spugnaggio (Schwammstation) so passiert. Über die Piazza Pitti geht es wieder zurück an das Ufer des Arno, wo gegenüber bereits die Reize der Altstadt locken. Nur locken, denn zunächst überquert man den Fluss, um dann nach einer scharfen Rechtskehre Richtung Via Turati etwas stadtauswärts zu laufen.

 

Da fällt mir spontan Mailand ein. Auch schön, aber dort geht es in die trostlosen Randbezirke der Millionenmetropole. Vorbei an Hinterhofwerkstätten und Reifenhändlern. Marathon Florentiner Art geht anders: es geht auch raus, aber immer gibt es Häuser und Menschen zu sehen, mal staunend, mal beklatschend. "Vai" und "Bravi" sind Zurufe, die nicht nur die Spitzenläufer ganz vorne empfangen, auch wir, das Laufvolk, werden angefeuert. Das macht Spaß und bringt Florenz jede Menge Bonuspunkte.

 

Mit der Via Turati ist der östlichste Punkt des Kurses erreicht und in einem kleinen Bogen geht es über die Piazza Alberti, wo sich die Strecke kreuzt, über die Ponte al Pino zum bereits erwähnten Stadio Comunale. Eine Betonschüssel, mehr nicht, die ein Mal umlaufen wird. Kurz danach sind schon 25 Kilometer zurück gelegt, der nächste Ristoro mit Isogetränken, kleinen Kuchen, Bananen, sowie den bekannten Super-Gel-Energie-Mega-Power-Tütchen eines Sponsors finden dankbare Abnehmer. Zwischendrin mischt sich auch noch ein privater Verpflegungsstand. Seine Spezialität: Mortadella, die Wurst, die eigentlich aus Bologna stammt, aber überall in Italien produziert wird. Auch hier in Florenz.

 

Was dem Magen sein Ristoro, ist für das Auge - sofern man ein solches für Kulturstädte hat - der nächste Abschnitt bis etwa Km 30. Die Straßen werden nun enger, verwandeln sich immer mehr zu Gassen. Auch die Häuser entlang der Route werden prunkvoller und historischer. Aus dem anfangs geteerten Untergrund wird ein Pfad aus großen Steinquadern, der schließlich seinen Höhepunkt - zumindest für mich, der Startnummer 3935 - am Piazza Duomo erreicht. Plötzlich steht er fast vor einem, der imposante Dom, seine Fassade, sein Turm. Was man dabei fühlt? Keine Ahnung, in jedem Fall aber ganz viel Gänsehaut. Es folgt ein Wechselbad der Eindrücke.

 

So knapp hinter der 30-Kilometer-Marke, an der Piazza Vittorio Veneto, kann sich das eben noch geforderte Auge nun den Grün- und Grautönen des Parco delle Cascine hingeben. Manche Läufer, so erfahre ich hinterher, nervt diese Eintönigkeit des Parks, sie demoralisiert. Andere wieder geraten ins Meditieren, ins Gedanken sortieren. Denn nach den vielen Ecken und Kurven in der Altstadt von Florenz sind diese schnurgeraden Parkwege durchaus eine Abwechslung. Man kann Abschalten. Auch noch bei Kilometer 35, an dem es nun wieder den Arno entlang zurück zur Altstadt geht.

 

Doch spätestens dann zieht der Florentiner Marathon nochmal alle Register: erst läuft man auf die Ponte Vecchio zu, eines der Wahrzeichen dieser Stadt. Dann geht´s links Richtung Dom, der seinen schweren Schatten auf die Läufer wirft. Das ist zweitausend Meter vor dem Ziel. Wer jetzt noch kann, genießt jeden Schritt, auch wenn´s weh tut. Nochmal wird der Arno zum Wegbegleiter, dann vorbei an der Nationalbibliothek, zweihundert Meter vor dem Zielbogen auf der Piazza Santa Croce. Kurz verschnaufen, den Schweiss wegwischen, den Augenblick im Vollbad der Endorphine genießen. Ich war in Florenz!! Und Ngeny Paul Kipkemboi? Der hat gewonnen. Und vielleicht hatte der unterwegs  genauso viel Spaß wie ich, nur halt etwas schneller...

 

Die Erstplatzierten:

 

1 NGENY PAUL KIPKEMBOI KEN   02:12:50  
2 DI CECCO ALBERICO   ITA 02:13:52 
3 CAIMMI DANIELE   ITA 02:14:47

 

1 SICARI VINCENZA ITA  02:33:14 
2 LAGESSE ABERA HIRUT    02:42:39 
3 PÉREZ AURORA    ESP 02:52:02

 

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Informationen: Firenze Marathon
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