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Laufberichte

Einmalig, diese Bieler Nacht

14.06.08

Traditionsveranstaltungen im Laufbereich gibt es wenige, im Ultrabereich noch weniger. Spontan fällt mir nur der Comrades ein, ein Ultramarathon in Südafrika, der 1921 zum ersten Mal statt fand und dann die 100 Kilometer in Biel, die dieses Jahr mit der 50. Veranstaltung im deutschsprachigen Raum ein außergewöhnliches Jubiläum haben. Es mag die eine oder andere Veranstaltung geben, die eine noch längere Geschichte hat, außer dem Marathon in Boston aber kenne ich keine. Werner Sonntag führt einige weitere in seinem Buch „Bieler Juni-Nächte“ an, die Bedeutung der 100 Kilometer von Biel haben sie aber alle nicht.

Seit ich 2003 das erste Mal in Biel startete, hat mich dieser Lauf fasziniert. Die Herausforderungen der langen Strecke in der Nacht und das Erlebnis bei der Zielankunft waren so einzigartig, dass ich mir damals vorgenommen habe, in Biel jedes Jahr zu laufen, so lange ich das noch kann. Vergangenes Jahr habe ich ausgesetzt, um wenigstens ein Mal in Südafrika laufen zu können. Ausgerechnet diese beiden herausragenden Veranstaltungen finden am selben Wochenende statt, so dass sie sich gegenseitig ausschließen.

Begonnen hat in Biel alles 1959 mit 22 Finishern. Diese Zahlen stiegen in den folgenden Jahren recht schnell, übersprangen dann 1968 mit 1.064 die tausender Grenze, stiegen weiter bis über 3.000 Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts (1983 waren es 3.410) und sanken dann langsam aber stetig, bis sie sich ab 2000 auf etwa 1.300 bis 1.400 einpendelten. Gerüchte machten in den letzten beiden Jahren die Runde, dass mit der Jubiläumsveranstaltung in Biel Schluss sei.

Nun, so recht wollte ich das nicht glauben und hoffte, dass der Lauf weiter angeboten würde. Ich freute mich daher sehr, als ich in den letzten Monaten sah, dass die Anmeldezahlen zum Lauf über das übliche Maß hinaus ständig anstiegen. Nachdem dann am vergangenen Wochenende 2.348 Läuferinnen und Läufer den Lauf in Biel beendeten, bin ich jetzt wieder sehr zuversichtlich, dass ich auch in den nächsten Jahren in Biel laufen darf.

 

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In meinem Lauftreff beim TV Stammheim hatte ich all die Jahre von Biel geschwärmt und tatsächlich waren wir dieses Jahr zu siebt in Biel. Angelika und ich waren das fünfte Mal dabei, die anderen das erste Mal. Ich war bestens trainiert, hatte noch vor 14 Tagen beim 12-h-Lauf in Schwäbisch Gmünd 90 Kilometer erreicht und mein Marschplan sah eine Zielzeit von 13:30 Stunden vor, wobei ich ein wenig hoffte, etwas schneller zu sein. Vier Teilnahmen aber, mit ganz unterschiedlichen Zeiten, hatten mich jedoch vorsichtig gestimmt. Ich habe gelernt, dass die 100 km einfach nicht komplett geplant werden können, zu viele Faktoren spielen eine Rolle. Ich war also auf alles gefasst.

Wir reisten am Freitagnachmittag an, holten die Startunterlagen ab, kamen mit einigen Bekannten noch ins Gespräch und standen ab 21.15 Uhr im Startbereich. Das Wetter machte auch dieses Jahr mit, Regen war nicht zu erwarten, nur kühl sollte es mit etwa sechs Grad in der Nacht werden: kurze Hose, kurzärmliges Unterhemd, darüber ein ärmelloses Trägerhemd und zur Sicherheit noch ein langärmliges Hemd um die Hüfte gebunden, das musste ausreichen.

Gespräche mit vielen Bekannten verkürzten die Zeit, während sich der Startbereich über das gewohnte Maß hinaus füllte. Die Begleitfahrräder drängten sich durch die Wartenden nach vorne, Angehörige verabschiedeten sich und trotz des wuseligen Betriebs kam nie Hektik auf. In Biel wird die Zeit ab dem Startschuss genommen, es gibt keine Nettozeit, die Minuten zwischen Startschuss und Überschreiten der Startlinie werden also auf die Laufzeit angerechnet. Trotzdem drängelte niemand nach vorne, jedem war bewusst, dass diese verlorenen Minuten unbedeutend waren, verglichen mit dem was man unterwegs auf den 100 Kilometern an Zeit gewinnen oder verlieren konnte.

Der Start verlief dann wie gewohnt, gemächlich bewegte sich die Menge nach vorne und keine zwei Minuten nach dem Startschuss um 22 Uhr waren wir auf der Strecke. Wie jedes Jahr lief ich zusammen mit Angelika los, diesmal waren noch Bernd und Hannes mit dabei, die mit uns laufen wollten.


„Ein Teil der Faszination des Laufes von Biel zeigt sich für mich schon auf diesem Abschnitt. Die Straßenbeleuchtung, Reklameschilder, Schaufenster und die dicht gedrängt stehen Zuschauer am Straßenrand zaubern eine Stimmung wie auf dem Volksfest. Viele Kinder stehen bei ihren Eltern, drängen nach vorne und wollen abgeklatscht werden. Auch manche Frauen ließen sich von der Stimmung anstecken und streckten die Hand aus.“

Mit diesen Sätzen habe ich in meinem Bericht von 2006 die Stimmung auf den ersten Kilometern durch Biel beschrieben und ich freute mich richtiggehend auf diesen Anfang. Die vielen Zuschauer waren da, auch die Kinder, aber die Stimmung war nicht so, wie ich es in Erinnerung hatte. Lag es an den niedrigeren Temperaturen? Für uns Läufer war es ideal, zum Zuschauen aber eindeutig zu kühl.

Bereits nach zwei Kilometern setzte sich Bernd von uns ab; ihm war unser Tempo eindeutig zu langsam. Seine Zielzeit von knapp unter 12 Stunden gab ihm dann auch recht. Mir wiederum war es etwas zu schnell. Um unsere Zielzeit von 13:30 h zu erreichen wären 8 min/km richtig gewesen, wir aber waren beinahe eine Minute schneller. Wir waren etwas zu weit vorne gestartet und wurden jetzt von der Menge mitgezogen. Die nahezu doppelt so hohe Teilnehmerzahl machte sich eindeutig in einem viel dichteren Feld bemerkbar. Aber die Strecke verträgt das problemlos.

Auch an der ersten Wasserstelle bei Kilometer 3,5 gab es mehr Engpässe als sonst, ich konnte aber meinen Becher Wasser ergattern und weiter ging es. Noch einen knappen Kilometer liefen wir durch beleuchtete Straßen, immer noch gesäumt von vielen Zuschauern, dann kamen die Randbereiche der Stadt, wir liefen unter der Autobahn durch, kurz danach überquerten wir den Nidau-Büren Kanal und erreichten dann den Vorort Port.

Schlagartig standen wieder jede Menge Zuschauer an der Strecke, die nach den ersten gänzlich flachen sieben Kilometern ab jetzt bis Bellmund um etwa 150 m anstieg. Joggend und gehend bewältigte ich den Streckenabschnitt und lief dann flotten Schrittes hinunter bis nach Jens, wo bei km 10 die erste Verpflegungsstelle kam.

Was für ein Bild bot sich mir aber hier! Beinahe unübersehbares Gedränge! Kaum hatte ich ein paar Bilder gemacht, musste ich schon nach Angelika und Bernd schauen, die bereits wieder weiter liefen. Schnell drängte ich mich noch nach vorne an den Tisch, ergriff mühselig einen Becher Wasser, den ich hinunter stürzte und hetzte dann den Beiden nach. Puh! Hoffentlich ging das so nicht weiter!


Nach wenigen hundert Metern hatten wir das Ende von Jens erreicht und verließen gegen 23:20 Uhr, nach vielleicht 11 Kilometern, endgültig bewohntes Gebiet und „tauchten“ in die Dunkelheit hinein. Es war leicht bewölkt, ab und zu linste aber die Mondsichel zwischen den Wolken hervor. Die Strecke war sehr gut zu sehen und erfreulicher Weise schaltete kaum einer der vielen Läufer um uns herum seine Lampe ein.

Es ging jetzt einige Kilometer über fein geschotterte Feldwege ewig geradeaus, dann im rechten Winkel nach links, ein kurzes Stück wieder geradeaus, wieder nach rechts und nochmals mindestens 1.200 Meter geradeaus. Seit ein paar Minuten huschten immer wieder einzelne Läufer an uns vorbei. Das waren die Marathonis und Halbmarathonis, die eine halbe Stunde nach uns gestartet waren, in Biel sogar noch eine extra Schleife gedreht hatten und uns jetzt ein- und überholten. Sie brachten etwas mehr Bewegung in die ansonsten recht gleichförmige Läuferschlange. Ein störungsfreies Laufen war ihnen aber nicht möglich, weil sie immer wieder im Zickzack um uns herumkurven mussten.

Wir passierten Kappelen, erreichten dann bei Kilometer 17 Aarberg und liefen bald über die bekannte Holzbrücke. Im Gegensatz zu den Vorjahren standen diesmal sehr viel weniger Zuschauer auf der Brücke. Auch auf dem anschließenden Stadtplatz fehlten auf der linken Seite sämtliche Buden, die noch in den Vorjahren dort zu sehen waren. Rechts aber standen wie eh und je Mengen von Zuschauern und begleiteten uns mit Beifall.

Die Halbmarathonis, beendeten hier den Lauf und wurden nach rechts ins Ziel gelenkt, wir liefen geradeaus und verließen den Platz am Ende nach rechts weg, etwas abwärts und schon waren wir an der Verpflegungsstelle (km 17,7). Auch hier war genau dasselbe Gedränge wie in Jens. Mindestens in Viererreihen standen die Läuferinnen und Läufer vor den Tischen und versuchten etwas zu bekommen. Wieder kam ich vor lauter Fotografieren und nach meinen beiden Mitstreitern schauen kaum dazu, etwas zum Trinken zu erkämpfen. Ein Becher Wasser und einen mit Tee war meine Ausbeute und wieder hetzte ich los.

Mitternacht war bereits vorbei, wir waren immer noch etwas zu schnell und ich trank zu wenig. Zwar hatte ich eine Flasche mit dabei, die war aber leer, ich hatte geplant, sie an einem der Verpflegungsstände füllen zu lassen. Bei dem Gedränge war das aber nicht möglich und da auch meine beiden Begleiter jeweils zügig weiter liefen, war ich mit leerer Flasche unterwegs. Dank der niedrigen Temperaturen musste ich wenig schwitzen, entsprechend brauchte ich weniger zu trinken und kam noch mit dem Wenigen klar.

Es ging wieder hinaus in die Dunkelheit und nach knapp vier Kilometer über gute Wege kamen wir nach Lyss. Hier warteten die Fahrradbegleiter auf ihren Läufer, ihre Läuferin. Die Zuschauerzahl aber hielt sich auch hier in Grenzen, verglichen mit den Vorjahren. Auch das Restaurant mit den Stehtischen auf dem Gehweg suchte ich vergebens. Ganz eindeutig war es den Leuten in dieser Nacht zu kalt und sie hielten sich lieber in der warmen Stube auf.

Bereits im Ort ging es leicht hoch und auf den nächsten Kilometern bis Ammerzwil stieg es beständig leicht an. Die Straße war gut zu laufen, es war hell genug, um ohne Lampe bestens klar zu kommen und ganz langsam näherte sich unser Kilometerschnitt den geplanten 8 Minuten. Allen dreien ging es uns noch gut, wir genossen die angenehme Luft und erfreuten uns an den Geräuschen der Nacht. Nur meine Fußsohlen meldeten sich mit leichten Schmerzen und das machte mir ein wenig Sorgen.

An der Verpflegungsstelle in Ammerzwil (km 26,5) waren wir um 1.14 Uhr, neun Minuten unter der geplanten Zeit. „Gut so!“ dachte ich mir. „Es läuft besser, wie gehofft. Die 13 Stunden sind vielleicht möglich.“ Wie gehabt gab es auch hier Gedränge, ich konnte nicht genügend trinken und war zu schnell wieder auf der Strecke.

Irgendwann nehme ich ein Diktaphon mit auf die Strecke und kommentiere jeden einzelnen Streckenabschnitt, denn trotz viermaliger Teilnahme war mir nie bekannt, wie es weiter gehen würde. Auch jetzt, während ich dies schreibe, kann ich mich an den folgenden Streckenabschnitt kaum mehr erinnern. Nur schemenhaft habe ich ein paar Vorstellungen von dem Abschnitt bis nach Scheunenberg. Die grobschlächtige Karte auf der Webseite lässt auch nachträglich kaum detaillierte Recherche über den Streckenverlauf zu.

Egal, man kann mir trotz allem glauben, dass der Teil bis Scheunenberg sehr schön war. Wir liefen auf einer Straße, links häufig Wald, rechts Wiesen. Leider war auch die Natur durch die Kühle mehr gedämpft, als ich es von früher in Erinnerung hatte. Trotzdem war Hannes beeindruckt, von dem Geruch der würzigen Luft, dem Zirpen vereinzelter Grillen und dem Bimmeln der Kuhglocken, das man ab und zu hörte.

Die Verpflegungsstelle Scheunenberg bei Kilometer 31 erreichten wir nahezu zur geplanten Zeit. Wir waren also langsamer geworden. Bereits seit einigen Kilometern aber fühlte ich mich nicht mehr so gut, wie gewohnt. Meine Füße schmerzten äußerst unangenehm und die fehlende Flüssigkeit bewirkte, dass es mir immer wieder ganz leicht übel wurde. So konnte es nicht mehr weiter gehen. Obwohl auch hier noch Gedränge an den Verpflegungstischen gab, ließ ich mir Zeit, trank zum ersten Mal auch eine Bouillon und hoffte, dass ich mich bald wieder erholt hatte.

Hannes schickten wir voraus, der hatte noch so viele Reserven, dass er Tempo machen konnte bis zu seinem Wechsel in Kirchberg. Tatsächlich kam er dann dort eine halbe Stunde vor uns an und übergab an Katrin. Angelika und ich liefen ab jetzt etwas langsamer weiter, um genau zu sein, ich lief langsamer als mein Plan vorsah und Angelika erbarmte sich und machte das schlechte Spiel mit. Ich schlurfte vor mich hin und sie wartete immer wieder auf mich.


Eigentlich war die Strecke bis Oberramsern recht angenehm, bester Untergrund, Wiesen links und rechts der  Straße, Stille, Natur pur. Mich aber beeindruckte das wenig, ich machte mir Sorgen, wie ich das wohl bis Kirchberg aushalten würde. Noch waren es beinahe 25 Kilometer bis dahin und meine Füße wurden von den Einlagen in meinen Schuhen gequält. In Kirchberg konnte ich zwar andere Schuhe anziehen aber das würde noch dauern. Vermutlich würde ich es bis dahin nicht aushalten!

Ich hatte hier mein Tief erreicht. Wie auch 2006 erklärte ich mich zum Idioten, der jedes Jahr denselben Unfug machte. Warum nur musste ich unbedingt 100 km laufen, ein Marathon war doch viel angenehmer, da schneller vorbei. Dieses Jahr war ich zum fünften Mal in Biel und mit diesem winzigen Jubiläum würde ich meine Biel-Auftritte beschließen – fünf ist doch eine schöne Zahl. Auch die Teilnahme am Ultra Trail du Mont Blanc (utmb) war glatter Unfug. Wie sollte ich dort die zwei Nächte überstehen, wenn ich hier in Biel nach kümmerlichen 35 Kilometern und nur wenig mehr als vier Stunden bereits in solch jämmerlichem Zustand war. Aus, vorbei, da würde ich auch nicht teilnehmen. Und wie war das mit den geplanten Marathons in den kommenden Wochen? Alle überflüssig! 

Ich informierte Angelika über meine Entschlüsse und sie widersprach nicht. Wohlwollend hörte sie meine Worte und meinte lediglich, dass sie auch nicht mehr so gut drauf sei, aber ans Aufhören würde sie auf keinen Fall denken. Das aber war mir, trotz aller niederträchtiger Gedanken, auch ganz fern: diese hundert Kilometer würde ich unter allen Umständen bis ins Ziel laufen. Ich kämpfte mich vorwärts, wälzte meine schlechten Gedanken, teilte Angelika mit, dass sie mir hätte energisch widersprechen müssen und oh Wunder, Oberramsern (km 38,5) war erreicht. Hier endete der Marathon und wir hatten noch 61 Kilometer vor uns. Noch ein Wunder, wir lagen genau im Zeitplan!

Leider aber wurde der jetzt empfindlich gestört, denn ich musste eine Sitzung auf einem der Dixi-Häuschen machen. Anschließend zog ich mir mein langärmliges Hemd an und lief dann mit fünf Minuten Verspätung etwas flotter weiter, um Angelika einzuholen. Über den Weg war ich bisher nie im Zweifel, stets waren genügend Läufer vor mir, denen man nachlaufen konnte. Dies sollte sich auch bis zum Schluss nicht mehr ändern.

Nachdem die Marathonläufer nicht mehr auf der Strecke waren, überholten jetzt nur noch die noch frischen Staffelläuferinnen und Läufer, die ja in Oberramsern übernommen hatten. Das Feld war aber hier so ausgedünnt, dass sie wenig Mühe hatten, zu überholen. Lediglich die Fahrradbegleiter bildeten immer wieder ein Hindernis, wenn sie neben ihrem Läufer fuhren und so die Strecke eng machten.

Etwa zwei Kilometer hinter Oberramsern stieg die Strecke, die bisher in leichtem Auf und Ab stets auf derselben Höhe war, auf den vier Kilometern bis Buechhof (km 45) um etwa 200 m an. Mit 10:35 min auf den Kilometer waren wir auf diesem Abschnitt noch langsamer als zuvor.

An der dortigen Verpflegungsstelle trank ich ausgiebig, nahm auch zum ersten Mal einen Becher Cola und tatsächlich wurden wir danach wieder schneller. Bis Kirchberg ging es jetzt nur noch abwärts, hier könnte man in besserer Verfassung problemlos viel Zeit gut machen. Tatsächlich kamen auch wir dem geplanten Schnitt recht nahe.

Bis zur nächsten Verpflegungsstelle in Jegenstorf waren es nur drei Kilometer, die aber großenteils durch einen finsteren Wald führten. Die Läufer und Fahrräder um mich herum beleuchteten die Strecke recht gut, so dass ich keine Lampe vermisste. Ganz alleine ohne Licht jedoch würde man auf diesem Teil kaum etwas sehen.

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In Jegenstorf war das erste Mal richtig Platz an den Verpflegungstischen. Ich konnte ungestört zugreifen und tat das auch. Es ging mir wieder besser, die Füße schmerzten aber nach wie vor. Aber offensichtlich ging es anderen auch so, wie die vielen sitzenden Mitstreiter anzeigten.

Nur noch acht Kilometer, bzw. achtzig Minuten musste ich die Folterwerkzeuge an meinen Füßen erdulden, das würde ich schon noch aushalten. Mit dieser erfreulichen Aussicht ging es also wieder auf die Strecke. Wir hatten jetzt 4.30 Uhr und ich hatte das Gefühl, als wäre es bereits ein wenig heller geworden. Mit jeder Minute wurde das Gefühl stärker und bald konnte ich Konturen der umgebenden Landschaft erkennen. Schön, wunderbar, wenn nur meine Füße nicht wären!

Wir kamen an herrlichen, großzügigen Bauernhöfen vorbei und tatsächlich saßen auch noch um 5.13 Uhr ein paar Leute eingehüllt in Decken vor einer Wirtschaft. Kirchberg konnte man in der Ferne bereits sehen und um 5.42 Uhr, 15 Minuten später als geplant, hatten wir die Verpflegungsstelle bei km 56 dort erreicht. Schnell trank ich etwas und setzte mich dann sofort auf eine Bank. Hannes hatte meine Wechselschuhe parat und glücklich zog ich diese an. Nun ja, sofortige Linderung brachten sie nicht, aber viel Hoffnung. In gemütlicher Ruhe zog ich mir noch ein trockenes Hemd an, trank einen weiteren Becher Cola und war dann für die restlichen 44 Kilometer bereit. Ich teilte Hannes noch mit, dass wir wohl bis ins Ziel weitere Zeit verlieren würden und voraussichtlich etwa eine Stunde später als geplant in Biel ankommen würden.


Dann starteten wir auf die nächste Etappe, den knapp zehn Kilometern auf dem Emmedamm. Die ersten 1,5 Kilometer waren noch gut zu laufen, ein Wiesenweg, aber recht eben. Dann aber kam der Abschnitt, der als Ho-Chi-Minh-Pfad berüchtigt ist. Wie so vieles ist dieser Mythos natürlich übertrieben. Das sind lediglich vier Kilometer auf einem schmaleren Pfad, der allerdings gespickt ist mit knorrigen Wurzeln, spitzen Steinen und anderen Unebenheiten. Auch die Zweige der Büsche links und rechts in Augenhöhe zwingen immer wieder zur Achtung.
Hätte ich nicht bereits 58 Kilometer in den Beinen gehabt und auch nicht die elenden Schmerzen in meinen Fußsohlen, ich hätte über dieses Weglein gelächelt. So aber fluchte ich ständig, wich den niederträchtigen Hindernissen aus, hob meine Füße, um nicht zu stolpern, stolperte trotz alledem und wurde auch noch zu allem Überfluss immer wieder überholt. Auch Angelika blickte immer wieder verzweifelt zu mir zurück und war wohl gar nicht zufrieden, dass ich so lahm daher kam.

Nach etwa 5 Kilometern kam dann die Verpflegungsstelle unter der Brücke. Nach kurzem Aufenthalt liefen wir sofort weiter und waren nach knapp hundert Metern auf dem schnurgeraden, schmalen Damm. Anfänglich war da noch links eine kleine Mauer, auf der auch noch jede Menge leerer Becher abgestellt waren. Vielleicht fünfzehn Minuten liefen wir auf dem schmalen Weglein, kamen dann am Klärwerk vorbei und nach weiteren 20 Minuten hatten wir die Verpflegungsstelle am Ende des Emmedamms erreicht (km 67). Hundert Meter zuvor hatten die Fahrradbegleiter auf ihre Schützlinge gewartet. Sie waren von Kirchberg aus nach hier umgeleitet worden, denn die zehn Kilometer auf dem Damm waren für Fahrräder tabu.

Ab jetzt lief man wieder auf Straßen und wir wurden wieder etwas schneller. Auch meinte ich, dass meine Füße nicht mehr so schmerzten. Kurzum, es ging aufwärts. Wir kamen durch Gerlafingen, dann ging es wieder hinaus in die grüne Natur, bis sich, wie eigentlich jedes Jahr, am Bahnhof Lohn-Lüterkofen die Schranken vor uns senkten um einen Zug durch zu lassen. Leider aber hoben sie sich gerade als wir ankamen. Also hieß es weiterlaufen ohne Aufenthalt.


Wir passierten Lüterkofen, einen kleinen, beschaulichen Ort und waren dann auf der Straße nach Ichertswil. An der Verpflegungsstation dort (km 73,5) stärkten wir uns ausgiebig, ich ließ ein Bild von mir machen (alte Tradition) und dann machten wir uns auf die endlose, drei Kilometer lange Straße nach Bibern. Sie stieg ganz unmerklich an, links meist hohe Büsche oder Wald, rechts Wiesen und immer wieder ein Bauernhof.

Was war das? Da packte mich doch tatsächlich jemand am Arm: „Ah, Marathon4you!“ Horst Preisler war von hinten aufgelaufen und steckte noch voller Energie. Nach einigen Jahren Abstinenz wollte er dieses Jahr noch mal wissen, wie er den Lauf bewältigen konnte. Der  alte Fuchs hatte natürlich jede Menge Erfahrung, war vorsichtig angegangen und drehte jetzt erst auf. Dies war seine 27. Teilnahme und so wie er hier noch lief, sicher nicht seine letzte. Auf meine Nachfrage meinte er, dass er keine Schmerzen habe. Ganz nahm ich ihm das aber nicht ab. Wie soll das denn gehen, 75 km gelaufen und nichts tat weh? Vermutlich aber meinte er, außer den üblichen Schmerzen ginge es ihm gut. Wir unterhielten uns eine Weile und dann konnte ich ihm ein wenig davon laufen.

In Bibern (km 76,6) saß Hans Sütterlin ganz gemütlich auf einer Bank, einen Becher Kaffee in der einen Hand, ein Brötchen in der anderen. Ihm sei jetzt danach, meinte er. Einen Kaffee hätte ich auch gerne getrunken, der kostete aber, also ging ich zur offiziellen Verpflegungsstation auf der gegenüber liegenden Straßenseite und begnügte mich mit Wasser, Tee und Cola und machte mich dann an den Aufstieg. Lächerliche 500 Meter und höchstens 50 Höhenmeter – gerade fünf Minuten und wir waren oben, dicht gefolgt von Horst.

Die nächsten drei Kilometer verliefen recht angenehm auf einer autofreien Straße, leicht abwärts durch den Wald. Kurze Zeit hatte man einen schönen Blick hinunter in die Bieler Ebene, dann waren es nur noch fünf Minuten und schon lagen achtzig Kilometer hinter uns. Die Uhr zeigte 9.30 Uhr, vierzig Minuten hinter meinem Plan. Aber was kümmerte mich das, ich war froh, dass es meinen Füßen etwas besser ging. Die restlichen 20 Kilometer würden wir schon noch hinter uns bringen.

In der Nacht gegen 3 Uhr hatte ich an einem Haus eine überdimensionale digitale Temperaturanzeige gesehen: 9 Grad zeigte die an. Vielleicht war es danach noch ein oder zwei Grad kälter geworden, dann aber waren die Temperaturen wieder gestiegen und jetzt hatten wir etwa 15 Grad und es würde nicht mehr viel wärmer werden. Ich war zuversichtlich.

Arch war erreicht, die Straße machte einen Bogen nach rechts und es ging es abwärts, kurz aber steil. Unten an der Verpflegungsstation nahm ich das Übliche: Wasser, Cola, Bouillon, Cola und weiter ging es. Noch ein paar hundert Meter durch den Ort, dann hinaus, ein kurzes Stück an einer Straße entlang und nach Passieren der Kontrollstation hatten wir die Aare erreicht, der wir die nächsten acht Kilometer entlang laufen mussten. So schön immer wieder die Ausblicke auf den Fluss waren, so zäh waren diese Kilometer. Unnötiger Weise kam jetzt immer wieder die Sonne heraus und wärmte unangenehm.


Schon seit einiger Zeit gingen wir viel und joggten wenig. Allen um uns herum aber ging es ähnlich, so dass wir kaum überholten und auch kaum überholt wurden. Bei Kilometer 88 hatten wir dann die Verpflegungsstelle Büren erreicht. Nur kurz hielten wir an, um nach drei Bechern sofort weiter zu laufen. Wieder zog sich der Weg hin, bis endlich die Gärtnerei kam. Nun konnte es nicht mehr lange dauern und das ersehnte Schild „Km 90“ musste auftauchen.

Die anschließenden vier Kilometer führten zuerst über schattenlose Feldwege, dann ein Stück am Waldrand entlang, bis man dann endlich hinunter nach Pieterlen hinunter laufen konnte und dort die Verpflegungsstelle erreichte. Nur noch sechs Kilometer bis ins Ziel. Ich nahm hier noch mal ein Gel, einen Becher Cola und dann ging es weiter, vorbei am Bahnhof und wieder hoch zum Waldrand.

Die nächsten knapp vier Kilometer verliefen auf einem Weg neben der Eisenbahnstrecke. Wieder hatte Horst zu uns aufgeschlossen, erzählte noch ein wenig von seinen Läufen und lief uns dann auf und davon. Wir ließen uns nicht verführen, joggten wenn es eben war oder abwärts ging und fielen in den Gehschritt, sobald es anstieg. Dann kam einen Bauhof mit großen Sand- und Kieshalden und wir hatten nur noch einen Kilometer bis ins Ziel. Immer noch gehend passierten wir einen Läufer, der offensichtlich große Schmerzen hatte. Ganz krumm nach links geneigt, lief er dem Ziel entgegen – ein wahrer Held. Wir aber rafften uns noch mal auf und joggten die letzten 500 Metern bis ins Ziel.


In 14:43:01 hatten wir es geschafft, eine Stunde und zehn Minuten langsamer als geplant, aber ich war glücklich. Es ist jedes Mal ein erhabenes Gefühl, nach 100 langen Kilometern, manchen Schmerzen und auch liederlichen Gedanken hier anzukommen!

Alle negativen Gedanken waren verschwunden und ganz sicher wird mich Biel wieder sehen. Auch meine utmb-Teilnahme ist natürlich immer noch fest im Plan! Werner Sonntag hat ganz recht, wenn er in seinem Buch „Bieler Juni-Nächte“ schreibt:

„Ein 100-Kilometer-Lauf wie der von Biel hat seine eigene Qualität. Vom Marathon unterscheidet er sich vor allem dadurch, dass man – außer vielleicht an der Spitze, und da auch nur temporär – primär nicht gegen Konkurrenten läuft, sondern gegen die Strecke und vielleicht auch gegen sich selbst. Daher gewinnt man auf den 100 Kilometern immer, sofern man nur ankommt, ob nach 10 oder nach 20 Stunden. Anders als beim Marathon entsteht kaum Wettkampf-Stress. Wer diesen auf die 100 Kilometer zu übertragen versucht, sich ausschließlich an anderen orientiert, zieht meist den Kürzeren.“

Dem ist nichts hinzu zu fügen.

Fazit: Dieser Lauf ist einzigartig, nicht nur wegen der Länge, sondern der Landschaft wegen, dem Wechsel zwischen hell und dunkel, dem Trubel an den Verpflegungsstellen, der Stille in der Nacht. Auch wenn der Veranstalter mit nahezu Tausend Helfern einen großen Aufwand treiben muss, es rentiert sich, wir Läufer danken es ihm. Wenn die Teilnehmerzahlen nicht wieder allzu sehr sinken, sehe ich gute Chancen, dass uns dieser Lauf noch lange erhalten bleibt.

Streckenbeschreibung

Rundkurs von 100 Kilometern östlich von Biel.

Weitere Veranstaltungen

- 100-km-Team-Stafette: Insgesamt fünf LäuferInnen teilen sich die Strecke. Teilstrecken von 17,4 km / 21,1 km / 17,6 km / 20,5 km / 23,4 km.
- 100-km-Lauf Sie+Er: Zwei teilen sich die 100 Kilometer. Wechselzone ist bei km 56 in Kirchberg. Wer die längere Strecke läuft kann selbst gewählt werden.
- Nachtmarathon/ -Walking, Start Freitag 22.30 Uhr
- Nacht Halbmarathon/ -Walking, Start Freitag 22.30 Uhr
-  verschiedene 14,5 km-Läufe, Start Samstag 14.30 Uhr

Zeitnahme

Chip wird vom Veranstalter gestellt; bei der Rückgabe erhält man sein Finishershirt und seine Urkunde.

Startgebühr

Je nach Anmeldezeitpunkt
- 100 km 67 bis 81 Euro
- Stafette 143 bis 159 Euro pro Team
- Sie+Er 99 bis 123 Euro pro Team
-  Marathon 31 bis 38 Euro
- Halbmarathon 21 bis 25 Euro

Verpflegung

Wasser, Iso, gezuckerter Tee, Bouillon, Cola (ab km 17), Bananen, Orangen, Energieriegel, Gel, Brotstückchen.

Ausdrücklich muss man sich bei den Leuten an den Verpflegungsständen bedanken. Sie machten dieses Jahr eine außergewöhnlich gute Arbeit. Der Ansturm an den ersten vier oder fünf Ständen war so groß, dass sie nur durch enorme Anstrengung der Flut Herr wurden. Vielen Dank!

Zuschauer

Auf den ersten 10 Kilometern in Biel und den Teilorten jede Menge begeisterter Menschen, Familien mit Kindern, Omas. Opas, alles was Biel aufzubieten hat steht an der Strecke. Danach in jedem Ort, durch den man kommt haben die Gastwirtschaften Tische nach draußen gestellt, an denen viele Gäste feiern, sich und die Läuferinnen und Läufer, auch viele Privatleute haben Biertischgarnituren aufgestellt, an denen gefeiert wird. Auch frühmorgens sitzen noch/schon wieder Leute vor den Häusern und frühstücken oder trinken ihren Frühschoppen.

Wenn aber die Temperaturen etwas unangenehmer sind, so wie dieses Jahr, sind naturgemäß auch weniger an der Strecke und es kommt bei weitem keine solche Stimmung und Herzlichkeit von den Zuschauern zu uns Läufern rüber. In den Vorjahren war bei weitem mehr in Biel und in den Dörfern los. Selbst die Natur lag ein wenig in Agonie und zeigte sich von der schläfrigen Seite.

Auszeichnungen

Finisher Medaille, Finischershirt, Urkunde

Drumrum

Solide Organisation, kostenloser Zeltplatz hundert Meter vom Start. Direkt beim Start auch die Ausgabe der Startunterlagen in einer Halle, in der auch ein paar Marathonstände sind. Verköstigungszelt vor der Halle.

 

Informationen: Bieler Lauftage
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