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Laufberichte

Ravenna Marathon: Museen, Mausoleen, Mosaiken

13.11.22 Special Event
 

Italien ist immer wieder ein beliebtes Marathonziel für Judith und mich. Besonders im Spätherbst gibt es hier noch einige große Stadtmarathons. Dieses Jahr passt Ravenna wieder  einmal in unseren Urlaubskalender. Schon 2014 waren wir dort und haben schöne Erinnerungen an diesen Lauf.

Also sind wir an einem Samstag mit dem Auto über den Brenner unterwegs. 600 Kilometer sind von München zurückzulegen. Mit Flugzeug und Bahn wäre es natürlich auch möglich, wir wollen aber noch ein paar Tage länger in Italien bleiben und sind mit dem Auto flexibler.

Ravenna, eine Stadt mit 158.000 Einwohnern, liegt nahe der Po-Mündung in der Emilia-Romagna. Sie ist für ihre Mosaiken bekannt. Von 402 bis 476 war Ravenna Hauptresidenz der weströmischen Kaiser. Aus dieser Zeit stammen acht frühchristliche Bauwerke, die 1996 Unesco- Welterbestatus erlangten. Diese Gebäude werden wir im Rahmen des Marathons sehen. An der nahe gelegenen Adria gibt es auch einige Badeorte, sodass der Fremdenverkehr ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist.

Die Marathonmesse ist in einer Halle am Stadtrand untergebracht. Dort merkt man sofort, dass der Ravenna Marathon eine sehr renommierte Laufveranstaltung  ist, die zum 23 Mal ausgetragen wird. Vor der Halle gibt es einige Essensstände und drinnen erwartet uns eine Messe mit vielen Ausstellern. In der günstigen Startgebühr ist hier auch ein schönes Veranstaltungs-Laufhemd enthalten.

Danach geht es zur Unterkunft und dann zum Abendessen. Wir sind für die meisten Restaurants etwas zu früh dran, finden aber eine Konditorei, die auch Nudelgerichte serviert.

 

 

 

Marathontag

 

Der Start liegt quasi im Zentrum am Museum MAR, dem Kunstmuseum der Stadt. Die Zeltstadt für den Marathon mit Taschenabgabe und Umkleide ist hinter dem Gebäude im Stadtpark aufgebaut. Viele Teilnehmende wollen sich heute noch die Startunterlagen holen und bilden eine Schlange, die noch länger ist als die Menschenansammlungen vor den vielen Toilettenhäuschen. Meine Vermutung, der für 9:15 Uhr geplante Start müsste deswegen verschoben werden, bewahrheitet sich nicht. Pünktlich um 9.00 Uhr hat sich der Andrang aufgelöst, dafür staut es sich nun etwas beim Zugang zu den drei Startblöcken. Wir sind im letzten Block und bleiben dann auch ganz hinten.

Durchaus vorteilhaft finde ich, dass hier hinten keine Lautsprecher mehr stehen. So bleibt es ruhig und irgendwann setzen wir uns in Bewegung.

Was für eine Strecke erwartet uns? Zuerst einmal klappern wir viele der Weltkulturerbe-Stätten ab. Dann nach 11 Kilometer verlassen wir die Stadt nach Süden, um dann von Kilometer 19 bis 38 einen langen Ausflug ans Meer zu machen.

 

 

Also schwöre ich Judith darauf ein, dass ich am Anfang wahrscheinlich zurück bleibe und sie nach Ende der Fototour einholen werde. Im Moment sind wir aber erst mal beide ausgebremst. Wir standen doch zu weit hinten und müssen uns über die ersten zwei Kilometer mühsam vorkämpfen. Erstes Highlight ist die mittelalterlicher Festung Rocca Brancaleone, kein Weltkulturerbe, aber durchaus sehenswert. Hinter der Eisenbahnbrücke mit Blick auf den Bahnhof - hier gibt es Verbindungen nach Rimini und Ferrara- kommen wir zum alten Hafenbecken, das über den Canale Candiano o Corsini mit dem neun Kilometer entfernten Meer verbunden ist. Dieser alte Hafen wird heute kaum noch genutzt.

Hier stehen viele Infotafeln mit Fotos aus einer nicht so guten Zeit. Wenigstens sieht man den Menschen an, dass sie unter sehr ungesunden Arbeitsbedingungen leben mussten. Am Bacino ist die Jacht „Moro di Venezia“ (keine Ahnung, welches der vielen Modelle) ausgestellt. Wir bleiben noch ein wenig im ruhigen Hafengelände, bevor wir kurze Zeit später zum wahrscheinlich bekanntesten Denkmal Ravennas kommen, dem Mausoleum des Theoderich. Es wurde im 6. Jahrhundert errichtet und gilt als herausragendste Bauleistung der Ostgoten. Bekannt ist die Dachkuppel mit 11 Metern Durchmesser, die aus einem einzigen Natursteinblock aus Istrien hergestellt wurde.

 

 

Nach einer Schleife im Park, einem ehemaligen Friedhof, noch mal über die Eisenbahn und am Tor Porta Serrata in Richtung Zentrum, ein Höhepunkt folgt dem anderen.

Das Baptisterium der Arianer, einer christlichen Glaubensrichtung, der auch Theoderich angehörte. Weiter über den zentralen Platz Piazza del Popolo. Am „Mercato Coperto“ vorbei, den alten Markhallen, in denen heute schöne Essensstände untergebracht sind. Anscheinend hatte da gestern auch der Titelsponsor Hoka zu einer Abendveranstaltung geladen.

Über anstrengendes Pflaster zum Mausoleum der westgotischen Königin Galla Placidia, deren sterbliche Überreste allerdings in Rom beigesetzt wurden. Am Eingang des benachbarten Clarissinnenklosters feuern uns Nonnen an. Dahinter die Basilica San Vitale aus dem 6. Jahrhundert mit farbenfrohen byzantinischen Mosaiken. Wirklich sehenswert. Weiter zum Dom, an dessen Seite das Baptisterium aus dem fünften Jahrhundert besichtigt werden sollte.

Durch eine Gasse, die als Zona silenziosa (Stille Zone) bezeichnet wird, laufen wir auf das Grabmal des italienischen Dichters Dante Alighieri zu, errichtet im Jahr 1321. Am Platz der Gefallenen für die Freiheit (Caduti per la Libertà) geht es durch die Porta Sisi aus der Altstadt hinaus.

 

           

Viele Zuschauer waren bisher an der Strecke. Öfter wurde auch Musik dargeboten, wobei mir die Glenn-Miller-Klänge einiger Herren in Cocktail-Jacken am besten gefallen haben. Ich warte noch auf die 10-km-LäuferInnen und siehe da, die ersten rasen an uns vorbei, biegen aber bald nach links Richtung Ziel ab.

Nun also nach Süden. Von der Brücke über den Fluss Uniti sieht man, wie sich eine große Läuferschar in beide Richtungen bewegt. Der Kirchturm am Horizont markiert den Wendepunkt.  Noch mal Zuschauer und Musik. Links liegt der ehemalige Hafen von Classe, das Meer ist sechs Kilometer entfernt. Die Basilica di Sant’Apollinare in Classe ist am Übergang der Spätantike zur Vorromanik entstanden und - wie könnte es in der Gegend anders sein - berühmt für ihre Wandmosaiken.

Wir drehen eine Wendeschleife vor der Kirche, samt Verpflegungsstelle. Die VPs sind wie immer groß, gut beschriftet und bieten Wasser in Bechern und Flaschen (auf Wunsch auch nur noch halbvoll), Kekse in Papiertüten, anscheinend wegen Corona, Apfelstücke, später Bananenstücke. Bei Kilometer 10,20 und 30 auch Gel. Beim Weg zurück Richtung Stadt sehen wir auch den letzten Läufer. Ravenna hat in diesem Jahr den Zielschluss auf 6:30 Stunden ausgedehnt, was wohl für einige Teilnehmende ein Grund ist, heute anzutreten.

 

 

Bei Kilometer 19 die Trennung zwischen „Halben“ und „Ganzen“. Uns kommt gleich mal der Führende Kimutai Nico Kipkurui entgegen, der nach 2:11:55 im Ziel sein wird. Ich habe mich von Judith verabschiedet und versuche mein Tempo zu laufen. Eine kurze Pendelstrecke bringt noch mal einen Blick auf Judith, kurz danach eine Pacertruppe, deren Anführerin auf die „girasoli“ im Feld hinweist. Ja, da sind noch schöne Sonnenblumen. Die Trockenheit des Sommers ist wohl vergessen. Viel frisches Grün gibt es zu sehen. Gelegentlich kommt die Sonne raus, bei Temperaturen über 10 Grad. Garantie für so ein Wetter gibt es leider nicht. In dieser Jahreszeit kann auch dichter Nebel vorkommen oder die Temperatur auf über 20 Grad steigen.

Leider hatte das schöne Infoheft auf dem Streckenplan keine Kilometer angegeben, aber man kann sich anhand der Straßenschilder und eines Blicks auf die Markierungen der Gegenrichtung gut ausrechen, dass es wohl sechs Kilometer geradeaus Richtung Punta Marina geht. Für das Auge ist hier nicht wirklich viel geboten. Links tauchen in der Ferne die Anlagen des modernen Hafens auf, immerhin einer der größeren Adriahäfen samt Petrochemie. Gebaut, um die Öl- und Gasvorkommen in der Adria zu verarbeiten. Rechts Felder, dann noch ein Einkaufszentrum vor der Stadt. Die „Löwengrube“ ist ein Restaurant, dessen Speisekarte authentische bayerische Speisen und Biere verspricht.

Die entgegenkommenden Sportlerinnen und Sportler sind noch ziemlich schnell unterwegs. Ich vertreibe mir die Zeit bei einem Zweikampf mit Attila aus Ungarn. Der schaute schon vor zwei Kilometern unentwegt auf seine Uhr. Immer wenn ich, mein Tempo haltend, an ihm vorbeizog, kam er kurz danach wieder laut schnaubend an mir vorbei gespurtet. Mal sehen, wer den längeren Atem hat.

 

Dann ein Bogen über dem Laufweg. Hier steht eine Gruppe von Männern mit Schubkarren und feuert uns an. Die Aufschrift „Traguardo Volante Sergio Fantinelli“ auf dem Bogen soll wohl an den kürzlich verstorbenen Geschäftsmann und „Vater des Ravenna-Marathons“ erinnern. Ich freue mich über die italienischen und europäischen Fähnchen an ihren Schubkarren. Ansonsten herrscht seit der Wahl der „Fratelli d´Italia“ ein stärker an nationalen Interessen ausgerichteter Ton. Wie schon in Venedig, sieht man hier sehr viele italienische Flaggen, je größer, je besser. Aber von einigen Balkonen hängen dann doch noch Europafahnen ebenso wie die „Pace“ (Friedens)-Fahnen. Mal sehen, was die neue italienische Regierung noch so vorhat.

 

 

Die Gegenspur mit den entgegenkommenden Laufenden ist manchmal etwas weiter entfernt, An dem Ausflugslokal Molinetto ist viel los. Ich freue mich, als ich das Ortsschild von Punta Marina sehe, ein typischer Badeort an der oberen Adriaküste. Die wenigsten Touristen kennen die winterliche Tristesse dieser sonst so quirligen Städtchen. Oft kommen auf einen Bewohner im Sommer bis zu 1000 Gäste. Hier gibt es 3000 Einwohner. Und in der Hauptstraße werde ich von einigen von ihnen angefeuert. Wir durchqueren einen Pinienhain, der die Bebauung vom Strand trennt. Und an einer Kurve kann ich das Meer sehen. Ein Lächeln zieht über mein Gesicht. Die nächsten paar hundert Meter kann man das Meer auch riechen. Wunderbar. Hier in den Pinien haben auch einige Bunker der Wehrmacht die Zeit überdauert, Teile der Gotenlinie.

Dann wieder zurück in die Villenkolonie. Nichts los hier. Dummerweise habe ich nun kurz vor Kilometer 30 einen mysteriösen Einbruch. Ich muss Tempo rausnehmen, verpflege mich gut mit einem Gel und muss leider zusehen, wie Attila langsam davon zieht.

Judith sehe ich nach dem Ende der Schleife in Punta Marina nicht. Gut so, sie ist also noch recht dicht hinter mir. Die sechs Kilometer zurück machen mir wirklich zu schaffen. Aber so ist das manchmal halt. Heute habe ich einen schlechten Tag erwischt. Mein Rücken ist steinhart verspannt und mir ist schwindlig.

Die 4:45-h-Pacer-Truppe zieht vorbei. Wie immer in Italien machen die drei Pacer Stimmung für ihr großes Team. Dann wieder Ruhe. Das Feld der mehr als 1.000 Marathonis ist jetzt doch ausgedünnt. Autotechnisch ist die Strecke komplett verkehrsfrei. Sogar eine große Querung wird von der Polizei perfekt gesichert. Fast habe ich Mitleid mit den Automobilisten. Hier an einem Kreisel dürfen sie nur durch, wenn beide Laufrichtungen Lücken haben. Und das ist selten. Eine mögliche Teilabfertigung erscheint der Polizei wohl zu riskant,

Die zwei Musikanten vom Hinweg sind immer noch ganz bei der Sache, ich danke ihnen dafür ausgiebig. Letzter VP bei km 39 unter der Eisenbahnbrücke. Jetzt wird es wieder richtig städtisch. Was würde ich mich über Zuspruch freuen. Nichts. Auch die entgegenkommenden mit Medaille dekorierten Finisher sehen mich nicht.

 

 

Vor uns das Stadttor Porta Nuova, dahinter ist die Ziellinie. Wir müssen nun noch mal eine 1,5 km- Schleife um den Park machen. Dann 500 Meter vor dem Ziel endlich Halligalli. Hier wird angefeuert, was das Zeug hält. Und als ich 200 Meter vor dem Zielbogen noch mal kurz gehen muss, ist die Aufmunterung unendlich groß. Also lächelnd und mit Schwung über den in den italienischen Trikolore-Farben gestalteten Zieleinlauf. Hier werden heute auch die nationalen Meisterschaften ausgetragen. Fast wäre eine Italienerin Gesamtsiegerin geworden. Was für ein Finish.

Bald nach mir kommt Judith ins Ziel. Zur Belohnung gibt es eine spezielle Medaille: Ravenna als Stadt der Mosaiken hat immer spezielle Mosaik-Medaillen. Und die sind wohl so wertvoll, dass auf der Startnummer die Übergabe vermerkt wird.

Es gibt noch ein Säckchen mit Wasser, Apfel und Nussmix. Der Helfer meint, Bier gebe es auf dem Foodcourt hinter dem Start. Die Taschen werden uns schon entgegengebracht.

 

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Fazit:

Der Ravenna Marathon besteht aus zwei Teilen: aus Sightseeing im Herzen der Stadt an ganz vielen Sehenswürdigkeiten vorbei und einem Landschaftsteil. Organisatorisch wird ein hohes Niveau erreicht. Alle Infos gibt es mit Blick auf das internationale Starterfeld auch auf Englisch. Ausländische SportlerInnen erhalten auch eine Zeitnahme, wenn sie sich das Geld für die Runcard sparen wollen. Dann aber ohne Klassifizierung.

Ansonsten ist die Presse voll des Lobes über die Veranstaltung, die auf einen Schlag rund 13.000 BesucherInnen in die Stadt brachte. Teilnehmende erhielten mit ihren Startnummern auch kostenlosen oder ermäßigten Eintritt in viele Museen.

 

Sieger Marathon

  1. Kimutai Nicodemus Kipkurui       KEN    2:11:55
  2. Chelimo Nicholas Kipkorir           KEN    2:16:43
  3. Kipsang Asbel                              KEN    2:17:22

 

Siegerinnen Marathon

  1. Jerop Sarah                                   KEN    2:39:13
  2. Sommi Giulia                               ITA      2:44:19
  3. Tappata Denise                             ITA      2:46:07

 

1.100 Finisher Marathon        

1.900 Finisher Halbmarathon

 

 


 
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