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Laufberichte

Partyhopping

 

Mich faszinieren Abendmarathons - und einer davon ganz besonders. Daher sind wir wieder auf dem Weg nach Luxemburg. Zum 16. Mal wird dort der ING Night Marathon ausgetragen.

Luxemburg ist für Läuferinnen und Läufer aus dem Westen Deutschlands leicht zu erreichen, für uns aus dem tiefen Süden ist es immer ein kleiner Kurzurlaub. Wir kommen mit dem Auto am Samstag, dem Veranstaltungstag, an und fahren gleich zur Lux-Expo, wo Start und Ziel liegen. Dort gibt es die Startunterlagen samt schönem Kleidersack, der zusätzlich zu diversem Infomaterial und Clips zur Befestigung der Startnummern noch eine Wasserflasche enthält. Unseren Champion Chip können wir bei der Startnummernausgabe testen. Die Marathonmesse ist überschaubar. Der Titelsponsor verteilt wieder Hüte in der Firmenfarbe (deren und unserer); eine kleine Sammlung habe ich inzwischen schon. Ein digitales Infoheft gibt es in deutscher Sprache zum Download.

Wir nutzen die Zeit, um mit der neuen Trambahn ins Zentrum zu fahren. Die öffentlichen Verkehrsmittel im Herzogtum sind alle kostenlos. Da spart man sich auch das Studium des Tarifsystems.

Die Stadt Luxemburg mit ihren 114.000 Einwohnern ist gleichzeitig auch Hauptstadt des gleichnamigen Großherzogtums. Die Errichtung der Festung im Jahr 963 gilt als Gründungsdatum der Ansiedlung, obwohl es hier schon in der Antike eine kleine Festung an der Kreuzung zweier Römerstraßen gab. In der Kathedrale Unserer lieben Frau von Luxemburg sind viele Herzöge beerdigt. Da Luxemburg anno 1868 eine der fortschrittlichsten Verfassungen überhaupt einführte, war der Wunsch der Bevölkerung, sich einem der großen Nachbarländer anzuschließen, eher gering.

Bis zu deren Schleifung 1867 besaß Luxemburg ausgeklügelte Festungsanlagen. Die Besichtigung der unterirdischen Kasematten am Bockfelsen ist besonders bei heißem Sommerwetter eine wohltemperierte Option.

Es bleibt noch Zeit für einen Imbiss auf der von Restaurants gesäumten Place d´Armes.  Die inflationsbedingte Teuerung bei den Lebensmitteln in Deutschland lässt die einst als hoch empfundenen Luxemburger Preise inzwischen fast moderat erscheinen.

Der Start rückt näher. Die Taschen sollen bis 18:00 Uhr abgegeben werden, Startunterlagen gab es bis 16:00 Uhr und natürlich ist in der Expo schon viel los. Alles ist gut organisiert, wenn auch Neulinge sich erst mal anhand der Hinweisschilder orientieren müssen.

 



Das Startgelände liegt am nordöstlichen Ende des Expo-Geländes. In einer großen Schleife sind dort die Startblöcke angeordnet. 80 Toilettenhäuschen sind zusätzlich zu den Toiletten in der Messehalle aufgestellt.

Wir setzen uns in die warme Sonne. Für Mitternacht sind 14 Grad angesagt. Da reicht wohl luftige Kleidung. Wir sehen einige Bekannte. Dirk aus Köln wird heute wieder als Pacemaker fungieren. Leider sind Judith und ich im letzten Startblock gelandet, irgendwie hatte ich mich da bei der Anmeldung vertan. Wir versuchen uns möglichst weit vor den 5:29 -h-Pacern aufzustellen. Um uns herum auch viele Halbmarathonis, die wie die Staffelläufer eine Markierung auf dem Rücken tragen.

Pünktlich um 19:00 Uhr dann der Startschuss mit viel Lametta. Wir rücken langsam auf und gehen zehn Minuten später über die Startlinie. Zwei große Schleifen, dann kommen wir auf die lange Gerade der Avenue John F. Kennedy, welche leicht bergab Richtung Zentrum führt.

Der Streckenverlauf ist sehr spannend, grob skizziert von der Expo auf dem Kirchbergplateau Richtung Zentrum, dann dort in Schleifen durch die umgebenden Wohngebiete, durch viele Parks der ehemaligen Wehranlage, ins Tal der Pétrusse, durch die Altstadt und wieder hinaus zur Expo.

Zunächst versuchen wir einige Positionen gutzumachen. Der Laufweg ist breit. Auch hier im Verwaltungsgebiet steht viel Publikum. Rechts der Luxemburger Sitz des Europaparlaments, mit den Fahnen der Mitgliedsstaaten davor. Am Wegesrand auch immer wieder Trommelgruppen.

 

 

Bei km 4 werden wir links abgeleitet. Eine kleine Schleife steht uns bevor, zurück durch einen kurzen Tunnel, in dem eine Lightshow auf uns wartet. Wieder zurück auf der Avenue John F. Kennedy.

Zwischen dem Kirchbergplateau und der Ville Haute, also der Oberstadt, liegt das Pfaffenthal. Mit dem Beginn der Erschließung des Kirchbergplateaus wurde auch eine neue Brücke angelegt.  Der Pont Grand-Duchesse Charlotte, wegen der Farbe „Rote Brücke“ genannt, wurde im Jahr 1965 fertiggestellt und wird nun auch von der Straßenbahn befahren. Neu gestaltet die Gitter an den Fußwegen. Blickt man im 90-Grad-Winkel auf das Tal, bemerkt man das Gitter kaum. Ab hier fährt die Straßenbahn übrigens mit Akku. Daher sieht man keine Oberleitung mehr.- Der Blick auf die Läuferschar ist sehr schön.

 

 

Als ich auf der Brücke für ein Foto stehen bleibe, merke ich, dass die Stahlkonstruktion vibriert. Was tausende Läuferbeine so bewirken können... Eine kurze Schleife durch den Park der ehemaligen Wehranlagen. Die Führenden kommen uns entgegen, dann erreichen wir den Platz Glacis, einen Zuschauer-Hotspot mit Bühne. Anscheinend müssen die Trambahnnutzer hier den Laufweg über ein Brückchen queren, um auf der  anderen Seite ihre Fahrt fortzusetzen.

Wir drehen ins Viertel Limpertsberg ab. Hier sind die Straßen recht schmal und das leichte Auf und Ab scheint einige Mitstreiter schon an ihre Grenzen zu bringen, sodass man schnell aus seinem Rhythmus kommen kann. Auf breiteren Passagen kann man dann wieder zulegen. Viel Stimmung am Straßenrand, besonders vor den Kneipen. Und oft gibt es Musik oder auch mal einige Gesangsgruppen. Corona ist kein Thema mehr und so kann man sich die Zeit auch damit vertreiben, unzählige Hände abzuklatschen. Wahnsinn.

Angefeuert werden wir fast nur mit dem französischen „allez, während man in der Stadt sonst oft die Landessprache Letzebuergesch hört, eine moselfränkische Variante des Westmitteldeutschen, die mich von der Tonmelodie her an Dialekte im rheinischen Raum erinnert.

 

 

Bei Kilometer 14 geht unsere erste Stadtteilschleife zu Ende. Wieder an der Bühne vorbei, kommen wir nun nach einem kurzen Parkstück ins Zentrum. Hier ist die Hölle los und man kann froh sein, dass der Laufweg durch Gitter gesichert ist, so groß ist die Begeisterung der Zuschauer. Die Trennung von den Halbmarathonis steht an. Wir verschwinden in einer kurzen Passage samt Fischgeschäft mit entsprechender Auslage, um uns auf der Place dArmes wiederzufinden. Großes Entertainment vom Sponsor.

Die folgende Stadtteilrunde in Belair bietet nun mehr Platz und weniger Kurven. Dabei hat man auch genügend Zeit, sich auf die feiernden Anwohner einzustellen. Im Park zurück freue ich mich über ein großes Piratenschiff, das auf dem Spielplatz gestrandet zu sein scheint. Die Kilometermarkierungen sind mit gelben Lampen hervorgehoben. Trotzdem übersehe ich sie gelegentlich. Die Staffelwechsel werden mit Bögen angekündigt, liegen am Laufweg. Aber man kommt gut hindurch. Die als Team-Runner gekennzeichneten StaffelläuferInnen füllen das Feld auch im hinteren Bereich schön auf.

Nun also ins Stadtviertel Merl. Es wird schon recht dunkel. Viele Bands haben eine nette Beleuchtung. Auch Judith und ich schalten unsere bunten Lichterketten ein und werden fortan vom Publikum als „die Weihnachtsmänner“ bezeichnet. Im kleinen und feinen Parc de Merl geht gerade bei unserem Eintreffen die Wegbeleuchtung aus. Machen die sonst um halb zehn dicht? Gerade noch erwische ich die Kurve vor dem dunklen Teich.

 

 

Eine kurze Begegnungspassage. Ich sehe noch einen Pacer entfleuchen. Kann das der Sechs- Stunden-Pacer, gewesen sein, acht Kilometer hinter uns?

Der Pont Adolphe ist das nächste Highlight. Die Brücke war nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1903 die größte Steinbogenbrücke der Welt und besteht aus zwei parallelen Bögen, auf denen eine Stahlbetonplatte für Straße und Tram ruht. Dadurch konnten die Kosten während des Baus reduziert werden, da das Tragegerüst schmaler war und für beide Seiten Verwendung fand. Unter der Brücke zwischen den beiden großen Bögen wurde quasi ein dünnes Band angehängt, auf dem Radler und Fußgänger queren können.

Danach steil hinunter ins Pétrussetal. Unter der Brücke eine Techno-Zone mit viel Nebel und Lichtblitzen. Danach Dunkelheit. Der geteerte Weg ist nicht ganz glatt und unsere Weihnachtsbeleuchtung spendet nur ganz wenig Licht, weshalb wir es vorsichtig angehen. Wenige hundert Meter weiter beginnt eine Wegbeleuchtung und danach geht es auf einem Sträßchen steil hinab ins Tal. Hier kann man verlorene Zeit reinholen. In der Nähe fließt die Pétrusse in die Alzette, dort im idyllischen Stadteil Grund gibt es schöne Häuschen und Kneipen. Wir drehen aber Richtung Pétrusse aufwärts.

Einen guten Kilometer im Tal. Hier ist wenig los. Der Weg ist neu geteert und gut ausgeleuchtet. Der Blick auf die Brücken und die Festungsanlagen ist ganz nett. Der Weg führt nun leicht nach oben und hält zwei kleine Passstellen für uns bereit. Zur Belohnung wartet oben ein Verpflegungspunkt. Dort erhalten wir wie immer Wasser und Iso-Getränke in Bechern, oft Bananen und Orangenstücke, später Cola und Energieriegel. Gefühlt stehen die VPs bei fast jedem Kilometer, was gut an sehr warmen Abenden ist. Heute wird es schon etwas kühler, da kann man auch mal einen VP auslassen.

Wir sind im  Bahnhofviertel. Hier gibt es eher traditionelle, folkloristische Musiktruppen, auch ein Tänzchen wird mal gewagt. Oft werden wir mit Namen angefeuert, den Lämpchen auf der Startnummer sei Dank. Die Avenue de la Liberté macht mit ihren großen Gebäuden schon was her. Am Rousegaertchen vorbei auf den hell erleuchteten Bahnhof zu. Zurück auf dem Pont de Viaduct hinein in die Innenstadt. Rechts die Kathedrale, dann links auf die Place de la Constitution mit dem „Monument du Souvenir“ und seiner „gëlle Fra“ genannten goldenen Statue auf hohem Obelisk. Heute wurde der kleine Parkplatz zur Partyzone. Junge Menschen wollen abgeklatscht werden. Viele halten mir den Bierbecher hin.            

Ruhiger wird es um den Herzogspalast, dann durch die Gässchen der Altstadt an den Feiernden vor den Kneipen vorbei. Alles ist gut mit Gittern abgesperrt. 200 Meter übles Kopfsteinpflaster, dann wieder Teer.

 

 

 

An einem Seniorenheim speziell für Stadtluxemburger, dem schlossartig anmutenden Gebäude der Stiftung J.P. Pescatore, vorbei zur Hangkante. Dort wurde ein Steg angelegt, über den wir nun zur Roten Brücke laufen. Hier gibt es auch einen Panorama-Aufzug ins Tal. Ein schöner Blick auf die Brücke und die Hochhäuser des Kirchbergs. Noch fünf Kilometer. Sanft bergauf, unterbrochen von der nun schon bekannten Schleife durch den Parc drai Eechelen, wo sich noch ein weiterer Techno-Hotspot befindet. Daher die vielen jungen Leute auf der Brücke zurück in die Stadt.

Die Festungsanlagen sind farbig angestrahlt. Bei Kilometer 39 gäbe es Bier, aber irgendwie drängt die Zeit. Auch hier noch Trommelgruppen. Kurz nach Kilometer 40 werden wir auf einen schnurgeraden Weg im Park abgeleitet. Das blinkende 41-km-Schild spornt mich an. Das Expo-Gelände ist bald erreicht und vorbei an orangefarbenen Leuchtstangen schießen wir in die Messehalle hinein. Anfeuerung von beiden Seiten und kurz danach durch den Zielbogen.

Schön wars, wenn auch die Fünf-Stunden-Pacer etwas schneller waren. Wir treffen Haroldinio aus Amsterdam, der in Sachen Marathon ebenso oft unterwegs ist wie wir.

Die schöne Medaille gibt es in der nächsten Halle und dann gehts weiter zur Zielverpflegung. Die ist zu später Stunde ziemlich abgegrast. Auch das Bier ist ausgegangen, es gibt aber noch Wasser und Cola. Duschen und Massagen in den Messehallen. Obwohl das Ziel noch eine Stunde offen sein wird, haben wir es eilig, denn wir wollen den letzten Bus erwischen und noch ein wenig schlafen, bevor es nach Hause geht.

 

Fazit:

 

Ein fantastischer Marathon in die Nacht hinein in einer Stadt mit begeisterungsfähigen Bewohnern. Sehr gut organisiert. Sicher nicht bestzeitenfähig, dafür enthält die Strecke doch zu viele Wellen und Kurven. Wer zügig laufen möchte, sollte sich eher vorne einordnen und in Belair Ruhe bewahren, denn nach der Trennung von den Halbmarathonis ist genug Platz.

Langsam Laufende haben mehr von der Stimmung in der Nacht, sollten aber eventuell eine Lampe mitnehmen. Und illuminierte Teilnehmer, so unsere Erfahrung, werden noch enthusiastischer angefeuert.

 

Ergebnisse

 

Männer

1 KIPTOO, ERICK (KEN)                       02:13:14
2 KIPLAGAT, JAMES (KEN)                    02:14:40
3 EZAMZAMI, ABIDA (MAR)                     02:23:04
4 SCHELLER, LUC (LUX)                      02:37:12

 

Frauen

1 KIPKEMOI, MERCY JEBICHII (KEN) 02:37:20
2 Ngurasia, Flomena (KEN)                  02:42:37
3 VON KEUTZ, PIA (GER)                       03:06:31

4 XHAFERAJ, SHEFI (LUX)                     03:12:55

 

Finisher

Marathon: 1.046
Halbmarathon: 5.680

 

Informationen: ING Night Marathon Luxemburg
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