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Laufberichte

Zürich im Regen

09.04.06

Meine Erinnerungen mit Zürich sind zwiespältig.

 

Der erste Zürichmarathon – ich war in meinem 2ten Marathonjahr – musste ich wegen Krankheit absagen. Der Zweite – tja, selbst schuld, das Trainingslager in die Woche davor gelegt, Samstagabend mit dem Flieger zurückgekommen, Tasche war aber im falschen Flugzeug. Am nächsten Morgen hatte ich alle Ausreden der Welt, nicht um 5:00 aufzustehen.Dann der dritte Anlauf in 2004. Ein sonniger Tag, klasse Bedingungen, der Termin als Trainingslauf zum 100km Lauf in Biel ideal gelegen. Trotz guter Zeit (3:30h) und einer tollen Leistung der Organisatoren auf der Strecke – die Verpflegung und Betreuung im Ziel war schlecht – zum Glück schien die Sonne und der See war einladend für ein erstes (kurzes) Bad im Frühling.

 

Dieses Jahr hatte ich den Zürich Marathon nicht im Visier, gab ihm aber noch eine Chance. Wiederum als Trainingslauf für den 100 km Lauf in Biel.

Dieses Jahr sollte alles anders werden. Zunächst das Wetter. Der frühe April überraschte die Schweiz mit einer ungewöhnlichen Schneemenge 3 Tage vor dem Start. Für Sonntag gab die Wettermeldung Regen und Höchsttemperaturen im Bereich von 6 - 8°C bekannt. Viel schlimmer noch: ich hatte keine Ausreden. Außer den müden Beinen aus der Trainingswoche davor. Freitag Massage, Samstag den letzten Lockerungslauf  bei frühlingshaften Temperaturen und Sonne. Warum muss die Kaltfront unbedingt heute Nacht über das Land ziehen? Sonntag: kein einfacher Moment. 5:00h, der Regen ist deutlich im Halbschlaf zu hören. Es hilft alles nichts, dies wird mein erster Marathon mit leichter Regenjacke – schließlich will ich nicht mit einer Lungenentzündung meine weitere Trainingsvorbereitung gefährden.

 

Im ersten Zug nach Zürich trifft sich die Läufergemeinde, die zum Start pilgert. Die Anreise via Tram und Zug ist gut geregelt, wenn auch die Züge deutlich überfüllt nach Wollishofen abfahren. Im Bahnhof angekommen, sucht sich jeder ein möglichst trockenes Plätzchen, um sich umzuziehen oder die Zeit bis zum Start zu überbrücken. Die Tankstelle ist dafür ein beliebtes Plätzchen bei den Läufern. 

Ich entscheide mich, das Warmlaufen zu reduzieren auf den letzten Kilometer vom Tennisplatz bis zum Start. Es ist einfach zu unangenehm. Umso bewundernswerter die Zuschauer. Trotz des schlechten Wetters ist der Start gut besucht. Wir reihen uns in den Startblock deutlich nach der 3:29 Gruppe ein, um dem größten Gewühl am Start zu entfliehen.  

 


Das Schöne am Zürich Marathon ist, dass es keine besonderen Engstellen nach dem Start gibt. Ich hatte bislang immer genug Platz nach vorne, und damit ist ein stressfreier Start möglich. Ich verlasse meine Begleitung, die auf 3:45h Kurs ist, nachdem wir am Bellevue nach rechts abbiegen (km 4) und den See in Richtung Küsnacht bis Meilen entlanglaufen. Ich erhöhe das Tempo auf einen Schnitt von 4:45min und mache mich auf die Suche nach dem 3:30h Pacemaker. Ich muss eigentlich nicht mehr erwähnen, dass es regnet? Schade, denn die Aussicht, die sich bei schönem Wetter bieten würde, wäre nennenswert. Die Ordner an der Strecke haben sich in dickes Ölzeug eingepackt. Die freundlichen Helfer an den Ständen leiden im Regen genauso wie wir, die Läufer.

 

Bei km 12 laufe ich auf die 3:29h Gruppe mit Pacemaker auf. Es ist noch eine kompakte Gruppe mit vielen Läufern. Ich kann es richtig spüren – die Feuchtigkeit steigt durch die Wärme der Gruppe auf – die Dampfwolke ist von weitem sichtbar. Ich komme in die Versuchung, die Wärme zu genießen, die Windjacke auszuziehen und mich der Gruppe anzuschließen. Doch der Entscheid heißt Nein -  ich entschließe mich, wieder in den Wind zu gehen. Wenn die Muskeln mitspielen, will ich versuchen, eine 3:15 Zeit zu laufen und lege noch einen kleinen Zahn zu. In Küsnacht spielen brasilianische Rhythmen, die Samba-Tänzerinnen zeigen jedoch – bedingt durch die Kälte – nur wenig Haut. Ich freue mich jetzt schon auf den Wendepunkt in Meilen, an der Unterführung, und auf die Menschenmenge, die uns dort erwarten wird.

 

Bei km 14 treffe ich einen Rückwärts-Läufer auf dem Gehweg. In dem Moment, als ich ihn jedoch fotografieren möchte und nach seinem Namen frage, gibt er zu, nur auf seinen Kollegen gewartet zu haben und sich die Wartezeit mit Rückwärtsjoggen verbracht hat. Trotzdem hier einen Bildgruß an André.

 
Gegen km 16 kündigt der Begleitwagen die Spitze der Männer an, die uns auf der gegenüberliegenden Seite passieren wird. An der Spitze sind Tesfaye Eticha und Alfonse Yatich. Eticha wird später das Rennen für sich mit einer Zeit von 2:12h entscheiden.

 

Kurz danach die Spitze der Frauen, in einem Pulk von Männern ist die Russin Helena Tikhonowa der zweiten Läuferin enteilt. Sie wird den Vorsprung weiter ausbauen und in 2:39h gewinnen.

 

Meilen, der Wendepunkt. Einer der Highlights der Strecke. Mein Puls jagt, als ich den Wendepunkt passiere. Die Begeisterung des Publikums ist spürbar. Ich versuche, die Halbmarathonzeit unter 1:40h zu drücken, was mir aber nicht gelingt. Ich verabschiede mich innerlich von dem Ziel 3:15h, denn die Kälte wird gegen Ende des Rennens ihr übriges dazutun und mich nicht schneller machen.

 

Die Stadt ruft. Bei Erlenbach geht sprichwörtlich der Esel durch. Im Ernst. Zwei Zuschauer haben Mühe, ein Maultier vom Mitrennen zurückzuhalten. Am Altersheim in Küsnacht feuert eine rüstige alte Dame in einem wahren Marathon die Läufer an - Respekt. Zürich hat immer wieder die ausdauerndsten Zuschauer.

 

Dann folgt der Theaterplatz bei km 30. Meine zweite Lieblingsstelle, denn auch hier ist die Stimmung am Höhepunkt. Und nur noch eine Stunde bis ins Ziel. Die Zuschauer können hier mit kurzen Wegen die Läufer bis zu 4x passieren sehen und natürlich auch anfeuern. Die Schlaufen an der Seepromenade, bis wir wieder den Bellevue passieren, animieren durch die vielen Zuschauer zur Tempoerhöhung. Da der Läufername auf den Startnummern groß aufgedruckt ist, kommen persönliche Anfeuerungsrufe nicht nur durch die Bekannten an der Strecke. Nein, jeder Zuschauer muntert mit der persönlichen Ansprache des Vornamens auf.

 

Nur der Weg am Limmatquai entlang ist in diesem Jahr nicht sehr fotogen, denn die Straßenarbeiten sind immer noch im Gange. Dann folgt die Innenstadt – Mann/Frau kann sie lieben oder hassen. Wer noch genug Körner aufgespart hat, für den sind die Richtungswechsel interessant. Wer am Ende der Kraft angekommen ist, der wird Sie hassen. Immer mehr Läufer steigen aus, verlangsamen ihr Tempo, denn die Kälte und der strömende Regen tun ihr übriges dazu. Mein Lob gilt den zahlreichen Zuschauern in der Innenstadt, welche trotz der Kälte für Stimmung an der Strecke sorgen.

 

Bei km 33, Paradeplatz, laufe ich auf den blinden Marathon-Läufer auf. Es ist Erhard Widmer, der seit mehreren Jahren Marathons bestreitet und auch am Gigathlon teilgenommen hat. Er wird durch 3 sehende Läufer und ein Kamerateam auf dem Motorrad begleitet. Ich nehme mir eine Minute Zeit, um die Gruppe zu begleiten. Der Lead-Läufer leitet den blinden Läufer durch den Marathon, er stellt den Streckenverlauf verbal und sehr exakt wieder. Ich stelle Versuche, für einige Sekunden nicht auf den Boden zu schauen und nur zuzuhören. Gebe das aber sofort wieder auf, da ich ins Stolpern gerate. Ich ziehe meinen Hut vor der Laufleistung und nehme mein ursprüngliches Tempo von 4:45 wieder auf. 
 

Km 37. Die letzte Verpflegung ruft. Ab hier ein Heimspiel. Nur noch eine Schleife in der Innenstadt, dann an die Uferstrasse Richtung Strandbad Mythenquai und wir sind auf der Zielgeraden.

 

Km 42.125. Das Ziel ist erreicht, mein erster Blick auf die Uhr verrät eine Zeit um 3:20h und ich bin, in Anbetracht der Rahmenbedingungen, recht zufrieden mit mir. 

 
Mein Fazit:

Die Organisation hinter dem Zieleinlauf ist deutlich besser als im letzen Jahr. Das war im letzten Jahr noch ein starker Kritikpunkt. Doch die Organisatoren haben schon im letzten Jahr Abhilfe versprochen und ihr Versprechen eingehalten. Das Angebot ist jetzt wirklich sehr gut. Es gab ausreichend Wasser, Isotonisches Getränk, Essen, Früchte und ein Getränkebon für warme Getränke im Zelt.

 

Die Abwechslung des Marathons, mit ruhigeren Passagen mit weniger Zuschauern und Passagen, bei der sprichwörtlich die Post abgeht, gefällt mir sehr.

 

Im Ziel gab es für mich als Belohnung zwei heiße Ovomaltine im Bistro des Tennisclubs, der mit Wärme zum Einkehren einlud. Der große Teil der Marathonläufer hat nur das trockene Dach der Veranda genutzt, besten Dank an die Wirte, die dem Treiben mit Gelassenheit zugeschaut haben. Nur eine unterkühlte Marathonläuferin (die hoffentlich keine Erkältung eingefangen hat) und ein Laufkollege, der seinen ersten Marathon gelaufen ist, hatten die Wärme des Lokals gesucht.

 

Resüme:

Ein gelungener Zürichmarathon, an dem ich im nächsten Jahr gerne wieder teilnehmen werde. Dann feiert der Zürchmarathon schon sein 5-jähriges. Hoffentlich dann wieder im Sonnenschein.

 

Apropos:

leider hat der Dauerregen meiner Kamera zugesetzt, so dass ich sie nicht mehr zur korrekten Funktion überreden konnte. Ab km 20 war nämlich Ende mit einer verlässlichen Funktion. Ich bitte die schlechte Fotoqualität zu entschuldigen. 

 

Informationen: Zürich Marathon
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