Kühle Witterung, kein Frühling, alles grau in grau. Trotzdem Rekorde am laufenden Band beim elften Marathon, Grüezi aus Züri.
Eigentlich wollten wir, Stefan und ich, nach Freiburg. Aber von der Entfernung her ist es egal, wo wir auf Asphalt unterwegs sind. Und mit Zürich haben wir noch eine Rechnung offen, denn 2012 sorgte der garstiger April mit seinen Launen eher für Wechselbäder als für Frühlingsgefühle. Und 2013? Da dauert der Winter mit Nachtfrost und in höheren Lagen mit Altschnee ewig lang und sorgt nebenbei für klamme Finger und kalte Ohren. Zumindest wird sich Petrus etwas gemäßigt zeigen, denn lediglich in der Nacht vor dem Lauf soll es ein wenig Niederschlag geben. Für den Sonntag wird es zwar sehr kühl bleiben, aber immerhin mit großer Wahrscheinlichkeit trocken und windstill.
Wir wählen dieselbe Unterkunft im Technopark wie letztes Jahr, da wissen wir recht schnell, wie wir in die City kommen. Ratschlag: Ein Tagesticket wählen, kostet 8,40 CHF und gilt im Stadtbereich für 24 Stunden. Am Renntag gilt die Startnummer als Ticket im ganzen Gebiet des Zürcher Verkehrsverbundes.
Wie im Vorjahr sind die bisherigen Sieger im Eingangsbereich der Saalsporthalle auf großen Bildern zu sehen, so groß wie vor 35, 40 Jahren die Starschnittposter in der Bravo. Wer dann den gelben Fußspuren auf dem Boden folgt, der kommt zur Treppe, die nach unten in die Halle führt. Von oben ist eine aufgeräumte Laufsportmesse zu sehen. Klein und fein, und wer noch ein Schnäppchen sucht, wird sicher fündig werden, auch wenn die Preise in der Schweiz meist höher als in unserer Heimat sind.
Im hinteren Teil der Halle erhalten wir die Startnummer und den Läufersack, der mit einigen Gaben gefüllt ist (Riegel, Nudeln, Müsli). Die Helfer sind emsig damit beschäftigt und haben trotzdem für jeden ein Wort übrig. Beim Stand von Garmin können sich die Läufer ein Armband mit ihrer geplanten Laufzeit abholen.
Da bis zur Nudelparty (Beginn 16.00 Uhr) noch ein wenig Zeit übrig ist, fahren wir mit der Tram in Richtung Startgelände auf dem Mythenquai. Das einzige, was an den kalendarischen Frühling erinnert, sind die Schlüsselblumen und Krokusse in den Parkanlagen. Ansonsten hat es rund fünf Grad, der Himmel ist bewölkt und die Sicht über den Zürichsee ist mehr als bescheiden. Eher deutet das auf den November hin als auf den April. Wir erkunden ein wenig den Mythenquai, denn dann laufen wir am nächsten Tag nicht unnötige Meter vor dem Start.
Zurück in der Sporthalle brummt weiter das Geschäft an der Ausgabestelle sowie bei den Ausstellern. Stefan holt sich noch für den nächsten Tag das überlebensnotwendige Equipment einer Läufernahrung. Oben am Eingang lassen wir uns dann die Pasta schmecken. Bei dreierlei Saucen dürfte für jedes Leckermäulchen etwas dabei sein. Und wer mischen mag, auch kein Problem.
Bei einem Spaziergang rund um die Bahnhofstrasse holen wir uns den notwendigen Appetit für das Nachtmahl beim Italiener. Beim Blick in die Speisekarte sollte man schon gut sitzen. Nicht dass es einen vom Sessel haut, denn die Preise sind happig. Auch ohne den (für uns) ungünstigen Wechselkurs ist Zürich ein teures Pflaster. Eine Pizza für 30 CHF, ohne Getränk, ist normal.
Am nächsten Morgen heißt es kurz vor sechs „Raus aus der Kiste“, denn schon um 08.30 Uhr werden die Marathonis losgelassen. Zehn Minuten später folgen die Staffeln (Teamrun) und die Läufer des 10 Kilometer Cityrun. Für die Besten der Marathons geht es um alles: Nicht nur um die Ehre, sondern auch um die Schweizer Meisterschaft, die Kantonsmeisterschaft, um die Qualifikation zur Europa- und Weltmeisterschaft sowie um den Gesamtsieg. Dafür wird nicht nur der Lorbeerkranz warten, sondern vielleicht auch ein paar Scheine. Doch für die Mehrheit steht Spaß und Freude im Vordergrund.
Während die Teilnehmerzahl der Langstrecke leicht zurückgeht, sind die Startnummern des Teamruns ausgebucht und der Cityrun kann sich auf über 2000 Läufer weiter etablieren. OK-Chef Bruno Lafranchi zeigt sich zufrieden. Wer mit dem Namen nichts anfangen kann, der Bruno ist einer der bekanntesten Läufer in der Eidgenossenschaft. Von 1500 Meter über Cross und Hindernis bis hin zum Marathon deckte er eine weite Palette ab. Mit 2:11:12 Stunden über die klassischen 42,195 Kilometer stellte er in Fukuoka (1982) seine Bestleistung auf. Heute ist er nicht nur OK-Chef für einige Zürcher Laufveranstaltungen, sondern in seiner Event-Firma kann man auch einen Sporturlaub buchen.
Nach der Trambahnfahrt sind Stefan und ich rund eine Stunde vor dem Start auf dem Startgelände. Das Kleiderdepot ist etwa zehn Spazierminuten von der Startlinie entfernt. In der Nähe der Badeanstalt stehen einige Waggons auf den Gleisen der Bahn. Ein Zelt daneben dient als Umkleide. Sehr nützlich ist der Plastiksack, der für den Tagesrucksack groß genug ist. Die Duschen nach dem Lauf findet man später im Bad oder in der Saalsporthalle.
Die Zeitnahme wurde wie in der Vergangenheit an Datasport vergeben. Der Chip hängt hinten an der Startnummer. Kaution wird keine verlangt, aber wer vergisst, diesen abzugeben, erhält später eine Rechnung.
Wetter.com hat für den Morgen eine Temperatur von ein Grad vorhergesagt. Es hat ein Vielfaches dieser Prognose, aber mehr als fünf sind es nicht. Die Läufer zeigen fast die ganze Bandbreite an Bekleidung. Einige mit kurzen Hosen und T-Shirts sind zu sehen, aber bei der Mehrheit dominieren Handschuhe, Mützen und das Zwiebelprinzip am Oberkörper.
Gegen 08.20 Uhr stehe ich im Startfeld und sehe noch Cooly, das Maskottchen der Leichtathletik EM 2014, die in Zürich stattfinden wird. Einige Zeitläufer von 3.00 bis 5.30 Stunden sind an ihren gelben Ballons und Laufshirts zu erkennen. Zwischen 3.30 und 3.45 Stunden ordne ich mich im Feld ein.
Von hinten wird mein Vorname einmal, zweimal gerufen. Als ich mich umdrehe, stehen unsere zwei Freunde vom Vorjahr gerade zwei Reihen hinter mir: Salvatore Corbissiero und Martin Schilling. Von ersterem stammte vom letzten Jahr hier das Zitat: „Berlin 2012 wird abgesagt, nach Zürich komm ich nimmer und Marathon wird gestrichen“, als er völlig fertig und malade im Ziel erschien. Der Vorsatz hatte nicht lange Bestand, denn Salvatore steht im Berlin-Shirt aus 2012 am Start.
Dann hören wir den Startschuss und überqueren etwa nach einer Minute die Startlinie. Pack mer's. Die ersten zehn Kilometer sind identisch mit dem Kurs des Cityrun: Kongresshaus, Bürkliplatz, Utoquai, Dufourstrasse und ein Schlenker über die Bahnhofstrasse und Talstrasse zum Startgelände. Hier und im Bereich des Bürkliplatz haben sich viele Zuschauer versammelt, die uns mit Rufen, Beifall und Klatschen motivieren. Selbst eine Gruppe mit Trycheln und eine mit Alphörnern können wir hören.