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Laufberichte

Da git s nüüt z hueschte!

 

Am Samstagvormittag mache ich mich gemeinsam mit meinem Freund Wolfgang auf den Weg nach Zürich. Die 17. Austragung des Zürich Marathons steht auf dem Programm. Ich freu mich riesig auf die drei kommenden Tage, denn ich liebe den Schweitzer Dialekt und kann ihn nun drei Tage lang genießen. Zudem kann ich mit Zürich eine interessante Stadt mit den Füßen erkunden.

Die Anfahrt geht über die A 96 bis zum Bodensee, vorbei an Bregenz in Österreich und schließlich über die A 1 in der Schweiz bis Zürich. Der Verkehr läuft reibungslos, nur vor dem Grenzübergang in die Schweiz verlieren wir etwa eine Viertelstunde. Dennoch erreichen wir Zürich nach etwas über drei Stunden Fahrtzeit. Unser Hotel finden wir in der Hohlstraße problemlos. Es befindet sich mitten im Rotlichtviertel von Zürich, was jedoch nicht stört, denn die Damen sind gegenüber den Hotelgästen sehr zurückhaltend. Wir checken im Hotel kurz ein und wollen im Anschluss das Auto sicher abstellen. Doch das erweist sich in Zürich als nicht einfach bzw. unmöglich. Damit möchte ich kommenden Zürich-Besuchern gleich einen Tipp mit auf den Weg geben. Es ist ratsam, wenn möglich einen Stellplatz im Hotel schon im Vorfeld zu buchen.

Der nächste Weg führt uns direkt ins Jelmoli, ein großes Einkaufszentrum nahe der Züricher Innenstadt. Dort findet in der Sportwelt im vierten Stock die Startnummernausgabe statt. Da die Abholung eigentlich die gesamte Woche über möglich ist, ist hier alles sehr entspannt. Ohne Anstehen zu müssen, reicht mir eine freundliche Helferin meine Startnummer mit integriertem Chip, dazu gibt es einen prall gefüllten Starterbeutel. Wolfang, der sich für eine Teilnahme am Cityrun über zehn Kilometer entschieden hat, bekommt noch ein blaues Cityrun-Shirt und wird darauf hingewiesen, dass das Tragen des Shirts beim Lauf Pflicht ist. Für uns Marathonis entfällt diese Verpflichtung, wir müssen uns auch bis Ziel gedulden, bis wir unser Finisher-Shirt überreicht bekommen.

Nun wollen wir noch kurz die Stadt und den Weg zum Startbereich erkunden, damit wir uns am nächsten Morgen nicht unnötig verlaufen. Wir erreichen den Zürichsee, wo am Mythen-Quai der Start erfolgen soll. Es sind rund drei Kilometer vom Hotel bis hier her und dürfte somit in gut einer halben Stunde zu erreichen sein.

Zeitig sind wir frisch gestärkt zurück im Hotel und ich sortiere meine Sachen für den kommenden Tag. Es heißt nämlich früh aufstehen. Der Start in Zürich erfolgt um 08:30 Uhr bereits ungewöhnlich früh und somit heißt es noch ein paar Stunden Schlaf zu finden.

 

 

 

Der Marathontag

 

Nach einem ausgiebigen Frühstück mache ich mich gemeinsam mit Wolfgang auf den Weg durch die Stadt zum Mythen-Quai am Zürichsee. Es ist lausig kalt und ich habe mich für eine leichte Regenjacke entschieden, da zudem auch noch mit Regen zu rechnen ist. Als wir nach gut einer halben Stunde am Zürichsee ankommen, verirren sich doch ein paar vereinzelte Sonnenstrahlen durch die Wolken und verleihen dem See einen herrlichen Glanz. In der Ferne sind die noch schneebedeckten Schweizer Alpen zu erkennen. Das Bild ist herrlich und lässt mich die Kälte kurz vergessen. Meine Vorfreude auf den Zürich Marathon steigt damit auch schlagartig an und die etwas unruhige Nacht ist vergessen.

 

 

Am Strandbad finden wir ein großzügig angelegtes „Containerdorf“ vor, wo wir auch unsere Starterbeutel mit Wechselkleidung abgeben können. Über 10.000 solcher Starterbeutel müssen hier deponiert und sortiert werden. Alles ist perfekt organisiert, es gibt keine Warteschlangen. Doch kaum habe ich meinen Beutel in treue Hände gegeben, beginnt es zu regnen. Noch gut eine dreiviertel Stunde müssen wir auf den Start warten und so suchen wir uns eine halbwegs trockene Ecke. Einige Läufer verkrümeln sich unter die Container, um trocken zu bleiben. Obwohl mich fröstelt, muss ich dennoch schmunzeln.

Kurz vor dem Start lässt der Regen nach und wir begeben uns in die Startaufstellung. Es sind sechs Startblöcke vorgesehen, wobei der erste natürlich der Elite vorenthalten ist. Mit der Startnummer 1 findet sich dort auch der kenianische Weltrekordläufer bei den Blinden, Henry Wanyoike ein. Die Startnummer 2 trägt die ebenfalls blinde Schweizer Topläuferin Chantal Cavin. Neben weiteren überwiegend afrikanischen Topathleten steht auch Langlauf-Olympiasieger Dario Cologna im ersten Startblock. Gemeinsam mit drei weiteren Langläufern will er sich den Sieg im Team-Run holen. Etwas weiter hinten, genauer gesagt im letzten Startblock, sortiere ich mich ein. Er ist für Läufer mit einer zu erwartenden Zielzeit von 4:11 bis 5:30 Stunden vorgesehen. Ich fühle mich dort gut aufgehoben.

Um punkt 08:30 Uhr sehe ich, wie sich einige Luftballons in den wolkenbedeckten Himmel erheben. Der Start ist also freigegeben. Gleich geht`s los. Etwa fünf Minuten nach der Elite überquere auch ich die Startlinie und laufe den Mythen-Quai in nördlicher Richtung. Obwohl sich nun über 10.000 Läufer auf der Strecke befinden, kann man von Beginn an gut laufen und sein Tempo finden. Ein Lob hierfür gibt es auch vom Sprecher, denn offensichtlich hatten sich alle Teilnehmer richtig in die Startblöcke einsortiert. Eine Zugangskontrolle, wie zum Beispiel in Berlin gibt es in Zürich nämlich nicht.

Schon nach wenigen Metern erreiche ich den General-Guisan-Quai, der den Bürkliplatz mit dem landschaftlich sehr schön gestalteten Arboretum verbindet. Die großzügige Promenade säumen zahlreiche Baumreihen und man hat einen einzigartigen Blick über den Zürisee und die dahinterliegenden Alpen. Vorbei am Bürkliplatz, wo ein kleiner Rummelplatz mit Riesenrad aufgebaut ist, überquere ich wenig später die Quaibrücke. Sie überspannt den zur Limmat hin verengten Zürichsee und führt gut 121 Meter bis zum Bellevue, einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt in Zürich. Heute stehen die zahlreichen Trambahnen aber still, denn das Bellevue gehört in diesem Moment den Läufern. Kurz darauf lassen wir das 1891 erbaute Opernhaus Zürich links liegen und laufen über den Uto-Quai auf der Bellerivestraße weiter in südlicher Richtung, bis wir nach gut drei Kilometern wenden und auf der Dufourstraße zurücklaufen. Schon bald kann die die Rückseite des Opernhauses erkennen. Wir haben den Sechseläutenplatz erreicht.

 

 

Über den Sechseläutenplatz, der exponiert zwischen Oper und Bellevue direkt am See liegt, gibt es zahllose Geschichten. So schlägt der Zirkus Knie hier jährlich für mehrere Wochen seine Zelte auf, weshalb man die Verankerungen für die riesigen Zelte gleich mit in den Platz eingebaut hat. Zudem wird hier jährlich an einem Montag im April im Rahmen des großen Sechseläutens der „Böögg“ verbrannt. Dazu finden sich neben verschiedenen Züricher Zünften auch diverse Ehrengäste, allesamt zu Pferde oder mit dem Pferdewagen ein. Der Böögg ist der präparierte Kopf eines künstlichen Schneemanns, der den Winter symbolisiert. Aus der jeweiligen Brenndauer bis zur Explosion des Bööggs lassen sich angeblich Rückschlüsse auf die Qualität des anstehenden Sommers ziehen.

Kurz nach dem Sechseläutenplatz habe ich Kilometer 5 erreicht und überquere die Quaibrücke und erreiche ich zum zweiten Mal den Bürkliplatz. Von hier geht es nun in die Bahnhofstraße. Das hört sich jetzt vielleicht jetzt etwas unspektakulär an, da es eine Bahnhofstraße in nahezu jedem Ort gibt, doch befinde ich mich nun auf einer der teuersten und exklusivsten Einkaufsstraßen der Welt. Gut anderthalb Kilometer laufe ich zwischen zahlenreichen Boutiquen großer Modedesigner, Schmuck- und Uhrengeschäften, sowie diversen Luxushotels hindurch. Auf meinem Weg zum Züricher Hauptbahnhof quere ich auch noch den Paradeplatz, dem Zentrum des Schweizer Bankenwesens. Die Straße ist mit zahlreichen Flaggen geschmückt, Alphornklänge begleiten mich noch eine ganze Weile.

Kurz vor dem Bahnhof wird gewendet und es geht zurück in Richtung Bürkliplatz. Für die Teilnehmer des Cityruns steht der Endspurt an, wir haben Kilometer 9 erreicht und bereits viel gesehen von der Stadt. Ich bin vom Zürich Marathon schon jetzt begeistert.

Auf der Strecke wird es nun deutlich ruhiger. Auf den nächsten Kilometern passieren wir erneut  den Bürkliplatz, die Quaibrücke, Bellevue und die Bellerivestraße. Ich bin gut drauf und entspannt, das Tempo passt.  Nichts spricht gegen ein erfolgreiches Marathonerlebnis.

Bei Kilometer 15 erreiche ich den Stadtteil Riesbach. Rechts von mir liegt der Zürichsee und so wird es auch bis Kilometer 25 bleiben. Die Seestraße führt uns runter bis nach Meilen, die Strecke ist traumhaft schön. Immer wieder wandert mein Blick nach rechts über den See. In den Hügeln auf der anderen Seeseite hängen tiefe Wolken und bieten mit dem teilweise doch noch blau gewordenen Himmel ein herrliches Bild. Wir durchlaufen immer wieder kleinere Ortschaften, wo zahlreiche Zuschauer die Strecke säumen und diverse Bands für Stimmung sorgen. Es ist auch bei weitem nicht mehr so kalt wie am Start. Auf die Regenjacke kann ich verzichten, die Ärmel werden aufgekrempelt.  

In Küsnacht kommt mir ein schwarzer Jaguar F-Pace entgegen. Ihm folgen die beiden Führenden in einem Tempo, von dem ich nur träumen kann. In immer kürzer werdenden Abständen folgen weitere Läufer. Ich bewundere ihren lockeren Laufstil, der mit meinem so rein gar nichts zu tun hat. Aber ich bin zufrieden. Ich nähere mich der Halbmarathonmarke, bin immer noch frisch und habe nach  Erlenbach und Winkel bereits die Hälfte geschafft. Nur noch vier Kilometer und ich darf wenden.

 

 

Ich wundere mich schon die ganze Zeit, dass ich nicht einen einzigen mit bekannten Läufer sehe. Dann die Sensation: Wah Sing Tan läuft an mir vorbei und ich erkenne ihn natürlich gleich wieder. Er kommt aus Malaysia, ich habe ihn vor zwei Jahren in Pisa kennengelernt. Wie immer ist er barfuß unterwegs und in seinem bunten Seidengewand nicht zu übersehen. Die Wiedersehensfreude ist so groß, dass ich sogar vergesse, ein gemeinsames Foto zu machen. Wir wechseln ein paar Worte und verabreden uns für später im Ziel. Wah Sing zieht langsam davon, aber ich kann ihn noch lange hören. Es ist eine Stimmungskanone aller erster Sahne und zieht auch die Zuschauer in seinen Bann.

Gut gelaunt erreiche ich Kilometer 25 in Meilen und darf mich auf den Rückweg machen. Vorher gilt es allerdings noch die „Bergwertung“ beim Zürich Marathon zu meistern. Vielleicht einhundert Meter geht es leicht bergan und wie es zu einer Bergetappe gehört, macht eine Band richtig Stimmung, so dass ich den Anstieg in lockerem Schritt nehme und mir keine Gedanken mache, ob ich damit vielleicht unnötig Körner verbrate. Auf der anderen Seite geht es wieder runter und ich befinde mich nun endgültig auf dem Rückweg.

Die Sonne hat sich leider wieder hinter den Wolken versteckt und es wird wieder merklich kühler. Die restlichen dreizehn Kilometer zurück nach Zürich können noch lang werden. Ich versuche mein Tempo weiterzulaufen, was mir auch gut gelingt. Abwechslung habe ich durch die entgegenkommenden Läufer, die hinter mir liegen. Dabei entdecke ich eine Gruppe, die mich sehr rührt. Ein offensichtlich schwerstbehinderter junger Mann, dessen Beine in einem Geschirr stecken, wird von zwei Helfern gestützt über die Strecke geführt. Er trägt die Nummer des Teamlaufs. Die Helfer erfüllen ihm aufopferungsvoll den Wunsch, einmal bei einem Marathon dabei zu sein. Tief beeindruckt applaudiere ich ihnen zu. Mit einem Lächeln signalisiert mir der junge Mann, dass er sich darüber freut.

Gerade als ich mich gedanklich wieder etwas zurückziehen will, taucht vor mir ein Laufshirt auf, das ich kenne. Es ist schwarz und trägt den Aufdruck „100 Marathon Clubs Ireland“. Ich versuche aufzuschließen, um den Läufer anzusprechen. Als er sich zu mir umdreht, traue ich meinen Augen nicht. Nach Wah Sing aus Malaysia treffe ich nun auch noch Leo aus Dublin. Wir haben uns vor drei Jahren in Wexford kennengelernt. Er ist ein guter Freund von Dee Bolland, dem Veranstalterin des Wexford Marathons, mit dem ich regen Kontakt habe. Wir verabreden uns direkt für Wexford in zwei Monaten.

Für mich geht`s weiter in Richtung Zürich. Es läuft heute wirklich alles völlig entspannt. Ich erreiche  erneut Küsnacht, bei Kilometer 36 Riesbach und kurz darauf Zürich. Über die Dufourstraße geht es weiter bis zum Bellevueplatz. Das Corso, das mir wohl auf dem Hinweg entgangen ist, wurde 1900 als Varietétheater eröffnet und ist seit den 40`er Jahren ein Lichtspielhaus und zugleich Heimat des Mascotte, Zürichs ältestem Nachtclub. 1977 bezog kein geringerer als Udo Jürgens ein Penthouse direkt über dem Mascotte, dessen Mitinhaber er auch war. Zu seinen Ehren ist noch heute am Eingang ein goldenes Klingelschild mit seinen Initialen zu finden.

Über die Quaibrücke und die Bahnhofstraße drehe ich noch eine kleine Runde durch die Innenstadt, die ich einfach nur genießen will. Es sind noch drei Kilometer und ich verschärfe leicht mein Tempo,  da ich noch ein paar Körner übrig habe.  Den ein oder anderen Läufer vor mir kann so noch einsammeln. Meist sind es Teamläufer, so dass sich an meiner Platzierung nicht wirklich etwas ändert. Schließlich kann ich hören, wie mein Namen gerufen wird. Ich werde im Ziel begrüßt, der schöne Zürich Marathon liegt hinter mir.

Ich bekomme eine tolle Finisher-Medaille umgehängt und das farbenfrohe Finisher-Shirt überreicht. Kurz darauf treffe ich wie ausgemacht auf Wah Sing. Wolfgang ist auch da und zusammen haben wir jede Menge Spaß.

Der Zürich Marathon ist perfekt organisiert, die Strecke klasse und die Stimmung ebenfalls. Sogar das Wetter hat prima gehalten.  Da gibt`s nichts zu meckern, oder wie der Züricher sagen würde: Da gits nüüt z hueschte!

 

Informationen: Zürich Marathon
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