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Laufberichte

Wo ist Paul?

 
Autor: Joe Kelbel

Viele fragen mich, was ich denn hier bei einem Stadtmarathon suche. Dabei ist dies ja nicht irgendein Stadtmarathon, sondern ein rheinischer und die sind immer lustig, und eine Reise wert.

Auffallend sind die vielen japanischen Läufer. Mit über 6500 Japanern ist Düsseldorf die einzige Japantown Deutschlands. Seit über 100 Jahren schicken japanische Firmen ihre Mitarbeiter- meist kurzfristig- zu ihren Niederlassungen nach Düsseldorf. Junge Japanerinnen studieren an der Musikhochschule oder an der Kunstakademie, wo ich eventuell nächste Woche einen Modelljob kriege. Auf Ein-Euro Basis, mehr ist wohl nicht drin.

Die japanische “Kolonie” in Düsseldorf begründet sich auf die preußische Ostasienexpedition von 1861, bei der der Düsseldorfer Kaufmann Louis Kniffler erste  Freundschafts- und Handelsverträge abschloss. Kniffler wohnte in der Ratinger 49, sein Unternehmen ( C.Illies & Co ) residiert seit seinem Tode 1888 in Hamburg, das seitdem  Zentrum des Ostasienhandels ist. Der Durchbruch für die Japaner in Düsseldorf gelang dann aber 1904 bei der Kunst-und Gartenausstellung. Die damals dort tätigen Japanerinnen haben einige Düsseldorfer Männer einfach vom Hocker gehauen, seitdem setzen sich Schlitzaugen in Düsseldorf zunehmend genetisch durch, weswegen der Japanische Garten nachts abgesperrt werden muss.

Heute sind viele japanische Familien entlang der Strecke, sehr dezent. Ich hoffe, das bessert sich in den nächsten Jahren, denn die Läufer zeigen schon, dass sie ebenso verrückt sind wie wir Deutsche: Halbnackt, in Sandalen oder mit Verkleidung, Hauptsache Marathon. Angenehme Bereicherung der Laufszene.

Vor einer ewig langen Ziegelmauer sitzen zwei Männer in der Sonne am Biertisch und trinken - Kaffee! Und ne Wasserflasche daneben. Die sind ja so herzlich bescheuert! Sowas liebe ich bei den Stadtmarathons. Ob sich Fotografen auf die Erde werfen, um beste Fotos zu schießen, oder das Altersheim zum Lüften an die Laufstrecke befördert wird, alles voll bescheuert!

Im Vorbeihetzen löse ich sämtliche Bremsen an Rollatoren und Rollstühlen, brülle extra laut, falls die Batterie eines Hörgerätes ausgefallen ist: “Macht mal Stimmung, ihr grauen Panther!”  Ein, zwei hellere Omies strahlen, den anderen erklärt ein Pfleger die Weltordnung. Schade, wenn diese Menschen nach uns wieder in den Winterschlaf versetzt werden. Klasse, dass wir zu etwas Restleben beitragen dürfen, das sollte Schule machen!

Später komme ich am Gegenteil vorbei, an einer Flower-Power-Krabbelgruppe. Sämtliche Kinder machen schon Mittags-Heia, weswegen die Eltern ohne ihre Überwachung nun richtig aufdrehen und diesen sonnigen Sporttag zusammen mit den Läufern genießen.

Peer erzählt mir, wie er zusammen mit Bernd den Ultra in Mallorca ganz ruhig gelaufen ist, mit Auskostung der gesamten, erlaubten Zeit. Eigentlich wollen wir heute auch ruhig laufen, doch die Strecke ist sehr schnell und frei zu laufen. Mich bremsen dann aber doch die zahlreichen Fans entlang der Strecke.

Weil während eines Marathons alle Seiten ziemlich überdreht sind, lässt sich Kontakt ganz einfach knüpfen. Und so ein bekloppter Läufer mit m4y-Logo ist gerne gesehen bei denen, die ich “Heimbewohner” nenne, weil sie vor lauter Begeisterung  für uns Läufer die Frikadellen auf dem Grill vergessen. Von der CDU ergattere ich eine Bratwurst. Bis zur Bundestagswahl laufe ich sicherlich noch einige Stadtmarathons. Viele Kinder verteilen von den Eltern finanzierte Getränke, unterstützen die hochmotivierten Helfer an den Verpflegungsstellen. Sehr nett!

Ein anderer Bernd ist ein bisschen fülliger als sonst, konnte in diesem Jahr krankheitsbedingt noch gar nichts laufen. Hat noch nicht mal Training gemacht, weswegen wir uns auch gleich gut verstehen. Spontan hat er seine Startnummer bei ebay erstanden, 5 faire Euro kostet die Ummeldung, damit ist Düsseldorf gutes Vorbild.

Junge Helferinnen liegen müde vor einem Absperrgitter: “ Seid ihr schon lange hier?”- “Ja, seit 7 Uhr!”. Ups, da war Paul ja noch in Kenia, alle Achtung!

Alle Helfer haben diese großen Fresstüten des Hauptsponsors Metro bekommen. Uns erwartet diese Belohnung erst im Ziel. Metro weiß, dass ich Bananen, Äpfel und Wasser auch zuhause bekomme. Deswegen an dieser Stelle ein großes Lob für die außergewöhnliche Finishergabe mit Erdnüssen, Brezeln und Salami. Allein das Pfand der Getränkedosen finanziert schon meinen nächsten Lauf. Das Duschgel habe ich dann auch gleich in der Mädchendusche verbraucht. “Fine Dreaming” stand auf der Gelflasche, ich glaub Joghurt war auch drin.

Ein großes Lob auch an die zahlreichen Musiker. Hab sehr viel Spaß mit Euch gehabt. Immer wenn ich mir Zeit nehme für die Leute am Streckenrand, werde ich  aufgefordert, nicht meine Zeit zu vergeuden. Dabei bin ich doch wegen dieser Fans hier. Sonst könnte ich auch in der Wüste laufen.

Die Zielverpflegung ist gigantisch. Zunächst natürlich der Erdinger Stand. Eigentlich geht kein Marathon mehr ohne das Sponsoring von Werner Brombach, dem Chef der größten Weißbierbrauerei der Welt. Neben dem FC Bayern gibt es kein deutsches Unternehmen mit so vielen Fanclubs.

Dann gibt es die besagte große Verpflegungstüte der Metro, darin ein Handtuch, für die Hüfte, theoretisch. Es hätte in der Mädchendusche eh nichts genutzt. Ich werde es als Taschentuch benutzen, aber ansonsten habe ich mich köstlich amüsiert.

Die Berge an Berlinern können wir Läufer nicht mehr vertilgen. Der Kleiderbeutelabgeber denkt aber mit, und so verteile ich wenig später auf dem Marktplatz marmeladengefüllte Berliner an die halb verhungerten Chear-Leader- Mädchen. Die haben ja wirklich nichts am Bauch.

Wieder Zug verpasst. Wo ist Paul?


Marathonsieger
Männer

1 Dereje Debele Tulu (ETH) 02:07:48
2 Pius Dominic Ondoro (KEN)  02:08:17
3 Duncan Koech (KEN)  02:09:10

Frauen

1 Melkam Gizaw (ETH)  02:26:24
2 Rebecca Kangogo Chesire (KEN) 02:27:52
3 Agnieszka Ciolek-Mierzejewska (POL) 02:33:36

2965 Finisher

12
 
 

Informationen: Uniper Düsseldorf Marathon
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