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Laufberichte

Marathon Lake Tahoe: Die fünf Phasen

29.09.13 Special Event
 


Etwa alle zwei Meilen gibt es eine Verpflegungsstelle. Weil die beste von Ihnen von den Läufern nach dem Marathon gewählt wird, geben sich die zahlreichen Helfer allergrößte Mühe, die Läufer nicht nur mit Isogetränken, Wasser und Snacks zu unterstützen, sondern möglichst jedem einzelnen einen persönlichen Motivationsschub zu geben. Die Bandbreite der Snacks ist groß und jeder Verpflegungspunkt hat etwas anderes im Angebot: Von Brezeln und anderem Salzgebäck, Trauben, Gummibärchen und Müsliriegeln ist alles dabei und zweimal gibt es sogar Chocolate-covered raisins (Schokorosinen), ab heute mein Lieblingsnack beim Laufen. Man weiß nie, was es an der nächsten Verpflegungsstelle geben wird, aber eine Motivation dort schnell anzukommen (und wieder zwei Meilen hinter sich zu lassen), ist es allemal.



Nach einem leichten Anstieg erreichen wir bei Meile 11 (17,6KM) Meeks Bay. Umgeben von immergrünen Nadelbäumen wohnen hier an diesem idyllischen Fleckchen heute nur wenige Menschen. Von 1929 bis 1972 gab es aber sogar noch ein Postamt. Der saphirblaue See taucht nun immer wieder zwischen den Bäumen hervor und die Sonnenstrahlen bahnen sich auch so langsam ihren Weg auf die Strecke.

Jetzt geht es etwa 4KM bis zum Rubicon Point hinauf. Bei Meile 13.1, 21KM, steigen die Halbmarathonläufer ein. Bis hier hin haben sie eigentlich nicht viel verpasst. Trotzdem bin ich froh, die Hälfte schon geschafft zu haben und freue mich sogar auf „den letzten Rest“. Haben uns heute Morgen noch die Triple-Läufer überholt, so sind es jetzt wir, die Marathonläufer, die die Halbmarathonläufer und –walker überholen. Und wie ich heute Morgen ehrfürchtig auf das Laibchen der Triple-Läufer geblickt habe, so ruft nun auch meine Marathon-Startnummer Anerkennung der soeben auf die Halbmarathonstrecke entlassenen Läufer hervor. Mit dem Einstieg der Halbmarathonläufer enden zunächst die Anstiege und es folgt eine angenehme downhill-Passage über etwa 2 Meilen (3,2KM), auf der man einmal so richtig große Schritte machen kann und auch machen sollte.



Denn genau bei Meile 15.2 (24,5KM) beginnt der Aufstieg zum „Hill from Hell“: Bis zum Gipfel dieses Höllenberges sind es 1.6 Meilen (2,6KM), das bedeutet einen Anstieg von insgesamt 520‘ (160HM). Auch wenn dies nicht unbedingt meinen Vorstellungen von Berg oder gar Hölle entspricht, so hat manch ein Läufer oder Walker hier doch durchaus schwer zu kämpfen. 

„If you’re going through hell, keep on going, don‘t slow down, if you’re scared dont show it…“, diesen Countrysong im Kopf, arbeite ich mich nach oben. Zum Thema Musik fällt mir noch ein: Ich höre leidenschaftlich gerne Musik, den ganzen Tag und bei so ziemlich allem was ich mache. Also auch beim Laufen. Im Trainingslager verpönt, habe ich versucht, den Konsum zu reduzieren, was mir auch durchaus gelang. Aber sollte die Zeit bei dem einen oder anderen Lauf doch einmal etwas besser sein, dann brauche ich die Knöpfe in den Ohren. Heute habe ich besagte Knöpfe zwar dabei, aber gedacht sind diese nur für den Notfall.  Dieser Anstieg ist definitiv noch kein Notfall. Nichtsdestotrotz gilt, je härter der Lauf, desto besser die Aussicht. Und die kann sich hier wirklich sehen lassen.

Die Schönheit des Sees lässt sich kaum in Worte fassen und die Aussicht raubt einem mehr den Atem, als die dünne Luft auf dieser Höhe. Die blaugrauen Berge der Sierra Nevada im Hintergrund, umgeben von dunkelgrünen Nadelbäumen rahmen den tiefblauen See, den man nun von der Strecke aus nicht aus den Augen verlieren kann, ein. Das Wetter macht die Szenerie erst vollkommen: Strahlender Sonnenschein und kein Wölkchen mehr am Himmel. Wer hätte gedacht, dass wir mit dem Wetter noch so viel Glück haben würden, sah es doch heute Morgen und auch auf den ersten 10KM noch eher trüb und grau aus. Am Gipfel werden wir bereits von dem Dudelsackspieler erwartet, der auch schon beim Start die Läufer mit seinem Können in den Bann zog. Lange können wir den Tönen hier oben nicht lauschen, haben wir doch noch einige Kilometer vor uns.

Zum Glück hat meine Mama den IRONMAN vom letzten Sonntag noch in den Knochen, sonst würde sie mir hier am Berg wohl davonlaufen. Doch unter diesen Bedingungen können wir hier beide – Sie, müde vom letzten Sonntag und ich müde von den letzten 28KM, die einmalige Aussicht auf die Emerald Bay genießen. Und weil es hier stetig bergauf geht, haben wir dazu auch genügend Zeit.



Bei Meile 19 (30,4KM) und nach einem weiteren kurzen Anstieg von knapp 200‘ (60HM) steigen die 10KM-Läufer in ihr Rennen ein und wieder einmal bin ich froh über die Distanz, für die ich mich hier heute entscheiden habe.

Dieser Punkt heißt „Inspiration Point“ und gibt durchaus Inspiration und Motivation für die verbleibenden Kilometer. Ab jetzt geht es auch nur noch bergab und ungefähr auf der Höhe von Meile 22 (35,2KM) kann man in der Ferne bereits den Strand, Pope Beach, sehen, auf dem uns der Zieleinlauf und das Barbecue erwarten.

 


Nach dem Queren einer Brücke bei Meile 24 (38,4KM) biegt man bereits auf die verlängerte Zielgerade ein. Auf einem Radweg entlang des Highway und kurze Zeit später durch die Valhalla Historical Estates laufen wir in Richtung Strand.

 

 

Phase fünf – Akzeptanz

 

Bei Meile 26 ist das Zieltor in Sicht und ich kann es kaum fassen, mit meiner Mama Hand in Hand ins Ziel zu laufen.



Das hätte ich nun wirklich nicht schöner träumen können. Nachdem wir uns am Strand etwas ausgeruht und unsere Füße im See gekühlt haben, gönnen wir uns ein frisch gegrilltes Hotdog und Cookies. Mit schweren Beinen machen wir uns danach auf den Weg zur Shuttlebus-Station, um mit einem von diesen klassisch-gelben Fahrzeugen wieder zurück Richtung Hotel zu fahren.

Meiner Mama fehlen jetzt nur noch zwei Kontinente für ihr Ziel, auf jedem einen Marathon zu laufen und mir… Naja, wenn ich darüber nachdenke, dann habe ich tatsächlich nie davon geträumt einen Marathon zu laufen. Aber jetzt, mit dem notwendigen Abstand zu Atemnot und Gelenkschmerzen nach der Ziellinie muss ich feststellen, dass Marathontraining eigentlich glücklich macht. Es macht müde und hungrig. Man schläft mehr. Isst mehr. Und wen würde das nicht happy machen?

Genau zehn Jahre nach meinem ersten Marathon laufe ich freudestrahlend Hand in Hand mit Natascha über die Ziellinie. Keine andere Mutter könnte in diesem Moment glücklicher sein! Andrea Helmuth

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