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Laufberichte

Marathon de la Liberté: Auf den Spuren der Invasion in der Normandie

15.06.25 Special Event
 

In Frankreich heißt der Marathon de la Liberté  (Marathon der Freiheit), ich habe ihn als D-Day-Landings-Marathon im Web gefunden. Damit ist schon einmal klar: Wir sind in die Normandie, wo am 06.06.1944 die Alliierten gelandet sind, um im 2. Weltkrieg gegen Nazideutschland eine weitere Front zu eröffnen. Ich bin gespannt, wie ich als Deutscher dort aufgenommen werde. 

Ein wenig angespannt reisen Silke und ich am Samstag nach Caen, wo sich die Marathonmesse und das spätere Ziel befinden. Glücklicherweise finden wir uns am frühen Nachmittag am Exhibition-Center ein. Deshalb bekommen wir ohne großen Aufwand noch einen Parkplatz. Im Center selber werden die Pacemaker vorgestellt. Zur Startnummernausgabe geht es durch eine kleine Messe, wo sich weitere interessante Marathonveranstaltungen in Frankreich präsentieren. Mal sehen, ob mir mein erster Marathon in Frankreich Lust auf mehr macht. Die Startnummer bekomme ich unverzüglich ausgehändigt, aber auch nicht mehr.

Letzte Infos gibt es für den morgigen Bustransfer zum Start, der in der Startgebühr enthalten ist. Zwischen 6.00 und 7.30 Uhr soll es losgehen. Um den Sammelplatz morgen auch sicher zu finden, erkunden wir schon einmal kurz die Stadt.

Nach dem Abendessen geht es zeitig ins Bett, denn der Wecker klingelt bereits um 5.20 Uhr. Das Frühstück besteht aus einem am Vortag erworbenen Baguette mit einer Apfelschorle aus dem Reisegepäck.Ein örtlicher Apfelsaft wäre die bessere Alternative gewesen, denn ich befinde mich im Herzen von Calvados, berühmt für seine Äpfel, den Cidre (Apfelwein) und natürlich den gleichnamigen Brand, den ich später verkosten werden Erstmal bringt mich Silke pünktlich zum Bus, die aufgereiht auf die Läuferschar warten.

 

 

Angemeldet sind über 5.200 Teilnehmer, allein für den Marathon. Über die übrigen Strecken, 10 Kilometer, Halbmarathon und die Marathonstaffeln kommen noch einmal einige Tausend dazu. Während ich mich zu meinem Laufvergnügen für die nächsten Stunden verabschiede, hat Silke reichlich Zeit, sich nach einem stärkenden Frühstück noch ausgiebig die Stadt mit über 108.000 Einwohnern anzuschauen.

Derweil erreiche ich nach kurzer Fahrt Courseulles-Sur-Mer, wo mein Marathonabenteuer beginnen wird. Gelandet sind hier vor 81 Jahren Kanadier, denen auch ein Museum gewidmet ist.

Von den lebhaften Gesprächen bekomme ich nichts mit, ich spreche kein Französisch. Da bin ich froh, mit Jürgen noch einen Landsmann zu treffen. Er kommt aus Ostwestfalen und arbeitet in Bad Driburg, meinem Heimatort. So klein ist die Welt. Der Startbereich füllt sich und ich begebe mich in den hinteren Startbereich, denn besonders schnell werde ich heute wohl nicht sein. Die Sonne hat bereits jetzt viel Kraft und mit viel Schatten rechne ich nicht. Um mich herum sind viele bunte Gestalten. Einige sind offenbar Wiederholungstäter, denn das Finisher-Shirt des letzten Jahres fällt mir häufig ins Auge. Es ist gewidmet dem 80-jährigen Jubiläum der Landung der Alliierten.

Overlord war der Deckname. Die Landungszone war in fünf Bereiche aufgeteilt. Utah, Omaha und Gold, Juno und Sword. Die letzteren beide werden wir kennenlernen. 160.000 Soldaten, vor allem aus den USA, Großbritannien und Kanada landeten hier am D-Day, ungefähr 6.000 fielen alleine am ersten Tag. Und das war erst der Anfang.

 

 

Pünktlich um 9.10 Uhr wird der Marathon gestartet. Aufgrund der hohen Teilnehmerzahl erreiche ich erst nach 8 Minuten die Startlinie. Vom Atlantik sehen wir noch wenig, aber schon nach etwa 1,5 Kilometern geht es in Berniéres-sur-Mer erstmals ans Wasser. Dabei fällt das erste Denkmal für die erfolgreiche Rückeroberung der Normandie auf. Bis zum Ende des Küstenabschnitts des Marathons bei KM 16 werden in verschiedenen Badeorten weitere Denkmäler folgen, geschmückt mit den Flaggen der an der Invasion beteiligten Länder.

Unzählige Badekabinen lassen auf reges Strandleben im Sommer schließen. Da in Frankreich die Sommerferien noch nicht begonnen haben, sin heute die Marathonis das Auffälligste, deren Feld noch dicht beieiander ist. Begleitet werden wir bereits jetzt von Motorrädern, auf denen die Helfer das Geschehen genau beobachten. Immer bereit, bei Problemen zu helfen. In den dicht bevölkerten Badeorten stehen zahlreich Zuschauer Spalier. Immer wieder heißt es: Allez, allez! Da fallen die Schritte doch leicht. Gleich hinter Saint-Aubin-sur-Mer wartet die erste Verpflegungsstation. Es gibt Wasser in Plastikflaschen, dazu Bananen, geviertelte Orangen und getrocknete Mirabellen. Ein Sortiment, das bis ins Ziel erhalten bleibt.

 

 

Ein als Ritter gekleideter Mitläufer outet sich als Lokalpatriot. Die zwei goldenen Löwen finden sich im Wappen der Normandie wieder und erinnern mich an die gemeinsame Geschichte der Briten und Franzosen. 1066 wurde von hier aus England erobert, weshalb im Laufe der Geschichte die Normandie mehrfach zum Zankapfel zwischen beiden Ländern wurde.

Frederic und Maxence, mit denen ich mich auf Englisch unterhalte, freuen sich, auch einen Sportsfreund aus Deutschland zu treffen. Es entwickelt sich auf den nächsten Kilometern ein nettes Gespräch. Dazu passt das Wetter, nur vereinzelt schieben sich Wolken vor die Sonne und manchmal weht eine angenehme Brise. Ich bin gut unterwegs und habe die Pacemaker für 4.30 Stunden noch immer im Blick

Bei KM 10, kurz vor Hermanville-sur-Mer, wieder ein Denkmal in Form eines Panzers. Die jüngere Geschichte ist keinem Ort, den ich kenne, so präsent wie hier.  Unzählige Portraits Veteranen die im 2. Weltkrieg an den Kampfhandlungen in der Normandie beteiligt waren, sind an den Straßenrändern aufgestellt. Hört man dazu die Klänge aus dem Dudelsack, wird einen ganz anders. Einem von ihnen, Bill Millin, wurde sogar ein Denkmal gesetzt.

 

 

Noch kann ich die frische Meeresluft genießen, kurz vor KM 15 ist Colleville-Montgomery erreicht und ich werde mich bald vom Atlantik verabschieden müssen. Ein Riesenrad kündigt das Ende dieses Abschnitts an. Ich biege hier ins Landesinnere ab und durchlaufe Ouistreham. Links ist ein deutscher Hochbunker stehen geblieben. Heute beherbergt er ein Museum, in dem es viel  aus der Zeit zu sehen gibt..

Der östliche Rand der Landungszone ist erreicht. Die Strecke führt noch kurz zum Hafen und biegt dann nach Süden ab. Der Blick auf Wasser bleibt mir noch erhalten, denn die Strecke begleitet links der Kanal, der Caen mit dem Ärmelkanal verbindet. Erbaut wurde er Anfang des 19. Jahrhunderts auf Befehl Napoleons. Wenig Aufmunternd ist der Blick geradeaus, auf die schnurgerade Strecke. Mittlerweile lege ich mal eine Gehpause ein, die ich jedoch als Reaktion auf die Anfeuerungsrufe der Zuschauer gleich wieder abbreche. Ich verstehe zwar kaum, was mir zugerufen wird, kapiere dann aber, dass meine bunten Socken eine Rolle spielen, die den Leuten offenbar gut gefallen.

 

 

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Kurz nach der Halbmarathonmarke erreiche ich die Pegasusbrücke. Sie wurde am D-Day von britischen Fallschirmjägern als erste eingenommen und gehalten. So konnte verhindert werden, dass eine deutsche Panzerdivision die Angreifer in Bedrängnis bringen konnte. An der Brücke warten zahlreiche Zuschauer. Kurz darauf verlasse ich den Kanal in Richtung Westen. Bis ins Ziel warten noch die sanften Hügel, die zwischen Caen und dem Ärmelkanal liegen. Sie bescheren mir noch die meisten der heute zu bewältigenden etwa 120 Höhenmeter. Bei KM 25 erreiche ich Blainville-sur-Orne. Hier dürfen die Staffelläufer ein weiteres Mal wechseln.

 

 

Kurz nach KM 28 liegt bereits das nächste schmucke Örtchen, Biéville-Beuville hinter mir. Es verbleibt also weniger als ein Drittel der Strecke, als ich auf Chu, Stephane und Ronan auflaufe. Die Verständigung auf Englisch klappt auch diesmal ausgezeichnet. Gemeinsam ist uns die erste Teilnahme hier und dass uns der Marathon heute sehr schwerfällt. Letztlich, soviel sei vorweggenommen, werden wir glücklich das Ziel erreichen. Erst einmal versuchen wir, uns auf den folgenden Kilometern gegenseitig zu motivieren. So geht es einigermaßen locker weiter. Wenn auch nicht unbedingt gleichmäßig.

Bei strahlendem Sonnenschein erreichen wir Périers-sur-le-Dan. Mittlerweile habe ich mich an die Verpflegung gewöhnt und greife mir eine Mirabelle und Wasser. Die Helfer sind noch hoch motiviert. Die nächsten Kilometer führen durch Felder nach Mathieu. Jetzt sind es nur noch 10 Kilometer bis ins Ziel. Auffällig sind die meist eingemauerten Grundstücke und das spärliche Grün entlang der Straße. Nur noch selten schieben sich Wolken vor die Sonne. Erschöpfung macht sich breit. Den motorisierten Aufpassern kann ich dennoch signalisieren, dass ich in Ordnung bin.

 

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Impressionen

(Silke Pitz)

 

 

Langsam neigt sich der Marathon dem Ende zu. Die Strecke führt jetzt leicht nach Südosten, Caen und dem Ziel entgegen. Nur noch einige Felder trennen mich von der Stadt, die in diesem Jahr ihr 1.000jähriges Bestehen feiert. Meine Begleiter haben sich zurückfallen lassen, obwohl auch ich ziemlich gemütlich unterwegs bin. 8 Minuten brauche ich pro Kilometer.

KM 35, endlich spenden Bäume erholsamen Schatten. Um mich herum wird abwechselnd gelaufen und marschiert. KM 39, die Strecke führt leicht abwärts, ich kann mein Tempo kurzfristig noch einmal steigern. Immer wieder versuche ich, mich an andere Läufer dran zu hängen, was nicht immer gelingt. Trotzdem erreiche ich bald bei KM 41 die Innenstadt. Rechts grüßt die alte Kirche St. Saveur, deren Anfänge auf das 11. Jahrhundert zurückgehen. Über den gleichnamigen Platz hinweg werde ich vom Publikum lautstark angefeuert. Rechts noch die Abtei St. Etienne, gestiftet durch Wilhelm I., der Eroberer. Hier wurde er auch begraben. Er hatte die Stadt entscheidend gefördert und zu einem Zentrum in der Normandie entwickelt.

 

 

Ich lächle Silke zu, die mich bereits erwartet.  Mit dem gleichen Lächeln laufe ich kurz darauf ins Ziel dieses geschichtsträchtigen und anstrengenden Marathons. Eigentlich sind alle hier am Lächeln, auch die Helfer. Nicht zuletzt lächelt mich das üppige Buffet mit dem besten, was die Normandie zu bieten hat, an.  Fehlt nur der Calvados. Aber ein Cidre und der gute Apfelsaft tun es auch.

Die Organisation und die Helfer muss ich uneingeschränkt loben. Sie haben alles gegeben und den  Teilnehmenden ein besonderes Erlebnis beschert. Die Normandie ist aus vielen Gründen eine Reise beziehungsweise einen Marathon wert.

 

 


 
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