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Laufberichte

Burgos Ultra Trail: Der Weg der Legenden

21.09.16
Autor: Joe Kelbel

4. Etappe 52 km +1800m – 1500 m
Der Heilige Millan, Einsiedler und Krieger, Vater von Kastilien

 

In allen Religionen der Welt gelten Einsiedler wegen ihrer asketischen Lebensweise als spirituelle Verbindung zu den Göttern. Als Jesus 40 Tage in der Wüste fastete, wollte der Teufel ihn verführen: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein zu Brot zu werden.“ Jesus antwortete: „ Der Mensch lebt nicht von Brot allein“.  

Auf diesem Trail gibt es Frühstück und Abendessen, auch Fleisch, Bier und Rotwein ist in Spanien traditionell inbegriffen. Ich bin erstaunt, dass fast alle Läufer  schon nachmittags zu alkoholischen Getränken greifen. Wer im Camp ankommt, erhält eine heiße Suppe und gesunde Ökokost. Das Gepäck wird täglich zum Etappenziel transportiert.

 

 

In der Sierra de la Demanda, dem Gebirge der Fragen (2200 m), grub sich im 6ten Jahrhundert der Priester Millan, Sohn eines Schäfers, in eine Höhle ein und lebte dort 40 Jahre, bis er im Alter von 101 Jahren starb. Sein Grab in der Höhle, die er schuf, ist seit dem Zeitalter der Westgoten eine heilige Pilgerstätte.

Soweit nichts Besonderes, doch viele hundert Jahre später (939) erscheint Millan auf dem grausamen Schlachtfeld, als König Ramiro II von León in der Schlacht von Simancas gegen Abderraman III, den Emir des Kalifats Cordoba zu verlieren schien, und drehte den Ausgang des Gemetzels im letzten Augenblick: Er ritt in seinem Erimitenkleid auf einem weißen Pferd und schlachtete mit seinem Schwert die Mauren nacheinander ab. Millan ist seitdem der Schutzpatron von Kastillien. Der höchste Berg, den wir heute überwinden werden, ist nach ihm benannt.

Ramiro dehnte den christlichen Bereich daraufhin vom Fluß Douro zum Fluß Tormes aus. Praktisch schon auf dem Sterbebett, besiegte Ramiro 950 in der Schlacht von Talavera de la Reina, im Tal des Tajo, die Mauren zum wiederholten Male. 900 Jahre später (1809) kämpften hier 32.500 spanische zusammen mit 19.000 britischen Soldaten unter der Leitung von Wellington, der sechs Jahre später in Waterloo siegte, gegen den älteren Bruder von Napoleon, Joseph Bonaparte, der mit 46.000 Mannn angetreten war.

Unser heutiger Trail führt zunächst auf dem Jakobsweg (Camino de Santiago) zum Kloster von San Juan de Ortega, dann durch den Wald hinauf in die Berge. Ab dem Dorf Alacia beginnt ein steiler Aufstieg zum Gipfel des Trigaza, weiter über einen rauen Trail bis zum Höchstpunkt des Laufes auf dem Berg San Millan. Von hier geht es scharf auf der südlichen Seite nach unten. Ziel ist das Dorf Pineda de la Sierra.

 

 

Hier oben ist der Jakobsweg etwa 10 Meter breit ausgetreten. Rechts ein militärisches Sperrgebiet mit drohendem Stacheldrahtverhau. Es könnte sich um die spanische Aera 51 handeln, wenn man Erich von Daenicken glauben schenkt. Nein, die Story hebe ich mit für die Schlußetappe auf.

Wir laufen entgegen der Pilgerroute, was die Pilger irritiert. Viele haben den Pilgerstab und die Jakobsmuschel dabei. Mit dem Sympol der Jakobsmuschel ist der Weg gut gekennzeichnet. Die Muschel ist das Symbol dafür, dass alle Wege nach Santiago führen. Nach 10 Kilometern kommen wir zum Schlachtfeld, wo Ramiro und später Welligton siegten.

Die Sierra de Atapuerca ist eine ehemalige Lagune, hier fand man die Knochen des Homo Antecessors. Hier soll Öl mit der Frakingmethode gewonnen werden. Ich verstehe den Protest der Einwohner.

Im Morgenlicht sehen die Gruppen der Pilger mythisch aus. Rechts nun sechs Gedenksteine an die Schlacht gegen Napoleon. Hinter dem Kloster von San Juan de Ortega haben Hippies ihr Lager, verkaufen Kaffee und vielleicht auch was zum Rauchen. Wir verlassen den Camino de Santiago, laufen über weite Brandschneisen hinauf zum Berg San Millan.

Etwa gegen 17 Uhr komme ich an unserer heutigen Herberge an. 3 Stunden Tiefschlaf, dann Abendessen, um 21 Uhr gehe ich wieder Schlafen. Ein Käuzchen ruft vom Kirchturm gegenüber. Um 22:30 Uhr  höre ich, wie Helena ins Ziel kommt.

 

5. Etappe 43 km + 600m-800m
Die Legende von El Cid, dem edlen Ritter
und Nationalheld von Spanien

 

Rodrigo Diaz de Vivar (Roderich, Sohn des Diaz, geboren in der Stadt Vivar del Cid), war ein ruhmreicher Söldnerführer, der wegen seiner erfolgreichen Schlachten von den Mauren „El Cid“ genannt wurde. Cid bedeutet Kämpfer, ist die Urform von „Champion“.  Er selbst nannte sich Campeador (Duellkämpfer), wegen seiner unendlich vielen gewonnenen Zweikämpfe. Er kämpfte nicht im Auftrag eines Königs, die sagenhaften Rückeroberungen von Städten Dörfern und Landstrichen von den Mauren führte er eigenmächtig durch. Glanzstück war die Rückeroberung von Valencia (1094) und die Verheiratung seiner beiden Töchter in die spanische, bis heute reichende Königslinie. So steht es in den Geschichtsbüchern.

 


 
Legendär sein Tod: Auf dem Sterbebett liegend, gab er das Versprechen, weiter gegen die Mauren zu kämpfen. Deshalb band man seinen geschminkten Leichnahm vor jeder Schlacht in voller Rüstung aufs Pferd. Sein treuer Hengst Babieca preschte mit dem Toten durch die Reihen der Mauren, die vor Schreck angesichts des Totgeglaubten die Flucht ergriffen.

Im Jahre 1102 wurde Valencia von den Almoraviden zurückerobert. Die Almoraviden stammten aus Zagora, der Karavanenstadt in der Sahara, deren Burg ich am 18.12 im Zuge des Zagora Sahara Trails durchqueren werde. Die Geschichtsbücher schreiben, König Alfons hätte die Gebeine von El Cid vor den Mauren aus Valencia gerettet.

Die Legende sagt, die Frau von El Cid, Doña Jimena, hätte die Knochen in das Kloster Pedro Cardeña in Burgos gebracht. In den nächsten 800 Jahren blieben seine Knochen so ruhelos, wie sie ehemals auf den Schlachtfeldern waren, und wanderten von Kloster zu Kloster. 1808 fanden Napoleons Soldaten die Knochen und begruben sie in Burgos. Nach Abzug der Franzosen kamen die Reste wieder ins Kloster Pedro Cardeña, 1842 in die Stadthalle und 1921 in die Kathedrale von Burgos. Die Kathedrale bleibt nun dem größten Helden der Spanischen Geschichte vorbehalten, die Könige von Kastilien müssen allesamt in den Klöstern am Rande von Burgos verharren.

El Cid besaß zwei Schwerter: Colada und Tizona. Er nahm Tizona dem Maurenkönig Buhari ab, nachdem er ihn getötet hatte, dann nahm es der maurischen Hauptmann Malik Bukar und schenkte es seinem Schwiegersohn zur Hochzeit. Der jedoch mißhandelte seine Frau, weswegen Malik das Schwert El Cid zurückgab. Das Schwert landete irgendwann im Militärmuseum in Madrid, Burgos hat es jetzt für 1,6 Mio Euro zurückgekauft. Es ist im Stadtmuseum zu besichtigen.

Die Klinge ist aus Damaszener Stahl, also aus mehreren, abwechselnden Lagen. Die Herstellungsweise ist unbekannt. Die Inschrift (übersetzt) lautet: „Ich bin Tizona, gemacht im Jahr 1040“. Die Jahreszahl stammt aus der Zeitrechnung der „Spanischen Ära“ und bezeichnet die Westgotische Zeitrechnung, die sich auf ein mystisches Ereignis im Jahre 38 v Chr. bezieht. Wir wissen nicht, was dieses Ereignis gewesen ist. Somit datiert die Entstehung Tizonas auf das Jahr 1004 unserer Zeitrechnung. Das Schwert Colada mag auch gefunden worden sein, jedoch gibt es keinen lückenlosen, wissenschaftlich belegbarer Beweis für die Echtheit.

Unser heutiger Trail führt von Pineda de la Sierra entlang einer aufgegebenen Bahnlinie aus den Bergen hinaus. Es geht durch Wald und entlang von zwei großen Seen, durch mittelalterliche Dörfer. Endpunkt ist das Kloster San Pedro Cardeña, wo sich die leeren Särge von El Cid und seiner Frau Doña Jimena befinden. Ich komme recht frühzeitig im Kloster an, es war ja nur ein flacher Marathon. Salva ist unangefochtener Spitzenläufer, ich habe ihn letzten Monat im Höhentrainingslager in Kenia getroffen, wo er Nary für die Olympiade vorbereitet hat. Er wiegt nur 58 Kilogramm, aber nach 5 Etappen ist auch dies ein schwerer Brocken für mich.

Im Kloster leben Zisterzensiensermönche: Ora et Labora, Bete und Arbeite. Vor allem deren Arbeit in den Weinbergen interessiert mich, ansonsten verdient man Geld damit, daß man Klausen für Ruhesuchende vermietet, unsere heutige Schlafgelegenheit. Keine dunklen Verließe, sondern wunderschöne Zimmerchen mit eigenem Bad und Klo. Ohnehin ist das Kloster aus dem 6. Jahrh. kein Original mehr. Zuerst von den Mauren zerstört, später von Napoleon abgefackelt, verfiel es bis zum 20. Jahrhundert. Dann kam der Bürgerkrieg, bei dem die Nazis übten, dann die Kommunisten. Erst in den 70ern wurde es wieder aufgebaut.

Einer, der es malerisch ausgestattet hat, ist Juan Vallejo. Er führt uns durch das Kloster. Im Kreuzgang ist eine heilige Quelle, sie war in der Zeit der Kommunisten eine der wenigen  Quellen, die nicht vergiftet war. Hier in diesem Kreuzgang wurden 200 Mönche von den Mauren ermordet, das war an einem 6ten August. Nun fließt an jedem 6ten August Blut aus dieser Quelle.  Ich kann das nicht bestätigen. Aber wir sind die ersten Nicht-Mönche, die hier jemals hinein durften. Der Kreuzgang ist mit Panzerglas abgesichert, an den Säulen sind eindeutig Blutspuren zu erkennen. Wir sind auch die ersten „Ungläubigen“, die von der heiligen Quelle trinken dürfen. Sie heilt jede Krankheit. Meine Erkältung ist tatsächlich am nächsten Tag verschwunden. Meine Laufbesessenheit aber kann Wasser nicht besiegen.

Juan Vellejo hat die Kuppel über der kaiserlichen Treppe bemahlt (1971). Wir haben eine Stunde dort gesessen und seinen Worten gelauscht, ich bin eingeschlafen. Draußen wird in riesigen Pfannen die Paella zubereitet. Vegetarisch und eine Pfanne mit Huhn und Kaninchen nur für mich.
Um 21:15 findet das siebte und letzte Gebet der Mönche in der Kathedrale statt. Mit den Gesängen der Mönche entfliehen wir Läufer in eine heile Welt. Hat mir sehr gefallen!

 

6. Etappe 13 km +200 m- 300 m
Die Legende des Jakobsweges

 

Lange vor unserer Zeitrechnung und lange, bevor die Megalithbauten entstanden, pilgerten die Menschen an die äußerste Grenze der bekannten Welt, an die Costa do Morte, der Todesküste, um den Eingang der Sonne in die Unterwelt, in die ewigen Weiten des Atlantiks zu beobachten. Für den Apostel Jakobus ein Unding von Aberglauben, denn der Sonnenkult ist mit dem  Monotheismus nicht vereinbar. Also predigte er entlang der Stationen des Camino de Santiago und verkündete den Glauben an den einen Gott. 44 n Chr. kehrte er zurück nach Palestina, wurde dort von König Herodes enthauptet. So steht es in den Geschichtsbüchern.

 

 

Gemäß der wichtigsten Legende, die in Spanien kursiert, wurde der Kopf von Jakobus im Jahre 44 in Palestina in ein Schiff ohne Besatzung gelegt. Das Schiff strandete in Galicien, der Kopf wurde von dort ins Landesinnere transportiert, wo er im 9ten Jahrhundert von einem Erimiten gefunden wurde. Schädel von berühmten Personen wurden beschriftet.

Die Legende, die ich vor zwei Tagen in der Dorfkneipe hörte, besagt, daß  „Papst“ Karl der Große den Schädel als den Kopf von Jakobus identifiziert hätte. Daraufhin wäre der Pilgerstrom erst richtig ins Rollen gekommen. Bei so einer Diskussion glänzen meine Augen: Kann es wirklich sein, daß Karl der Große auch Papst war?

Papst Leo war bei den Römern so unbeliebt, daß man ihm Augen und Ohren durchstach. Er brauchte die Hilfe des mächtigsten Mannes der Welt.  Also sollte Karl der Große Beschützer von Rom werden. Der Chronist schreibt, daß der Papst, noch ehe Karl seine Rede beendet hatte, die Kaiserkrone ergriff und Karl krönte. Gibt der Chronist damit einen Hinweis, daß Leo taub war? Verschwieg er seine Blindheit? Oder war Leo schon längst tot und Karl krönte sich selbst und ging so manchem Herrscher mit seiner Selbstkrönung voran?

Jakobus, dessen Schädel- Grab in Santiago de Compostella ist, war der erstberufene Jünger von Jesus, wird auf aramäisch Boanerges (Donnersohn) genannt. Das passt zu Erich von Dänikens Überlegung, der Jakobsweg sei eine Bremsspur oder Startbahn eines Raumschiffes in vorgeschichtlicher Zeit gewesen. Die Menschen pilgerten entlang dieses Weges, um mit den Göttern zusammen in den Himmel zu kommen. Das Grab von Jakobus dient der Christianisierung der Startbahn.

Der Siloé Verlag aus Burgos verkauft übrigens für 8000 Euro Kopien des Voynich-Manuskriptes. Ein Buch, das niemand lesen kann, ein Buch in dem Pflanzen und Tiere vorkommen, die nicht von dieser Welt sind.

 

 

Wer war Jakobus? Wurde er doch 700 Jahre alt? Hat er Spanien in der Schlacht von Calvijo von der Herrschaft der Mauren befreit? Jakobus wird in den Kirchenreliefs „Matamoros“ genannt, also Maurentöter. Wahrscheinlich ist, daß seine Reliquien, sein Schädel die christlichen Soldaten auf den Schlachtfeldern motivierte.

Wir sind auf dem  eigentlichen Jakobsweg, der 800 km lange Camino Francés, der von den Pyrenäen nach Santiago führt. Ausgehend von der damaligen Zeit, in der die 800 Jahre bestehenden, mörderische Grenze zwischen dem Arabischen Kalifat und dem Römisch-Katholischen Reich bestand, war der  Jakobsweg von den moslemischen Kriegern so respektiert, daß sie niemals dessen Eroberung in Erwägung zogen. Ob Weg der Sonne, Bremsspur einer Untertasse, Startbahn der Götter, Landungspunkt eines Schädels oder einfach nur ein Highway:  Jeden,  der auf diesem Weg läuft, erwischt dieses einzigartige Gefühl.

 

 

Unser 252 Kilometer langer Lauf endet unter dem Torbogen Santa Maria. Ich hätte es nie geglaubt, aber es gibt das „Runners High“. Hinter dem Torbogen ist die Kathedrale von Burgos. Ich kann sie nicht besichtigen, ich bin eingeschlafen. 6 Stunden später wecken mich die Pilgerströme, die durch die schmalen Gassen unter meinem Fenster ziehen.

Die Legende sagt, ich hätte nach dem Galadiner bis zum Morgengrauen getanzt. Plausibel. Das ist ein besonderer Lauf! Und die Druiden haben Musik gemacht. Einwandfrei! Die Medaille ist aus Sterlingsilber. Ich werde sie nicht an die Wand hängen, dafür habe ich zu hart gekämpft.

Die nächste Austragung des Burgos Ultra Trail wird im Oktober 2017 sein, denn im September 2017 gibt es ein Event, der diesen hier nochmal topen könnte.  

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