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Laufberichte

Dreisamkeit am Binnenmeer

03.10.10

Dass jetzt schon wieder eine Verpflegungsstelle kommt, ist wirklich großzügig und ungewohnt – aber sehr willkommen, obwohl es erst zwei Kilometer her ist, seit ich dem flüssigen Angebot umfassend zugesprochen habe.

Kaum habe ich das Schild mit der 20 auf den Chip gebannt, kommt mir das Führungsfahrzeug entgegen, kurz vor der Einbiegung auf die Hauptstraße dann auch der Führende, wenig später, nach der Brücke über die Dornbirner Ache, der Zweitplatzierte (und nachmalige Sieger) und gleich im Anschluss daran auf der Brücke über den Neuen Rhein der Dritte. Perfektes Timing nennt man das, denn wenige Meter später ist die Begegnungsstrecke zu Ende.  Noch knapp zwölf Kilometer und ich laufe an dieser Stelle auch auf der Gegenseite. Bis es so weit ist, muss ich mich noch bewähren.

Der Beginn dieser Schlaufe führt hinein nach Fußach, an der Halbmarathonmarke vorbei, durch Wohngebiete und hinaus aufs freie Feld. Ich scheine nicht der einzige zu sein, der durch die unerwartet hohe Temperatur an diesem Oktobersonntag überrascht wurde. Links und rechts, vorne und hinten ist Lockerheit verloren gegangen, die sonst zum Plaudern anregt.

Was ich hier und auch anschließend in Höchst wahrnehme, sind die zahlreichen neu erbauten zweigeschossigen Häuser mit großen Fensterfronten in schlichter aber ausdrucksvoller, auf ein Minimum an Linien reduzierter Architektur. Da hat anscheinend ein Architekt eine begeisterte, zahlungskräftige Anhängerschaft gefunden. Und um gleich ein Vorurteil zu widerlegen: Noch haben wir die Grenze zur Schweiz nicht überquert. Dies erfolgt nach zwei weiteren Verpflegungsstellen bei Kilometer 25, diesmal an einer gut sichtbaren Zollstation.

Die Gemeinde St. Margrethen ist das Tor ins Rheintal. Im Jahre 1858 schon wurde die Eisenbahnstrecke St.Margrethen-Chur eröffnet und durch den Bahnanschluss um 1872 nach Bregenz erlangte der St. Margrether Bahnhof internationale Bedeutung. Mit dem Bau der Autobahnen A1 und A13 anfangs der sechziger Jahre erhielt St. Margrethen den Anschluss an das nationale und europäische Straßennetz. Industrie und Handelsfirmen, Transportunternehmen und Zollfreilager nützen diese günstige Verkehrslage aus. Diese Entwicklung prägte das Dorf entscheidend. Es ist keine touristische Perle, doch nicht das Aussehen macht es, vielmehr die Gesinnung. Wir Marathonis werden freundlich empfangen. Zum Zuschaueraufmarsch gesellen sich Cheer Leader-Nachwuchs und eine Guggenmusik. Diese beginnt aber erst zu schränzen, nachdem ich sie auf einem Bild verewigt habe.

 

St. Margrethen - Bregenz

 

Habe ich schon erwähnt, dass wir an diesem Stimmungspunkt auch wieder verpflegt wurden. Es könnte vergessen gehen, denn es passiert an diesem Marathon so häufig. Bevor wir nach einem wenig aufregenden Stück zwischen Wohnblöcken und Industrie zum Rheindamm kommen, ist es vor Kilometer 29 schon wieder so weit. Ich bin dankbar dafür, denn diesmal muss es für „lange“ vier Kilometer reichen, auf welchen wieder die Grenze nach Österreich passiert wird. Diesmal wieder ganz diskret. Nur das Staatswappen und ein Schild mit den Erläuterungen zum Grenzübergang für Fußgänger und Radfahrer erinnern daran.

Habe ich heute schon angetönt, dass ich lange Gerade auf breiten Straßen für Rennfahrer für geeignet halte, ich sie bei Marathons aber nicht so mag? Ich wurde erhört. Die endlos erscheinenden folgenden drei Kilometer legen wir auf einem schmalen Radweg mit minimen Biegungen zurück, den leichten Anstieg zur Brücke über den neuen Rhein aber immer in weiter Entfernung vor Augen…  Wenn jetzt der Kopf nicht mitmacht, ist die Grenze überschritten. Nicht sehr diskret, sondern für alle sichtbar. Dann läuft es nicht mehr – ich auch nicht. Ich kämpfe und erlaube mir nur zum Fotografieren Gehpausen. Dumm nur, dass es nicht viel zu fotografieren gibt.

Vor dem Einbiegen auf die Begegnungsstrecke feuern mich ein paar Kinder an, wie wenn ich bei der Spitze dabei wäre, dabei sehe ich sicher ziemlich bescheiden aus.  Macht nichts, es hilft.

Kaum bin ich auf der Begegnungsstrecke, kommen mir die Schlussfahrzeuge  entgegen. Entgegen kommt mir und meinem Zustand auch die nächste Verpflegungsstelle, die mir ordentlich Cola abtritt. Mit Bechern in beiden Händen habe ich eine gute Entschuldigung dafür, dass ich noch eine ganze Weile nachher weiterschlurfe statt zu laufen. Die verbleibende Kilometerzahl ist nun einstellig, doch es kommt mir noch lange vor, denn die nächsten drei Kilometer kenne ich vom Hinweg. Dies hat immerhin den Vorteil, dass ich mich auf die nächste Verpflegungsstelle mit der schönen Aussicht auf den See und der guten Stimmung freuen kann. Zu meinem großen Erstaunen zeigt die Band dort beste Marathon-Eigenschaften und gibt einige Takte dringend benötigten Anschub.

Nach dem Verlassen der Begegnungstrecke bei Kilometer 36 spule ich die Kilometer durch Hard ziemlich mechanisch ab. Die Dusche aus dem Gartenschlauch würde ich gerne annehmen, die Kamera in der Hand zwingt mich aber zum Verzicht.

Wieder geht es über die Bregenzer Ach, etwa einen Kilometer der Hauptstraße entlang. Den im Stau stehenden Automobilisten und ihren neugierigen Blicken will ich keinen Anlass geben zu denken, Marathon sei eine kranke Sache. Ich überwinde die entsprechende Grenze und versuche lockeren Schrittes zu laufen. 
Das Abbiegen von der Hauptstraße und das Eintauchen in ein Waldstück, in welchem Kilometer 40 beendet wird, helfen mir, diesen Schub mitzunehmen. Beim Zisterzienserstift Mehrerau halte ich Einkehr. Es sind rein fleischliche Bedürfnisse, die im Vordergrund stehen: die Versorgung mit Cola und Wasser. Für die spirituelle Einkehr bleibt mir genügend Zeit, wenn ich in den kommenden Tagen den Muskelkater auskuriere…

Gegen Muskelkrämpfe in den Beinen helfen mir die Kompressionsstrümpfe und es ist mir egal, wenn es sich dabei nur um einen Placebo-Effekt handelt. Jetzt muss ich mir nur noch etwas einfallen lassen, um den Muskelkrämpfen Einhalt zu gebieten, die sich nach meinem Fotohalt bei der schönen Klosteranlage einstellen. Offenbar habe ich mich im Bemühen, die Kamera während des Laufens mit der Hand nicht zu fest zu umschließen und damit vor eindringendem Schweiß zu schützen, welcher feuchtigkeitsbedingte Fehlfunktionen zur Folge hätte, etwas verkrampft. Die Quittung erhalte ich nun in Form von Krämpfen im – so vermute ich - großen Rundmuskel.

Ans Fotografieren ist in diesem Zustand sowieso nicht zu denken, zudem könnte ich, sofern ich den inneren Stallbewohner straff an die Leine nehme, trotz meines Nachlassens doch noch eine Zeit unter 3:45 schaffen. Ich versuche den Arm irgendwie zu halten, so dass der Krampf erträglich ist und mir die Extremität beim Versuch eines Schlussspurts nicht in die Quere kommt.

Von dem beeindruckenden Einlaufen ins Stadion und der Zielgeraden mit der Atmosphäre bedeutender Wettkämpfe kann ich also keine Bilder vorweisen. Einzig für den jungen Helfer, der mir die sehr schön gestaltete Medaille überreicht, hebe ich die Kamera hoch. Dafür nehme ich mir nach ausreichender Hydrierung am Stand der guten flüssigen Geister aus Erding ausgiebig Zeit für Fotos von nachfolgenden Läufern.

 

Ziel

 

In diesem Augenblick kommt mir die wärmende Sonne gelegen, ich spüre keine Hast zu den Duschen und kann mir Zeit lassen für Gespräche. Gerhard, spätestens seit Gondo bekennender Trailläufer, hat sich hier ebenfalls auf den Asphalt gewagt, Steffen hat das mit den neuen Zehenschuhen getan, Eddelene ist mir ihrem Mann aus Südafrika angereist und wird nach einer weiteren Ferienwoche mit ihm zusammen am kommenden Wochenende am Brüssel Marathon nochmals an den Start gehen.

Und die laufende Nase? Trotz Widrigkeiten zieht Daniel sein Ding durch. Ausgerechnet im Bereich des Wassers verlässt ein Ball die Flugbahn, hüpft auf die Brüstungsmauer und von dort auf die falsche Seite. Als Daniel seine Bahn verlässt, um den Ball aus dem Wasser zu fischen, rutscht er aus und nimmt ebenfalls ein Bad. Mit nassen, schweren Schuhen, dafür abgekühlt, führt er seine Mission weiter. „Aufgegeben wird nur ein Brief“, meint er im Ziel.

Bevor ich ein Fazit dieses Marathons ziehe, muss ich noch die Duschqualität unter die Lupe nehmen. So gut organisiert, wie der ganze Rest war, würde es mich verwundern, wenn es hier anders wäre. In der Tat ist im benachbarten Strandbad ein Duschzelt aufgestellt, in welchem à discrétion heiß geduscht werden kann. Also auch hier Daumen hoch. Den Arm lasse ich aber lieber unten, nicht dass ich nochmals einen Krampf bekomme.

Marathonsieger

Männer

1 KAMROMBOI, Evans (KEN)     02:17:36
2 Kipchumba, Kosgei Titus (KEN)     02:22:57
3 Chepngabit, Noha Kipruto (KEN)     02:38:04

Frauen

1 KIMUTAI, Helen (KEN)    02:43:35
2 Balz, Deborah (CH)  MILA  03:05:51
3 Cheruiyout, Gladys Jelagat (KEN)   03:15:59

123
 
 

Informationen: Sparkasse 3-Länder-Marathon
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