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Laufberichte

Zweimal Gold

09.06.12
Autor: Klaus Duwe

Vor uns taucht die riesige Siloanlage vom  Altenburger Kraftfutterwerk auf, daneben hat die Südostfleisch ihr Domizil. Beides sind sehr moderne Betriebe. Altenburg könnte mehr davon gebrauchen. Aber es gibt nur wenig  Arbeitsplätze in den meist kleinen, bestenfalls mittelständischen Betrieben, wie z. B. die Senf- oder die weltbekannte Spielkartenfabrik.  Zu DDR-Zeiten waren der Braunkohle- und Uranabbau von großer Bedeutung und gleich drei namhafte Firmen beschäftigten sich mit der Herstellung von Nähmaschinen. Keine überlebte nach der Wende. Deshalb ziehen viele Menschen weg. Die Einwohnerzahl ist von über 55.000 (1981) auf knapp 35.000 zurückgegangen.

Auch die anschließende kleine Runde durch den Wald kommt nicht ohne Anstieg aus und ist auch sonst nicht ohne Reiz. Ein kleiner Teich ist gänzlich von Algen überdeckt. Ein Traum in Grün.

So grün wie der See, so schwarz ist jetzt der Himmel. Wind kommt auf. Nein, es stürmt. Dicke Tropfen fallen vom Himmel. Zehn davon reichen aus, um einen Quadratmeter  zu bewässern. Ich verstaue meine Kamera wasserdicht und stemme mich gegen den Wind. In einiger Entfernung sieht man Blitze zucken, es donnert.  Am Ende einer kurzen Begegnungsstrecke ist eine Getränkestelle. Es gibt Sekt. Auf was soll ich anstoßen? Auf den Weltuntergang? Auch Christiane und Angelika lehnen dankend ab und geben lieber Gas. Himmel, legen die ein Tempo vor.  Die Zwei dürfen mir nicht auch noch entwischen, sonst habe ich gar keine Läufer mehr auf den Bildern.

Nach höchstens zehn Minuten ist der Spuk vorbei. Der Wind legt sich und zwischen den dunklen Wolken kommt die Sonne raus.  Kein Grund für die Mädels da vorne, ihr Tempo zu drosseln. Ich muss dran bleiben.

Waldemar Cierpinski mit seinem Intervall-Training fällt mir wieder  ein. Für seinen Lauf bei den Olympischen Spielen in Moskau hat er sich übrigens eine andere Taktik ausgedacht und sich vorgenommen, die letzten 5 km im Stile eines Mittelstrecken-Läufers zu laufen.  Ein Endspurt also über 5 km. Endsprechend war sein Training. Er erzählte, wie er abends todmüde nach Hause kam, und trotzdem noch ein paar Mal die Treppe zu seiner Wohnung im vierten Stock mehrmals hochhechelte. „Immer etwas mehr machen, als die Anderen“, war seine Devise.

Als er sich dann in Moskau die Strecke anschaute, erschrak er. Die letzten 5 km waren eine einzige Gerade, die man vom Anfang bis zum Ende einsehen konnte. Nie im Leben konnte man da jemanden davon laufen.  Trotzdem fiel ihm keine bessere Taktik ein und so hielt er sich daran.  Bei km 37 zog der das Tempo brutal an. Nur noch zwei Läufer konnten ihm folgen, aber keiner konnte ihn überholen. Er gewann in 2:11:03 mit 17 Sekunden Vorsprung.

Was will uns Waldemar Cierpinski damit sagen? Talent + Training + Wille = Erfolg
Jetzt wird mir klar, warum ich heute auf der Halbdistanz hinterher renne. Nur mit etwas gutem Willen ist einfach nicht mehr drin.

Links sehen wir das moderne Gebäude der schon erwähnten Spielkartenfabrik.  Beim Lindenau-Museum  beginnen wir dem ersten  Ansturm auf den Schlossberg. Statt uns anzufeuern, haben die Trommler eine Pause eingelegt. Ich reklamiere. Die Trommler kontern: „Wenn Du nicht auch mal Pause gemacht hättest, wärst Du zu schon lange durch!“ Da fällt mir nichts mehr ein.

Beim gerade neu renovierten Teehaus, dem 1706 erbauten herzoglichen Lusthaus, gibt es wieder Verpflegung. Unglaublich, die Wolken haben sich komplett verzogen, wir haben strahlend blauen Himmel.

Dann kann ich auch noch Traillauf üben. Die Pflastergasse ist so holprig und rustikal, dass mir kein anderer Vergleich einfällt.  Hinter Bäumen kommen die Roten Spitzen zum Vorschein, das  Altenburger Wahrzeichen. Die beiden Backsteintürme sind  Reste der  einst zum Augustinerkloster gehörenden Kirche. Kaiser Barbarossa höchstpersönlich kam zu deren Einweihung  im Jahre 1172. 

Jetzt wird es lebhaft. Wir sind in der Stadt, etliche Zuschauer säumen die Straße. Wir holen Schwung, um den Schlossberg ein zweites Mal zu erstürmen.   Diesmal nehmen wir sozusagen den Haupteingang hinauf zur Schlosskirche (1414). Auf der 1739 erbauten Orgel spielte Johann Sebastian Bach. Das Skatmuseum ist auch im Schloss untergebracht.

Wieder werden Sehnen und Muskeln auf  historischem Pflaster strapaziert.  Höhepunkt der neuerlichen Traileinlage ist eine Steintreppe hinunter in die Stadt. Dass es jetzt nicht mehr weit sein kann, ist nicht zu überhören. Auf dem Markt muss der Teufel los sein.

Hat man den letzten Anstieg bezwungen und kommt zum Markt, kann man nur noch staunen und genießen. Das Ambiente mit dem historischen Rathaus von 1564, den bunten mittelalterlichen Häusern und der Brüderkirche am Ende des Platzes, 1902 an der Stelle eines Franziskanerklosters erbaut, ist einmalig. Und einmalig ist auch Stimmung. Trommler und Sambatänzerinnen wechseln sich mit den Unkomplizierten, einer beliebten Rockband ab. Eine Guggemusik sorgt für weitere Abwechslung. Hundert Meter weiter hat Stefan Bräuer das Kommando, kommentiert das Geschehen, begrüßt die Finisher, die zuvor von einer Vereins- Abordnung abgeklatscht und mit Blumen empfangen werden. Dazu der Applaus und der Jubel von unzähligen Zuschauern. Einfach Klasse.

Hätte ich wie Waldemar Cierpinski zwei Goldmedaillen (zu vergebe), würde ich eine dem Orgateam verleihen und eine Stefan Bräuer und den Altenburgern für die Wahnsinns-Party auf dem Marktplatz. An dem, was hier abgeht, können sich wesentlich größere Veranstaltungen eine Scheibe abschneiden. 

Die Kosten für das Vergnügen sind echt bescheiden. 20 Euro zahlt man bei Anmeldung bis zum 31.12., 33 Euro zahlen Nachmelder. Dafür bekommt man in diesem Jahr ein Polo-Shirt in Funktionsqualität, eine Medaille, Kartoffelsuppe und Bier. Obst und die üblichen anderen Getränke und die Streckenverpflegung sind selbstverständlich. Die Urkunde druckt man sich im Internet aus.

Wenn es stimmt, was viele Läuferinnen und Läufer immer behaupten, nämlich dass ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis sehr wichtig ist, können die Veranstalter nächstes Jahr wieder mit einem neuen Teilnehmerrekord rechnen. 

Zum Schluss die Siegerehrung. Auf Altenburgisch geht das so: Die ersten fünf werden geehrt, dekoriert und reich beschenkt. Dann gibt es Sekt. Dabei bekommen die Sieger nicht eine Flasche oder ein Kartönchen in die Hand gedrückt, sondern ein Glas. Es wird angestoßen, mit den Siegern, den Offiziellen, den Zuschauern.

Ich kriege das im letzten Moment noch mit. Ich war nämlich die ganze Zeit am anderen Ende des Platzes, bei den Samba-Mädels …
     

Marathonsieger

Männer

1 Burkhardt, Steffen GutsMuths-Rennsteiglaufverein 2:51:16
2 Jahn, Volker SG Leipzig Leutzsch 3:09:02
3 Vieth, Alexander Hohenstein 3:10:18

Frauen

1 Thiele, Gabi WSV Ilmenau 3:40:13
2 Pein, Ute LVB Leipzig 3:48:34
3 Schädlich, Skadi Altenburg 3:50:39

120 Finisher

 

Impressionen

 

123
 
 

Informationen: Skatstadtmarathon Altenburg
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