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Laufberichte

Abseits der Hektik

 

Ich liebe Läufe durch die Nacht oder in die Nacht hinein. Laufen in der Dunkelheit hat eine besondere Atmosphäre. Die Tageshektik fällt ab, weniger optische Ablenkungen, die Stille, ich bin fokussiert auf mich und die Bewegung. Deswegen mag ich die Bieler Laufnächte, den Berliner Vollmondmarathon. Und im Norden, in Rostock, größte Stadt in Mecklenburg-Vorpommern, gibt es ja noch die „Marathon-Nacht“. Schon lange stand der Lauf auf meinem Plan und jetzt bot sich die Gelegenheit angesichts unseres Ostseeurlaubs an.

Um es vorwegzunehmen: viele der Teilnehmer bekommen von der Nacht nur wenig mit. Denn mit Start um 18 Uhr sind bei Eintritt der Dunkelheit gegen 21:45 etliche schon fast im Ziel. Ich dagegen wollte die Nacht auskosten und dementsprechend das Zeitlimit von 23:30 ausreizen, was mir auch gelungen ist. Na gut, ein bisschen lag es auch am mangelnden Training, dass ich die Dunkelheit so lange genießen durfte.

Etwa 7 Stunden vorher treffe ich in Rostock ein, als Parkempfehlung wird u.a. ein nahegelegenes Parkhaus angegeben, was ich auch nutze. Knapp ein Kilometer zu Fuß und ich bin am Start- und Zielgelände am Stadthafen. Dieser in der Unterwarnow-Bucht nahe der Rostocker Altstadt gelegene Hafen wird schon lange als solcher nicht mehr genutzt. Stattdessen ist 1960 ein großes Hafengelände weit im Norden der Stadt nahe der Ostsee entstanden, wir werden dies läuferisch noch in Augenschein nehmen. Nur die Ausflugsschiffe und Fähren legen am Stadthafen noch ab, verbliebene Relikte wie der das Startgelände überragende Hafenkran sind Teil eines Museumskonzepts. Außerdem hat sich die Gastronomie das alte Hafenterrain erobert, wie ich auf früheren Reisen schon erkundet hatte.

 

 

Leider bleibt keine Zeit, um das heutige gastronomische Angebot zu testen, denn es gilt die Startnummer abzuholen und die Sporttasche mit Wechselsachen abzugeben. Beides ist auf dem ehemaligen Hafengelände in Zelten untergebracht, die einzigen festen Aufbauten des Start- und Zielgeländes sind die Toiletten und Duschcontainer sowie eine Bühne. Sitzbänke und Liegestühle bieten Gelegenheit, sich vor dem Lauf etwas auszuruhen, sogar an Sonnenschirme wurde gedacht. Diese erweisen sich kurze Zeit später als sehr wertvoll, denn ein starker Regen setzt 20 Minuten vor dem Start ein. Alles flüchtet unter die Schirme und der Sprecher verkündet nach Blick auf das Regenradar, dass der Start um 10 Minuten verschoben wird. 

Um 18:05 heißt es, „der Regen hört bald auf, wir starten um 18:10“. Ich bin froh darüber, denn in der feuchten Luft eine halbe Stunde auf der Stelle zu stehen, wenn auch trocken unterm Schirm, hat mich doch ein wenig einrosten lassen. Knapp 500 Teilnehmer (mehr als im Vorjahr) sind für den Marathon gemeldet, so dass die Startaufstellung schnell über die Bühne geht. Wer ein spezielles Zeitziel verfolgt, reiht sich hinter den Pacemakern (von 3:30 bis 5:00) ein.

 

Warmlaufen auf der Hafenschleife

 

Die Strecke der Rostocker Marathon-Nacht muss sich den räumlichen Gegebenheiten anpassen, im Westen die Unterwarnow, im Osten die Autobahn und im Norden der Überseehafen begrenzen das „Aktionsfeld“, dazwischen liegt eine Dorf- und Landschaftsidylle. Dies reicht aber nicht für eine 42 Kilometer Strecke aus, so dass wir zunächst einmal mit einer 7 Kilometer-Schleife beginnen. Der Veranstalter macht eine Tugend daraus, in dem er einen zusätzlich 7-Kilometerlauf anbietet, die „Rostocker-7“, namensgleich mit einem Fahrgastschiff, welches sich für den Transsport der Halbmarathonläufer zu deren Start bereit macht.

Wir brauchen keinen Transfer, sondern machen uns nun pünktlich um 18:10 zu Fuß auf den Weg. Mehr als einen Kilometer laufen wir auf der Straße „Am Strande“ (vor der Befestigung zum Stadthafen befand sich hier wirklich ein Strand) durch das alte Hafengelände, der Boden ist noch von Pfützen bedeckt von dem Unwetter vorhin. Anschließend geht es durch die alte Speicherstadt, an die einige zu Bürobauten umgebaute Speicher erinnern. Einen Kontrast dazu bieten futuristische Gebäude, wie die Zentrale einer bekannten Kreuzfahrtgesellschaft. Am Ende der Bucht überqueren wir auf einer Brücke die Warnow und laufen dieser in Gegenrichtung entlang.

 

 

Vor dem Wendepunkt bei km 3,5 kommen mir die schnellen Läufer entgegen und bald dann auch die Pacemaker für 3:30 und 4:00 mit jeweils größeren Läufergruppen im Gefolge. Denn bei der kleinen 7-km Schleife (und auch bei der folgenden 35-km Schleife) handelt es sich mit wenigen Ausnahmen um eine Stich- und Wendepunktstrecke, was die Logistik für den Veranstalter deutlich verringert und auch aufgrund der geschilderten räumlichen Begrenzungen nicht anders möglich scheint.

Kurz vor dem Wendepunkt kommt mir Jule entgegen, wir treffen uns regelmäßig am Rennsteig und beim Berliner Vollmondmarathon. Ansonsten sehe ich – außer meiner Chefin - wenige meiner zahlreichen Laufbekannten, die Rostocker Marathon-Nacht darf also fast noch als Geheimtipp bezeichnet werden und das, obwohl es schon die 23. Auflage ist und die Teilnahmegebühr mit 48 € in der ersten Stufe sehr günstig ist.

Von diesem, dem Startgelände gegenüberliegenden Ufer ergeben sich reizvolle Ausblicke auf die Rostocker Altstadt mit den zahlreichen Türmen. Jetzt geht es wieder zurück über die Warnowbrücke, durch die Speicherstadt und das Hafengelände, wieder kommen mir die schnelleren Läufer entgegen. Erst zweihundert Meter vor dem Ziel biegen wir auf die zweite, größere Schleife ab.

 

Zum Warnowtunnel

 

Die große Schleife führt uns an der Unterwarnow entlang durch den Ortsteil Gehlsdorf zum Warnowtunnel, weiter zum IGA-Park und dann natürlich wieder zurück. Zunächst aber laufen wir nochmals durch den Stadthafen, die Speicherstadt und die Brücke auf die andere Seite der Unterwarnowbucht. Diesmal drehen wir nicht am Wendepunkt um, sondern laufen weiter, nochmals das herrliche Panorama von Altstadt und Stadthafen vor Augen.

Kurz nach km 11 erreiche ich die zweite von sieben Verpflegungsstellen, welche wir insgesamt 15-mal passieren. Für Nachschub in Form von Wasser, Iso und Banane, zuletzt auch Cola, ist also ausreichend gesorgt. Für den schönen Yachthafen auf „unserer“ Unterwarnow-Seite haben nicht alle einen Blick, viele eilen zielstrebig über Gehlsdorf nach Toitenwinkel, einer landwirtschaftlich geprägten Region.

Plötzlich kommen mir wieder Läufer entgegen, wir befinden uns auf einer weiteren kurzen Stichstrecke, am Ende versperrt uns die Feuerwehr den Weg und zwingt uns planmäßig zum Umkehren. An dieser Stelle ein großes Lob für die Streckenmarkierungen und –Absicherungen. Eine ausgezeichnete Markierung und zahlreiche Helfer von Polizei, Deutsches Rotes Kreuz, Vereinen und weiteren Hilfskräfte geben ein gutes Gefühl der Sicherheit.

 

 

Wir kommen wieder zurück nach Gehlsdorf, die Anwohner in den Wohnvierteln sind auf den Beinen und feiern ihre private Marathon-Partys. Wieder kommen mir Läufer entgegen, diesmal sind es überwiegend die Halbmarathonläufer, erkennbar an einer blauen Startnummer. Diese sind ca. 2 Stunden nach uns an der Halbmarathonmarke am Warnowtunnel gestartet, den ich nun erreiche.

Für uns wurde die südliche Röhre gesperrt, die wir auf etwa 1 Kilometer Länge durchqueren. Die einzigen nennenswerten Gefälle und Höhemeter auf der Strecke.  Am Warnowtunnel ist trotz Erreichen der Halbmarathonmarke noch nicht der Wendepunkt, noch ca. 3 Kilometer zum IGA-Park erwarten uns. Dort befindet sich auch das Schifffahrtmuseum Rostock auf dem Traditionsschiff „Dresden“, einem ehemaligen DDR-Hochseefrachter. In der Ferne erblicke ich im Überseehafen ein Fährschiff der Stena-Linie, mit der wir vor einigen Jahren auf den Weg in den Urlaub nach Schweden aufgebrochen waren.

Dem nachzuhängen, bleibt mir keine Zeit, jetzt geht es noch ca. 17 Kilometer zurück Richtung Ziel. Zunächst aber laufen wir durch den IGA-Park, der sich vom „Garten“ zur  „Landschaft“ entwickelt hat, wieder zum Warnow-Tunnel.

 

Durch die Nacht zurück

 

Kaum bin ich aus der Röhre, erwartet mich eine Drumband, die hier unermüdlich ihr Bestes gibt. Danach einige Kilometer durch die Stille, bis ich bei Kilometer 34 in Gehlsdorf wieder das Viertel mit den Anwohnerpartys erreiche. Hier ist der Teufel los, Musik, bunte Scheinwerfer, die Stimmung ist grandios. Möglicherweise auch deswegen, weil sich einige angesichts der wenig sommerlichen Temperaturen mit entsprechenden Getränken warmhalten.  

Wir erreichen wieder das Ufer der Unterwarnow, illuminierte Fahrgastschiffe ergeben einen schönen Kontrast vor dem blauen Nachthimmel. Dann sehe ich rechterhand die großen Hafenkrane am Ziel, ebenfalls erleuchtet. Dumm nur, dass ich erst 35 Kilometer auf der Uhr habe und noch die Bucht ablaufen muss, bis ich wieder über die Warnowbrücke Richtung Ziel darf.

 

 

Ein schönes Panorama der erleuchteten Altstadt entschädigt mich. Plötzlich biegen wir vom Ufer „in die falsche Richtung“ ab. Ein ca. 1 Kilometer langer Feldweg durch eine Wiesenlandschaft erwartet mich, völlig dunkel, bis auf die beleuchteten Wegmarkierungen alle 50-100 Meter. In der Ausschreibung wird zurecht empfohlen, Stirnlampen mitzunehmen. Ich habe darauf verzichtet und komme persönlich auch ohne gut zurecht. Genau diese Stimmung, in der Nacht, auf einem Feldweg, mag ich sehr. Leider verlassen wir bald wieder die Idylle und es geht auf nunmehr schon bekanntem Weg wieder Richtung Stadthafen und Zielgelände. Jetz noch über den blauen Zielteppich und die Medaille kann in Empfang genommen werden

Eine Urkunde lasse ich mir gegen einen kleinen Kostenbeitrag von 1€ in einer guten Qualität ausdrucken. Nach Abholung meiner Sporttasche noch schnell den Duschcontainer aufsuchen. 3 Plätze jeweils für Damen und Herren waren um diese späte Zeit ausreichend, und das Wasser war warm. Was will man mehr?

Übrigens zählt am Ende die „Rostocker-7“ 552 Finisher, 1097 der Halbmarathon. Beim Marathon ist mit 433 Finishern noch viel Luft nach oben.

 

Informationen: hella marathon nacht rostock
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