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Laufberichte

„Lauf, Detlef, lauf“

04.08.07
Autor: Klaus Duwe

Öfter mal was Neues. Also zwischen zwei Bergläufen geschwind an die Ostsee, Schiffe gucken und Marathon laufen.

 

Ein zweites Mal werde ich das aber nicht machen. Nach Rostock fahren schon, aber nicht geschwind. Urlaub werde ich dort machen, das ist sicher. Denn schön ist dort, die Stadt, das Meer, der Hafen, der Lauf, das Essen, das Hotel, einfach alles …

 

Wenn nur die Fahrerei nicht wäre. Über 800 Kilometer läppern sich zusammen, aber man muss ja nicht am Autositz kleben wie ich, es gibt ja auch die Bahn mit vielen Sonderangeboten und –tarifen.

 

 

Unmittelbar im Zentrum, am Universitätsplatz, ist das Pentahotel, wo man trotz der 4 Sterne günstig übernachten kann und ein sehr gutes Frühstück bekommt. Von dort ist man in wenigen Minuten beim Rathaus (dort gibt es die Startunterlagen) auf dem Neuen Markt (Start und Ziel). Besser geht es kaum.

 

Ein kleiner Stadtrundgang ist angebracht, denn von den Sehenswürdigkeiten sieht man während des Laufes leider wenig. Aus „organisatorischen Gründen“ geht es nämlich mehr durch die Außenbezirke. Davon aber später.

 

Rostock ist eine sehr alte Stadt. Schon lange bevor 1218 das Lübsche Stadtrecht übernommen wurde, siedelten an der Warnowmündung slawische Stämme. Ihre Blüte erreichte die Stadt in der Zeit der Hanse. Beginn und Ende dieser Kaufmannsvereinigung lässt sich schwer bestimmen. Tatsache ist, dass mit Ende des 30jährigen Krieges die Hanse und damit auch besonders Rostock ihre beste Zeit hinter sich hatte. Zusätzlich vernichtete am 11. August 1677 ein verheerender Brand ein Drittel der Stadt, die daraufhin ihre wirtschaftliche Bedeutung vollends einbüßte. Erst Ende des 18. Jahrhunderts und dann mit der Industrialisierung im 19. Jahrhundert begann der Wiederaufstieg der Hansestadt Rostock. Schwerpunkt waren der Schiffs- und später auch der Flugzeugbau.

 

 

Natürlich spielt auch der Fremdenverkehr eine sehr wichtige Rolle. Warnemünde, 1323 von den Rostockern wegen des Zugangs zur Ostsee gekauft, hat den größten Ostseestrand auf deutschem Gebiet. In diesem Jahr fand die Warnemünder Woche, eine internationale Regatta mit 2000 Seglern, bereits zum 70. Mal statt. Die Hanse Sail ist eine der größten maritimen Veranstaltungen in Norddeutschland. Rund 300 Groß- und Traditionssegler sowie Kreuzfahrtschiffe, Fähren und andere große Seeschiffe aus vielen Nationen kommen jedes Jahr am zweiten Wochenende im August nach Rostock, also eine Woche nach dem Marathon. 1,5 Mio Besucher werden in diesem Jahr erwartet. Bei knapp 200.000 Einwohnern, die Rostock heute hat, jede Menge.

 

 

2500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Rostocker Marathonnacht sind da vergleichsweise wenig. Ist das der Grund, weshalb die Organisatoren bei den Genehmigungsbehörden einen so schweren Stand haben? Der OB, Roland Methling, ist jedenfalls ganz sportlich, er lief im „Vorprogramm“ die Nautische Meile mit. Für die noch sportlicheren gibt es auch einen Halbmarathon (als Lauf und Walking mit Start auf dem IGA-Gelände). Dazu ein  Run and Skate, Skating und ein Handbike-Rennen und den Kindermarathon.

 

Der Neue Markt mit dem Rathaus (dessen Ursprung bis ins 13. Jahrhundert zurück geht) und den vielen Giebelhäuern, Kneipen, Restaurants und Cafés bildet eine phantastische Kulisse. Allerdings würde man den Wirten dort etwas von dem Geschäftssinn ihrer hanseatischen Vorfahren wünschen. Kein einziger bietet um die Mittagszeit ein Pasta-Essen an. Dabei würde jeder Marathoni noch einmal zugreifen, schließlich ist der Start erst um 18.00 Uhr. Also gehe ich zwei Straßen weiter zum Italiener. Die tüchtigen Mädels dort sind voll im Stress und eine meint, sie habe ihren Marathon schon hinter sich.

 

Der Start der Marathonis steht als Letztes auf dem Programm. Mit geschwellter Brust betreten die ungekrönten Könige der Läufer den Startraum, vom Publikum bestaunt und beklatscht, manchmal auch prüfend von oben bis unten betrachtet. Es ist warm, 26 Grad zeigt das Thermometer, heute Mittag waren es mal 30. Dann der Schuss und los geht’s, die 5. Rostocker Marathon beginnt.

 

 

Ich deutete schon an, die Strecke führt nicht durch die attraktive Innenstadt, sondern durch die Vororte nach Norden Richtung Warnemünde. Über den Petridamm kommen wir nach 4 Kilometern nach Dierkow, das bereits 1913 eingemeindet wurde. Zu den in den 1930er Jahren gebauten Einfamilienhäuser gehören großzügig bemessene Grundstücke, denn die Leute sollten sich nach Möglichkeit selbst versorgen. Fast gegenteilig ist das Konzept der 50 Jahre später errichteten 6-stöckigen Plattenbauten, die man als reine Wohnsilos bezeichnen kann. Auch in der DDR gab es eine Vorschrift, wonach in Gebäuden mit 6 Stockwerken ein Fahrstuhl eingebaut werden musste. Die Kosten dafür wollte man sich sparen, und so bezeichnete man das Erdgeschoss als 0. Etage. Pfiffig sind sie schon die Deutschen, egal ob Ossis oder Wessis.

 

Mancher Plattenbau sieht heute nach intensiver Farbbehandlung und vorgebautem Balkon gar nicht mehr so schlimm aus. Ok, ich war nicht drin.

 

 

Gehlsdorf (km 7) ist da schon was Besseres. Seit dem 19. Jahrhundert zieht es wohlhabenden Rostocker, Schiffskapitäne und Reeder ans östliche Warnowufer. Die alten Villen sind toll renoviert, neue repräsentative Bauten sind entstanden. Hier wohnt man wirklich schön (und teuer).

 

Dass die Kilometerangaben sich auf den Rest der zu laufenden Strecke beziehen (oder einfach: es wird rückwärts gezählt), habe ich ja gleich begriffen. Warum aber nach dem Schild „noch 32 km“ gleich eines kommt wo drauf steht „noch 35 km“ will mir lange nicht in den Kopf und beschäftigt auch andere Läufer. „Waaaas, eine Stunde und erst 7 Kilometer?“, empört sich eine Läuferin. Einen Scherz hat sich da auch keiner erlaubt, denn es geht so weiter.

 

Langenort und Oldendorf sind die nächsten Siedlungen. Bevor wir bei km 14 links zum Warnowtunnel laufen, hat einer, der noch nicht seinen ganzen Verstand beim Marathonlaufen verloren hat, des Rätsels Lösung: die Angaben sind für die Skater, die teilweise eine andere Strecke laufen. Das hätten wir dann auch erledigt. Bleibt nur die Frage, weshalb man das nicht drauf schreibt?

 

Der Warnowtunnel ist die erste mautpflichtige und privatwirtschaftlich betriebene Durchgangsstraße in Deutschland. Der 790 Meter lange vierspurige Tunnel unter der Warnow schafft eine schnelle Verbindung nach Warnemünde und an die Ostsee. Wer 2,80 Euro berappt (Sommertarif PKW), spart Zeit und Nerven. Eine Röhre ist heute für die Läuferinnen und Läufer reserviert. Die Passage ist mautfrei, der Betreiber gehört zu den Sponsoren der Marathon Nacht. Bevor ich in den kühlen Tunnel abtauche, kommt mir die Führungsgruppe entgegen, die die 7 km lange Schleife durch die Alte Warnemünder Chaussee und den IGA-Park schon hinter sich hat.

 

 

Die 790 Meter sind schnell geschafft, der Anstieg am Tunnelende auch. Dass die Welt der Marathonis eine kleine ist, erfahre ich auch nicht das erste Mal. Vor mir läuft einer mit dem neuen, grellbunten Finishershirt des Davoser K 78. Es ist Carsten Niemann aus Rostock. Ich frage, ob er von letzter Woche nicht genug hat. Dabei übergehe ich seine Begleiterin in unverzeihlicher Weise. Die hört meine Stimme, schaut mich an und ruft aus: „Du bist das?“ Es ist Erika Köhn, sie hat bei unserem Voting 2006 den Haupttreffer gelandet und durfte eine Woche nach Antalya zum Marathon, all inclusive.

 

Gleich sind wir im IGA-Park (km 19) wo 2003 die Internationale Gartenausstellung stattfand. Seither hat sich der Park zu einem beliebten Naherholungsgebiet entwickelt, wo auch viele Veranstaltungen, z. B. open-air-Konzerte, stattfinden. Um 20.00 Uhr wurde hier der Halbmarathon (Laufen und Walken) gestartet.

 

Der Warnowmündung ist ein großer Naturhafen vorgelagert, der sogenannte Breitling. Im Süden liegt der Rostocker Seehafen, am nördlichen Ufer liegt der Hafen der Bundesmarine. Im Bereich des IGA-Geländes hat auf Dauer das ehemalige 10.000-Tonnen-Frachtschiff „Dresden“ (jetzt Traditionsschiff Typ „Frieden“) festgemacht und ist bereits 1970 zum  Schiffbau- und Schifffahrtsmuseum Rostock umgebaut worden. Einige Bereiche der Ausstellung man ganz bewusst unverändert geblieben.

 

Bei km 23 sind wir bereits wieder mitten im Tunnel und auf dem Rückweg von unserem Ausflug ans andere Warnowufer. Richtig ländlich mutet die Gegend um Krummendorf  (km 26) an. Rechts und links sieht man abgeerntete Rapsfelder, dann kommt Wald und eine kleine Wohnsiedlung. Dass sie den Abend draußen verbringen, etwas Musik machen und feiern, rechne ich den Leuten hier hoch an. Denn diesbezüglich ist nicht gerade viel los auf der Strecke. Es sei denn, man hat seinen eigenen Fanclub dabei. Wie Detlef zum Beispiel. Er wird auch hier von den drei Damen mit blauen Shirts und der Aufforderung „Lauf, Detlef, lauf“ sehnsüchtig erwartet. „Da ist Klaus, gleich kommt Detlef“, wissen die Damen mittlerweile, denn ihr Favorit liegt etwas hinter mir.

 

 

Toitenwinkel (km 30) wird erreicht, längst habe ich die Walker und langsameren Halbmarathonläuferinnen und –läufer eingeholt. Das ist nicht schlecht, so ist wenigstens etwas Leben auf der Strecke. Die Getränke- und Verpflegungsstellen habe ich nicht gezählt, es sind mehr als genug. Tee, Wasser und Iso ist im Angebot, Bananen, Äpfel, Riegel und Gel-Chips gibt es bei jeder zweiten zusätzlich. Zwischendurch kommt noch die eine oder andere private Verpflegungsstelle. Meine eiserne Ration Eigenverpflegung bleibt unangetastet.

 

Die letzten 12 Kilometer sind dann das absolute Highlight der Strecke. Zum Fotografieren ist es schon zu dunkel, aber zum Schauen und Staunen ist der Abend auf der Uferpromenade ideal. Ungefähr 4 Kilometer geht es auf einem Naturweg durch kleine Wäldchen und Grünanlagen der Warnow entlang. Während hier nur einige Ausflugslokale und Bootshäuser zu finden sind, schaut man auf der anderen Seite auf die hell erleuchtete Stadt mit ihren vielen Türmen und Giebeln.

 

Wir kommen zum Dierkower Damm (km 35) und laufen auf dem Radweg zunächst Richtung Stadt, dann rechts zum Stadthafen (km 37). Hier ist tatsächlich das Baltic Night Fever ausgebrochen. Die Lokale haben Hochbetrieb, Live-Musik unterhält die Gäste. Es ist zwar keiner wegen der Marathonis gekommen, aber man erkennt durchaus die Leistung an und applaudiert. Auch so ist der Lauf und die Strecke ein Genuss. Etliche Großsegler, haben schon festgemacht, Hotelschiffe sind dabei und sogar ein Eisbrecher (die Bilder zu diesem Streckenabschnitt hat meine Frau zwei Stunden früher gemacht).

 


Zweieinhalb Kilometer ist die Strecke am Hafen lang. Am äußersten Ende ist eine Getränkestelle und die Wende. Auf dem parallel verlaufenden Radweg geht es zurück und dann rechts hoch zum Neuen Markt. Auf den letzten 300 Metern geht manchem trotz Trommlerunterstützung die Puste aus. Erst als das Zieltor in Sichtweite kommt, setzen dann einige zu einem unwiderstehlichen Endspurt an. Wäre nicht nötig, Applaus gibt’s für alle.

 

Der Neue Markt ist proppenvoll. Trotzdem treffe ich noch einmal die drei Damen („Lauf, Detlef, lauf“), diesmal haben sie ihn im Schlepp und ich lerne ihn kennen. Eine Coverband spielt „Best of the Sixties“, die Stimmung ist hervorragend. Ein Wernesgrüner und eine warme Suppe gibt es gratis, Wasser, Iso und Obst sowieso. Dann wird gefeiert, denn es ist „Summer in the City“.

 

 

Marathon-Sieger:
Männer

1. Ahrenberg, Mathias    SV Post Telekom Schwerin    02:44:07   
2. Gerrits, Andreas    Aachener TG    02:46:41   
3. Torlopp, Jörg    Rostocker Freizeitsport    02:51:38   

 

Frauen

1. Lemme, Bärbel    SV Post Telekom Schwerin    03:24:30
2. Schrapers, Sabine    03:26:32   
3. Czekalla, Katrin    03:41:18   

 

Streckenbeschreibung:

Rundkurs durch die nördlichen STadtbezirke, durch den Warnowtunnel und über das IGA-Gelände. Filetstück ist die Uferpromenade und der Stadthafen (insgesamt 10 Kilometer!) 

 

Zeitnahme:

Transponder in Startnummer integriert.

 

Auszeichnung:

Medaille, schönes T-Shirt (gegen 12 € Aufpreis aus Funktionsfaser), Urkunde

 

Verpflegung:

Ungezählte Getränke- und Verpflegungsstellen.  Tee, Wasser und Iso ist im Angebot, Bananen, Äpfel, Riegel und Gel-Chips gibt es bei jeder zweiten zusätzlich. Zwischendurch kommt noch die eine oder andere privateVerpflegungsstelle.

 

Zuschauer:

Beim Start und im Ziel viele Zuschauer und tolle Stimmung. Unterwegs nur vereinzelt.  

 

Logistik:

Startunterlagen gibt es am Samstag ab 10.00 Uhr im Rathaus. Transfer zum IGA-Gelände für HM-Läufer und -Walker, Kleiderdepot.

 

Informationen: hella marathon nacht rostock
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