marathon4you.de

 

Laufberichte

Start in die Berglaufsaison

16.06.07
Autor: Klaus Duwe

LGT Alpin-Marathon Liechtenstein: erste Station für den MMC (Mountain-Marathon-Cup)

 

Wenn ich  Stuttgart hinter mir habe, ist das Schlimmste am Alpin-Marathon in Liechtensein vorbei. Die Baustelle zwischen Pforzheim und der Landeshauptstadt nervt gewaltig. Später auf der A 7 Richtung Kempten und der A 96 Richtung Lindau/Bregenz läuft der Verkehr problemlos, nerven tut dann nur das Mautinkasso: Österreicher und Schweizer halten die Hand auf, wobei das Geld für die Schweizer Vignette gut angelegt ist. In drei Wochen startet der Zermatt Marathon und anfangs September in Interlaken der Jungfrau Marathon. Beide Veranstaltungen gehören zusammen mit dem LGT Alpin-Marathon Liechtenstein zum neuen Mountain-Marathon-Cup (MMC), einer Sonderwertung für diejenigen Bergspezialisten, die alle drei Marathons finishen.

 

Den Liechtensteinern verhilft die Kooperation zu einem ansehnlichen Teilnehmerzuwachs. Erstmals wird die 1000er Marke überschritten. Aber nicht nur Breitensportler verleidet die attraktive Sonderauszeichnung (Urkunde und Poloshirt mit Veranstalter-Logos) zu Sondertraining im hügeligen Gelände, auch die Laufprominenz ist scharf auf den prestigeträchtigen Titel des ersten Cup-Gewinners und die Sonderprämie. Die Engländerin Lizzy Hawker, die im letzten Jahr ihre Wettkämpfe gleich serienweise mit Streckenrekord gewann, bereichert das Starterfeld ebenso wie ihr Landsmann Timothy Short. Carolina Reiber (4fache Siegerin in Liechtenstein) und Karl Jöhl, der bisher zweimal triumphierte, werden es schwer haben.

 

Die Startunterlagen kann man sich schon freitags in Bendern in der Kantine der Firma Ospelt („Malbuner“) abholen, oder am Samstag, da gibt es noch ein kostenloses zweites Frühstück im Kaffee und Gipferli. Ist man mit dem Auto unterwegs, empfiehlt sich eine Übernachtung in Malbun. Von dort fahren am Lauftag Busse nach Bendern. Nach dem Rennen ist man dann unabhängig.

 

Das Wetter ist so, wie man es sich wünscht. Der Himmel hat alle Schleusen geöffnet und lässt es regnen, was das Zeug hält. Bald sind Petrus’ Regentonnen leer und wir können uns auf ideale Bedingungen am Samstag freuen. „Versprochen“, sagt Armin Mathis vom OK und verweist alle Zweifler an den Schweizer Wetterdienst. „Der hat sich noch nie verrechnet.“

 

Pünktlich um 7:00 Uhr fährt der Bus, gut eine halbe Stunde dauert die Fahrt. Wer mit dem PKW anreist, wird auf den großen Parkplatz der Firma Ospelt eingewiesen. Firmengründer und Marathonförderer Herbert Ospelt („Onkel Herbert“) ist zusammen mit dem großen Firmen-LKW mit seinem Konterfei begehrtes Fotomotiv. Der bekennende Nichtsportler („Ich mache seit 50 Jahren Speck statt Sport und habe kein Gramm zuviel“) ist bekannt für seine kernigen Sprüche. Auf die Frage, wie es ihm gehe, antwortet er stereotyp: „Gut, ich habe Schulden und Arbeit.“ Sein neuester Werbespruch lautet: „Unser Speck wird von Hand gesalzen. Sie essen ihn ja auch nicht maschinell.“

 

9:00 Uhr –Startschuss und los geht der lange Lauf durch das kleine Land. Die flachen 10 Kilometer entlang dem Rhein sind ideal zum Einlaufen, aber auch zum Schauen. Der Blick nach rechts und zurück auf die Berge ist einfach phantastisch. Ein entsprechendes Foto ist Pflicht für jeden, der mit der Kamera unterwegs ist. Das Wetter ist ideal, 16 Grad werden es sein, Wolken und Sonne wechseln sich ab.

 

Die Strecke nimmt die insgesamt fast 1000 Marathon- und Halbmarathonläufer problemlos auf. Genau genommen ist es ja gar kein Halbmarathon, er nennt sich auch Halbmarathon PLUS und ist 25,4 Kilometer lang. Ziel ist bei dieser Strecke in Steg. Man bietet diese Strecke erstmals an und betrachtet es als Test. Wenn das Angebot ankommt, will man die Strecke beibehalten.

 

Fast ein Drittel der Marathonis kommt aus Deutschland. Ich treffe hier mehr Bekannte, als kürzlich in Potsdam. Der blinde Dietmar Beiderbeck ist mit seinem Guide Theo Bieber auch dabei und ziemlich flott unterwegs. Meine Warnung, „hey Didi, übertreib’ es nicht,“ schlägt er in den Wind. „Lass mal, ich bin super drauf,“ und schon ist er weg. Er läuft heute seinen 75. Marathon und will das Jubiläum mit einer guten Zeit krönen. Ultras zählt „Physiodidi“ (er ist Physiotherapeut) extra, auf 71 kommt er bisher. Sein Traum ist der 163 km lange Ultra-Trail du Mont Blanc. Für dieses Mammutunternehmen sucht er noch einen Guide, ebenso für Biel 2008. Wer Interesse (auch an „normalen“ Marathons) hat, kann mit Didi über marathon4you in Verbindung treten. Er bittet auch Veranstalter um Informationen, ob eventuell vor Ort ein Guide für ihn zur Verfügung gestellt werden kann. 

 

Als wir nach links den Rheindamm Richtung Vaduz verlassen, sehen wir das schmucke Rheinparkstadion, in dem am Montag Herbert Grönemeyer die Liechtensteiner mit seiner Gesangskunst beglückt. Ansonsten kickt hier der FC Vaduz und die Nationalmannschaft von Liechtenstein. Eine Meisterschaft gibt es in Liechtenstein nicht, der Verein spielt in der zweiten Schweizer Liga. Allerdings gibt es einen eigenen Pokalwettbewerb, den fast regelmäßig der FC Vaduz gewinnt. Mit 36 Siegen bei 62 Austragungen hält er sogar den Europarekord.

 

Der Blick auf das Schloss ist zwar schön, gibt auch in diesem Jahr nicht viel her. Kran und Baugerüste verunzieren den Prachtbau. Nach der Verpflegungsstelle auf dem Schulhof sind wir mitten in Vaduz, dem Hauptort es Fürstentums. Mit „hopp, hopp, hopp“ feuern uns viele Zuschauer an. Bis zum Schlosswald geht es einigermaßen moderat bergauf, immer an der dicken Steinmauer entlang, hinter der ein guter Wein wächst. Das Rote Haus ist eines der Wahrzeichen von Liechtenstein.

 

Bei km 11 wird es dann zunächst etwas steiler dann geht’s fast eben zum Schloss. Wann ist man endlich fertig mit der Renovierung? Die kenne das Schloss ohne Kran und ohne Gerüste gar nicht.

 

Es geht auf lang gezogenen Serpentinen immer bergauf, mal steil mal weniger steil. Flache Abschnitte sind die Ausnahme. Wiesen und Waldstücke wechseln sich ab, kommen wir an einer Behausung vorbei, stehen die Leute an der Straße, beklatschen uns und bieten Erfrischungen an. Samina (km 15) und Silum (km 20) sind unsere nächsten Stationen. An der Verpflegungsstelle ist wieder an alles gedacht: verschiedene isotonische Getränke, Wasser, Cola, Riegel, Bananen, Brot, Magnesium und was weiß ich. Die meist jungen Helfer sind mit großer Begeisterung bei der Sache. Überhaupt muss die Freundlichkeit und die Herzlichkeit, auch bei der Bevölkerung, ausdrücklich erwähnt werden. 

 

Gleich nach der Silumer Höhe, 1539 m, wird die Halbdistanz erreicht und es geht auf einem schmalen Pfad abwärts zum Kurhaus Sücka, im Blick immer den herrlich gelegenen Saminasee. Die Landschaft ist wie aus dem Bilderbuch. Saftige Wiesen, herrliche Berge, dazu die Almhütten und das Geläut der Kuhglocken machen Lust auf Bergurlaub.  Nach der Verpflegungsstelle geht es mit Applaus und Anfeuerungsrufen durch die Almhüttensiedlung und zur Kapelle am Malbunbach. Das Kirchlein ist den Bauernheiligen St. Wendelin und St. Martin geweiht und zählt zu den schönsten Motiven auf der Strecke. Die Marathonis laufen über die Straße, die Strecke Halbmarathon PLUS hat hier ihr Ziel.

 

Es folgen ungefähr sieben Kilometer, wo sich Anstiege und Abwärtspassagen abwechseln. Links fallen die Bergwiesen steil ab, hin und wieder kreuzt ein kleiner Bach den Weg. Wem die Anstiege zu lang oder zu steil sind, schaltet um auf Energiesparen und geht. Nach einem kurzen Bergablauf ist es dann hinter der Alp Güschgle (km 30) sowieso vorbei mit der Rennerei. Der bis dahin ganz ordentliche Fahrweg geht in einen Bergpfad über, der immer schmaler und immer steiler aufwärts zum Sass Fürkle führt.

 

Der frühe Bergsommer präsentiert uns hier seine ganze Blütenpracht. Von ganz oben hört man ein Alphorn. Der Himmel hat sich zugezogen, es ist nicht zu warm, und trotzdem fließt der Schweiß in Strömen. Der erste Bergmarathon des Jahres ist halt immer wieder eine Herausforderung, da kann ich den Schwarzwaldbergen laufen, soviel ich will. Was beim Jungfrau Marathon die Moräne und beim Zermatt Marathon der Aufstieg nach Riffelberg, ist hier die Passage zum Sass Fürkle (km 34). Der Übergang nach Malbun ist zwar nur 1785 Meter hoch, aber es ist immer die Ausgangshöhe entscheidend.

 

Bis zur Malbuner Friedenskapelle (km 37) geht es jetzt abwärts. Unten sehen wir das Festzelt, hören über die Lautsprecher die Siegerehrung und gleichzeitig fängt es an zu regnen. 50 Meter, und man ist im Ziel, 5 Kilometer sind es über den Panoramaweg. Ein echter Marathoni zuckt da nicht mit der Wimper. Auch in einem kleinen Land ist der Marathon 42,195 Kilometer lang.

 

Die vielen Zuschauer, die sonst hier stehen und den Läuferinnen und Läufer die Moral stärken, sitzen im Zelt und beklatschen die Sieger. Auch das muss man wegstecken können. Für wen laufe ich? Genau, also weiter.

 

Panoramaweg – das hört sich bequem und vielversprechend an, ist es aber heute nicht. Der schmale Pfad ist teilweise schmierig, rauf und runter geht es sowieso. Und das Panorama? Regen getrübte Landschaft mit Bergen.

 

Unter einem dichten Baum sitzt eine Mutter mit ihren zwei kleinen Töchtern. Sie haben einen Riesenpass und verkünden, dass die höchste Stelle erreicht ist. „Abwärts geht’s schon noch, oder?“ Ich muss wieder ganz schön alt aussehen.

 

Also renne ich letzten zwei Kilometer abwärts. Obwohl ich mir keine Zeit vorgenommen habe, bin ich davon ausgegangen, unter 6 Stunden zu bleiben. Das wird nichts, da habe ich unterwegs zu viel gebummelt. Nach 6 Stunden und drei Minuten bleibt für mich die Uhr stehen. Letzter bin ich damit noch lange nicht. Oben sehe ich, wie die letzten auf den Panoramaweg gehen, jetzt wieder ohne Regen. Zu ihrem Zieleinlauf scheint dann schon wieder die Sonne.

 

Wenn mich jemand fragte, wie der Alpin-Marathon in Liechtenstein so ist, antwortete ich immer: „Wie das Land, klein aber fein.“ Ich überlege mir jetzt einen anderen Spruch, denn mit 740 Marathon-Finishern und über 1.000 Teilnehmern insgesamt kann man nicht mehr von KLEIN sprechen. Das FEIN bleibt aber.

 

Ergebnisse:

 

Marathon Männer:

1. Short Timothy  GB-Kent - 3:09.51,1

2. Jenzer Urs  CH-Frutigen - 3:11.57,2

3. Jöhl Karl  CH-Amden - 3:13.12,4

 

Marathon Frauen:

1. Hawker Lizzy, GB-Chester -  3:30.38,8
2. Landolt Claudia CH-Jonschwil - 3:37.56,7

3. Müller Britta  D-Baiersbronn  - 3:43.00,5

 

Teilnehmer:

740 Marathon-Finisher


Streckenbeschreibung:

Punkt-zu-Punkt-Kurs mit rund 1.800 Höhenmetern. Zehn Kilometer zum Einrollen.


Zeitnahme:

Per Chip von Datasport.


Auszeichnung:

Urkunde aus dem Internet, Finishershirt, Souvernir von Swarovski.
Für die drei schnellsten Männer und Frauen gilt „Nur Bares ist Wahres“,
die Klassensieger bekommen Sachpreise

 

Drumherum:

Duschzelt im Zielgelände, Gepäcktransport zum Ziel. Gratisrücktransport der Sportler zum Start, Massagedienst


Verpflegung:

Alle fünf Kilometer Mineraldrinks, Wasser, Cola, Energieriegel, Magnesium, Weißbrot, Orangen, Gel und Bananen. Zusätzliche Wasserstellen je nach Witterung. Im Ziel gibt’s Pommes Frites.

 

Zuschauer:

An gut erreichbaren Stellen viele Zuschauer, besonders aber im Städtle und im Ziel.

 

Informationen: LGT Alpin Marathon Liechtenstein
Veranstalter-WebsiteE-MailErgebnislisteFotodienst HotelangeboteOnlinewetterGoogle/Routenplaner

 
NEWS MAGAZIN bestellen
Das marathon4you.de Jahrbuch 2024