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Laufberichte

Winter ade

13.04.13

Die Augen bleiben an dem weißen Zeug hängen, das keiner mehr sehen will: Schnee. Doch je höher wir die Straße den Kyffhäuser hinauf fahren, desto mehr davon liegt auf den Hängen. Aber es wird dieses Jahr der letzte Schnee sein und er wird mich nicht davon abhalten, in zwei Tagen über den Kyffhäuser zu laufen.

Und als es anderntags ordentlich zu regnen anfängt ist endgültig klar: der 35. Kyffhäuser Berglauf wird eine Schlammschlacht, ein echter Trail.

Da lassen wir die geplante Wanderung ausfallen und fahren in die Barbarossahöhle ein. Zu Fuß wohlgemerkt; aber in der Bergmannswelt sagt man halt: Einfahren. Es ist klamm, kühl und dunkel, aber unsere Führerin Sybille hat Licht.

Nein, es sind keine Tropfsteine, sondern Gipslappen, die da von der Decke hängen. Sie sind in Jahrtausenden gewachsen. Verwunschen dazu die Höhlenseen, in deren klarem Wasser sich die Gesteinsformationen spiegeln. Und da fällt einem schnell Kaiser Barbarossa ein, der in dieser Höhle schlafen soll. Nur alle einhundert Jahre wacht er auf und schickt Zwerg Alberich hinauf, damit er nachsehe, ob die Raben noch um den Kyffhäuser kreisen. Tun sie dies, schläft er weitere hundert Jahre. Kreisen sie nicht, steigt Barbarossa empor, um allenthalben Ordnung zu schaffen…

Wir dürfen uns auf Barbarossas Stuhl setzen und uns etwas wünschen -  ganz geheim, damit es auch in Erfüllung geht. Und dann macht Sybille alles Licht aus. So erfahren wir, was es heißt, wenn es wahrhaft stockdunkel ist.

Draußen regnet es nicht mehr und wir nehmen bei schöner Aussicht über der Barbarossahöhle ein Picknick im Grünen ein. Morgen werde ich hier vorbeilaufen, im Marathonfeld…       

Im Festzelt auf dem Bad Frankenhausener Schlossplatz werden die Startnummern ausgegeben. Hey, da sind auch meine Studienfreundin Birgit und ihr Mann Roger, die wie wir jedes Jahr zum Kyffhäuser Berglauf anreisen. Nebenher Sportmesse und Unterhaltung, Nudelparty und Schwarzbier. Aus allen Richtungen strömen Einheimische mit Kuchenblechen heran. Wir haben das Gefühl, dass der Berglauf von der gesamten Region mitgetragen wird. So fährt der Sohn von unserer Höhlenführerin Sybille morgen auf dem Moto-Cross-Rad dem Läuferfeld voraus und der Vermieter unserer Ferienwohnung ist als Streckenfunkposten aktiv. Die in Jahrzehnten gewachsene Verbundenheit der Menschen mit ihrem Berglauf kommt auch im Kyffhäuser-Berglauflied zum Ausdruck, welches extra zur 35. Auflage der Veranstaltung geschrieben wurde und als ein besonderer Clou im Festzelt vom Bad Frankenhausener Frauenchor vorgetragen wird:

„Seht den Volkslauf Berglauf gibt es 35 Jahre
und es ist das Wunderbare, dass es ihn noch lange geben wird…

Laufen hin, laufen her,
laufen Kreuz, laufen quer,
laufen hin, laufen her
denn wir lieben den Volkslauf sehr!“

Samstagmorgen ist der Himmel grau bedeckt und es pfeift ein ordentlicher Nordost, das kannten wir die letzten Wochen zur Genüge. So sind immer noch Laufjacke und Handschuhe angesagt. Ich gehe erst 15 Minuten vor dem Start aus dem Haus, denn unsere Ferienwohnung ist nur 200 Meter vom Start entfernt. Wo hat man das schon…?

Auf dem Schlossplatz neben dem Solebad Kyffhäuser Therme begrüße ich ein paar Lauffreunde: Christa, Peter und Bernd aus Vellmar, Anke mit den „Entschleunigten“ aus Halle an der Saale. Der Marathonstart wird munter moderiert und erfolgt durch einen Pistolenschuss um 08:30 Uhr.

Für den Veranstalter Kyffhäuser-Berglauf-Verein e.V. ein Mammutprogramm. Denn in regelmäßigen Abständen folgen weitere Starts über 14 km (Wertungslauf für den Salomon-Trail-Running-Cup), Halbmarathon, 6 km, 2 km, Bambinilauf. Auch Wandern und Nordic Walking über verschiedene Strecken sind im Programm. Und für den besonderen Kick Kyffhäuser-Berg-Rennen-Mountainbike über 64 und 21,5 km. Alles garantiert crossig, na wer da nichts für sich findet…?

Für mich ist seit einigen Jahren der thermowave-Kyffhäuser-Berg-Marathon erste Wahl. Meine Liebeserklärung dafür habe ich ja letztes Jahr schriftlich abgegeben. Aber werde ich auch in diesem Jahr gut rüberkommen? Reichen zwei Monate Training nach einer drei monatigen Zwangspause wegen der blöden Wadenverletzung?

Die ersten 10 Kilometer verlaufen gemütlich im Plausch am Südhang des Kyffhäusers entlang. Dann geht es endlich hinauf. Ich verabschiede mich von Anke, denn ich bin noch nicht ganz „entschleunigt“. Mein Ziel wie immer: auch alle Anstiege komplett hochlaufen. Die Ziel-Zeit heraufgesetzt: unter 4h30min sollen es aber werden.

Das Erklimmen des Kulpenberges ist gleich der schwierigste Anstieg, denn es zieht sich über nahezu 10 Kilometer bis auf über 450 Meter in der Höhe hin. Dafür sind die Wege relativ gut beschaffen und der Körper ist ja noch relativ frisch.

Ich schaffe es, hochzulaufen und nach der Getränkestelle am Fernsehturm bei Km 17 ruhe ich mich auf dem herrlichen und leicht abschüssigen Hang Weg aus. Der Weg ist schlammiger und von Wurzeln durchsäumt. Aber ich habe ihn schon schlimmer in Erinnerung. Das lag vielleicht auch daran, dass früher die Mountainbiker die Strecke vor uns Läufern schon mächtig aufgewühlt hatten. Seit zwei Jahren haben wir Vorfahrt.

Dann ist auch schon die Hälfte der Strecke geschafft. Es geht beschwerlich zum Kyffhäuser Denkmal hinauf, zunächst vorbei am duftenden Bratwurststand. Doch mich treibt es weiter hoch, weiß ich doch, dass es oben die beste Verpflegung gibt. Zu Füßen der Denkmäler Barbarossas und Kaiser Wilhelms schlemmen wir Haferschleim, Butterbrot, Bananen, Äpfel. Ich lange in die Salz- und in die Zuckerschale hinein. Es gibt Cola, warmen Tee, drei Sorten Bier! Ich halte mich an das Hefeweizen alkoholfrei.

Gut aufgetankt geht es wieder hinab, freundlicher Blickkontakt und netter Spruch mit einigen Entgegenkommenden. Dann scharf rechts und Obacht: hinter der Unterburg wird der Trail steil, schlammig, wurzelig. Der Regen hat die Wege zwar aufgeweicht, dafür sind die meisten Schneefelder verschwunden. Winter ade! Nach 25 km ist wieder Power angesagt. Es geht über drei schwere Kilometer auf herrlich schlammigen Pfaden durch den Wald zum Dreiforststein hinauf. Meine alten Trailschuhe bewähren sich wieder einmal.

Dann noch 14 km bis zum Ziel und ein Zwischenfazit. Ich bin durchgelaufen, Muskeln und Körper spielen gut mit. Jetzt nicht überschnappen und die nächsten nur leicht welligen 4 km auf befestigtem Weg locker mitlaufen. Auch das geht klar und dann die „Gefährliche Abfahrt“ hinab nach Udersleben. Diese verläuft auf brüchig karststeinigem Weg und wird zunehmend steiler. Das tut den Beinen weh. Da kommt die von stimmungsvoller Musik umschalte Verpflegung in Udersleben gerade recht: Cola, Bier, Butterbrot, Banane…

Dann noch 7 km. Davon 4 km hinauf, auf freiem Feld am Naturflugplatz voll gegen den Wind! Die meisten um mich gehen da einige Abschnitte. Ein Mitläufer rät mir, die Schirmmütze verkehrt herum aufzusetzen. So läuft es tatsächlich leichter. Ich laufe auch das Ding komplett hoch, kämpfe mich auch über den schlammigen Trail im Wald und am Panoramamuseum sind es dann nur noch drei, zwei Kilometer: bergab.

Der Schlachtberg ist nochmal gefährlich steil und brüchig. Dann fester Boden unter den Füßen. Unten in Bad Frankenhausen ist es um die Mittagszeit sonnig warm: endlich ist der Frühling da! 1 km vor dem Ziel ein Blick auf den schiefen Turm der Oberkirche, auf das Uhrenziffernblatt: gut, ich liege auch zeitlich im Plan.

Auf dem Schlossplatz zurück begrüßt mich zuerst meine Frau Gabi und dann die wieder nette Moderation: Die Läufer werden persönlich angesprochen und ich soll noch locker aussehen. Naja, ein wenig fertig bin ich schon, aber vor allem trägt mich ein erhaben stolzes Gefühl. Ich habe diesen Marathon-Kracher wieder geschafft. Und jetzt kann ich es ja sagen: Ich habe mir auf Barbarossas Stuhl gewünscht, den Kyffhäuser-Marathon gut zu überstehen.

Die Erbsensuppe mit Bockwurst schmeckt vorzüglich. Dann erreicht auch Peter mit den „Entschleunigten“ zusammen und gut gelaunt das Ziel. Sogleich vom Moderator die Gratulation: Peter wurde 1. AK M70.

Dann bricht ein echter Aprilschauer über Bad Frankenhausen herein. Die ins Ziel kommenden Mountainbiker sind vom Rad bis zum Helm perfekt eingesaut. Bei einer Thüringer Bratwurst und einem richtigen Bier ist das jetzt genüsslich anzuschauen.

Am Abend findet im Festzelt ein Sportlerball bei Livemusik statt, wo alle Beteiligten zusammen Resümee ziehen und abfeiern können. Ich habe da dieses Jahr durch schwächelndes Fehlen geglänzt, sorry Birgit und Roger.

Wir haben noch die Sonderausstellung „35 Jahre Kyffhäuser Berglauf“ im Schloss besucht. Die lange Tradition wurde anschaulich nahe gebracht. Vorbild war und ist der große Bruder: Rennsteiglauf. Aber auch der Kyffhäuser hat viele Geschichten geschrieben. Wirklich schick die alten Startnummern, die Flyer, Trikots und Mützen. In der Statistik hat der Kyffhäuser Berglauf als reine Lauf-Veranstaltung zu DDR-Zeiten in den 80’er Jahren die meisten Teilnehmer angezogen. Doch seit der Kyffhäuser-Berglauf-Verein gegründet wurde, der das Angebot erweitert hat, steigen die Teilnehmerzahlen wieder an. Völlig zu Recht, finden wir. Das Beste wird im Kyffhäuser-Berg-Lied besungen:

„Und es ist das Wunderbare, dass es ihn noch lange geben wird…“

Auf MARATHON4YOU.DE gibt es einen weiteren Laufbericht
mit vielen Bildern von der Strecke

 

Marathonsieger:
Männer
1. Jörg Richter Allianz Assistance Deut. 2:53:08,8
2. Bernhard Schneider 1. FS Passau 2:59:47,9
3. Norman Bauersfeld Harzgebirgslauf 1978 e.V. 3:03:05,7

Frauen
1. Antje Müller LFV Oberholz 3:36:17,2
2. Gerlinde Möller LT Herbrechtingen 3:37:04,3
3. Uta Jurgschat WSV Schmiedefeld 3:51:32,1

 

Informationen: Kyffhäuser Bergmarathon
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