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Laufberichte

Allmächd!*

 
Autor: Klaus Duwe

*Allmächd, so sagt man hier im Fränkischen, wenn man sich wundert oder über etwas staunt.

2007 feierte Fürth 1000jähriges Jubiläum. In die Feierlichkeiten integrierte man einen Marathonlauf, der begeistert sowohl von der Bevölkerung als auch vom Läufervolk angenommen  wurde. Das Feuerwerk ist längst verraucht, aber den Marathon gibt es immer noch. Und das wundert mich überhaupt nicht.

Allmächd, das ganze Event findet auf der Fürther Freiheit statt, einem Freigelände mitten in der Stadt. Was machen die bei einem Wetter, wie wir es diesen Sommer haben? Ausnahmsweise aber scheint die Sonne und die Getränkeverkäufer, Bratwurstgriller und Sportutensilien-Verkäufer strahlen bereits am Samstag mit den Läufern um die Wette. Auf der Eventbühne geht es bis in die Nacht rund. Drei Bands heizen mit fetziger Live-Music den Fans ein. Summer in the City, Festival-Feeling vom Allerfeinsten.

Der Sonntag – keine Spur von Katerstimmung. Topfit informiert Artur Schmidt, den man keinem Läufer mehr vorzustellen braucht, über alles rund um die Veranstaltung und den Laufsport. Wer ihm eine Stunde zuhört, mutiert vom Ahnungslosen zum Experten.  Bernd van Trill, bei der Stadt unter anderem für den Marathon zuständig, hält die Fäden zusammen.

Halbmarathon, Marathon, Staffel und 10,5 km-Lauf werden zeitversetzt gestartet. Insgesamt nehmen 6400 Läuferinnen und Läufer an den Wettbewerben teil.  379 davon laufen schlussendlich als Marathonis ins Ziel. Bestimmt haben angesichts der Temperaturen etliche ihr ursprüngliches Vorhaben  aufgegeben und sind vorzeitig ins Ziel gelaufen. In Fürth ist das leicht möglich, denn zuerst wird ein 21 km langer Rundkurs gelaufen und im Anschluss daran eine 10,5km-Schleife zweimal. Man läuft als Marathoni also gleich mehrfach über die Fürther Freiheit, lässt sich feiern und anspornen, bevor man dann, Allmächd, beim dritten Mal endlich die Goldene Medaille bekommt.

Was auf den ersten Blick vielleicht nicht ganz so prickelnd ist, ist von den Organisatoren wohl durchdacht und für die Läuferinnen und Läufer höchst interessant und abwechslungsreich.  Nach ein paar Kilometern geht es bereits entlang der Pegnitz durch den Stadtpark, dann werden kurz vor deren Zusammenfluss Pegnitz und Regnitz überquert. Man lernt dann vom Stadtrand her etliche Stadtteile kennen, in denen es nie langweilig wird, weil viele Anwohner und Musikgruppen das Läuferfeld bereits gespannt erwarten.

Höhepunkte sind ganz sicher der Grüne Markt, das Rathaus und die Fußgängerzone, von der aus man dann ins Ziel bzw. auf die kleine Runde läuft, die unter anderem in den Südstadtpark führt, den viele Marathonfreunde vom Down-Syndrom-Tag-Marathon her kennen. 

Ausführliche Beschreibungen der Strecke könnt ihr in zahlreichen Laufberichten nachlesen, denn die LAUFENDEN Reporter von Marathon4you sind von Anfang an beim Metropol Marathon dabei.  Heute ist nur der FOTOGRAFIERENDE Reporter vor Ort. Allmächd!

Es ist immer wieder schön zu sehen, wie ein paar im Positiven Verrückte mit Ideen und Engagement, dem Einsatz unermüdlicher Helfer  und den Möglichkeiten, die ihnen die Region bietet, eine vorbildliche Veranstaltung auf die Beine stellen. Den Nürnbergern muss doch angesichts dieser Erfolgsgeschichte das Wasser in die Augen schießen, wo doch ihr Marathon vor Jahren schon sang- und klanglos in der Versenkung verschwand und seither dort verharrt.  Noch nicht einmal an das Angebot der Fürther, anlässlich des Jubiläums „175 Jahre Eisenbahnline Nürnberg-Fürth“  den Marathon durch beide Städte zu führen,  trauten sie sich heran. Vielleicht kam es ja nur aus der falschen Richtung. Ich würde den Fürthern sowieso raten, für sich zu bleiben. Die Qualität der Veranstaltung passt und würde sich nur schwerlich steigern lassen.

Apropos Eisenbahn. Dazu muss man natürlich ein paar Worte sagen. Pferde scheuten und Menschen erschraken fast zu Tode, als am 7. Dezember 1835 die legendäre „Adler“-Lokomotive mit 200 Fahrgästen und unglaublichen 40 km/h vom Nürnberger Vorort Gostenhof nach Fürth donnerte. Es war kein Zufall, dass man diese Strecke wählte. Sie war mit 40.000 Fuhrwerken und 600.000 Fußgängern pro Jahr die damals verkehrsreichste Überlandstrecke in Bayern. Auch als man die Geschwindigkeit des Zuges auf 25 km/h drosselte, war man immer noch 10 Minuten (fast 50 %) schneller in Fürth als mit dem Pferd. Eine Legende dagegen ist, dass die „Adler“ ein Meisterwerk Deutscher Ingenieurskunst sei. Sie stammte aus Newcastle und auch der erste Lokführer kam aus England. Allmächd!

Wo 10 Minuten Zeitersparnis eine große Rolle spielen, ist man viel beschäftigt. Und wo viel Beschäftigung ist, gibt es Wohlstand. In der Tat, in Fürth hat man gute Zeiten erlebt. Ein eindrucksvolles Indiz dafür ist das Rathaus. Der 1845 begonnen Bauteil mit dem Turm ist fast eine Kopie des Palazzo Vecchio in Florenz. Vom Turm erklingt übrigens ein Glockenspiel aus relativ junger Zeit: Stairway to Heaven. Allm….

In diesem Zusammenhang dürfen mindestens zwei weitere Geschichten nicht unerwähnt bleiben: Die der Quelle und der Grundigs.

Ja, liebe junge Leserinnen und Leser, es gab eine Zeit vor Amazon, eBay  und iPod. Damals hießen die großen Versender dieser Welt Quelle, Neckermann und Otto. Und in der guten Stube standen ein Grundig-Radio, später aus gleichem Haus ein Fernseher, der lange Zeit nur schwarz/weiße, grießige  Bilder lieferte.

20 Mio. DM (Deutsche Mark) gab Quelle in Fürth jedes Jahr für den Druck der Kataloge aus. Was haben die Verantwortlichen gedacht, als das digitale Zeitalter begann? Das geht auch wieder vorbei? Oder hatte man Angst, das Online- würde das Katalog- Geschäft fressen? Mit letzterem hätte man recht gehabt. Aber weil man viel zu spät ins Internet investierte und stattdessen mit einem angeschlagenen Kaufhauskonzern fusionierte, kam das Aus. Letztendlich übernahm der Wettbewerber Otto den bekannten Quelle-Namen, alles andere wurde dicht gemacht. Alleine bei der Post, einem externen Dienstleister also, verloren fast 1000 Menschen ihre Arbeit.

Es stimmt einfach, dass zwei Blinde nicht gut über die Straße kommen. Ein Blinder und ein Sehender aber sehr wohl.

Ende der 1980er Jahre waren bei Grundig über 28.000 Menschen beschäftigt. Dann kamen die Japaner, gegen deren Produkte man kein Konzept hatte. Wieder kam einer (Philipps), der es kaum besser wusste und daher auch nicht besser machte. Die Holländer stiegen wieder aus, der Antennen-Bauer Kathrein ein. 2003, das Unternehmen hatte noch 3.500 Beschäftigte,  kam die Insolvenz.

Dazu passt überhaupt nicht, dass, Allmächd,  der als „Vater des deutschen Wirtschaftswunders“  gepriesene Ludwig Erhard (1897-1977, „Wohlstand für alle“) ein gebürtiger Fürther ist.

Zurück zum Lauf. Die Halbmarathonis und 10km-Läufer schlagen sich im Zielbereich mit Brezen, Kirsch- und Apfelkuchen, Schorle, Bier und Iso die Bäuche voll. Allmächd, ich wusste nicht, dass man nach 1 oder 2 Stunden Laufen einen solchen Hunger hat. Mir fällt ein, wie oft ich nach einem Marathon nach 4 ½ Stunden an spärlich mit Resten bestückten Tischen stand.  Die Leute, die mir dann sagten, ich solle demnächst schneller laufen, hatten nicht recht. Jetzt weiß ich den wahren Grund.

Es ist eigentlich zu früh, als ich zurück zum Zielbogen gehe, um den Sieger in Empfang zu nehmen. Aber kaum bin ich dort, avisiert Artur Schmidt mit zunächst noch ungläubiger Stimme den Ersten auf der langen Strecke. Ungläubig deshalb, weil es eigentlich nicht sein kann, dass jemand heute bei diesem Wetter den Streckenrekord geradezu pulverisiert. Ungläubig auch deshalb, weil bisher in diesem Jahr in Deutschland nur zehn Läufer schneller waren, und das auf „schnelleren“ Strecken und bei besseren Bedingungen. Sowas weiß einer wie der Artur natürlich.

Es stimmt, Daniel Höflinger biegt um die Kurve, lässt sich feiern wie ein Olympiasieger und wird nach 2:27:27 endlich gestoppt. Wahnsinn! Äh, Allmächd muss ich ja sagen. Dem Teufelskerl sieht man die Anstrengungen überhaupt nicht an. Er hätte es gar nicht auf den Sieg angelegt. Als es so gut lief, hätte er gedacht, dann nehm ich ihn eben mit, gibt er zu Protokoll. Aber seine Freundin muss was geahnt haben. Sie hat das nicht ganz kussechte Lipgloss aufgetragen und zeichnet ihren Helden deutlich sichtbar auf besondere Weise aus. Vielleicht sehen wir Daniel Höflinger bei den Deutschen Meisterschaften in München wieder. Ursprünglich war ein Start nicht geplant. Aber jetzt überlegt er es sich, ob der das Studium etwas zurückstellt und dafür im Training eine Schippe drauflegt. Denn er hat’s gespürt: Allmächd, da geht noch was.

Das hoffe ich auch für mich. Denn nach Fürth komme ich wieder. Aber dann will ich laufen. 

 

Impressionen

 

Start

 

 

Stadtpark

 

 

Stadt

 

 

Ziel

 

 

Marathonsieger

 

Männer

1. Höflinger, Daniel  LAC Quelle Fürth 2:27:27
2. Liebelt, Peter BSG Neuburg-Herrenwörth 2:49:26
3. Gauder, Marcus  2:51:18 2

Frauen

1. Bittel, Silke TV Fürth 1860 3:12:15
2. Chernick, Dr.Erin  3:13:53
3. Schober, Anne  3:16:09

379 Finisher

 

Informationen: Metropol Marathon Fürth
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