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Laufberichte

Massenweise Grenzübertritte

 

Längst schon wollte ich diesen Marathon am Bodensee einmal laufen, ist es doch landschaftlich wunderschön da. Seit 2009 gibt es alljährlich Terminkollisionen mit anderen Marathons oder dem Salzkammergut-Cup. Marathons im Oktober gibt es ja wirklich in großer Zahl. Bis man die alle durch hat!

Prachtvolles Wetter empfängt mich am Samstag in Bregenz, der Landeshauptstadt von Vorarlberg. Die goldbraune Turandot-Kulisse der Seebühne im Kontrast zum wolkenlosen Himmel, dazu die Terrakotta-Krieger, wirklich, sehr beeindruckend. Diverse Schülerläufe gehen über die Bühne, derweil im Festspielhaus die Marathonmesse mit Pasta-Party stattfindet. Starter aus 41 Nationen sind angemeldet, erstaunlich viele aus China und Island.

Scheußliches Wetter am Sonntag. Aus den - laut Prognose - gelegentlichen Regenschauern am Vormittag ist stundenlanger Starkregen geworden. Die paar Meter vom Bregenzer Bahnhof zum Hafen genügen, um schon 3 Stunden vor dem Start nasse Schuhe und nasse Füße zu haben. Die „Vorarlberg“, die um 08h30 ablegt, um 20min nach Lindau rüber zu schippern, ist nicht einmal zu 10% besetzt. Ob heute einige lieber im Bett geblieben sind?

Sightseeing in Lindau ist bei dem Wetter gar nicht lustig, der starke Wind lässt einem die 11°C noch kälter empfinden. In der Startaufstellung stehe ich am 20m hohen Mang-Turm. Dieser steht weithin sichtbar seit dem 12. Jahrhundert da am Lindauer Haufen, ein Rapunzelzopf mit roter Masche hängt nun daran. Aus dem Beobachtungsturm ist ein Märchenturm geworden.

Der Regen peitscht von links heran, ich bin froh, als es endlich losgeht. Mehrere Countdowns erfolgen, bis sich mein Startblock in Bewegung setzt. Ich muss nur aufpassen, dass ich auf keine rutschige Regenschutzfolie trete, die liegen reichlich am Boden. Weil ich fürchte, meine Kamera wird dieses Sauwetter nicht überleben, bin ich heute "unbewaffnet" unterwegs. Ich bitte um Nachsicht.

Gleich nach der Startlinie liegt der Bahnhof, trotz des Wetters feuern uns beiderseits der Strecke enthusiastische Zuseher an. Die Luft jedenfalls ist sehr gut. Nach ein paar 100m blickt man in eine Senke und kann den bunten Läuferstrom vor sich bewundern.

Eine Zuseherin kann nicht verstehen, dass ich kurz/kurz laufe. Doch je mehr man anhat, umso mehr muss am Körper trocknen, wenn es denn zu regnen aufhört. Angeblich regnet es ja nicht durch.

Nach einem km geht es auf einer Brücke runter von der Insel rüber aufs Festland. Günter sehe ich da, wir wünschen uns das Wetter vom vorigen Sonntag in Ulm, da war es gut. Vielleicht eine Spur zu windig war es.

Dann führt uns die Strecke zwischen Eisenbahn und Schilf am Seeufer entlang. Die ersten paar km dürfte die Strecke ruhig etwas breiter sein. Ich bin ganz überrascht, als ich die 4h30-Schrittmacherin vor mir sehe, die hätte ich hinter mir vermutet.

„Villa Leuchtenberg“ steht da auf einem Schild, erstklassige Lage. Théodelinde, die Enkelin der französischen Kaiserin Joséphine, lebte darin bis zu ihrem frühen Tod 1857.

Schließlich bin ich am 4h30-Fähnchen vorbei. Nach 5km ist Bayern zu Ende, wir betreten „Land Vorarlberg“. Mein erster Marathongrenzübertritt seit Görlitz 2013. Da hat es auch geregnet. Durch die Wolken ist nun erkennbar, wo sich die Sonne gerade versteckt, das könnte noch was werden heute. Als die Strecke in Lochau breiter wird und Platz für die Fans ist, werden wir auch wieder angefeuert. Die markante Seebühne der Bregenzer Festspiele 3km vor uns ist bereits erkennbar.

In Bregenz bei km8 hört es auf zu regnen. Die Wolken über Liechtenstein und dem Rheintal sind schon im Sonnenlicht. Im Bregenzer Hafen liegen ein paar Ausflugsschiffe vor Anker, das Laufen durchs Zuseherspalier bereitet großes Vergnügen.  

56min habe ich für die ersten 10km gebraucht, es geht durch die Seebühne, deren Chinesische Mauer nun wie gestern wieder im Sonnenlicht erstrahlt. Sehr schön. Für die 1.360  ¼-Marathonis wird es Zeit abzubiegen, wir sind bereits beim Stadion. Ordner achten darauf, dass nur ja jeder die richtige Spur nimmt.  

Es geht unter Kastanienbäumen und Buchen weiter, rechts überm Bodensee Blick auf Lindau, das nun in der Sonne liegt. Was die ¼-Marathonis auch nicht mehr erleben: die Marathonstrecke führt weiter am Naturufer, Ende Asphalt, es wird matschig. Nicht so, dass man rutschen würde oder den Grip verliert, aber bei jedem Schritt spritzt der Schlamm bis in Kniehöhe und höher. Kein Problem, man gewöhnt sich daran, ist ja nicht für lange. Außerdem kennen meine Laufschuhe längst die Waschmaschine von innen, sie hat ihnen noch nie geschadet.

Bei km12 sehe ich den 4h15er-Schrittmacher mit seinem Pulk, bei km13 habe ich ihn überholt. Das passiert mir auch nicht oft.

Dann wieder Asphalt. Nach km14 laufen wir über die Bregenzer Ach und auf eine T-Kreuzung zu, die ist nicht zu überhören. Während die ½-Marathonis links abbiegen, bleiben die Volldistanzler auf der Strecke und laufen rechts. 86min für 15km, es geht weiter durch den Wald.

U-turn bei km16, ich sehe, dass die 4h15er-Gruppe nicht weit hinter mir ist. Wir verlassen das Seeufer, es geht ins Landesinnere. Beim Versorgungsposten bei km17 begegnen mir die drei in Führung liegenden mit den Startnummern 2, 3 und 4. In umgekehrter Reihenfolge werden sie aufs Siegerpodest laufen.

Es wird gegenwindig und es geht leicht bergauf. Kurz, es fängt an anstrengend zu werden. Da wo in Hard Anwohner sind, werden wir brav angefeuert. Im Gewerbegebiet ist es eher ruhig. Die Versorgungsposten kommen in kurzen Abständen und bieten alles, was man braucht.

Km19, rechts hinterm Damm der Neue Rhein, den wir schließlich überqueren, es geht rein nach Fußach, km20. Ich laufe viel schneller als ich sollte und versuche, wieder einmal ein Zwischenzeit beim HM unter 2 Stunden hinzukriegen. Das ist zwar nicht sehr klug, macht mir aber Spaß. Und deswegen bin ich schließlich hier.

Nun, es geht sich knapp nicht aus, dennoch brauche ich nach den ersten 21,1km erst einmal etwas Erholung.  Dumm nur, dass die Strecke die nächsten 3km bis zur schweizerischen Grenze stetig etwas ansteigt und der Wind hier furchtbar gut durchpfeift, von vorne.

Der Sonne entgegen geht es nach Höchst, da werden wir Richtung Grenzübergang geklatscht, km24. Einen freundlichen Empfang in der Schweiz bereiten uns zwei Mädchen mit einer Treichel (eine Art Kuhglocke) und einer Schweizerfahne, als wir über den Alten Rhein nach St. Margarethen laufen.

Bei km25 geht es unter der Eisenbahn durch, fünf Blechbläser schürzen ihre Lippen und legen los,  als ich vorbei laufe. Dann werden Erfrischungen gereicht, einen Streckensprecher gibt es, Musik und winkende Zuschauer. Dann sehe ich wieder den 4h15er Pacer, diesmal überholt er mich. Musste ja so kommen, ich bin mit meiner Regeneration noch nicht fertig. Zwei Buben, die auf roten 200-l-Stahlfässern sitzen und darauf trommeln, nicken mir aufmunternd zu. Oder ist es Headbanging zu ihrem Beat?

Km27, nach einer Unterführung geht es nun über die Autobahn A13 drüber. Wir machen zwar nur wenige km in der Schweiz, hier aber die meisten der insgesamt - zugegeben - wenigen Höhenmeter. Wir müssen das Land nicht hungrig verlassen, bevor es auf den Rheindamm rauf geht werden wir voll verpflegt und angefeuert. Ein „Good bye“-Transparent verabschiedet uns. So einen günstigen Schweizaufenthalt hatte ich noch nie!

Kurz darauf markiert ein Schild „Republik Österreich“ – „Staatsgrenze“ den Wiedereintritt nach Vorarlberg. Dieser Grenzübergang auf der Dammkrone ist nur für Fußgeher und Radfahrer.

Km29, wir laufen runter, nun quasi „hinterm Deich“. Schnurgerade geht es parallel zum Rhein dahin, die Verpflegung ist weiterhin erstklassig. Aufmunterungsschilder bieten Lesestoff.

Km 32, die Brücke, auf der wir über den Rhein laufen, kennen wir schon vom Hinweg. Beim Pflegeheim sind wir für einige Bewohner das Ereignis des Tages. Nicht zuletzt Dank der guten Versorgung, Sponser-Gel bei km34, kehren meine Kräfte zurück. Die 4h30er-Schrittmacherin will ich erst im Ziel wieder sehen.  

Eine zwölfköpfige Schafherde mäht die Böschung des Unteren Achdamms, wir laufen über die Bregenzer Ach nach Bregenz. Die Brücke schwankt gewaltig, ich bin überrascht. Liegt es an den Läufern oder an den Fahrzeugen?

Weiter nun im Schatten am rechten Flussufer Richtung See, es läuft nun wieder ganz gut bei mir. Bei km39 verlassen wir den Schatten, Neu-Amerika liegt in der Sonne. Konsequenterweise heißt der Campingplatz Mexico. Dann die letzte Labestelle nach km40 vor einem optischen Höhepunkt: Kloster Mehrerau, seit 1854 eine Zisterzienserabtei. Wir laufen durch den Park.

Bodenseeufer, noch anderthalb Kilometer geht es unter Bäumen dahin. Jetzt dauert es nicht mehr lange. Ein paar aufmunternde Worte höre ich noch vom Streckenrand und dass ich es schaffen werde. Ja, das denke ich auch. Dann bin ich am Parkplatz vom Casino-Bregenz-Stadion. Hansgrohe Dusch-LKWs bilden eine Wagenburg, im Stadion fragt Andreas Gabalier: „Wüst mit mir tanz’n geh’n?“

Außen um das halbe Stadion rum, erinnert mich an Sevilla, und dann vis-à-vis der Zielgeraden rein ins Stadioninnere auf die Tartanbahn, eine Wohltat für die Füße. Bei Postkartenwetter laufe ich die letzten 200m, wenn ich mich nicht verzählt habe, durch zehn aufgeblasene Torbögen, bis ich nach 4h22:49 netto im Ziel bin.

Eine originelle Finishermedaille bekomme ich und ein „Gratuliere, gut gemacht!“ Fantastisch, wie sich der Tag noch entwickelt hat, nachdem es morgens so ungemütlich gewesen war. Die Ziellabe, u.a. gibt es Mehlspeisen, entkernte Datteln, Erdinger alkoholfrei, nehme ich kaum in Anspruch, zu gut war die Versorgung schon auf der Strecke. Eigentlich bin ich pappsatt ins Ziel gekommen.

Mittlerweile ist das Wetter noch besser, als es in Ulm war. Jetzt kann man schöne Fotos machen, schöne Fotos von glücklichen und zufriedenen Menschen.

987 MarathonfinisherInnen    
2.479 Halbmarathonis

es siegten
Müller, Kathrin (GER)          2:50:46
Carl,  Monica (GER)           3:06:48
Kobs, Anja (GER)                 3:14:52
 
Dabi, Tadesse    (ETH)          2:13:43
Bett, Richard Kiprono (KEN)     2:15:59
Wangari, Peter Chege (KEN)       2:16:39

 

 

Informationen: Sparkasse 3-Länder-Marathon
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