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Laufberichte

Dornröschen und die Grüne Fee

20.06.09

Wenn ich jetzt ein Schnauben und Pfeifen höre, dann muss es von einem Läufer stammen. Die Museumsbahn Val de Travers führt in diesem Jahr nämlich keine Dampffahrten durch. Alle Zeit und Energie wird in den Ausbau des Museums in Saint Sulpice und den Unterhalt des Rollmaterials gesteckt, damit das kommende Jubiläumsjahr würdig gefeiert werden kann.

Nach einem weiteren Anstieg kann ich mich auf einer langen Strecke an zwei Läufern weiter vorne ausrichten und mich virtuell von ihnen ziehen lassen. Wenn da nicht ein weiteres Schild stehen würde, mit welchem ich mir zehn verbleibende Kilometer ausrechnen kann, hätte ich mittlerweile auch das Gefühl für die Distanz verloren. Die Landschaft nehme ich nur noch als wechselnde grüne Kulisse war, Details kann ich mir nicht einprägen. Meine Konzentration gilt meinen Füßen und einem möglichst sicheren Schritt.

Den brauche ich auf den letzten vier Kilometern ganz besonders. Nach leichtem Gefälle muss noch eine Straße überquert werden und dabei komme ich in den Genuss eines Autocorsos einer Hochzeitsgesellschaft. Aufgehalten durch die Streckenposten werden nicht nur für das Hochzeitspaar, sondern auch für die Läufer, die hier kurz nacheinander passieren, kräftig die Hupen gedrückt.

Und dann müssen auf kurzer Strecke die letzten dreihundert Höhenmeter abgebaut werden. Dadurch scheinen die einzeln ausgeschilderten Kilometer wieder länger zu werden. Eingangs Couvet, gleich bei der Eisenbahnbrücke, steht das letze Schild.

„Für heute reicht es“, denke ich, als ich im Zickzack durch das Dorf zur Hauptstraße laufe.  „Wie wird die Streckenführung beim Sportzentrum sein? Ums Gebäude herum, mit Schlussrunde auf der Leichtathletikbahn?“ frage ich mich beim Anblick des nahen Zielgeländes. 

Die Antwort ist eine milde: Ich werde auf direktem Weg aufs Gelände geleitet, wo es nur noch ein paar Meter bis zur Ziellinie sind. Geschafft! Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass ich die angestrebte Zeit von zehn Stunden mehr als erreicht habe. So gut, dass ich mir fast schon vorwerfen will, an den Verpflegungsposten zu viel Zeit liegen gelassen und deshalb das Unterbieten der neun Stunden verpasst zu haben. „Moment mal“ sage ich mir, „ich bin in der privilegierten Lage, dass mein Körper mich eine solche Strecke ohne Beschwerden laufen lässt, und dazu habe ich eben eine hochkonzentrierte Gabe Natur verabreicht bekommen – da kannst du mehr als zufrieden sein!“

Ein bisschen hadere ich dann doch. Warum finden sich nur hundert Teilnehmer ein, um diesen gut organisierten Lauf durch eine eindrucksvolle Landschaft zu erleben. Warum gibt es nicht mehr Läufer, die diese Schönheit wachküssen? Die paar Dornen, die einem dabei im Weg sind, stehen in keinem Verhältnis zu dem Gewinn.

Vielleicht ist es aber auch besser, wenn Dornröschen nicht wachgeküsst wird. Solange geschlafen wird, gibt es auch Träume. Und dieser Traum muss bleiben!

P.S. Erst als der Titel schon aufgeschaltet war, habe ich gesehen, dass Dornröschen schon einmal in einem Laufbericht über den Défi als Referenz herhalten musste. Zufall ist das sicher nicht.

 
 

Informationen: Swiss Canyon Trail
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